Ein länderübergeifendes Geschacher um den begehrten Platz an der Sonne. Was für ein Spinnennetz aus Wissen, Halbwissen und Nichtwissen rund um den Familiennachzug. Und um den Asylstatus in Deutschland. Also zunächst einmal um diesen begehrten Kundenstatus beim Jobcenter.
Erinnern Sie sich noch an diese düsteren Zeiten, als so viele besorgte Deutsche glaubten, es gäbe ein Problem mit Masseneinwanderung? Würde man heute den prominenten Teilnehmern der öffentlich-rechtlichen Talk-Gemeinde Glauben schenken, löst sich gerade alles in Wohlgefallen auf. Die Gemeinden vermelden leere Turnhallen, die Integration ist bereits in vollem Gange. Also fast überall, nur nicht in Bautzen. Da, wo sich ostdeutsche Obelixe mit zweifelhafter Gesinnung gegen die Römer wehren, die ja eigentlich Syrer, Iraker und Afghanen sind oder doch nur Rumänen, Bulgaren und Ukrainer.
Nun gestaltet es sich für besorgte deutsche Einheimische immer schwieriger, überhaupt kritisch nachzufragen. Beispielsweise nach den Regelungen im Familiennachzug. Wer weiß schon, welchen Status diese Nachgereisten nach Ihrer Ankunft haben. Und zahlt Deutschland eigentlich die Flugtickets für diese Nachzügler über deren Zahlen wilde Spekulationen kursieren? Aber dazu später.
Wenn das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, kurz BAMF, aktuell seine Internet-Plattform mit einem Banner schmückt, wie man Geschenke mit Schmuckschleifen verziert, schön bunt und einladend, und wenn dieses Banner titelt: „Vielfalt. Das Beste gegen Einfalt.“ Dann könnte man glauben, dass wir es hier mit einem Bundesamt für Welcome-Politik zu tun hätten. Denn frei übersetzt titelt man da ja: „Vielfältige multikulturelle Einwanderung. Das Beste gegen einfältiges Deutschsein.“ Eine Initiative übrigens der Deutschen Bischofskonferenz (DBK), der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) und der Griechisch-Orthodoxen Metropolie. Besucher der Website können Bilder zum diesjährigen Fotowettbewerb einreichen. „Das Foto soll ihre eigene Idee zum Motto „Vielfalt. Das Beste gegen Einfalt“ zeigen.“ Also noch mehr Selfies mit Kanzlerin?
Geburtsstunde des humanitären Imperativs
Das muss man sich mal vorstellen: Immerhin befinden wir uns hier auf der Website eines deutschen Bundesamtes. Was hat dort so ein Kirchenwerbebanner verloren? Dabei hatte sich das BAMF doch gerade erst mit diesen Kirchen herumgestritten, als es um Kirchenasyl ging, diese religiös begründete Umgehung des Asylrechts. Um hier das Verfahren für die Interimskirchenbewohner zu erleichtern, beschloss man dann eine neue zusätzliche Kommunikationsstruktur zwischen Landeskirchen und BAMF. Sonderregeln für Kirchen also. Innenminister Thomas de Maiziere war sauer und verglich anschließend das Kirchenasyl mit der Scharia. Nichts dürfe über dem Gesetz stehen.
Wie die Kirchen damals argumentierten, ist leider ein wenig untergegangen in der allgemeinen Einwanderungsverunsicherung: Tatsächlich erklärte man, das Kirchenasyl nicht mit weltlichem Recht konkurriere, sondern diesem im Gegenteil sogar Geltung verschaffe. „Wo der staatliche Schutz der Menschenrechte versagt, müssen einzelne Bürger eintreten.“ Die Geburtstunde der Zivilgesellschaft 2.0 als energisches Regulativ der Flüchtlingskrise.
Und die Geburtsstunde des humanitären Imperativs, der über diesen menschenfeindlichen Gesetzen steht, denen dann an anderer Stelle allerdings wieder als einzig beständigem deutschem Wertefundament gehuldigt wird. Ganz schön schizophren.
Die Wirtschaftswoche empörte sich und schrieb: „Merkel spricht vom „humanitären Imperativ“ ihrer Politik. Was für ein Hohn. Nähme Merkel ihren Selbstanspruch ernst, müsste sie auf die sofortige Einrichtung eines Fährbetriebs zwischen der Türkei und den griechischen Inseln pochen.“
Was für eine Gemengelage! Focus berichtete: „ Merkel berät mit Vertretern der Zivilgesellschaft Lage in Türkei“ Aber ist nicht Merkel die gewählte Vertreterin der Zivilgesellschaft? Schließlich wurde sie ja nicht vom Militär an die Macht geputscht.
Wer weiß es: Heißen Asylantragsteller beim BAMF eigentlich auch schon „Kunden“? So wie Arbeitslosengeld- und Hartz4 Empfänger beim „JobCenter“? Der Kunde ist ja bekanntlich König. Also sollte auch der rote Teppich nicht weit sein. Vor den Gebäuden der Hartz4-Ämter allerdings stehen heute gut gepolsterte Türsteher und keine Herolde, mit der Aufgabe versehen, die Ankunft jedes neuen Kunden erfreut zu proklamieren.
Na, das kann was werden, wenn schon so viele Ihre Pässe verlieren, wie wird das erst mit diesen Akten von Antragsformularen werden, die auszufüllen schon einen deutschsprachigen Hartz4-Antragsteller oft heillos überfordern können. Der Hauptantrag umfasst bereits sechs Seiten. Die Ausfüllhilfe dazu: zwölf Seiten. Und damit ist gerade erst der Startschuss im Formulardschungel gefallen, wie die T-Online weiß.
Wer es nicht begreift, sammelt Flaschen?
Man weiß ja längst, wie viele Bedürftige hier scheitern und ihr Heil im Flaschenpfandsammeln suchen müssen. Wird das auch die Lösung der Zukunft sein für die Bewältigung der kommenden Hartz4 Anträge, wenn hunderttausende anerkannten Asylbewerber Schlange stehen? Wird man die Formulardichte einfach noch einmal erhöhen, um so das nicht vorhandene Geld einzusparen? Wohl eher nicht. Da steht dann wieder Merkels humanitärer Imperativ (HI) im Wege, von dem Jobcenter-Kunden wohl noch nie etwas gehört haben. Wie war das eigentlich bisher mit dem HI für deutsche Bedürftige?
Aber kommen wir noch mal zum Anfang zurück, zu der Frage, ob sich nun alles in Wohlgefallen aufgelöst hätte. Oder ob die nächste große Flüchtlingswelle über den Familiennachzug sogar von Staatswegen organisiert wird oder werden muss. Dieser Nachzug ist ja rechtlich einwandfrei geregelt. Die ZEIT titelte also im Juni, „500.000 Familienangehörige aus Syrien erwartet“. Aber wer bezahlt die Tickets, wenn doch das Geld der Familien gerade dafür ausreichte, die Schlepper zu bezahlen für eine Person?
Wie ProAsyl weiß, bekommen immer mehr Syrerinnen und Syrer „nur“ subsidiären Schutz. Aus gutem Grund, erklärt die NGO, denn im Asylpaket II welches im März 2016 in Kraft trat, wurde eine Aussetzung des Familiennachzugs für subsidiär Schutzberechtigte festgehalten.
Stellen wir uns mal ganz naiv und rufen deswegen bei der BAMF an. Und dann staunt man schon, wie schnell, wie freundlich und ausführlich man dort als einfacher Anrufer behandelt wird. Schon nach wenigen Sekunden ist man mit einer netten und kompetenten Mitarbeiterin verbunden, fast so, als gäbe es dort alles andere, nur kein Personalproblem. Fragen werden sachkundig und ausführlich beantwortet.
Zunächst einmal erfährt man, dass die Dame am anderen Ende ziemlich sicher sei, dass Familienangehörige im Familiennachzug automatisch den gleichen Status erhielten. Nach Anerkennung des Asylbewerbers ging die Zuständigkeit ja an die Länder über. Die erteilen dann die Aufenthaltsgenehmigung via Ausländerbehörde.
Erst werden Zuwendungen halbiert, dann Tickets verteilt
Was die Familienangehörigen betrifft: Wenn diese innerhalb der ersten drei Monaten nach Anerkennung des Familienmitglieds in Deutschland ihren Antrag bei der jeweiligen deutschen Botschaft stellen, brauchen sie keine sonst üblicherweise verlangten Deutschkenntnisse vorweisen. Nein, was die schwierige Frage der Überführungskosten anginge, würde Deutschland nicht automatisch die Reisekosten finanzieren. Die Nachzügler wären da selbst verantwortlich. Das zu unterstützen, dafür seien dann eher Hilfsfonds und internationale Organisationen wie beispielsweise der UNHCR zuständig.
Das muss man sich einmal vorstellen. Die UNHCR war doch mit verantwortlich dafür, dass vor der großen Flüchtlingskrise die eh schon spärlichen Zuwendungen für Flüchtlinge in den Lagern noch einmal halbiert wurden. Und dieser Organisation vergibt nun im Nachgang die Tickets für den Familiennachzug nach Deutschland?
Wer könnte es sonst wissen? Sicherlich Frau Sevim Dağdelen, die ist ja immerhin MdB für die Linke seit 2005 und außerdem Mitbegründerin des Bundesverbandes der Migrantinnen in Deutschland. Sie ist Fachfrau der Linken, wenn es um Asylfragen geht. Und sie hat in ihrem Büro drei männliche (!) Mitarbeiter beschäftigt, die man ja einfach mal anrufen und befragen könnte. Ja, der wirklich nette Kollege dort meint ebenfalls, der Familiennachzug bekäme wohl den gleichen Aufenthaltstatus wie der Angehörige.
Der Kollege meint aber auch, dass das neue Asylpaket II faktisch bedeutet, dass Flüchtlinge mit eingeschränktem Aufenthaltsstatus, mit dem so genannten subsidiären Schutz (diese Aufenthaltsform erhalten immer mehr Asylbewerber) zunächst Ihre Familien eben nicht nachholen könnten. Er meint zu wissen, dass alleine im Libanon über eine Million Syrer lebten, von denen wohl etliche schon länger auf diesen Familiennachzug warten würden. Aber die Verfahren vor Ort bis zur Visums-Erteilung durch die deutschen Botschaften bräuchten leider immer noch ihre Zeit. Und es würde nicht danach aussehen, als wäre man besonders bemüht durch Personalaufstockung hier Abhilfe zu schaffen. Also mehrere Fallstricke gleichzeitig.
Ärzte bleiben in der Türkei
Nun fragt man sich, wo das alles hinführen soll. Werden irgendwann Syrer, die hier Schutz genießen, wieder in den Libanon zurückkehren müssen zu ihren immer noch wartenden Familien? Was wäre für diese Familien dann gewonnen? Wovon leben die bis dahin? Und wie sieht es mit den Syrern aus, die in der Türkei auf ihre Familienzusammenführung warten? Wäre beispielsweise der Vater oder die Mutter eines Minderjährigen Syrers in Deutschland Arzt, ließe Erdogan diese Menschen heute überhaupt nicht mehr ausreisen, ob die nun eines der begehrten deutschen Visa nach langer Wartezeit bekommen hätten oder nicht. Denn die Türkei hat gerade erst dem UN-Flüchtlingshilfswerk (UNHCR) offiziell mitgeteilt, dass syrische Akademiker nicht einmal mehr über den so genannten 1:1-Mechanismus ausreisen dürften.
Das Bundesministerium teilte dazu lapidar mit: „Da sind Anlaufschwierigkeiten normal und werden mit den Beteiligten besprochen.“ In der Regel entscheidet das UN-Flüchtlingshilfswerk, welcher Flüchtling für eine Einreise infrage kommt“, berichtet die ZEIT. Und laut Spiegel hat sich die türkische Regierung jedoch zusichern lassen, dass ihr Innenministerium eine erste Auswahl treffen darf, über die dann das UNHCR entscheidet. UNHCR-Mitarbeiter hätten inoffiziell berichtet, dass das Flüchtlingshilfswerk die Listen der türkischen Regierung nur noch abstempele.
Was für ein länderübergeifendes Geschacher um den begehrten Platz an der Sonne. Was für ein Spinnennetz aus Wissen, Halbwissen und Nichtwissen rund um den Familiennachzug. Und um den Asylstatus in Deutschland. Also zunächst einmal um diesen begehrten Kundenstatus beim Jobcenter. Na, herzlich willkommen.
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Unglaublich verkünstelt geschrieben. Die Sätze sind übersäht mit Metaphern und zeigen kaum Inhalt. Anfängliche Fragen werden erst nach mehreren DinA4 Seiten beantwortet, dazwischen Neologismen und Wortmalerei in einer unzumutbaren Zahl. Ein außergewöhnlicher Artikel – leider nicht im positiven.