Die Grünen haben Angela Merkel vorgestern in einer Pressemeldung mal wieder den Marsch geblasen, als Bettina Hoffmann, die grüne Sprecherin für Umweltpolitik der Kanzlerin quasi vorwarf, in Sachen Nachhaltigkeitspolitik Pillepalle zu reden. Konkret nennt Hoffmann das: „Leere Worte anstatt konkreter Taten.“
Die Grüne bezieht sich mit ihrer Kritik auf eine Kanzlerinnenrede auf der Jahrestagung des Rats für Nachhaltige Entwicklung. Diese Institution wurde von Gerhard Schröder eingesetzt, dem damaligen Bundeskanzler der ersten Bundesregierung mit grüner Beteiligung. Der Rat soll die Regierung in ihrer Nachhaltigkeitsstrategie beraten.
Frau Hoffmann kritisierte Angela Merkels Rede in ihrer Funktion als Obfrau im Parlamentarischen Beirat für Nachhaltige Entwicklung. Ja, man kann durcheinander kommen. Ja, dieser Beirat hat mit dem Rat nichts zu tun. Es gibt also einer Reihe von Regierungsorganisationen, die sich um ein und dasselbe kümmern und die sich dann gegenseitig kritisieren. Oder sollten wir antreiben sagen?
Die Obfrau des Beirats kritisierte also die Kanzlerinnenrede vor dem Rat. Hoffmann fehlen konkrete Taten:
„Zwischen Anspruch und der Wirklichkeit klafft weiterhin eine riesige Lücke. 29 von 66 Indikatoren der deutschen Nachhaltigkeitsstrategie sind noch weit vom Ziel entfernt.“
Und die Bundeskanzlerin sei die Schuldige, so die Grüne:
„Die Bundeskanzlerin trägt eine große Verantwortung für den Stillstand in der Nachhaltigkeitspolitik in Deutschland. Denn die Verantwortung für die Umsetzung der Deutschen Nachhaltigkeitsstrategie liegt beim Kanzleramt. Angela Merkel scheut sich seit Jahren davor, ihr Kabinett in die Pflicht zu nehmen, um die Nachhaltigkeitsziele zu erreichen.“
Die Grüne forderte von Merkel also am Dienstag endlich „verbindliche Aufholpläne“ in Gang zu setzen.
Wie sehr die Kanzlerin des Atomausstiegs und der Klimawandelbekämpfung tatsächlich am Rockzipfel des wahrscheinlichen nächsten Koalitionspartner der Union hängt, mag noch die größten Freunde einer schwarz-grünen Verbindung überrascht haben, wenn Merkel noch am selben Tag der scharfen Kritik der Grünen in einer Unions-Fraktionssitzung am Dienstag dieser Woche die Losung ausgibt, in Sachen Klimapolitik „kein Pillepalle mehr“ zu veranstalten, sondern Schritte zu machen, die zu „disruptiven“ Veränderungen führen. Und dieses „disruptiv“ ist nicht wenig, es bedeutet dem Wort nach etwas Bestehendes aufzulösen bzw. zu zerstören.
Merkel behauptete weiter, es sei im Klimaschutz seit 2002 nichts mehr passiert. Also seit dem zweiten Kabinett (2002-2005) ihres Vorgängers Schröder. Vor der Fraktionssitzung der Union soll Merkel laut Bild geäußert haben, die Union solle aber dennoch „die Nerven behalten“ und sich in Geduld üben.
Das nun wiederum richtet sich wohl unmittelbar als Grußadresse an Parteichefin Annegret Kramp-Karrenbauer, die angesichts der Ergebnisse der EU-Wahl und der anhaltenden Erfolgsserie der Grünen von ihrem angeblichen neuen Masterthema „restriktivere Zuwanderungspolitik“ gerade erst so fahrig zur Klimapolitik als neuem Thema Nr.1 rübergemacht hatte.
Aber nicht nur die Grünen, auch der so brutal angeschlagene Koalitionspartner SPD macht Druck, wenn mit dem Umweltministerium ein weiteres Mal ein SPD-Ressort quer schießt (oder vermeintlich querschießt), wenn Ministerin Svenja Schulze im ZDF-Morgenmagazin anmahnt, es ginge alles viel zu langsam mit der Umweltpolitik der Regierung.
Nun ist Angela Merkel nicht erst seit gestern im Amt, sondern mittlerweile seit beinahe eineinhalb Jahrzehnten. Wer behauptet, sie wissen nicht, was sie tue, der ignoriert die machtpolitische Erfolgsgeschichte Angela Merkels.
Und das führt dann direkt zur Frage: Lässt sich Pillepalle-Merkel und mit ihr die Union tatsächlich vor sich hertreiben, oder sind das alles nur Scheingefechte und die Bundeskanzlerin ist mittlerweile ein gewaltiges trojanisches Pferd in der Union und als größte Grüne von allen, weil mit der notwendigen Macht ausgestattet, grüne Politik entlang auch internationaler Vorgaben durchzusetzen?