EU-Operation Sophia bekämpft keine Schleuser, sondern hilft ihnen

Die Mission Sophia soll in Brüssel wieder als etwas deklariert werden, was sie nach Einschätzung fast aller involvierten Parteien nicht ist und nie gewesen ist: eine Sicherung der Außengrenzen.

FEDERICO SCOPPA/AFP/Getty Images

Markus Söder, Horst Seehofer und weitere Unionspolitiker beanspruchen für sich, eine Art Renaissance des gesunden Menschenverstands eingeleitet zu haben. Gleichzeitig erklärte die Spiegel-Journalistin Melanie Amman gerade bei Maischberger die „Willkommenskultur” für „erloschen“.

Die Macht der Betroffenheit dieser „Willkommenskultur” bekommt auch deshalb tiefe Risse, weil sich das ultimative Argument, Gutes zu tun, zunehmend auch an den Ergebnissen und Folgen der guten Taten messen lassen muss. Aktuell im Fokus stehen hier die Bilanz und die Folgen der Rettungsaktionen von Schiffen auch deutscher Nichtregierungsorganisationen (NGO) vor der libyschen Küste, die unterstützt werden u.a. von der Evangelischen Kirche Deutschlands, die – um nur ein Beispiel zu nennen – auch den Einsatz eines Flugzeugs durch die NGOs vor der Küste finanziell unterstützen.

Hü und Hott
Befeuert von Push- und Pull: Zuwanderung über zentrale Mittelmeerroute
Die große Ernüchterung, das Ende der Euphorie der Gutmeinenden verläuft allerdings nicht ohne kleinere und größere Scharmützel, nicht ohne dieses letzte hektische Flackern der erlöschenden Flamme unter dem Eindruck, dass sich die Gegner offener europäischer Grenzen in der EU formieren. Auf der einen Seite die NGOs mit ihren Schiffen vor der libyschen Küste, die privaten Stiftungen wie Bertelsmann und Co mit ihren „Willkommenskultur” begleitenden Studien, die EU-Kommission, der UNHCR, die Kirchen, die Kanzlerin als Patin dieser „Willkommenskultur” und die Grünen, die Linken und Sozialdemokraten als ihre parlamentarischen Stützen.

Und auf der anderen Seite bekommt die Visegrád-Gruppe aus den mitteleuropäischen Staaten Polen, Tschechien, Slowakei und Ungarn nun Unterstützung aus Österreich, Italien und Bayern. Offensichtlicher kann man den fliegenden Zerfall der Idee eines EU-Europas von Merkels Gnaden kaum vorstellen.

Ein weiteres Indiz für ein Umdenken wird auch dort erkennbar, wo die
Allianz der Unterstützer der Fluchtroute Mittelmeer bröckelt. Zwar wurden die militärischen Operationen vom deutschen Parlament noch einmal trotzig verlängert, aber die Regierung konnte den Vorwurf nicht entkräften, EUNAVFOR MED/ Operation Sophia würde seinem eigentlichen Auftrag nicht nachkommen, Schleppernetzwerke einzudämmen, vielmehr sei die Operation selbst schon zu so etwas, wie einem alternativen Fluchthilfenetzwerk für das Mittelmeer geworden. Die Bundeswehr unter der Regie von Ursula von der Leyen verbreitet davon unbeeindruckt weiterhin die gutmeinende Botschaft, die Operation Sophia richte sich gegen Schleusernetzwerke. Der Kernauftrag sei die Unterbindung der Menschenhandelsnetzwerke.

Rechtsfreier Raum?
Seeschlacht im Mittelmeer
Tatsächlich hat die Großoperation aus deutscher Sicht gerade einmal 140 Verdächtige für kurz oder länger festsetzen können und wohl nach Selbstauskunft der Bundeswehr zwei kleinere Boote mit Außenbordmotor beschlagnahmt. Besonders erstaunlich: Die Bundeswehr mag kein Problem darin erkennen, im Rahmen der Operation Sophia eine Art Zusammenarbeit mit den NGO-Schiffen auszuweisen, wenn sie schreibt:

„An der Operation Sophia beteiligen sich 25 europäische Nationen mit durchschnittlich 1.200 Soldaten und Zivilpersonal. (…) Im Seegebiet befinden sich weitere Schiffe und Boote mit unterschiedlichem Auftrag. Es handelt sich dabei sowohl um Schiffe oder Verbände, die rein national geführt werden, um Schiffe und Boote in der Frontex-Operation Triton und um solche von privaten Initiativen und Nichtregierungsorganisationen.“

Schon die Namensgebung „Sophia“ soll Beleg genug sein, dass es hier tatsächlich vielmehr um die Unterstützung der Zuwanderungsroute „Mittelmeer“ nach Europa geht. „Sophia“ ist der Name eines somalischen Mädchens, das „an Bord der Fregatte „Schleswig-Holstein“ zur Welt kam – des ersten Kindes, das an Bord eines Schiffes der Bundeswehr geboren wurde.“

Gegenüber den 140 Festnahmen und zwei aufgebrachten Außenbordmotorbooten stehen bisher ca. 50.000 „aus Seenot gerettete” Migranten. Migranten, die nicht etwa an die libysche Küstenwache übergeben, sondern nach Europa verbracht werden. Die Medien wollen das freilich unverdrossen anders sehen, wenn die Zeit noch im November 2017 titelte: „Operation Sophia: Auf Schleuserjagd“.

Ausgerechnet ProAsyl berichtet ausführlich über das Versagen der Operation bei der Bekämpfung von Schleusernetzwerken, wenn die NGO schreibt: „Bei den allermeisten Festgenommen handelt es sich nicht um Hintermänner oder Mitglieder von Schleuserbanden – sondern schlicht um Flüchtlinge, die beispielsweise das Schiff steuerten und dafür umsonst mitfahren durften“. Weiter heißt es dort: „In der Bekämpfung krimineller Schleuserbanden hat die Operation rein gar nichts bewirkt.“

Zu dem Schluss kam schon Anfang 2016 ein Bericht des britischen Parlaments, der befand, dass die EUNAVFOR MED Operation ein völliger Fehlschlag sei und sich zum Magneten für Migranten entwickelt habe und Schmugglern das Geschäft erleichtere.

Die Jungen Europäischen Föderalisten, ein transnationaler Jugendverband, bei der schon die Grüne Petra Kelly, Jo Leinen und Rudolf Seiters Mitglied waren, schreibt jüngst über die Operation Sophia: „Die Operation hätte die Krise bewältigen müssen, und nicht einer der vielen Seenotrettungsmissionen werden.“ Fazit der Jugendorganisation: „53.842 von europäischen Kriegsschiffen geretteten Migranten sind im Jahr 2015 in italienischen Häfen gebracht worden, 181.436 im Jahr 2016 und 119.369 im Jahr 2017. Anfang 2018 sind die Landungen im Vergleich zum selben Zeitraum der letzten zwei Jahren schon über 14 Prozentpunkte gestiegen.

Zwar hatte sich Italien noch 2015 damit einverstanden erklärt, im Rahmen der Operation Sophia „gerettete Flüchtlinge” aufzunehmen, „damals sei (aber) nicht absehbar gewesen, dass die für den Kampf gegen Schleuserkriminalität entsandten EU-Schiffe mehrere zehntausend Menschen aus Seenot retten würden. Im ersten Halbjahr 2017 kamen so mehr als 93.000 Menschen an der italienischen Küste an.

Kommentare und Hinweise der Leser
NGOs und Schleuser im Mittelmeer ll
Hierzu muss man wissen, dass die „Seenotretter“ der NGOs nicht im Regelfalle Migranten aufnehmen und nach Europa bringen. Diese Schiffe haben eher die Funktion von Spähern, die die Schlauchboote ausmachen, auf See betreuen und an die Seenotzentrale in Rom (MRCC Rom) melden, die dann die nächstgelegenen Schiffe mit der Seenotrettung beauftragen muss. Offensichtlich sind das in diesem Falle in großem Umfang die Schiffe der Operation Sophia, wenn die Seenotleitstelle ebenfalls die Arbeit der Operation Sophia in dieser Sache koordiniert.

Die italienische Regierung hat dieses Problem durchaus erkannt und wollte Mitte Juli 2017 die Operation Sophia auslaufen lassen. Die deutsche Bundesregierung war anderer Auffassung und stellte sogleich eine Unterstützung Italiens in Aussicht, während der österreichische Bundeskanzler Kurz (damals noch Außenminister) weiterhin als stärkster Gegner der Operation galt.

Illegal unter niederländischer Flagge
Italien beschlagnahmt zwei NGO-Schiffe
Zwei Tage vor Ende der Mission gab Italien seinen Widerstand auf, nachdem die EU-Kommission weitere 100 Millionen Euro Hilfe zusagte. Die deutsche Kanzlerin hatte sich also durchgesetzt. Aber es blieb nicht bei finanziellen Hilfen: Die Zahlungen waren mit der Zusage verbunden, die Umsiedlung von Neuankömmlingen aus Italien in andere EU-Länder zu beschleunigen. Die Brisanz des Masterplans des deutschen Innenministers wird hier noch einmal deutlicher: Denn diese Zusagen werden kaum einzuhalten sein, wenn Seehofer sich mit seinen Grenzabweisungen durchsetzt und Sebastian Kurz seinerseits an der Grenze zu Italien Migranten abweist.

Nach aktuellen Meldungen soll sich nun der italienische Innenminister Matteo Salvini über die Arbeit der NGO-Schiffe vor der libyschen Küste empört haben. „Diese Schiffe sind keine Helfer, sondern unterstützen den Menschenhandel. (…) Diese Pseudo-NGOs werden nie mehr Zugang zu den italienischen Häfen haben“, teilte der Minister via Facebook mit.
Wird er seinem an der Operation Sophia beteiligten Millitärs, der Luftwaffe und Marine etwa nun ebenfalls den Zugang zu ihren Heimathäfen verwehren?

Nun berichtet der Spiegel aktuell über die im Vorfeld bereits vorbereitete Abschlusserklärung zum von Kanzlerin Merkel eiligst einberufenen EU-Gipfel:

«Neben allerlei Prosa zu den großen Erfolgen etwa der Mittelmeer-Marine-Operation Sophia vor der Küste Libyens, sonstigen Vorhaben zur Sicherung der Außengrenzen und einem Bekenntnis „zum vollen Respekt für das Recht auf Asyl“, nimmt das vierseitige Papier („first draft“) auch zu den Knackpunkten der deutschen CDU-CSU-Debatte Stellung.»

Die Empörung einiger Mitgliedsstaaten, unter ihnen auch Italien, über diese unter der Regie der Kanzlerin vorbereitete Abschlusserklärung ist also doppelt verständlich: Zum einen aus sich heraus, weil so eine vorgefertigte Erklärung den Gipfel selbst zur Farce macht, aber im Detail auch dann, wenn hier die Mission Sophia wiederholt als etwas deklariert werden soll, was sie faktisch und nach Einschätzung fast aller involvierten Parteien nicht ist und nie gewesen ist: eine Sicherung der Außengrenzen.

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Kommentare ( 41 )

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manfred_h
5 Jahre her

EILT

Dienstag 21:09 – ntv Lauftext

Lese grad nebenbei folgende Meldung:

„Chaos auf der „Open Arms“!
Ital Justiz ordnet Beschlagnahme der „Open Arms“ an

Die „Flüchtlinge“ werden per spanische Marine nach Spanien(Palma?)
gebracht.

ENDE!

> Meine erste Meinung:
Gut so das die „Open Arms“ an der Kette liegt und hoffentlicht für lange nicht mehr auf See raus kann.

Und die Beschlagnahmung könnte vllt mit der span Regierung abgesprochen sein da die „Open Arms“ unter span Flagge fährt und weil die span Marine eingeschaltet ist. So vermute ich einfach mal.

Stephan Kurz
6 Jahre her

Eine Operation, und noch dazu eine ja zumindest teil-militärische (Eine solche ist „Sophia“), muss auch während ihres Verlaufs, auf ihre Sinngaftigkeit überprüft werden bzw. nachweisen, welche Erfolge, sie im Sinne ihres Auftrages, verbuchen kann.
Ist die Sinnhaftigkeit nicht gegeben, im Sinne des Auftrags, und die Erfolge, im Sinne des Auftrags, nicht vorhanden, – so muss gerade auch bei Streitkräften, die von Demokratien, bzw. deren Parlamenten (Auftrag, Auftragserteilung) beauftragt werden, selbiger Auftrag, entweder zurück gezogen oder, die Kräfte, im Sinne des eigentlichen Auftrags (Schlepperbekämpfung !), nachweislich, eingesetzt werden.
Vielen Dank, Herr Wallasch, für Ihren investigativen Journalismus !

benali
6 Jahre her

Herr Wallasch, jetzt zeigen sich die Folgen inkompetenter Politik in vollem Ausmaß. Das Konstrukt Schengen 1 – ∞ ist und bleibt ein Beweis dafür, dass in der EU Dummheit offenkundig eine Voraussetzung für hoch dotierte Posten ist. Nichts, aber auch gar nichts an diesen Abkommen deutet darauf hin, dass sich ein Verantwortlicher Gedanken darüber gemacht hat, wie das zu Papier gebrachte in der wirklichen Welt funktionieren soll. Das Abkommen ist von 1985. 33 Jahre später fällt den EU Verantwortlichen auf, dass sie für die Sicherung der Außengrenzen fast nichts richtig gemacht haben. Wenn es dieses Irrenhaus EU nicht schon gäbe,… Mehr

Johann Thiel
6 Jahre her

Nein, damit Letztere bald abgelöst werden. Es handelt sich nämlich keinesfalls um Schnarchnasen, sondern um Verräter am eigenen Volk, die im Begriff sind die Seiten zu wechseln um sich damit in Sicherheit zu bringen.

Brandanus
6 Jahre her

Hermine Poschmann, für die Crewauswahl und das Graphikdesign bei MISSION LIFELINE verantwortlich, sagt auf mission-lifeline.de doch recht deutlich, worum es geht: „In Zeiten der Ausbeutung und des Überflusses gibt es nur noch wenige Beschäftigungsfelder, die unsere Gesellschaft tatsächlich zukunftsfähig machen – Humanitäre Hilfe ist eines davon und wichtiger denn je!“ Das Ganze ist also als „Beschäftigungsfeld“ zu verstehen. Man könnte auch sagen: ein Geschäftsmodell und ein Teil dessen, was inzwischen so treffend als „Helferindustrie“ bezeichnet wird.

teufelsknecht
6 Jahre her

Haben die NGO Schiffer so viel Urlaub oder arbeiten sie nicht?

Contra Merkl
6 Jahre her
Antworten an  teufelsknecht

Das sind Studenten die mal ein Semester frei machen.
Auf so einem Schiff spielen die den Samaritter und machen Abenteuerurlaub. Per Bürgschaft sollte man denen ihre Urlaubsmitbringsel kostenpflichtig auferlegen. Auch die Unterbringung in der Studentenbude.

Heinrich Niklaus
6 Jahre her

Das Europaparlament hat mit den Stimmen der CDU/CSU eine Entschließung zum Fortschritt der globalen UN-Pakte für Migration verabschiedet.

In der Entschließung heißt es unter 5.: „Das EU-Parlament betont, dass in den grundlegenden internationalen Menschenrechtsverträgen die Rechte aller Menschen, einschließlich Migranten und Flüchtlinge, unabhängig von ihrem Rechtsstatus, anerkannt und die Staaten verpflichtet werden, sie zu achten, einschließlich des fundamentalen Grundsatzes der Nichtzurückweisung.“

„Der fundamentale Grundsatz der Nichtzurückweisung.“

Mich wundert wirklich, dass diese klaren Zielsetzungen der EU und der UN hier in Deutschland nicht öffentlich debattiert werden. Ich vermute deshalb, dass das Geschwätz von „2015-darf-sich-nicht-wiederholen“ nur zur Tarnung der wahren Absichten dient.

reiner
6 Jahre her

Wer bezahlt eigentlich diese Schleusermasche?
Wenn ich die vollbesetzten Boote sehe wo jeder eine Schwimmweste trägt,die normalerweise schon gar nicht von schwarz Afrikanern zu bezahlen ist.
Es sieht echt nach einer Flutung der EU aus.

Ruud
6 Jahre her
Antworten an  reiner

Zahlst Du Steuern? – Dann Du!

Contra Merkl
6 Jahre her
Antworten an  reiner

Für Schwimmwesten und Schlauchboote hat sich im türkischen Hinterland eine Industrie für Einwegprodukte etabliert. (Schlechte Qualität ) Die aussenborder sind alte gebrauchte oder wenn neu dann chinesische Billigprodukte. Die Schlauchboote werden auch gerne zurückgebracht von den NGO. Die Freuen sich ja immer wieder neu Retten zu können.

Ist wie ein Brandstifter in der Feuerwehr, der sich beim löschen erfreut.

Babylon
6 Jahre her

Merkel riskiert das Zerreißen der EU, um ihre Pläne durchzusetzen. Innenpolitsicsh in Deutschland könnte der Fahrplan folgendermaßen aussehen. 1. Der EU-Gipel Ende des Monats bringt nichts „Wirkungsgleiches“ zustande. 2. Innenminister Seehofer startet seinen Maßnahmenkatalog inc. Punkt 63 3. Die Kanzlerin entläßt Seehofer. Die CSU scheidet aus der Koalition aus. 4. Im September werden Neuwahlen angesetzt. Plan der Kanzlerin ist eine Koalition aus CDU, SPD und Grün, wobei die CDU noch zu entscheiden hätte ob Merkel weiterhin Kandidatin bleibt oder Volker Bouffier ins Spiel, der dann allerdings in Hessen keine Rolle mehr spielen könnte. Jens Spahn wird ausgebootet. 5. Der CSU… Mehr

Karl M.
6 Jahre her

„zum vollen Respekt für das Recht auf Asyl“
So schnell wie einem der Sand in die Augen fliegt kann man ihn gar nicht rausreiben.