Balkanroute – wen die Türkei lässt, der kommt auch

Es wird gewarnt und gemahnt, aber es passiert nichts und am Ende soll es Erdogan richten. Das man damit den Handlanger zum Partner macht, wird hingenommen.

Christopher Furlong/Getty Images
Migrants land on a beach after making the crossing from Turkey to the Greek island of Lesbos on October 10, 2019 in Skala Sikamineas, Greece

Erdogan macht es wie schon Gaddafi vor einem Jahrzehnt, wenn die Bedrohung der EU durch Öffnung der Grenzen und Flutung mit Millionen Migranten aus Syrien, Afghanistan, dem Irak und weiteren Staaten zum milliardenschweren Faustpfand des türkischen Präsidenten geworden ist.

Die anwachsende Bedrohungslage einer neuen Zuwanderungswelle nach Europa manifestiert sich auf der – neuen – Balkanroute, wo sich jetzt schon tausende Illegale stauen, die nur auf die Gelegenheit warten, vom nächsten Schlepper nach Deutschland gebracht zu werden – im günstigsten Falle, ohne zuvor in einem anderen EU-Staat registriert worden zu sein. Passiert das doch, auch nicht so schlimm: Denn wer einmal in Deutschland ist, ist kaum wieder abzuschieben. Und wer lange genug verzögert und die passenden Anwälte hat, der kann sich über die Zeit in die dauerhafte Duldung retten. Wenn nicht: Im Notfall macht er sich eben erneut auf den Weg, wie es zuletzt der kriminelle Boss eines Familienclans vorgemacht hat. Der übrigens ebenfalls über die Balkanroute wieder einreiste.

Wer illegal und auf diversen Schleichwegen über die Balkanroute nach Deutschland kommt, der musste zuvor die Grenze der Türkei nach Europa überwinden. Es liegt also an Erdogan, die Massen Richtung offene Scheunentore der EU zu lassen oder eben nicht.

Wirklich so einfach? Nein, denn die Frage ist doch berechtigt, warum ausgerechnet die Türkei ein besseres Grenzmanagement hinbekommen sollte als die EU. Wer sich alleine die Landkarte dazu genauer anschaut, der muss kein Fluchthelfer sein, um die vielfältigen Möglichkeiten zu sehen, die es gibt, von der Türkei aus in die EU zu gelangen. Wie viel gut ausgebildetes Personal bräuchte Erdogan hier eigentlich, um seine Grenzen undurchlässig zu machen?

Erdogan nimmt die EU- und/oder Deutschland-Milliarden um was als Gegenleistung anzubieten? Eine Art lückenlose Türsteherfunktion? Das mag in einer beschädigten Demokratie einfacher funktionieren, aber wenn hier traditionell auch noch eine höhere Korruptionsanfälligkeit der Ämter und Sicherheitsbehörden behauptet werden kann, wenn beispielsweise die Frankfurter Allgemeine im Februar dieses Jahres schrieb, das Korruption in der Türkei „grassiert“, dann ist alles weitere schon vakant gestellt.

Wenn der Chef der deutschen Bundespolizei gerade gewarnt hat, von sicheren EU-Außengrenzen könne nicht die Rede sein, dann mutet das fast surreal an, denn um so eine Warnung auszusprechen, muss es ja zunächst jemanden gegeben haben, der diese Sicherheit angenommen hätte. Zudem es auch gar nicht um die EU-Außengrenzen gehen kann, sondern einzig um die Frage, wie sicher Erdogan seine Grenzen machen kann. Die EU verweigert eine Außengrenzensicherung. Eben aus diesem Grund ist Erdogan mit seinen Mitteln sogar überlebenswichtig für die EU. Es ist doch geradezu bizarr, wenn die EU ängstlich wie die Maus vor der Schlange auf Erdogans Grenzschutz starrt, wenn man also den Schutz der EU-Außengrenzen dem Nicht-EU-Land Türkei überträgt gegen die Zahlung von Milliarden von Euro.

Erschwerend kommt hinzu: Der Türkei-Deal besagt ja, dass für jeden wieder in die Türkei zurückgeführten Illegalen die Türkei legal einen Migranten in die EU schicken darf. Der Deal für die EU besteht also einzig in der Hoffnung, dass Erdogans Grenztruppen und Polizei ausreichend gewappnet sind, möglichst alle illegalen Migrationsrouten zu schließen.

Das ist der Knack- und Dreh- und Angelpunkt, wenn es darum geht zu fragen, wie der nach 2015 neuerliche Ansturm auf die Balkanroute einzudämmen sei. Merke: Die EU-Außengrenze ist in weiten Teilen nur eine potemkinsche Spiegelung, wenn die Funktion der Grenze als eben solche ausschließlich in der Funktionalität der gegenüberliegenden Seite gegeben ist.

Gegenüber der Welt sagt Dieter Romann, Präsident der Bundespolizei, vor wenigen Tagen: „Seit Kohl und Mitterrand sind Geschäftsgrundlagen für den Wegfall von Binnengrenzkontrollen sichere Außengrenzen. Von sicheren Außengrenzen kann heute keine Rede sein.“ Aber Entschuldigung, was für ein Humbug im Murmeltiermodus ist das eigentlich? Eine Litanei der schlimmeren Sorte, wenn doch der Chef der Bundespolizei aus dem Geschäftsbereich des Innenministeriums sich bereits verhält wie der Bundesinnenminister selbst. Es wird gewarnt und gemahnt, aber es passiert nichts und am Ende soll es Erdogan richten. Das man damit den Handlanger zum Partner macht, wird hingenommen.

Es gäbe keine sicheren Außengrenzen? Ach, was für eine überraschende Nachricht von einem der obersten Sicherheitsarchitekten Deutschlands, eine Nachricht, die so neu ist wie die Gewissheit, dass die EU endlich eigenständig ihre Außengrenzen schützen muss. Und ja, dabei wird es unschöne Bilder geben, wenn man es unschön oder unerträglich findet, dass Wirtschafts- und Sozial-Migranten daran gehindert werden, die EU zu betreten.

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Kommentare ( 30 )

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Wolfgang Schuckmann
5 Jahre her

Die Schweinereien werden weitergehen, es werden wieder mehr ankommen und wir können nur zuschauen aber nichts unternehmen. Es gibt immer einen Punkt, an dem die Ereignisse unumkehrbar werden und man einsehen muss, dass die Schlacht verloren ist. Die Schlacht vielleicht, nicht aber der Krieg, sagte mal ein kluger Staatsmann. Wie recht er haben könnte, auch in diesem Fall, werden wir sehen. An schnelle Lösungen glaube ich nicht mehr. Die Überflutung wird weitergehen und gefördert werden von Menschen, die in derVerantwortung stehen , ihr aber nicht gerecht werden. Diese Leute müssen gehen. Dafür gibt es keine Alternative. Und die Anderen, die… Mehr

U.S.
5 Jahre her

Die Ideologie der deutschen R-R-G Polit- Elite: ……“EU und vor allem Deutschland MÜSSEN dringend AFRIKA RETTEN!!…..“ Vor etwa 30 Jahren in 1990 hatte Afrika nur etwa 250 Mio Einwohner, die Afrika schon damals nicht alle ernähren konnte. Es gab schon damals in den 1990er Jahren: „Brot für die Welt“, „Hungerkinder in Biafra“, „Idi Amin, den Schlächet von Uganda!“, „Muamar Ghaddafi, den irren Diktator von Libyen!“, „Geld spenden für Afrika!“ Heute in 2019 sind es ca. 1,3 Mrd. Menschen in Afrika; für 2050 werden ca. 2,5 Mrd. Afrikaner prognostiziert! Die Riesenprobleme Afrika’s sind: (1) Bevölkerungsexplosion; (2) irre Korruption; (3) Bildungsrückstand/- notstand;… Mehr

Falk Kuebler
5 Jahre her

Genau so ist es!

Am Rande: mir gehen die (gar nicht so wenigen) Leute ganz schlimm auf die Nerven, die in solchen Themenkreisen immer wieder sagen „Ich bin ja kein AfD-Wähler, aber …“

Feiglinge, um es mal im Klartext zu sagen? Oder eher Gradmesser für den mittlerweile gefährlichen Gesinnungsterror (sage ich mal so)?

Halbe-halbe, denke ich…

Aber ich schweife ab… 😉

H. Hoffmeister
5 Jahre her

Herr Wallasch,
Es gibt heute in diesem Land nur eine Möglichkeit, die Vielzahl der irrsinnigen Politiken zu ändern, nämlich AfD wählen. Wir können nicht wissen, ob deren Personal es ernst meint oder auch nur Posten benötigt – dagegen spricht zumindest bei vielen der Protagonisten der erforderliche Mut, sich dem täglichen shitstorm auszusetzen – aber eines wissen wir ganz genau: alle relevanten Vertreter der Altparteien sind nicht willens oder in der Lage etwas zu ändern.

Falk Kuebler
5 Jahre her
Antworten an  H. Hoffmeister

Ups… Mein obiger Post („Genau so ist es“…) war als Antwort genau auf Ihren Beitrag gedacht. Da ist mir leider irgendetwas verrutscht…

Britsch
5 Jahre her

Es wurde doch immer propagiert Grenzsicherung brächte gar nichts.
Es wäre nicht möglich grenzen entsprechend zu Sichern.
Die Türkei beweist, daß grenzsicherung was bringt und entsprechend möglich ist.
In / für die Türkei überhaupt kein Problem und in / für die EU nicht möglich??
Für die „EU“ unlösbares Problem?

manfred_h
5 Jahre her
Antworten an  Britsch

Richtig! Und außer der Türkei gibt es auch noch viele weitere Länder die ihre Staatsgrenzen je nach Gegebenheit ganz oder auch nur teilweise wirkungsvoll schützen können UND TUN! So u.a. auch noch;

Spanien, Israel, S/N Korea, Griechenland, Australien, Saudi Arabien, Zngarn, Bulgarien, China uvam.

NUR das technologisch rückständige und verblödete Deutschland will es nicht schaffen -auch- die eigenen Staatsgrenzen wirkungsvoll abzuschirmen und zu schützen??

Anna-Maria
5 Jahre her
Antworten an  manfred_h

Es wäre schön viel getan, wenn Griechenland aus den Schengen Raum ausgeschlossen wäre. Eine Voraussetzung war nämlich, die Aussengrenze zu schützen. Und übrigens: welches Vorteil hat Griechenland von Schengen? Rund herum sind nichtschengen Länder.

Gustl
5 Jahre her

Grenzsicherung: Es gibt nur eine Partei, die das kann. Und die wähle ich. Wenn wir dieses Thema nicht in den Griff bekommen ist es vorbei mit Deutschland so wie wir es kennen. Es wird nur noch ein Siedlungsgebiet sein, ohne identität mit realisierenden Volks- und Glaubensgruppen.

Altchemnitzer
5 Jahre her

Thomas, Sie sind unfär, in Sachen Brandner spitzen Sie die Lippen, aber pfeifen nicht. so etwas tut man nicht! Eine Aufklärung wäre mir gelegen. Ich bin Mitglied der AfD und frage mich bereits seit einiger Zeit, ob ich in der richtigen Partei bin. Gerade deshalb benötige ich Informationen. Also pfeifen Sie in Zukunft. Danke

Sachse fern der Heimat
5 Jahre her
Antworten an  Altchemnitzer

Altchemnitzer, da muss ich Ihnen widersprechen. Es ist nicht eines Anderen Sache, Ihnen Argumente für eine Entscheidung zu liefern, die nur Sie selbst treffen können. Ich war vor vielen Jahren selbst Mitglied einer (DDR)Partei und mit der gleichen Frage wie Sie beschäftigt. Ich habe mir die Antwort selbst gegeben, bin ausgetreten und habe meinen Beruf verloren, konnte danach aber morgens wieder in den Spiegel sehen. Damit will ich nicht sagen, dass AfD-Mitglieder nicht in den Spiegel sehen könnten, sondern nur verdeutlichen, dass nur Sie entscheiden können, was für Sie richtig ist.

Bambu
5 Jahre her

Das einzige was gegen die Fluchtbewegungen hilft, ist das herunterfahren der Leistungen, eine sehr schnelle Abschiebung, wenn es keinen Asylgrund gibt und eine gezielte Bekämpfung der Kriminalität. Illegale Migration und das sind die meisten Fälle, basiert auf bestimmten Motiven, wie z.B wirtschaftlichen Überlegungen. Wenn es dann lukrativer ist, in ein anderes Land überzusiedeln als den Wiederaufbau nach dem Krieg zu betreiben, dann gibt es eine Anzahl von Menschen, welche für sich den dauerhaft bequemeren Weg wählen. Wenn ein Sozialsystem existiert, welches einen Wohlstand ermöglicht, welcher im Herkunftsland nicht erreichbar ist, dann wirkt das wie ein Lockstoff für bildungsferne Menschen. In… Mehr

Gisela Fimiani
5 Jahre her

Herr Romann ist der falsche Adressat. Immerhin zeigt er als Beamter den Mut zur unangenehmen Wahrheit. Vergessen wir nicht, was seinem „Kollegen“ Herrn Maaßen widerfahren ist. Insofern ist Herrn Romann für seine eindeutige Stellungnahme zu danken. Ändern kann er am Zustand der Nicht-Grenzen nichts. Wie lange wird er wohl sich im Amt halten können? Welcher Politiker pflichtet ihm bei und sorgt für Grenzsicherheit?

Seemann
5 Jahre her

Die unschönen Bilder gibt es dann in Deutschland, z.B. am Breidscheidplatz in Berlin.