Späte Enthüllungen und pauschale Anschuldigungen: Die Solidaritäts-Kampagne mit den Weinstein-Opfern hinterlässt einen schalen Beigeschmack.
Gut möglich, dass mir wegen dieser Zeilen der Vorwurf des „Victim Blaming“ entgegenschlägt, das ist der moderne Begriff dafür, wenn man Opfern die Schuld gibt. Vielleicht wird man mich für emotionslos und frauenfeindlich halten. Falls es eintrifft, dann ist es eben so.
Aus etwas zeitlicher Distanz betrachtet, hinterlassen einige Begebenheiten rund um den Harvey Weinstein-Skandal und der daraus geborenen #MeToo-Kampagne bei mir einen schalen Beigeschmack. Nur weil ich eine Frau bin, muss ich nicht grundsätzlich solidarisch sein mit der Damenwelt, die nun von ihren Erfahrungen mit Weinstein-Typen in den sozialen Medien berichtet – ich muss diese weder uneingeschränkt glauben, noch einstimmen in diesen Kanon der Opfersymbiose, der streckenweise überraschend unreflektiert daherkommt.
Wie ich in meiner Kolumne vom 12. Oktober geschrieben habe, halte ich Männer wie Harvey Weinstein für Schweine. Ich glaube, dass die meisten Anschuldigungen gegen ihn der Wahrheit entsprechen – er hat viele Grenzen überschritten, darunter solche, die strafrechtlich relevant sein dürften. Er gehört dafür bestraft.
Es ist gut, dass Hollywoods A-Liga-Damen Weinsteins Übergriffe publik machten. Nur: Warum tun sie es erst jetzt? Hätten Superstars wie Gwyneth Paltrow und Angelina Jolie Weinsteins sexuelle Belästigungen schon vor 20 Jahren gemeldet, wären viele weniger bekannte und mächtige Schauspielerinnen vermutlich gewarnt und geschützt gewesen.
Dass Paltrow oder Jolie wegen ihres jungen Alters eingeschüchtert gewesen sein sollen, nehme ich ihnen nicht ab. Paltrow war längst eine etablierte Schauspielerin, die mit Mutter Blythe Danner, Hollywood-Schauspielerin, Vater Bruce Paltrow, Filmproduzent, Steven Spielberg als Patenonkel und Brad Pitt als Freund genug Unterstützung gehabt hätte, die ganze verlogene Branche auffliegen zu lassen, wenn ihr danach gewesen wäre.
Auch bei Jolie, damals längst ein Star und mit familiärem Hollywood-Power gesegnet (Mutter Schauspielerin, Vater Oscar-Preisträger Jon Voight) scheint das Bild der von den Medien gezeichneten Ohnmacht fehl am Platz. Gewiss, damals war der soziale Umgang mit solchen Themen ein anderer als heute. Dennoch dürfte das jahrelange Schweigen der beiden Stars (und vieler, vieler weiterer), die sich in der Öffentlichkeit stets als Kämpferinnen für die Sache der Frau präsentieren, und die nachträglichen Anschuldigungen, auch wenn sie berechtigt sind, eine karriere-technische Massnahme gewesen sein.
Die Mär von den „schutzlosen, eingeschüchterten“ jungen Schauspielerinnen, welche uns die Medien (und mit ihnen alle im Geiste verbundenen) nun unisono auftischen, ist Blödsinn. Vereinzelt trifft es vielleicht zu. Wer sich aber nach Hollywood aufmacht, ist in den meisten Fällen nicht schwach, nicht eingeschüchtert, höchstens naiv. Diese Frauen sind keine verschupften Hascherln, keine zerbrechlichen Bambis. Und, ganz generell zur Auffrischung: Frauen sind gerissen, sie können berechnend sein, manipulierend – und das nicht erst seit dem Aufkeimen des Feminismus im Zuge der Aufklärung; schon im alten Ägypten liess sich der letzte weibliche Pharao, Kleopatra, gleich mit mehreren mächtigen Männern ein, um ihre Ziele zu erreichen.
Zurück zu Weinstein: Party im Hotelzimmer? Es böte sich mir zu dem Zeitpunkt noch die Möglichkeit einer Planänderung, aber selbstverständlich mache erst mal mit, begebe mich aufs Zimmer. Keiner da ausser Weinstein. Bin ich zu früh? Ich bin verunsichert – und jetzt auch auf der Hut. Jetzt böte sich mir nochmals die Möglichkeit einer Planänderung, abzuhauen mit irgendeiner Ausrede, aber ich bleibe. Wir quatschen ein bisschen, dann verschwindet Weinstein – und kehrt im Bademantel und mit Körperlotion zurück, bittet um eine Massage. Dass er Sex mit mir will, kann er mir deutlicher kaum offenbaren. Ich bin erschrocken, aber nicht im Schockzustand. Ein Hotelzimmer ist kein abgelegenes Waldstück, Schreie und Kreischen können gehört werden, Flucht ist noch immer möglich.
Argento hatte „Panik“, wie sie sagt, floh aber nicht. Sie massierte Weinstein, wenn auch „widerwillig“, dann habe er ihren Rock hochgehoben, ihre Beine auseinander gezwungen und Oralsex an ihr vollzogen. Laut dem New Yorker habe sie sich nicht physisch gewehrt, aber mehrfach gesagt, dass er aufhören solle.
Jede Frau reagiert in einer solchen Situation anders. Die physische Überlegenheit eines Mannes kann unglaublich einschüchternd sein – ich kenne es aus eigener Erfahrung. Womöglich war es die Angst vor einer Eskalation, welche die junge Frau damals zum Bleiben bewogen hatte. Besser sich fügen in eine Situation, die man wenigstens ein bisschen kontrollieren kann.
Der Teil, der jetzt kommt, lässt mich aber stutzen. In den folgenden fünf Jahren hat die Italienerin Weinsteins weitere Avancen erlaubt, die beiden sind „sich näher gekommen“, inklusive gemeinsame Abendessen und einer (einvernehmlichen) On/Off-Sexbeziehung. Der damals 45-jährige hat sie auch seiner Mutter vorgestellt. „Ich fühlte mich so, als ob ich musste“, gab sie beim New Yorker zu Protokoll. Einer ihrer Filme war kurz vor dem Start und sie wollte Weinstein „nicht erzürnen“, weil er ihre Karriere hätte zerstören können.
Es ist also nicht das Stockholm-Syndrom, sondern die Karriere. An der Stelle wage ich die Frage einzuwerfen: Wäre der Peiniger nicht Weinstein gewesen, sondern zum Beispiel der Typ, der ihr vor dem Hotel den Parkschein gab, wäre sie dann auch zu dem Parkschein-Typen für eine Party ins Hotelzimmer gegangen und hätte ihn widerwillig massiert? Oder hätte sie vielleicht in einem viel früheren Stadium eine rationale Entscheidung getroffen, nämlich die Notbremse zu ziehen und zu verschwinden?
Bevor jetzt alle aufschreien: Ich bin der Meinung, ein Nein ist immer ein Nein. Wenn ein Mann (oder eine Frau) eine offensichtliche Ablehnung des Gegenübers an einem bestimmten Punkt noch immer nicht begriffen hat (diesbezüglich existieren ja einige Exemplare), ist spätestens bei einem Nein der ultimative Rückzug geboten. Niemand, egal, wie naiv, egal wie kurz der Rock, egal wie flirt-reich das Gespräch zuvor war, ist je schuld an einer erlebten Vergewaltigung. Eine Vergewaltigung oder ein sexueller Übergriff ist durch nichts auf dieser Welt gerechtfertigt.
Die von Schauspielerin Alyssa Milano initiierte #MeToo-Bewegung wurde nach den Weinstein-Enthüllungen zum Renner in den sozialen Medien. Tausende Frauen weltweit erzählten von ihren Erfahrungen mit sexueller Belästigung. Sein Leid mit anderen zu teilen, ist gewiss eine Befreiung – nur bergen solche öffentlichen Enthüllungen auch das Risiko von Mitläuferinnen, von Übertreibungen. Die US-Journalistin Michelle Malkin schrieb in einem Artikel für The Daily Wire, die #MeToo-Bewegung sei ein kollektives Virtue Signalling (signalisieren der eigenen Tugendhaftigkeit) der sehr gefährlichen Sorte: „Behauptungen sind keine Wahrheiten, bis sie als Fakten bewiesen und durch Beweise erhärtet worden sind.“ Und: „Ich glaube nicht jeder Frau, die jetzt ihre Geschichte erzählt. Ich schulde keiner anderen Frau Loyalität, nur weil wir das selbe Pronomen teilen.“
Weil Malkin, die auch Moderatorin der Sendung „Michelle Malkin Investigates“ auf CRTV.com ist, sich das Recht vorbehält, „Behauptungen individueller Kläger von sexuellen Übergriffen gründlich zu untersuchen, anstatt sie reflexartig und pauschal als ‹Opfer› zu verteidigen“, wurde sie als gefühllos und unmenschlich geschimpft.
Malkin ist sich sicher, dass viele Anschuldigungen gegen Weinstein stattgefunden haben. Dennoch schreibt sie: „Erfahrung und wissenschaftliche Literatur haben gezeigt, dass sich ein signifikanter Teil der Anschuldigungen oft als Unwahrheiten herausstellt, als Übertreibungen oder Erfindungen.“ Malkin zitiert eine Statistik von Brent Turvey, einem forensischen Wissenschaftler und Profiler, der das Thema „falsche Anschuldigungen“ in seinem gleichnamigen Buch während Jahrzehnten erforscht hat. Gemäss Turney’s Bericht liegt die Zahl von falschen Anschuldigungen bei Vergewaltigungen und sexuellen Übergriffen in den Vereinigten Staaten zwischen 8 und 41 Prozent.
Mit Bewegungen wie #MeToo den Finger auf Missstände zu legen, ist legitim. Nur differenziert die Bewegung nicht zwischen sexueller Belästigung und Vergewaltigung. Die Journalistin Daniella J. Greenbaum fasst es im US-Politmagazin Commentary so zusammen: „In dem man Belästigung mit tätlichen Übergriffen gleichsetzt, wie es die Kampagne tut, erweist man jenen Frauen, die unsere Unterstützung am meisten brauchen, einen schlechten Dienst.“ Auch scheint die Kampagne zu einer Art digitaler Hexenjagd gegen das gesamte männliche Geschlecht mutiert – in unzähligen Tweets werden Männer derzeit ohne kritische Auseinandersetzung pauschal verunglimpft. Das ist lächerlich, denn auch wenn gewisse Männer Frauen sexuell belästigen, tun es nicht alle. Ein Effekt des Rundumschlags: Die Haltung von Männern ändert sich. „Ich habe Frauen früher beruflich gerne und stets gefördert“, erzählt mir der Chef eines Deutschen Unternehmens. „Das tue ich heute nicht mehr, weil ich einfach keine Scherereien möchte.“
Es kommt einem ein bisschen so vor, als ob diese späten Enthüllungen und pauschalen Anschuldigungen samt ihrer Instrumentalisierung heute eine Art Überkompensation sind für jahrzehntelange Unterdrückung und Diskriminierung von Frauen. Ob die Diskussionen schlussendlich dazu beitragen, dass Gewalt an Frauen tatsächlich abnimmt, oder ob damit nicht einfach ein Keil zwischen die beiden Geschlechter getrieben wird, bleibt abzuwarten.
Der Beitrag erschien zuerst in der Basler Zeitung.
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Die Handlungsweise vom Michel aus FfM haben Sie falsch verstanden. Das war doch nur sein aktiver Beitrag zur Integration osteuropäischer Zwangsprostituierter – also ein durchaus lobenswertes Unterfangen!
Wenn die Linken und Hollywood sich nicht ständig als die moralischen Bessermenschen aufspielen würden, könnten Konservative in so einem Fall sicher bedachter reagieren. Die Rechten wurden seit dem Aufstieg von Trump im Wahlkampf von Hollywood-Linken non stop beschimpft. Es gab einen tränengerührten Vortrag nach dem anderen von Meryl Streep und Konsorten über die unerträglich bösen Trump-Anhänger. Mit einer Arroganz und überheblichen Art wurde hier gepredigt aus den heiligen Hallen der Bessermenschen in Hollywood. Und jetzt wundern sie sich, wenn die andere Seite spöttisch lacht und nachtritt, wenn sie am Boden liegen? Wie man in den Wald hinein ruft, so schallt… Mehr
Ich glaube auch, dass Harvey Weinstein jetzt nur deshalb bloßgestellt wurde, weil ihn andere mächtige Hollywood-Größen loswerden wollten. Das sieht mir ganz nach einer koordinierten Kampagne aus, die einen ganz anderen Hintergrund hat.
Weshalb sollte sonst plötzlich nach vielen Jahrzehnten die Empörung über etwas ausbrechen, was in Hollywood jeder wusste? Anspielungen und Scherze auf Weinsteins Verhalten finden sich überall schon seit Jahrzehnten. Zum Beispiel wurde Courtney Love vor über 10 Jahren gefragt, was sie jungen Schauspielerinnen als Tipp geben könnte, und sie sagte in die Fernsehkamera: „wenn Harvey Weinstein dich zu einer Party im Hotelzimmer einlädt – geh nicht hin!“
diese #metoo Kampagne sind Nebelkerzen. Was nutzt es den Frauen, die ÖPNV nutzen müssen, die auf der Straße von einem Bulk Kulturfremder zu Sex aufgefordert und bei Ablehnung hämisch ausgelacht werden, was nutzt es den Frauen & Mädchen die in Schwimmbädern begrapscht werden? Was interessiert es mich, wenn Promis und Politikerinnen das Selbstbewusstsein fehlt, um die Hand vom Knie zu schubsen? Die Frauenmagazine sind voll mit Tips wie Frauen sich möglichst sexy auftakeln und wenn Männer dann große Augen bekommen, dann ists Sexismus. „Mann in München festgenommen Sexuelle Belästigung in Bus – Fahrer schreitet ein.Eine 21-jährige Frau wird an einer… Mehr
Sorry, aber das ist Unfug. Die Werke von Freud und Jung haben sicher ihre Berechtigung. Aber sie als „wissenschaftlich untersetzte (???) Tatsachen“ zu bezeichnen oder gar als „gesichertes Wissen der Psychologie“ ist schon sehr weit hergeholt. Diese Psychoanalytiker arbeiteten mit Einzelfallstudien, da kann man nicht auf die Allgemeinheit schließen. Und nach heutigen wissenschaftlichen Standards würde man diese Einzelfallbeschreibungen auch nicht als „Studien“ bezeichnen. Und selbst wenn es so wäre: Was sagt ein Traum denn über die realen Wünsche aus? Wenn ein Mensch davon träumt, in einen Abgrund zu fallen, würde man auch nicht auf die Idee kommen zu behaupten, dieser… Mehr
Ich denke, es gibt genug Frauen, die diesen Weg favorisieren, aber andere, die entweder naiv sind oder an den „guten Weg“ nach oben glauben (also auch naiv sind). Es gibt also Frauen, die das bewusst und vielleicht sogar gezielt mitmachen und solche, die tatsächlich vergewaltigt werden. Letztendlich ist es die Huhn/Ei Frage, wer damit anfing. Ich wünsche keiner Frau eine Vergewaltigung. Aber wenn ich etwas Sarkasmus einbringen darf: für mich ist die Sache weitgehend erledigt, denn ich darf mich als „weißer Mann“ ohnehin nicht an der Diskussion beteiligen. Denn: mit Bezug auf die Ereignisse in Köln habe ich irgendwo Statements… Mehr
In einer Seitenstraße des Hollywood Boulevards steht ein Denkmal in Form eines großen Doppelbettes mit der Inschrift „How we made it to Hollywood“. Wir haben uns bei der Entdeckung damals sehr über die Selbstironie der Amerikaner amüsiert.
Eine „Besetzungscouch“ ist klar definiert und schon seit Jahrzehnten bekannt. IT takes two to Tango. Wer nicht will, lehnt ab. Nachtmenschen geben ihre Richtung und Bedingungen vor, man selbst hat es in der Hand mitzumachen oder nicht. Was mich an dem jetzigen Bashing stört ist, dass vor nicht allzu langer Zeit ein sexuell anderer Zeitgeist herrschte. Jeder mit jeder/jedem. Es war einfach so, der Pille sei Dank. Männer freuten sich über die jederzeit verfügungsbereite Sexpartnerin. Wer was wollte, wusste, Sex sells. Daraus abhängige Vergewaltigungsopfer im Nachhinein zu konstruieren halte ich für falsch. In heutigen prüderen Zeiten sind andere Zeitgeister zuhause,… Mehr
Alles was in den USA passiert schwappt dann früher oder später auch zu uns herüber, hier dann nur noch lächerlicher und absurder. Mal davon abgesehen, daß die Weinsteinaffäre nur ein weiterer Höhepunkt des in den USA schon seit Jahren erbittert geführten Kampfes des dortigen sehr starken und aktiven Feminismus gegen die Männerwelt ist, ist es doch eine unbestrittene Tatsache, daß es in allen Schichten der Gesellschaft und natürlich auch vor allem bei den Mächtigen und Reichen Männer gibt, die ihre Positionen ausnutzen. Aber ebenso eine Tatsache ist, daß es genügend Frauen gibt, die mit ihren Reizen spielen und sie gezielt… Mehr
Zu diesem Artikel kann ich das erste Mal wirklich nur Beifall klatschen! Ich hatte es selbst noch nicht von der Seite betrachtet, da mich das Thema nicht so sehr interessiert hat, aber dass ausgerechnet eine Frau das ganze mal so beleuchtet, das hat Charme und Stil. Ich sehe diese ganze „Männer sind Schweine“-Debatte sehr kritisch, denn letztendlich ist es bereits jetzt soweit, dass jede Frau die Möglichkeit hätte einen Mann in Grund und Boden zu stampfen (rechtlich und öffentlich), wenn sie nur wollte. Als Mann weiß man teilweise gar nicht mehr wie man sich verhalten soll, vor allem wenn man… Mehr