Thüringer Journalisten fallen immer wieder durch ihre enge Zusammenarbeit mit der Landesregierung auf: Quellen werden durchgestochen, Medienleute werden zu Hilfspolizisten. Wie kommt das?
Nicht weniger als die heimliche Zusammenarbeit von MDR-Journalisten mit dem Verfassungsschutz – samt Verrat eines Whistleblowers: Das steht im Zentrum eines Skandals um den Thüringer Verfassungsschutz-Chef Stephan Kramer.
Nach Recherchen von Apollo-News steht der Verdacht im Raum, dass Axel Hemmerling und Ludwig Kendzia – zwei Journalisten des Mitteldeutschen Rundfunks (MDR) in Thüringen – eine Quelle aus dem Thüringer Verfassungsschutz an ebendiese Behörde bzw. deren Präsidenten Kramer verraten haben. Dem Whistleblower soll in der Folge gekündigt worden sein.
Zweifellos gibt es gute Journalisten auch in Thüringen: solche, die um die besondere Verantwortung einer „Vierten Gewalt“ wissen. Solche, die wissen, dass das Grundgesetz sie mit besonderen Rechten ausgestattet hat – und die wissen, dass das umgekehrt auch eine besondere Verpflichtung bedeutet. Gerade deshalb wären die Vorgänge um die MDR-Leute Hemmerlich und Kendzia – wenn die Fakten denn zutreffen – ein besonders verwerflicher Skandal.
Haben die beiden Journalisten dem Thüringer Verfassungsschutz (bzw. dessen Präsidenten Kramer) wirklich einen Whistleblower aus der Behörde verraten? Und wurde der deshalb wirklich gefeuert? Auf Anfrage von „Tichys Einblick“ schickt der MDR eine Standard-Antwort:
„Wir gehen diesem Vorgang nach. Der MDR steht in seiner Angebotsvielfalt für ausgewogenen und zuverlässigen Journalismus, der den Grundprinzipien des journalistischen Handwerks folgt. Dazu zählt neben anderen Kriterien die Sorgfalt in der Recherche beim Umgang mit Fakten und Quellen.“
Gemessen an der Schwere der im Raum stehenden Vorwürfe gegen die MDR-Mitarbeiter darf man diese nichtssagenden Worthülsen getrost als „ungenügend“ bezeichnen.
Wenn sich – worauf alles hindeutet – die Vorwürfe gegen Hemmerling und Kendzia erhärten, dann stellt sich sofort die Frage, wie so etwas überhaupt passieren kann. Woher kommt diese Abkehr vom journalistischen Ethos, gipfelnd im mutmaßlichen Bruch des Quellenschutzes?
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Das alles kommt nicht aus heiterem Himmel. Die höchst fragwürdige Zusammenarbeit zwischen Medienmitarbeitern und der Polizei hat in Thüringen sozusagen Tradition. Man erinnert sich zum Beispiel an den 1. Mai 2021 und an ein besonders verstörendes Beispiel für sogenannten Haltungsjournalismus in der Praxis:
Der sich freiwillig nicht als Beobachter, sondern als Hilfspolizist betätigende Journalist war damals kein geringerer als Sebastian Scholz, Thüringer Landesgeschäftsführer des Deutschen Journalisten-Verbands (DJV). Nur einen Tag später veröffentlichte besagter Sebastian Scholz auf der Website des DJV eine Pressemitteilung. Darin hieß es: „Der DJV Thüringen fordert (…) eine ‚Null-Toleranz‘-Politik gegenüber denjenigen, die meinen, sie könnten Journalistinnen und Journalisten ungestraft attackieren.“
Wenn zwei das Gleiche tun, ist es eben noch lange nicht dasselbe.
Die Polizei sah damals keine Notwendigkeit, Scholz wegen dessen tätlichen Angriffs auf einen Demonstranten festzuhalten, zur Rede zu stellen oder gar zu vernehmen. In einem Video, das die recht brutale Szene festhielt, war zu sehen, wie sich Scholz ungehindert und unbehelligt vom Ort des Geschehens entfernen konnte – allerdings erst, nachdem er nicht ohne Stolz seinen vollen Namen ins Mikrofon diktiert hatte.
Auch der Polizeipressestelle war von Ermittlungen gegen Scholz nichts bekannt. „Tichys Einblick“ recherchierte seinerzeit und fand heraus: Man kannte sich. Man hatte sogar öfter miteinander zu tun.
Die damalige Vorsitzende des DJV Thüringen wollte ebenfalls kein Fehlverhalten erkennen:
„Wir haben den Vorfall juristisch bewerten lassen mit dem Ergebnis, dass keine strafbare Handlung seitens unseres Geschäftsführers vorliegt. Da aber aus der Gruppierung der sogenannten ‚Querdenker‘ angekündigt wurde, Strafanzeige zu erstatten, bitten wir um Verständnis dafür, dass wir zu diesem Zeitpunkt keine weiteren Fragen beantworten.“
Nur zwei Tage nach der verstörenden Tat war Scholz Gast bei einer – wegen Corona per Zoom durchgeführten – Konferenz der SPD-nahen Friedrich-Ebert-Stiftung. Es war der 3. Mai: „Tag der Pressefreiheit“. Im Internet-Begleittext zu der Veranstaltung wurde behauptet, Angriffe gegen Journalisten würden inzwischen von der Mitte der Gesellschaft ausgehen. Journalisten bräuchten heute Personenschutz, um arbeiten zu können.
Dass der Geschäftsführer eines Journalisten-Verbands als selbsternannter Privat-Sheriff mal eben einen friedlichen Demonstranten attackiert, der ihm genau gar nichts getan hat – das sorgte beim DJV-Bundesverband aber doch für einiges Bauchgrummeln. Entsprechend wurden neue Erklärungsversuche nachgeschoben: Scholz sei rein privat auf der Demonstration gewesen, nicht als Journalist oder DJV-Geschäftsführer.
Wie häufig bei solchen Versuchen, nachträglich etwas zu rechtfertigen, was schlicht nicht zu rechtfertigen ist, machte die neue Erklärungsvariante alles aber nur noch schlimmer.
Denn vor seiner gnadenlosen Kickbox-Attacke auf einen Bürger, der seine Grundrechte wahrnahm, hielt sich Scholz in einem Bereich auf, in den die Polizei nach eigenen Angaben keine Demonstranten vorließ, sondern nur – genau: Journalisten.
Die Recherchen von „Tichys Einblick“ förderten auch noch andere interessante Sachverhalte zutage: Der DJV Thüringen hatte kurz nach dem Amtsantritt von Sebastian Scholz als Landesgeschäftsführer eine Kooperation mit dem thüringischen Innenministerium begonnen – insbesondere mit der Polizei. Im DJV-Newsletter 626 vom 23. August 2019 heißt es dazu unter anderem:
„So soll der DJV Thüringen in geeigneter Weise in die Polizistenausbildung einbezogen werden. Der DJV will der Polizei in Journalistenworkshops die Möglichkeit geben, über ihre Arbeit zu informieren. Ziel der Kooperation ist, sich über Aufgaben und Belange des jeweils anderen auszutauschen.“
Später tauchten noch Aufnahmen aus einem Zoom-Meeting auf, an dem Scholz ebenso teilnahm wie der damalige Ministerpräsident Bodo Ramelow von der „Linken“. Der hatte zuvor via X-damals-noch-Twitter volle Solidarität mit Hilfspolizist Scholz bekundet: „Sebastian Scholz hat Zivilcourage geübt“.
Trotzdem wollte die Kritik am Journalisten-Funktionär nicht abreißen. Und je lauter die Kritik wurde, desto sturer wurde die Verteidigung: Von einer „Hetzkampagne“ war die Rede. Plötzlich sollte es deswegen sogar Todesdrohungen gegen Scholz gegeben haben. Er selbst zeigte sich auch völlig uneinsichtig: „Ich war der festen Überzeugung, dass ich richtig gehandelt habe – dass ich also jemanden, der Straftaten, Gewalttaten begangen hat, aufgehalten habe auf seiner Flucht vor der Polizei.“
Was für ein Held, oder?
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Die Affäre Kramer heute erscheint nun wie die stringente Fortsetzungsgeschichte der Affäre Scholz von 2021. Damals wollte der DJV keinen Fehler erkennen – heute will der MDR keinen Fehler erkennen. Die Anstalt teilt lapidar mit: „Der MDR steht in seiner Angebotsvielfalt für ausgewogenen und zuverlässigen Journalismus“.
Ist das wirklich so?
In Thüringen führen der DJV und der MDR vor, wie man sich den Journalismus einer neuen Zeit vorstellt. Da hilft es sicher, dass man hier wie dort auf immer dieselben Gesichter stößt: Der DJV-Geschäftsführer Sebastian Scholz, Freund und Helfer der Polizei, ist auch Mitglied im Rundfunkrat des MDR.
Der Kreis schließt sich.
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„Der MDR steht in seiner Angebotsvielfalt für ausgewogenen und zuverlässigen Journalismus“
Dann hat er doch sicherlich im aktuellen Kramerfall ausführlich berichtet?
Die Brandmauer wird mit den Steinen der zerfallenden Ruine „Demokratie“ gebaut. Keines der klassischen Merkmale einer Demokratie hat im gegenwärtigen Deutschland noch Bestand.
Der Sündenfall ist als solcher keiner, solange dieser nicht auch so definiert und entsprechend gehandelt wird (in diesem Fall vom Journalistenverband die Zulassung/der Presseausweis entzogen wird). Aber Herr Hemmerling und Herr Kendzia als Gefälligkeitsjournalisten des MDR dürfen ruhig schlafen, sind sie doch IM des Systems.
Wenn dann auch noch die Kontrollbehörde (Journalistenlandesverband Thüringen) die Denuntiation oder einen Verrat deckt oder sogar fördert, ja was will man da noch erwarten?
Thüringen ist ein politischer Sumpf. Das ist das dreckige Gesicht „Unsererdemokratie“. Das Land, in dem erstmals eine demokratische Wahl rückgängig gemacht wurde, das Lan, in dem sich CHRISTdemokraten mit Kommunisten verbinden um an die Macht zu kommen, schäbiger als alles was bisher als schäbig galt, mit einer Presse, die ihresgleichen in der DDR oder in der früheren Diktatur als Vorbild dient.
Die „Merkwürdigkeiten“ und offenen Fragen in puncto Thüringer Verfassungschutz gehen qualitativ und zeitlich weit darüber hinaus. So dürften die tatsächlichen Geschehnisse um den sog. Nationalsozialistischen Untergrund, dessen Protagonisten im Nov. 2011 freiwillig aus dem Leben geschieden sein sollen, signifikant von der öffentlichen Darstellung resp. der Bundesanwaltschaft abweichen. Der thüringsche VS „begleitete“ Uwe Mundlos, Uwe Böhnhardt und Beate Zschäpe über viele Jahre (siehe u.a. Helmut Roewer). – Viel Arbeit für zukünftige Historiker.
Wieso der Begriff „Journalisten“ nicht zumindest in Anführungszeichen gesetzt wird erschließt sich mir jetzt nicht. Was natürlich auch für deren Verband gilt.
Der Verfall von Sitte und Moral schreitet voran. Wo haben diese Menschen ihren Charakter abgegeben?
Ein wenig mehr Fachwissen täte dem Artikel gut, wenn von einem friedlichen Demonstranten, der eine Polizeisperre durchbricht(!), die Rede ist. Sowas muss beim Schreiben doch auffallen. Dass ein Journalist dann Polizeiarbeit leistet und den durchgebrochenen Demonstranten aufhält, das ist vergleichbar mit der ungarischen Kamerafrau 2015, die in Ungarn zwei durchbrechenden Flüchtlingskindern mit Bein tritt und einem durchbrechenden Mann mit Kleinkind auf Arm ein Bein stellt. Die Kamerafrau war ihren Job umgehend los.
„In Thüringen führen der DJV und der MDR vor, wie man sich den Journalismus einer neuen Zeit vorstellt.“ Gleichzeit offenbart sich ‚der Journalismus einer neuen Zeit‘ (repräsentiert durch gewiss nicht alle, aber doch so einige) als der Journalismus der ‚alten Zeit(en)‘, wie man ihn hüben ab anno 45 und drüben ab anno 89 für endgültig überwunden hielt. So kann man sich täuschen – ich denke immer wieder an die prophetischen Worte einer Bärbel Bohley: Sie hat recht behalten…
Thüringen ist der Rest der DDR. Alle die der DDR nachtrauen, sind dort versammelt. Deshalb gelten dort immer noch die alten DDR Regeln.