Heuchlerische Verbote

Sexy Motive und stereotype Geschlechterrollen in der Werbung machen angeblich psychisch krank. Bald werden wir nur noch Männer beim Kochen und Frauen in langen Hosen sehen.

 

Knackige, athletische Rückenansicht: Sandi Morris, Hallenweltmeisterin im Stabhochsprung, zierte neulich in Düsseldorf ein Plakat für einen Sportevent. Sie trug ihr Wettkampf-Outfit, hielt den Stab, auf einem Slogan stand „Finale oho“. Es zeigte sie – bitte festhalten – von hinten. Von hinten! Die entspannten Ästheten unter uns hielten das für ein grossartiges Bild, die anderen kreischten „Sexismus!“, weil sie auf das Hinterteil reduziert würde. Und da sich im 21. Jahrhundert die anderen vermehrt durchsetzen, entschied man zum Schutz von Sandi, ihre 16 Grossplakate zu entfernen – und sie mit Kugelstosser Tomáš Stanek zu ersetzen. Angesichts des permanenten Klagens der Feministen, Frauen würden viel weniger berücksichtigt, offenbart die Auswechslung von Sandi mit Tomáš einen eher lückenhaften Gedankengang. Immerhin kommt die neue Prüderie den Werbern zugute: Sie können einfach wieder ihre Plakate aus den 50ern aufhängen.

Nur geht es so bequem eben auch wieder nicht. Denn viele Motive von damals passen nicht mehr ins heutige Weltbild; Werber richten ihre Bilder längst von selbst darauf aus. Der Werbeaufsicht in Grossbritannien genügt das aber nicht, sie verkündete jüngst das neueste Verbot: Werbung, die Männer und Frauen in stereotypen Geschlechterbildern zeigt, ist per Juni 2019 nicht mehr erlaubt. Eine Frau, die Mühe mit dem Einparken hat oder allein für das Aufräumen zuständig ist, während der Mann mit hochgelegten Füssen herumhängt – solche Bilder sind künftig untersagt. Laut der britischen Zeitung „The Guardian“ befürchtet die Werbeaufsicht, dass geschlechtsstereotype Aktivitäten zu „Lohnunterschieden beitragen“ und „psychologischen Schaden“ anrichten. Persönlich finde ich ja, dass jene Menschen, deren Psyche beeinträchtigt ist durch das in einem TV-Spot bebilderte (und auf Tatsachen beruhende!) schlechte Einparken einer Frau, das Autofahren lieber ganz bleiben lassen sollten. Möglicherweise sind sie der Belastung nicht gewachsen.

Natürlich kann Werbung eine Gesellschaft beeinflussen. Filme oder Idole aus dem Showbiz mit ihren Millionen vor allem junger Fans tun es aber noch viel mehr: Die Beyoncés und Emily Ratajkowskis, die mit sexualisierten Tanzeinlagen und der halbnackten Zurschaustellung des eigenen Körpers Sexualität permanent promoten und damit das Rollenbild der erotischen Frau vervollkommnen. Oder die Gangsta-Rapper, deren Videos Jugendliche verehren, von denen viele mit herabwürdigender Sprache und gängigen Stereotypen daherkommen; drei Lamborghinis, drei twerkende Damen und drei Typen mit Knarre. Mir muss die öffentliche Diskussion darüber entgangen sein, dass diese Klischees Lohnunterschiede fördern oder psychischen Schaden anrichten.

Von mir aus können Sängerinnen nackt auf der Bühne herumspringen und Rapper ihren Bitches in den Clips den Hintern versohlen – künstlerische Freiheit ist ein hohes Gut. Nur kann man den modernen Moralhütern, die diese marktregulierenden Werbeverbote befördern und beklatschen, eine gewisse Heuchelei nicht absprechen, wenn sie einerseits Frauen wie Beyoncé und Emily als feministische Ikonen feiern und nichts gegen die Goldzahnkreativität einwenden – und es andererseits als soziologische Pflicht erachten, Menschen vor Unterwäsche- oder Bikiniplakaten zu schützen. Weil sie zu sehr eingenommen sind von dem Bestreben, eine gerechtere Gesellschaft zu schaffen, in der niemand sich abgewertet fühlt, übersehen sie ihre unterschiedlichen Massstäbe.

Stereotype Geschlechterbilder zu verbieten, ist etwa so wie den „Tatort“ aus dem Programm zu kippen in der Hoffnung, dass die Kriminalität zurückgeht. Gemäss der Logik müsste man auch Werbung verbannen, die Frauen als Beifahrerin im Auto zeigt oder Männer, die Frauen nachgucken. Vielleicht sollte man Sekretärinnen grundsätzlich durch Physikerinnen ersetzen.

Inwiefern vermindern denn solche Werbeverbote psychologische Schäden? Wer definiert Stereotypen? Wann sind sie gut, wann schlecht? Am Ende ist es doch einfach Willkür, die entscheidet. Da sitzen Leute in Fachstellen, oft finanziert durch Steuergelder, die nach ihrem subjektiven Befinden urteilen, deren Thesen wissenschaftlich kaum belegt und deren Erfolge (und Misserfolge) nicht messbar sind. In zwölf Sitzungen debattieren sie darüber, ob die Farbe Rosarot in einem Firmenlogo sexistisch ist.

Zusehends entsteht das Gefühl, dass diese „Experten“ Probleme kreieren, die für die Mehrheit der Gesellschaft gar keine sind, nur damit sich ihre Jobs rechtfertigen lassen. Sie drücken allen anderen ihre Weltsicht auf, unterliegen der Hybris, dass sie die absolute Wahrheit gefunden haben – dabei sind sie doch genauso ahnungslos wie der Rest von uns.

Es gibt geschmacklose Kampagnen, Werbung kommt oft effekthascherisch daher, dämlich. Aber unpassend ist nicht immer sexistisch. Und nicht jede sexistische Werbung ist herabwürdigend oder beeinflusst die Psyche auf negative Art. Die Gesellschaft entwickelt sich weiter, die Werbung mit ihr. Sie zeigt heute andere völlig Motive als vor 50 Jahren. Der Wandel geschieht aber auf natürliche Weise. Dazu benötigt es keine Ämter, die ihre eigene kleine Version von „1984“ nachspielen.


Der Beitrag erschien zuerst in der Weltwoche.

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Kommentare ( 52 )

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Sonia.B.
5 Jahre her

Der Gender und Feminismuswahn hat seinen Peak erreicht, als selbsternannte Frauenrechtler und Dauerempörte das Boxengirl gegen seinen Willen zum Objekt degradierten, obwohl die Mädels alle tun was sie wollen und sich sogar teilweise drängeln um drankommen zu können, während sie andererseits das Kopftuch zum Feminismussymbol umdeutelten, trotz des unsäglichen Leidens millionen unterdrückter Fauen, die es NICHT freiwillig tragen, nur weil ein paar Aussnahmen das Anders sehen. Seitdem ist das Ganze nur noch lächerlich. Eine alte Freundin von mir hat ihre Berufung als Mama gefunden. Sie zieht zwei entzückende, selbstbewusste Mädels groß, die genau wissen, was sie wollen. Bei keiner der… Mehr

Emmanuel Precht
5 Jahre her

1984 hatte ich damals, vor 40 Jahren als Warnung an den Leser verstanden. Der Roman mutierte mittlerweile zur Blaupause der Politik unserer wahren Demokraten (gen. Blockpfeifen). Überigens, Jeder dem das auffällt, ist ein NAZI, Wohlan…

Mein Herz schlug links
5 Jahre her

Die Schlüsselerkenntnis liegt in Ihrem letzten Satz und dem Verweis auf den Roman „1984“. Genau darum scheint es zu gehen! Nämlich darum eine maximale allgemeine Rechtsunsicherheit zu erzeugen und so die Strafverfolgung von allem und jedem zu ermöglichen. Die EU-DSGVO ist auch so ein Stück aus dem Bürokratie-/Diktaturen-Baukasten: Die meisten Regelungen sind recht allgemein gehalten, man könnte getrost sagen „bewusst nebulös“ gestaltet. Und das in Kombination mit Bußgeldern (20 Mio EUR), die existenz-zerstörend eingesetzt werden kann. Auch der Migrationspakt und die Verpflichtung für „positive Berichterstattung“ über Migration zu sorgen. Wer sorgenvoll die Stirn in Falten legt ist schon halb kriminell.… Mehr

Dieter
5 Jahre her

1984 ist leider schon vorbei.. Die Zukunftsprojektionen des Buches sind in weiten Teilen schon Realität. Lächeln Sie doch einmal Ihren Fernseher an: Dann freut sich eventuell der koreanische T Techniker am anderen Ende des „Rückkanals“ Oder spiegeln Sie gerade Ihr Leben direkt per „Alexa“ auf einen amerikanischen Server? Kein Problem, Amazon weiß viel schneller als Sie selbst, was sie gerade unbedingt kaufen wollen. Schalten Sie Ihr Tablet ein und -oh Wunder- da in der Sidebar steht genau die Anzeige, an die sie eben denken wollten. Noch ein wenig Zukunft hat „Brave new World“ von Aldous Huxley. Zitat aus seinem Vorwort… Mehr

Wolkendimmer
5 Jahre her

Ganz genau so!!! Treffer und versenkt.
Und genau diese Frauen sind es, die u. A. auch heute noch dazu beitragen den Karren hier am laufen zu halten.

Wolkendimmer
5 Jahre her

Die Islamisierung der Gesellschaft schreitet mit großen Schritten voran. Die sich hier unterwerfenden sogenannten Feministinnen werden zu den ersten Opfern gehören.

Walter Knoch
5 Jahre her

Sexismus aller Orten! Die Repräsentation in den Parlamenten unter der Parität. Schande aller Orten und Asche auf das Haupt der Männer. Allerdings: Keine(r) schaut auf die Geschlechterverteilung in den Parteien. Gegenüber dieser sind Frauen – pars pro toto – überrepräsentiert. Aber was heißt das schon. Stattdessen mehren sich die Versuchsballons, welche das Prinzip „One man, one vote“, durch das Prinzip Vorauswahl außer kraft setzen wollen. Ein Hütchen xx, ein Hütchen xy, ein Hütchen xx, ein Hütchen xy, ein Hütchen ……. Absatz. Themenwechsel: Dem Manne wird es verboten, der Frau, früher ein Gebot der Höflichkeit, die Tür aufzuhalten, ihr in den… Mehr

linda levante
5 Jahre her

Lady M. wird „not amused“ sein, wenn Sekretärinnen durch Physikerinnen ersetzt werden. Es ist bedauerlich, dass ein fehlgeleiteter Teil der Frauen den Krieg gegen Männer eröffnet hat. Wirklicher Fortschritt oder ein gesellschaftlicher Nutzen, ist durch den Feminismus nicht entstanden (Migration ist weiblich), sondern ein Rückschritt in unsinnige Fronten. Außer eine Schriftsprache, die jeden Text unlesbar macht. Und wenn wir ganz ehrlich sind, dann ist Feminismus von Physikerinnen erfunden worden aus Rache an den Männern zu kurz gekommen zu sein. Und mit einem Teil der Männer ist es so, dass die vor lauter Solidarität und Verständnis, das Stricken angefangen haben. Nichts… Mehr

Enrico Stiller
5 Jahre her

Je mehr Ge- und Verbote es in einer Gesellschaft gibt, desto eher werden normale Menschen dieser überdrüssig und rebellieren irgendwann dagegen. Weil der Mensch nichts so sehr schätzt wie seine Bequemlichkeit. Vorschriften sind unbequem – oder hat hier jemand seine Militärzeit genossen?
Und auch erotische Werbung zu sehen, macht Spass – übrigens nicht nur Männern.
Die Linkstotalitären tun uns doch einen Gefallen, wenn sie sich als Wichtigtuer und Spassbremsen darstellen – so besteht die grösste Chance, dass sie sich irgendwann den Ast absägen, auf dem sie jetzt noch sitzen.

Sabine W.
5 Jahre her

>’Zusehends entsteht das Gefühl, dass diese „Experten“ Probleme kreieren, die für die Mehrheit der Gesellschaft gar keine sind, nur damit sich ihre Jobs rechtfertigen lassen.'< Yippie-yah-yeah, Frau Wernli, denn genau das ist es! Ein überlautes Geschrei einiger Kleingeister, die meinen zu wissen, woran ein Gesellschaft 'krankt'. Das fängt an beim 'Sexismus' in der Werbung und endet bei 'neuartig' (in den letzten paar Jahren) überbordernder Gewalt aggressiver Bahnreisender oder sonstwie täglich Frustrierter, die das öffentliche Leben mit absonderlich anmutenden Gewalttaten überfluten. Ein seltsames Gekreische hat eingesetzt – nur scheint dieses Gekreische irgendwie ständig an den Wurzeln des Problems vorbei zu schrammen.… Mehr

mallbuedel
5 Jahre her

„Vielleicht sollte man Sekretärinnen grundsätzlich durch Physikerinnen ersetzen“

Hallo Frau Wernli, sie können ja auch richtig bösartig sein, Lach!