BAMF-Skandal: Hat die Bundesregierung das Parlament belogen?

Die Kleine Anfrage der Linkspartei einen Monat vor der Bundestagswahl wird erst zwei Wochen danach beantwortet. Die Antworten könnten zudem den Schluss zulassen: Das Parlament wurde von der Regierung wissentlich belogen.

© Tobias Schwaz/AFP/Getty Images

Kleine Anfragen sind ein viel genutztes Instrument der parlamentarischen Kontrolle der Exekutive, also der Regierung und der öffentlichen Verwaltung. Die Fragen der Bundestagsabgeordneten sollten in der Regel innerhalb von 14 Tagen schriftlich beantwortet werden (Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages § 104).

Am 25. August 2017 erhielt die Bundesregierung eine solche Kleine Anfrage der Linken mit dem Titel: „Unterschiede in den Bundesländern in der Asylentscheidungspraxis des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge.“ Im Wesentlichen wollte die Linkspartei wissen, warum es Abweichungen zwischen den einzelnen Bundesländern in den Anerkennungsquoten für Asylbewerber gibt – insbesondere in Bremen und anderen Bundesländern.

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Die Anfrage erreichte die Bundesregierung einen Monat vor der Bundestagswahl 2017. Eine Antwort auf diese Kleine Anfrage gab eine dann nur noch geschäftsführende Bundesregierung allerdings erst am 09. Oktober 2017. Also 44 Tage später. In dieser Antwort heißt es: „Die Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Bundesministeriums des Innern vom 5. Oktober 2017 übermittelt.“ Sie fällt also in die Verantwortung des damaligen Innenministers Thomas de Maizière, der das Ministerium nach der Bundestagswahl noch geschäftsführend bis zum 14. März 2018 leitete. Präsidentin des BAMF war seit Dezember 2016 Jutta Cordt.

Mitarbeiter des Bundesamtes beschreiben dieses Amt heute so: Es herrsche im BAMF ein „Klima der Angst“, die Mitarbeiter sprechen von „Stasi-Methoden“ und nennen das Amt „eine mafiöse Vereinigung“.  Gegen Mitarbeiter würde von der Leitung des BAMF „inqusitorisch“ vorgegangen. Das alles, so die Mitarbeiter, hätte seit Jahren System.

Die Bundesregierung äußerte sich also erst nach den Bundestagswahlen und 44 Tage nach Anfrage der Linkspartei zu Unregelmäßigkeiten im BAMF, die zu diesem Zeitpunkt im Innenministerium längst bekannt waren, aber nicht nur dem Ministerium: Auch die Bundeskanzlerin wurde 2017 vom damaligen Leiter des BAMF, Frank-Jürgen Weise mehrfach persönlich über die Missstände im BAMF informiert.

Die Bundesregierung beantwortete die Kleine Anfrage am 9. Oktober 2017 u.a. wie folgt (Hervorhebungen: Redaktion):

„Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) legt Wert auf eine einheitliche Verfahrensdurchführung und Entscheidungspraxis. Dies wird durch Dienstanweisungen allgemeiner Art sowie verbindliche Herkunftsländerleitsätze geregelt, die eine einheitliche rechtliche Bewertung der typischen Fallkonstellationen ermöglichen. Auf dieser Basis wird jedes Asylverfahren individuell geprüft und entschieden. Um dies zu gewährleisten, durchlaufen die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des BAMF einheitliche Schulungen und werden gleichermaßen fortlaufend, u. a. über Herkunftsländerleitsätze, über die asylrechtsrelevanten Entwicklungen informiert.“

Die Erklärung für die Unregelmäßigkeiten lautet u.a. so:

„Die Antragsteller jedes Herkunftslandes mit jeweils individuell unterschiedlichen Schicksalen bzw. Fluchtgründen sind die Grundlage für zwangsläufig in der Summe auch divergierende Schutzquoten.“

„Die Außenstellen des BAMF weisen unterschiedlich hohe Anteile von Dublin-Verfahren auf, so dass die Schutzquote auch durch diesen Faktor variiert.“

„Grundsätzlich ist das Asylverfahren eine individuelle Einzelfallprüfung, in der sich auch bei Personen aus gleichen Herkunftsländern die individuellen Umstände deutlich unterscheiden können (…) Die einzelnen Gründe, die zur Zuerkennung des Schutzstatus führen oder nicht, werden statistisch nicht erfasst.“

Nun beriefen sich die Fragesteller u.a. auf eine Studie der Uni Konstanz, die diese Unregelmäßigkeiten schon früh festgestellt hatte. Auch auf diese Studie nimmt die Bundesregierung Bezug, indem sie den Konstanzer Studienmachern beispielsweise falsche Annahmen unterstellt und wie nebenbei eingesteht, dass Konstanz alleine durch die Analyse öffentlicher Statistiken gar nicht wissen kann, wo die Probleme liegen. Das allerdings ist geradezu tolldreist formuliert, wenn man längst um die wahren Hintergründe selbst weiß. Also von Unregelmäßigkeiten, über die die ermittelnde Staatsanwaltschaft heute sagt, sie seien „bandenmäßig“, also im Sinne einer kriminellen Vereinigung zustande gekommen.

„Aus Sicht der Bundesregierung weist die Studie der Uni Konstanz eine Reihe von falschen Annahmen auf. Allein die Nutzung der öffentlich zugänglichen Asylstatistiken ist für eine fundierte Analyse der Unterschiede bei den Anerkennungsquoten nicht geeignet.“

Welchen anderen Schluss lässt das alles nun also zu, außer jenen, dass Bundesregierung und Bundesinnenministerium das Parlament wissentlich belogen haben?

Die Antwort erst nach der Bundestagswahl erhärtet zusätzlich den Verdacht, hier sollte ein Skandal zurückgehalten werden, aus Sorge, das Bekanntwerden hätte den Ausgang der Wahlen beeinflussen können.

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Kommentare ( 76 )

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Thorsten
6 Jahre her

Der BAMF-Skandal ist als politischer Wahlbetrug zu werten, da die GroKo entscheidende Probleme ihre Politik unter den Teppich kehrte, um sorglos in den Wahlkampf zu gehen.

Dagegen ist die Spiegel-Affäre von FJ Strauss schon fast als Sturm im Wasserglas zu werten. Immerhin gab es dabei keine Vergewaltigungen, Tote und untergetauchten Terroristen. Solche Meldungen gehören ja schon fast zum „Tagesgeschäft“ !!!

humerd
6 Jahre her

„Wie das BAMF der Kanzlerin den Wahlsieg sichern sollte. Das BAMF sollte dafür sorgen, dass die Flüchtlingskrise bei der Bundestagswahl 2017 für die Kanzlerin Merkel keine Gefahr mehr darstellt. Interne Schreiben zeigen, wie das Tempo immer weiter erhöht wurde – und sich das Chaos breitmachte. (…)“ https://www.welt.de/politik/deutschland/article177175036/Wie-das-BAMF-der-Kanzlerin-den-Wahlsieg-sichern-sollte.html und es hat ja gut funktioniert. „…. Gut belegt ist aber, dass Merkel außer bei ihrer eigenen Partei nirgends so beliebt ist wie bei den Grünen-Wählern. 71 Prozent von ihnen sind nach der jüngsten Umfrage von infratest dimap zufrieden mit der Kanzlerin, bei allen Deutschen liegt der Wert nur bei 52 Prozent. Dass… Mehr

elly
6 Jahre her

BAMF Skandal wird immer toller:
„Bamf zahlte nicht nur 47 Millionen Euro an McKinsey – Warum floss so viel Geld vom Bamf für Ex-Chef Weise? 83.000 für die Beratung eines Ministeriums und dann noch einmal ein Vielfaches davon dafür, dass der ehemalige Bamf-Chef und Berater Weise selbst beraten wurde – eine zweifache Bamf-Zahlung macht stutzig. …“ https://www.merkur.de/politik/bamf-skandal-behoerde-zahlte-nicht-nur-47-millionen-euro-an-mckinsey-warum-floss-so-viel-geld-vom-bamf-fuer-ex-chef-weise-9933034.html
sind ja nur Steuergelder

Klaus Mueller
6 Jahre her

Lügen ist das eine. Die Kontrollfunktion des Parlaments zu untergraben und abzuschaffen das andere. Wie schreibt selbst BILD heute: ‚Der Mordfall Susanna zeigt, was der BAMF-Skandal angerichtet hat.‘ Der Tag an dem das widerwärtige Grauen, das hier jeden Tag um sich greift, Personen zugeordnet wird ist nicht mehr fern. Während hier alle über Trump lästern, sollten die Deutschen nicht vor der eigenen Tür, sondern vielmehr im eigenen Haus kehren. Oder diese Gesellschaft wird schlicht untergehen und zwar schneller als sich die Masse das vorstellen kann.

Der Harlequin
6 Jahre her
Antworten an  Klaus Mueller

Danke!
„Während hier alle über Trump lästern, sollten die Deutschen nicht vor der eigenen Tür, sondern vielmehr im eigenen Haus kehren. Oder diese Gesellschaft wird schlicht untergehen und zwar schneller als sich die Masse das vorstellen kann.“
Ich unterschreibe!

Sabine W.
6 Jahre her

Wie mit Anfragen mittlerweile umgegangen wird, dazu gibt es auch aus Hamburg ein erschreckendes Beispiel. Es zeugt von der ‚Demokratie‘, die mittlerweile herrscht. Ich sehe kaum noch einen Unterschied zu ‚autoritären‘ Regimen. https://www.welt.de/regionales/hamburg/article176176362/Nach-Mord-am-Jungfernstieg-Warum-wurden-die-AfD-Fragen-zu-Details-der-Tat-geschwaerzt.html Anfragen werden blockiert, geschwärzt. Kriminalitätsstatistiken werden so lange uminterpretiert und verbogen, bis es ‚passt‘. Die Sicherheit im öffentlichen Raum gibt es (insbesondere für Frauen) nicht mehr, nur wird jeder, der das zu Recht so wahrnimmt, als ‚Angstbürger‘ oder neurotischer eingebildeter Kranker eingestuft. Übrigens kann es natürlich KEINE Statistiken darüber geben, wieviele Opfer es bisher deswegen NICHT gegeben hat, weil viele Deutsche einfach ihr öffentliches Verhalten geändert haben,… Mehr

Ruud
6 Jahre her
Antworten an  Sabine W.

Deutschland wird doch immer sicherer, lesen wir doch täglich in den Medien. Deswegen sind die Gefängnisse auch überfüllt: Alle bösen Buben hinter Schloss und Riegel, da können sie uns nichts tun. Wozu also solche Anfragen, es ist doch alles in bester Ordnung? Alles schön bunt hier, alles schön sicher hier…

Karl Heinz Muttersohn
6 Jahre her

Nein, Mutti wird diesen Satz nicht aussprechen. Statt dessen werden wir hören was wir schon zur Genüge kennen:
„Ist mir egal, ob ich am Zuzug der Flüchtlinge schuld bin, jetzt sind sie nun mal da“

Anna M.
6 Jahre her

Mr. Grenell übernehmen Sie!

reiner
6 Jahre her
Antworten an  Anna M.

das ist doch nicht auf grenells mist gewachsen.der mann ist botschafter und was trump von merkel hält,wissen wir ja,nichts ich auch nicht.

Anna M.
6 Jahre her
Antworten an  reiner

Ich habe es wohl missverständlich ausgedrückt.
Neu: Mr. Grenell, übernehmen Sie bitte das Ruder! 😉

nachgefragt
6 Jahre her

Zitat: „Es herrsche im BAMF ein „Klima der Angst“, die Mitarbeiter sprechen von „Stasi-Methoden“ und nennen das Amt „eine mafiöse Vereinigung“. Gegen Mitarbeiter würde von der Leitung des BAMF „inqusitorisch“ vorgegangen. Das alles, so die Mitarbeiter, hätte seit Jahren System.“ Sehr geehrter Herr Wallasch, was darf man angesichts Merkels heutiger Antwort in der Regierungsbefragung auf die Frage nach der Unterrichtung über die Zustände des BAMF durch Weise davon halten, dass sie sinngemäß antwortete, sie hatte ständig ausführliche Gespräche mit ihm und Weise wurde ja nur deshalb Leiter des BAMF, WEIL dort katastrophale Zustände waren? Die oben zitierten Zustände gibt es… Mehr

reiner
6 Jahre her
Antworten an  nachgefragt

wenn ich die kommentare zb.bei ntv lese, kommt mir schon wieder die galle hoch.merkel gibt sich keine blöße,bei befragung im bundestag..wie auch,die antworten hätte sie sich im bundestag sparen können,wie immer raute.
wenn das nicht nach medienbeinflussung stinkt,dann weiß ich nicht mehr.

Ruud
6 Jahre her
Antworten an  nachgefragt

Selber Schuld, wer bei so einem kriminellen Laden mitarbeitet, hat es nicht besser verdient. Das ist eine mafiöse Vereinigung, keine Ahnung was die dort die ganze Zeit „prüfen“ wollen, die Anerkennungsquote müsste bei nahezu NULL liegen. Denn selbst wenn mal so ein „Flüchtling“ tatsächlich aus einem Kriegsgebiet kam (über 50% der Fläche Syriens waren nie von irgendwelchen kriegerischen Handlungen betroffen), so gab es immer im eigenem Land, spätestens aber in sicheren Nachbarstaaten wie der Türkei oder Jordanien von der UN betriebene Flüchtlingscamps. Das dumme Geschwafel von der „humanitären Notlage“ ist an Frechheit nicht mehr zu überbieten. Noch dreister ist es,… Mehr

Karl Napf
6 Jahre her

Das waren keine Luegen, dass waren relative Wahrheiten.

Das ist so eine Minus x Minus = Plus Ueberlegung auf seiten der Regierung.

Das Unrecht jeden ins Land zu lassen x dem Unrecht jeden offiziel Asyl zu gewaehren bringt den ganzen Mist insgesamt fuer sie in einen positiven Zustand. Dann sind die Statistiken wieder regierungs-schoen.

Montesquieu
6 Jahre her

Die Konstanzer insinuierten ironischer Weise, wenn ich mich richtig erinnere, dass willkürlich z u L a s t e n Schutzbedürftiger entschieden werde. Von daher ist die Aussage der Bundesregierung, die Ungleichverteilung allein lasse nicht auf die Ursache schließen, ja korrekt. Dass ich als Bürger von staatlichen Organen wissentlich belogen werde (selten in Form einer glatten Unwahrheitsbehauptung, meist in Form von Halbinformationen, manipulativen Formulierungen oder Verschweigen), wenn es denen opportun erscheint, ist mir schon viel länger klar, als seit sich vor der deutsch österreichischen Grenze die Berge von weg geworfenen Ausweispapieren häuften. Unser ExIn de Maizière nannte ja eine philanthrope… Mehr