Terre des Femmes ist 'Helfershelfer der AfD'? Verqueres Denken scheint keine Grenzen zu kennen.
Never hate your enemies. It affects your judgment. Hüte Dich, Deine Feinde zu hassen, denn es trübt Dein Urteilsvermögen. Das berühmte Zitat von Michael Corleone aus dem Film ‚Der Pate‘ könnte treffender nicht sein. Aktuelles Beispiel liefern zwei Texte von Journalisten.
Der erste Text kommentierte einen Appell von Terre des Femmes. Die Frauenrechtsorganisation fordert ein Vollverschleierungsverbot und schrieb jüngst auf ihrer Webseite: „Ohne ein Verbot wird es in Deutschland bald sehr viel mehr Vollverschleierung geben.“ In einem Positionspapier listet Terre des Femmes die Argumente für das Verbot auf.
Der zweite Artikel offenbarte eine ähnlich verquere Logik, aber jetzt geht’s um den Fall Mark Meechan. Meechan alias Count Dankula ist ein schottischer Youtuber, der jüngst wegen eines sogenannten Hassverbrechens zu einer Gefängnisstrafe verurteilt wurde. Sein Hassverbrechen bestand darin, dass er dem Mops seiner Freundin aus Witz den Hitlergruss beibrachte – der Mops streckt in dem Video tapsig sein kurzes Pfötchen in die Höhe, während Meechan pro-Nazi-Kommentare von sich gibt. Das Ganze erweckt bei der Zuschauerin ein Gefühl zwischen Kopfschütteln und Lachreiz. Meechan wollte damit seine Liebste auf die Palme bringen, was er im Nachhinein selbst als dumm bezeichnete. Das Video, das klar als Scherz erkenntlich war und nun als „Nazi pug“ (Nazi Mops) in die Youtube-Annalen eingeht, war für die Schottischen Behörden keiner; Anstiftung zu Antisemitismus in einem „extrem beleidigenden“ Video lautete die Anklage. Unterstützung erhielt Meechan von dem beliebten britischen Comedian Ricky Gervais: „Wenn du nicht daran glaubst, dass eine Person das Recht hat Dinge zu sagen, die du vielleicht als beleidigend empfindest, dann glaubst du auch nicht an Redefreiheit“, schrieb er auf Twitter.
Ein Journalist der britischen Onlinezeitung INews beurteilte das anders (was sein gutes Recht ist). Er sah sich in seinem Kommentar genötigt, Gervais – der sich, nebenbei, bei den Wahlen 2017 für Labour Party-Chef Jeremy Corbyn aussprach – als Helfer der Rechtsextremen zu bezeichnen: „Die Rechtsextremen benützen Online-Witze um ihre rechte Ideologie attraktiver zu machen und Mainstream-Comedians helfen ihnen dabei.“ Die Comedians, und damit meinte er vor allem Gervais, würden den richtigen Kontext des Videos nicht verstehen, so seine Behauptung.
Ob Meechans Witz lustig war, total daneben, ob Redefreiheit das Recht beinhaltet zu beleidigen, ob die Forderung der Frauenrechtsorganisation nach einem Vollverschleierungsverbot berechtigt ist – das soll hier heute nicht der Punkt sein. Von Bedeutung ist die Ähnlichkeit, die die Fälle von Terre des Femmes und Gervais offenbaren: Beide verteidigen und stehen für Prinzipien ein, die für sie selbst und für eine Gesellschaft massgebend sind; Frauenrechte und Redefreiheit. Und beide werden deshalb der Beihilfe zum Rechtspopulismus, gar zur Handreichung zum Rechtextremismus bezichtigt.
Hier ist das Problem: Auch die AfD fordert ein Vollverschleierungsverbot – und auf der Insel kämpfen, nebst den Liberalen, auch Rechtsaktivisten und Rechtsextreme für Redefreiheit und kritisieren das Urteil gegen Meechan öffentlich lautstark. Mit diesen Gruppen setzen sich halt dummerweise die Falschen für die richtige Sache ein. Natürlich ist die Motivation von verschiedenen Gruppen dahinter nicht immer dieselbe, man ist womöglich aus unterschiedlichen Gründen für oder gegen ein Anliegen. Das ändert aber in dem Moment an dem konkreten Thema nichts.
Es stellt sich die Frage: Was wäre, wenn die AfD für den Klimaschutz einträte? Würden Menschen dann Reifen im Garten verbrennen? Ein grösseres Auto anschaffen? Kohlekraftwerke unterstützen? Der Vorwurf ‚Helfershelfer der AfD‘ an Terre des Femmes, nur weil die Organisation für dieselbe Sache einsteht wie jemand den man selbst verachtet, offenbart die beschränkte Denkweise mancher Leute. Gemäss ihrer Logik sollten sich Frauenorganisationen also nur für Frauenrechte einsetzen, solange sich keine verhasste Gruppe für dieselben Rechte einsetzt – weil sie ansonsten dieser Gruppe in die Hände spielen. Und gemäss derselben Logik sollte sich Comedian Gervais nur für Redefreiheit einsetzen, solange kein verhasster Youtuber, Aktivist oder Politiker ebenso für Redefreiheit kämpft – ansonsten unterstützt man diese bei der Verbreitung ihrer Ideologie.
Man kann mit der Agenda des politischen Gegners kollidieren. Kann sie für würdelos halten, übergeschnappt, für rassistisch auch. Wenn man aber aufgrund seiner Verachtung nicht mehr zu differenzieren vermag und reflexartig mit der Diffamierungsaxt um sich schlägt, schadet man nicht nur der offenen Debatte, sondern der Sache selbst. Als ob sie es ahnen würde, fügte Terre des Femmes auf ihrer Webseite zum Vollverschleierungsverbot bei: Religionskritik sei generell ein Merkmal jeder aufgeklärten und offenen Gesellschaft und habe nichts mit Fremdenfeindlichkeit zu tun. Aber vor allem Kritik am Islam würde pauschal mit Rassismus und Rechtspopulismus gleichgesetzt. „Die Vorwürfe sind so vehement, teils denunziatorisch geworden, dass sie die Debatte vergiften und nichtreligiöse wie religiöse säkulare und liberale Kräfte zum Schweigen bringen.“
Die zwei Kommentare und ihre Autoren sind so unbedeutend wie die Regenwolken vom Morgen. Sie stehen aber als Symbol einer Gesellschaft, die mit ihrem Gebaren zunehmend Menschen einschüchtert und so zur Bildung von extremen linken und rechten Rändern beiträgt. Deren Repräsentanten setzen sich geräuschvoll für ihre Prinzipien ein, während die grosse Mehrheit aus der Mitte aus Angst vor solcherlei Aburteilung lieber stumm bleibt, ihre Meinung nur mehr an privaten Abendessen preisgibt. Frauenrechte und Redefreiheit betrifft uns aber alle. Wir sollten den Kampf dafür gemeinsam führen, statt uns gegenseitig anzugreifen.
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Patricia Hecht … Redakteurin für Gender und soziale Bewegungen im Inland.
Ein Artikel über die Schauspielerin Souad Faress (Game of Thrones) und die stalinistischen Vergewaltigungsquoten, welche Alison Saunders in den UK durchsetzt, wäre wünschenswert.
Zitat: „Hier ist das Problem: Auch die AfD fordert ein Vollverschleierungsverbot – und auf der Insel kämpfen, nebst den Liberalen, auch Rechtsaktivisten und Rechtsextreme für Redefreiheit und kritisieren das Urteil gegen Meechan öffentlich lautstark. Mit diesen Gruppen setzen sich halt dummerweise die Falschen für die richtige Sache ein.“
Inwiefern sind dies denn die „Falschen“ und wer wären dann die „Richtigen“?
Gerade habe ich mich an die 70er Jahre des letzten Jahrhunderts erinnert. An den Universitäten bekämpften sich diverse kommunistische Studentengruppen. Bei einer machte ich mit. Da habe ich auch schon immer nicht verstanden, daß, wenn eine eine „richtige“ Forderung formulierte, die eigentlich hätte Konsens sein müssen, die anderen diese auf gar keinen Fall unterstützen mochten. Die Argumentation verlief nach dem Muster: „wenn DIE das fordern, kann es nur falsch sein, die Studenten auf Abwege bringen, die „Bewegung“ spalten, den Revisionismus fördern“ und was an Schlagworten sonst so üblich war. Dasselbe Muster erkenne ich bei der parlamentarischen Arbeit der AfD wieder:… Mehr
Wenn ein Artikel in der TAZ mit dem Titel „Helfershelfer für die AfD“ erscheint, weiß man, was drin steht und braucht ihn eigentlich nicht zu lesen. Da hat mal wieder jemand eine andere Meinung als diese Lichtgestalten der edlen Gesinnung; das reicht bekanntlich. Hier schreiben die gleichen Menschen, die früher in jedem Marlboro-Raucher einen CIA- Agenten erkannt haben. Man sollte von denen nicht allzuviel erwarten. Es sind sowieso mittlerweile „Generäle ohne Soldaten“ ( H.M. Broder)
Die verquere Logik erinnert mich so sehr an das NEUE DEUTSCHLAND und die gesamte Presse der DDR. Vielleicht hat die Redaktorin ihr Handwerk dort gelernt?
Wir sind schon wieder so weit! Vor 70 Jahren beschrieb Dietrich Bonhoeffer sehr einleuchtend und mit einfachen Worten das auch gegenwärtig wieder massiv grassierendes Phänomen. Dummheit * „kognitive Dissonanz“. Wer hätte es besser beschreiben können, als er? Es sollte Pflichtlektüre in den Schulen und eines jeden sein ? Dietrich Bonhoeffer Widerstand und Ergebung Von der Dummheit Dummheit ist ein gefährlicherer Feind des Guten als Bosheit. Gegen das Böse läßt sich protestieren, es läßt sich bloßstellen, es läßt sich notfalls mit Gewalt verhindern, das Böse trägt immer den Keim der Selbstzersetzung in sich, indem es mindestens ein Unbehagen im Menschen zurückläßt.… Mehr
Pardon: kognitive Dissonanz ist ein sozialpsychologisches Phänomen, das mit Dummheit nichts zu tun hat.
„Mit diesen Gruppen setzen sich halt dummerweise die Falschen für die richtige Sache ein.“ Das ist nicht die Sicht von Frau Wernli sondern die Sicht derjenigen, die ständig davor warnen, dass man den „Falschen“ sprich „Rechten“ in die Hände spiele, wie z.B. die Redaktorin der TaZ.
Zu viele Worte ohne auf den Punkt zu kommen. Am Ende ein: ‚Wir sollten gemeinsam fuer Frauenrechte und Redefreiheit kaempfen‘. Das ist Quatsch wenn jeder die Dinge unterschiedlich definiert. Da bin ich lieber weniger kompromissbereit und kaempfe fuer die richtige Definition.
Die Art des Diskurses ist geeignet, die Gesellschaft zu spalten … also keinen offenen Diskurse mehr, sondern nur Gräben und Lagerdenken. Es wäre besser, wenn man derartige Niederträchtigkeiten getrost ignorieren könnte, aber sie mausern sich mehr oder minder stark zu Selbstverständlichkeiten. Mit welcher Gleichgültigkeit man in fast allen Medien von ‚Rechtspopulisten‘ spricht, ohne noch die Stichhaltigkeit der Inhalte zu diskutieren, ist für mich verbitternd. Die Gesellschaft scheint sich gar nicht mehr um Inhalte, Probleme, Analysen, Vorschläge, Rechte – kurz: Sachfragen – zu interessieren, sondern nur noch, wie dieser oder jene in eine Seite einzuordnen ist. Das wird dann als Gesinnung… Mehr
Verwechseln sie die Gesellschaft nicht mit der zugegebenermaßen recht großen Gruppe der Linken Ideologen unter den Medienleuten. Die Mehrheit in der Gesellschaft besteht aus feigen Mitläufern und uninteressierten Realitätsverweigerern. Die blöken in jede Richtung einfach mit der Masse.