Görlitzer Park: Politiker schieben allerlei Gründe vor, um nicht konsequent gegen Dealer vorzugehen. Anwohner haben die Nase voll – von einer Politik mit wortreichen ideologischen Salbungen von Vielfalt anstatt ordentlicher Polizeiarbeit.
Wer zuletzt verzweifelt versucht hat, einen Unterschied zu finden in der Haltung der etablierten Parteien zu den dringenden Themen unserer Zeit – die Linke Sahra Wagenknecht befand gerade, die Menschen würden ihre Partei mittlerweile als angepasst wahrnehmen, „als Teil des grünliberalen Establishments“ – wer also bisher erfolglos auf der Suche war nach so etwas wie einem Wettstreit der Ideen und Haltungen zwischen den Parteien, der könnte jetzt ausgerechnet in Berlin fündig werden: rund um einen mittlerweile schon bizarren Streit um die Aussetzung von Recht und Ordnung im Görlizer Park. Oder konkreter: Bei der polizeilichen (Nicht)Verfolgung der dort tätigen Dealer.
Ja, es ist grotesk. Und ja, es ist möglicherweise sogar justiziabel, wenn eine Politikerin strafrechtlich-relevante Tätigkeiten ausdrücklich billigt, so man ihre Aussagen dahingehend interpretieren will. Der Sprecher der Gewerkschaft der Polizei, Benjamin Jendro, jedenfalls empört sich gegenüber der Morgenpost folgendermaßen: „Vielleicht sollte man auch mal mit denen reden, die von überwiegend schwarzafrikanischen Dealern auf dem Heimweg sexuell bedroht werden, in deren Blumenkästen Stoff gebunkert wird und die Glasflaschen abbekommen, wenn sie keine Drogen kaufen.“
Von der Grünen hinüber zum Jugend- und Gesundheitsstadtrat von Neukölln, zum Christdemokraten Falko Liecke, der „fassungslos“ ist über die Haltung der grünen Bezirksbürgermeisterin: „Damit ist der Görlitzer Park praktisch ein rechtsfreier Raum.“ Und sein Parteikollege Timur Husein, der Kreisvorsitzende der CDU Friedrichshain-Kreuzberg, ergänzt gegenüber Tagesspiegel verbal erstaunlich angriffslustig: „Im Gegensatz zu Frau Herrmann bin ich der Meinung, dass man eine Gruppe unbedingt diskriminieren sollte: nämlich die Drogendealer. Die haben nichts im Görli zu suchen.“
Dann wäre da noch die SPD. Der zuständige Innenpolitiker Tom Schreiber führt eindrucksvoll vor, warum die SPD gravierende Probleme hat, wenn er merkwürdig sibyllinisch einen „organisierten“ Drogenhandel zwar irgendwie doof findet, aber daran erinnern zu glauben meint, die armen Dealer seien doch „Opfer und Täter zugleich.“ Er wünscht sich daher weder Fisch noch Fleisch, sondern einen „Mittelweg zwischen den Polen Repression und Prävention.“ Er möchte, dass im Park wieder Familien picknicken können. Dann aber nimmt er zuletzt gegenüber der Zeitung doch noch allen Mut zusammen und befindet Drogenhandel und Asyl unvereinbar.
Ein Sprecher des sozialdemokratischen Innensenators Andreas Geisel relativiert dann gegenüber der ursprünglichen Relativierung des Genossen noch weiter – also ein Relativierung der Relativierung oder präziser, sozialdemokratischer Gesinnungssalat:
„Beim Dealen im Görlitzer Park agieren Personen mit unterschiedlichen aufenthaltsrechtlichem Status, die teilweise gravierende und traumatisierende Gewalterfahrungen gemacht haben, bevor sie erstmalig in Berlin in Erscheinung getreten sind – als Konsumenten und Händler.“
Bleibt noch die Linke, die möchte eine „Regulierung statt Kriminalisierung“, etwa eine „kontrollierte Abgabe von Cannabis“, wie der – Achtung! – innen- und drogenpolitische Sprecher der Linksfraktion im Abgeordnetenhaus ebenfalls gegenüber Tagesspiegel erklärt.
Bleibt noch die AfD, die zwar mit 22 Abgeordneten im Berliner Abgeordnetenhaus vertreten ist, also mit fast doppelt so vielen Abgeordneten gegenüber der FDP und auf Augenhöhe mit den Linken und Grünen, die aber in den zitierten Artikeln nicht zu Wort kommen. Die AfD twitterte beispielsweise Mitte August zum Problemfeld rund um den Görlitzer Park: „++ Drogenhandel: Polizei will Görlitzer Park nachts abschließen ++ Eine verschlossene Tür für Dealer ist gut. Besser wäre es, sie stünde an der deutschen Grenze.“
Nun wollen Politiker und Parteien gewählt werden. Vom Wahlvolk. Das kommt im Kontraste-Beitrag auch zu Wort, wenn Mütter darüber berichten, wie ihre Kinder regelmäßig („rund um die Uhr angesprochen“) von Dealern belästigt werden. Verunsicherte Eltern verstehen nicht, dass die Politik jetzt explizit darauf achten will, dass keine Gruppe den Park dominiert, wo doch die Dealer längst das Kommando übernommen hätten.
Aber die grüne Bezirksbürgermeisterin bleibt einfach dabei (und jetzt noch einmal im ungereinigten Wortlaut): Dass die Dealer im Park bleiben, „war ein Anliegen, was die Anwohnerinnen und die Nachbarschaft, die sich hier engagiert hat für den Park und es immer noch tun, das sie sagen: Ok, keine Gruppe soll ausgeschlossen werden. Weil die Leute haben gesagt: OK, heute sind es die Dealer, die Dealergruppe, die rausgeschickt wird, was ist es morgen?“
Die allerdings wehren sich längst organsiert gegen die Dealer-Duldung, wenn Hilferufe an den Bezirk geschickt werden, die eigentlich von politischer Seite keinen Interpretationsspielraum mehr zulassen. Reaktionen darauf? Laut Kontraste bisher keine Antwort. Aber wenn schon hier und auf der Ebene die Antworten fehlen, dann kann auf eine repressive Reaktion und dauerhafte Haltung gegen die Dealer noch länger gewartet werden derweil die Anwohner weiter fordern: „Tut endlich was!“
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Ich bin meine ersten 25 Lebensjahre in Kreuzberg aufgewachsen, die letzten drei – um 1970 herum – in der Görlitzer Straße. Das waren arme aber sichere Zeiten.
Mich erinnert der Görlitzer Park an den Tompkins Square Park in New York. Als ich als Student in die nahe Lower East Side zog, erhielt man von Freunden genaue Anweisungen, wie man sich in Bezug auf den Park räumlich zu verhalten habe, wo man die Straße wechseln sollte und mit wem man unbedingt Blickkontakt zu meiden habe. Der Tompkins Square Park war das Zentrum des Drogenhandels, des Drogenkonsums, der Kriminalität und der Verwahrlosung. Die Debatten waren dieselben. Linke Aktivisten lamentierten von Polizeigewalt, verteidigten ihn als angeblichen Freiraum und wollten den Status Quo erhalten. Die Lösung: Der Park wurde zunächst von… Mehr
Das ist nicht nur haarsträubende Zustände, dort in Kreuzberg, das läßt auch ernsthaft aufhorchen: Politiker, die sich erdreisten ganz offen Kriminalität zu akzeptieren. Von welchen Gruppen würde man eine Duldung, ja vielleicht sogar Begrüßung von Drogenkriminalität erwarten? Entweder müßte es sich dabei um die Abnehmer, die Konsumenten, oder um die Dealer selber handeln. Von diesen beiden Gruppen würde man erwarten, dass sie gegen Drogenkriminalität nichts unternehmen, sondern sie kleinreden, verharmlosen, ja sogar versuchen beim staunenden Beobachter Verständnis zu erwecken. Genauso verhalten sich fast alle bezirklich/amtlich Beteiligten! Das ist seltsam. Wir wissen aus dem Beispiel USA, die sich angeblich vergeblich bemühten,… Mehr
So sehr ich die Grünen auch verabscheue, in diesem Punkt haben sie nun mal nicht ganz Unrecht, ob uns das gefällt oder nicht. Die Idee, mit Hundertschaften Polizei im Görli einzurücken, hatte bereits frühere Innensenator Henkel (CDU). Alles, was er damit erreicht hat, war, dass sich die Dealer in die umliegenden Straßen verteilt haben. Und selbst wenn mal ein paar Dealer für länger aus dem Verkehr gezogen werden – was eher selten der Fall ist – dann nützt das allenfalls den zahlreichen Dealern im Wartestand, die sich über jeden freiwerdenden Handelsplatz freuen. Ob es gefällt oder nicht: der Krieg gegen… Mehr
Bei uns geschehen auch Morde. Niemand, der einen anderen umbringen will, läßt sich vom Verbot der Tötung anderer Menschen davon abhalten. Hunderte Morde verzeichnen die Ermittlungsbehörden jedes Jahr, Tendenz sogar steigend seit 2015. Nach Ihrer seltsamen Logik müßten wir das Verbot, andere Menschen zu töten, aufheben. Wollen Sie das wirklich? Bedenken Sie: in einer gesetzlosen Gesellschaft ohne jedes Verbot herrscht der Stärkste. Bilden Sie sich wirklich ein, in irgendeiner Weise zu dieser Gruppe der Stärksten zu gehören? Realistisch betrachtet befürworten Sie Ihre eigene Schädigung. Vor allem, wenn Sie nun auch noch Pazifist sein sollten. Der Erstbeste kann Sie niederschlagen und… Mehr
Sie haben eines (wohlweislich?) übersehen. Mörder, Totschläger, Messerstecher und dergelichen schaden anderen, Drogenkonsumenten schaden sich ausschließlich selbst. Und Selbstschädigung ist in einem liberalen Staat erlaubt, und das ist auch gut so. Oder wollen Sie lieber in einem grünen Nanny-Staat leben, wo gesetzlich bestimmt wird, was Sie essen und trinken dürfen und wo tägliche Sportübungen bei Vermeidung von Strafe allgemeinverbindlich angeordnet sind? Mir hat noch niemand einen plausiblen Grund nennen können, warum es hierzulande erlaubt ist, sich mit exzessivem Alkohol- und Nikotinkonsum ins frühe Grab zu befördern, während der Konsum von Heroin (was paradoxerweise weniger gesundheitsschädlich ist, als vorgenannte legale Drogen)… Mehr
Es ist naiv, anzunehmen, daß mehr Heroinsüchtige auch weniger Alkoholiker bedeuten. In Wirklichkeit schafft jede Droge ihren eigenen Kreis von Abhängigen. Falls Sie es nicht wissen sollten: es ist durchaus möglich, von mehr als einer Droge abhängig zu sein, es kommt sogar überaus häufig vor. Wer das Argument ins Feld führt, daß kriminelle Strukturen ausgetrocknet würden und von einer Preissenkung um 90% keine Steigerung der Nachfrage erwartet, der hat die Marktgesetze offensichtlich nicht verstanden. Wer im Drogengeschäft ist, wird nicht plötzlich Äpfel verkaufen, weil es seine Handelsware nun auch offiziell im Laden gibt. Die Zahl der Drogen ist prinzipiell unbegrenzt,… Mehr
Dass nach eine Legalisierung die Nachfrage tatsächlich steigt, ist mehr als zweifelhaft. In den Niederlanden etwa, wo zumindest Cannabis faktisch legal ist, wird jedenfalls eher weniger gekifft als in Deutschland. Und in den USA war die Nachfrage nach Alkohol nie so hoch, wie in der Zeit der Prohibition. Erst durch die Prohibition – das dümmste und schädlichste Gesetz des 20. Jahrhunderts – wurden die USA zur Säufernation. Und selbst wenn die Nachfrage stiege, so bliebe dennoch der nicht zu unterschätzende Vorteil des weitestgehenden Wegfalls der Beschaffungskriminalität. Denn während Diebstähle, Raubüberfälle und Einbrüche bei Heroinabhängigen an der Tagesordnung sind – anders… Mehr
Wenn man schon Unterschiede machen will zwischen bandenmäßig organisierten, bewaffneten schwarzen Grasverkäufern und Münchener Schicki-Micki-Kokain-Dealern, dann sollten Banden auf jeden Fall härter bekämpft werden. Insbesondere, wenn es sich um Leute handelt, die hier keine Aufenthaltsberechtigung haben, wäre die Ausweisung ein gutes Mittel. Was die Niederlande betrifft: dort gab es keine 90% ige Preissenkung, wie Sie sie in Aussicht gestellt haben, und es wurden keineswegs alle Drogen freigegeben. Mein Argument, daß bei Verbilligung die Nachfrage steigt, bleibt bestehen. Sollte es zutreffen, daß hier mehr konsumiert wird als dort, dann liegt das daran, daß dort der Verkauf geregelt ist, während, zumindest hier… Mehr
Eben. Nicht „alle sind gleich“ sondern: Alle haben die gleichen Rechte.
Ist leider nicht mehr so. Die Kriminellen (und „Leute aus Farbe“, p.o.c.) haben inzwischen mehr „Rechte“, dank der momentanen Politik von SPD, Linke, Grüne und leider auch CDU unter Merkel.
Hahaha…. Jau, die berliner Politik u. Justiz, ein knallhartes Vorbild wenn es um „die volle Härte des Rechtsstaats“ geht.
Bitte bitte weiter so u. mehr davon….! (Zynisn / Ironi off)
So geht es eben zu in einem Land, das seine Rechtsstaatlichkeit aufgehoben hat und in dem Gewaltenteilung nicht mehr gilt !
Hauptsache aber, dieses Land kann alle andere Länder dieser Welt über genau diese Demokratiedefizite in belehrender Form informieren und zur Einhaltung auffordern.
Und was lernen wir daraus? Natürlich lernen wir nichts daraus. Wie immer. Die Unfähigkeit zur theoretischen Analyse verhindert bei den konservativen Autoren und Kommentatoren wieder mal jeglichen Erkenntnisgewinn. Nicht nur weigert man sich, die Ethik und Ökonomie von Drogenverboten und Drogenhandel zu untersuchen, um vielleicht mal ein paar Fehler im EIGENEN konservativen Denken und der konservativen „Moral“ aufzuspüren, sondern man verzichtet ebenso darauf, die zwangsläufigen institutionellen Probleme sozialisierter Parkverwaltung auf theoretischer Ebene zu betrachten. Insofern wundert es nicht, dass weder der Autor noch irgendein Kommentar auf eine offensichtliche Lösung für unerwünschten(?) Drogenhandel im Görlitzer Park kommt: Die Privatisierung des Görlitzer… Mehr
ethisch, argumentativ oder beides, Schwafelei bleibt Schwafelei
Warum nicht auch die Straßen und Gehwege privatisieren? Wer das Haus verlassen will, soll bezahlen. Wälder, Flüsse, Seen- nur noch gegen Geld zu benutzen. Zaun drum, fertig.
Was für ein unterirdischer Vorschlag. Und ich dachte immer, Sozialdemokraten hätten besonders große Schwierigkeiten beim Denken- es scheint aber auch in der anderen Ecke hier und da ein Problem zu sein.
„die zwangsläufigen institutionellen Probleme sozialisierter Parkverwaltung auf theoretischer Ebene zu betrachten“
Schwafelstudium?
…anzeigen und untätitigkeitsbeschwerden werden nicht angenommen, und von sich aus unternimmt weder richter noch staatsanwalt etwas! dann bleibt nur noch zurücklehnen und bierchen trinken! deutschland, wohin bist du gekommen?! auf den müllhaufen der geschichte!
Ich bin sehr sicher, dass die SPD ihre „letzten Tage als Volkspartei“ bereits hinter sich hat. Davon abgesehen zeigen uns die Grünen erneut ihr Verständnis von Rechtsstaat: Die „An-Aus-Gesetze“. Frau Merkel praktiziert das auch. Die Gesetze werden wahlweise angewandt oder eben nicht. Das ist allerdings das exakte Gegenteil eines Rechtsstaats.
Nur mal so zum Vergleich heute in der „Welt“: “ Amt droht Bäcker mit 25.000 € Strafe weil er auf einer Tafel KG statt kg geschrieben hat.“ Finde den Fehler! Und sich dann wundern wenn sich immer mehr Leute von diesem Staat angewidert abwenden.