Berlin: Haupstadt der Verwahrlosung

Millionen vom Senat für "Toiletten-Mittel", Schulen verrotten, Busse aus Aleppo als Installation vorm Brandenburger Tor. Eine Woche in Berlin.

© Getty Images

Vier Nachrichten aus Berlin. Vier Meldungen, die gemeinsam etwas über die deutsche Hauptstadt erzählen. Beispielweise, wie der rot-rot-grüne Senat alles dafür gibt, über Berlin hinaus Signale eines rot-rot-grünen Deutschlands in die Welt zu senden. Denn wer genauer hinschaut, wird schnell feststellen, unsere Bundeskanzlerin hat ihren Wunschsenat für das marode Berlin ganz eng an ihre linken Außenflanke gedrückt. Man umarmt sich, man weiß, was man aneinander hat.

Berlin 1

Jenes schon in Dresden kontrovers diskutierte Monument des Künstlers Manaf Halbouni wurde jetzt in Berlin vor dem Brandenburger Tor aufgestellt. Bis zum 26. November wird die Installation aus drei hochkant stehenden, ausrangierten Bussen zu sehen sein. Nun kam allerdings heraus, dass die als Mahnmal gegen Krieg und Terror ausgestellten Busse ursprünglich in Aleppo von Kriegern und Terroristen als Barrikade genutzt wurden.

So war der Fotograf Karam Almasri bei der Errichtung der Busse in Aleppo anwesend und bestätigte, die Barrikade seien ursprünglich von einer Salafistengruppe aufgestellt worden. Dumm gelaufen, denn nach Angaben beispielsweise des Kunsthauses Dresden handelt es sich um eine Straßensperre, „die Zivilisten während der Kampfhandlungen in der Stadt errichteten, um das Leben von Menschen zu schützen“. Der Viktoria auf dem Brandenburger Tor kann es egal sein, sie zeigt auch den drei Salafisten-Bussen stoisch die kalte Schulter während sie weiterhin nur Frieden in die Stadt bringt.

Berlin 2

Nicht ganz so friedlich, aber teilweise ähnlich luftig und zugig geht es an Berliner Problemschulen zu: Stellvertretend für Einrichtungen aus ganz Berlin haben fünfundvierzig Lehrer aus Spandau gegen den Zustand ihrer Schulen protestiert. An der Carlo-Schmid-Oberschule war zuletzt nach einem Wasserschaden sogar eine Zwischendecke eingestürzt. „Die bauliche Verfassung hier ist seit Jahren absolut desolat. Wir wollen erreichen, dass die Politik endlich aus dem Tee kommt“, erklärte ein Sprecher der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft. Nun bequemt sich heute das Berliner Abgeordnetenhaus über einen Sanierungsplan zu debattieren. Sogar von 5,5 Milliarden Euro ist die Rede. Mal schauen, was dabei herauskommt. Bisweilen führt uns diese Meldung auf direktem Wege zur nächsten Berlin-Baustelle:

Berlin 3

Es scheint kaum eine Woche ohne neue Toiletten-Planungen in der Hauptstadt zu vergehen – Unisex-WCs, Frauen-Urinale, ökologische Trockenklos und nun der nächste heiße Scheiss: Der Berliner Senat hat einen Toilettenvertrag für 194 neuen Anlagen ausgeschrieben. Staatssekretär Jens-Holger Kirchner garantiert seinen besorgten Berlinern, dass es jederzeit möglich bleibe, eine öffentliche Toilette benutzen zu können. Der SPD-Abgeordnete Daniel Buchholz setzt sein Häufchen noch oben drauf: Warum nicht mit W-LAN? Heute gäbe es längst solche Alternativen. Man will sogar eigens einen „Dispatcher“ als obersten Toilettenwächter stationieren. Nutzern soll eine App zeigen, wo sich diese Toiletten befinden und ob sie auch i.O. seien. „Um den Übergang zu ermöglichen“, vermeldet Herr Klaus Kurpjuweit vom Tagesspiegel, „sind in den Haushaltsberatungen die „Toiletten-Mittel“ von knapp neun Millionen Euro auf rund zwölf Millionen Euro erhöht worden. Nutzer sollen weiter 50 Cent zahlen.“

Berlin 4

Wer nun dringend muss und auch noch diese moderaten Gebühren prellen will, noch dazu in einem Abort auf dem Alexanderplatz, der könnte schneller als anderswo vor dem Kadi landen. Denn der bei Straßengaunern so beliebt gewordene Kriminalitäts-Hotspot soll nun – kein Scherz – seinen eigenen Staatsanwalt bekommen. Dazu der SPD-Innenpolitiker Tom Schreibe: „Täter müssen spüren, dass ihnen der Rechtsstaat im Nacken sitzt, dass sie eine schnelle Antwort der Justiz bekommen, statt jahrelang auf das Ende ihres Verfahrens zu warten.“ Wenn‘s funktioniert soll es Modellcharakter für weitere Berliner Hot-Spots bekommen.

Ganz so neu ist das allerdings nicht, Neukölln ist bereits der erste Bezirk mit eigenem Staatsanwalt. Wir halten also fest: Der Berliner Wachmann trägt jetzt Robe. Wenn er mal vor Ort unterwegs ist, gibt es auf den öffentlichen Toiletten W-LAN. Dafür stehen zwar die Busse senkrecht und in die Schulen regnet es rein, aber wie sagte noch der gute alte Berliner? „Komm se rin, könn’se rauskieken.“ Direkt durch‘s Dach in diesen wunderbar blauen, von Air Berlin freien Himmel.


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Tichys Einblick 12/2017 – Berlin – Hauptstadt der Verwahrlosung!

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Kommentare ( 32 )

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32 Comments
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Jûrgen Streeb
7 Jahre her

Sehr treffende Feststellung! Die Busse stehen senkrecht, aber alles andere ist mächtig in Schieflage!
Der Länderfinanzausgleich hält den Kranken (ja, woran leidet er wohl?) künstlich am Leben.

jossi
7 Jahre her

Nichts da! Von wegen ‚Busse aus Syrien‘ ? Das sind alte deutsche Schrottbusse. Einer trägt noch die Werbung der Sparkasse.

So sieht ‚würdiges Gedenken für die Opfer‘ aus. (OB Müller)

Schuetze
7 Jahre her

„Halbounis „What if“ sit eine Dystopie – das Gedankenspiel eines alternativen Weltverlaufs. Was wäre, wenn die industrielle Revolution des 19. Jahrhundert im Osmanischen Reich und dem arabisch geprägten Teil der Welt stattgefunden hätte? Nicht Westeuropa, sondern zwei östliche Mächte belieferten die Welt mit Waffen und technologische Errungenschaften. Auf der Suche nach Ressourcen und Absatzmärkten begannen sie mit der Kolonisierung Eruopas.“ O mein Gott, das zeigt doch nur, wie absolut geistlos dieser Künstler ist. Die „Eroberung der Welt“, wenn man sie so nennen möchte, setzte insbesondere den modernen Machtstaat mit seiner Fähigkeit zur Organisation und Mobilisierung von Ressourcen. Die Industrielle Revolution… Mehr

Rainer Franzolet
7 Jahre her

Das macht zumindest Sinn. Ich habe mich immer gewundert, wie wohl die Originalbusse nach Deutschland transportiert wurden?

hasenfurz
7 Jahre her

Mein Zeh ist das Gegenteil von Juli Zeh, und stolz drauf…

jossi
7 Jahre her
Antworten an  hasenfurz

Suuuuper!

Wollte vorhin schon irgend ein Wortspiel mit Juli Zeh machen. Doch viel mir nichts Lustiges ein.

Doch das hier übertrifft nun wirklich alles! ;.-)

Hubert Paluch
7 Jahre her

Keiner hat die ganze verrottete Dekadenz der hippen Berliner Szene in diesem Jahr bessser beschrieben als Oskar Roehler in seinem rotzigen Roman „Selbstverfickung“. Selbst Moritz von Uslar wurde es beim Frühstücksinterview mit Roehler ungemütlich, denn da spricht einer aus, was so ähnlich als „Sodom und Gomorra“ von Erich Kästner in Druck gehen sollte, dann aber zu „Fabian“ entschärft wurde. Die Reaktion auf dieses „Babylon“ war in den Dreißiger Jahren prompt und hart.

Michael M.
7 Jahre her

„Nun kam allerdings heraus, dass die als Mahnmal gegen Krieg und Terror ausgestellten Busse ursprünglich in Aleppo von Kriegern und Terroristen als Barrikade genutzt wurden.“

Falsch!
Das wurde schon publik gemacht (u.a. durch die IB, auf der achse des guten und wenn ich mich korrekt erinnere, dann war darüber auch hier zu lesen) und mit photos belegt, als diese schrotthaufen in dresden abgestellt wurde.

micha
7 Jahre her

Sorry hasenfurz, er meint natürlich den deutschen rechtsnationalen Täter, der bei rot über die Ampel geht, oder seine GEZ Gebühren nicht brav bezahlt.

Wollte das nur klar stellen.

Der Mustermann
7 Jahre her

Hamburg

Der Mustermann
7 Jahre her
micha
7 Jahre her
Antworten an  Der Mustermann

Herr Mustermann, wann ist der Deutsche das letzte mal aufgewacht, ich kann mich nur an einen Moment erinnern, der aber 340 Jahre her ist…
Die Schlacht am Kahlenberg am 12. September 1683. Dort beendeten deutsche und polnische Truppen die Zweite Wiener Türkenbelagerung.

Sonst würden sie heute 7x gegen Mekka beten, aber keine Sorge, es wird bald gesetzlich so erlassen. Grüsse an KGE und Cem.