Falschanschuldigung bei Vergewaltigung und das Schweigen der Medien

Von den deutschsprachigen Leitmedien hielt es kein einziges für nötig, über Munro-Leightons Falschanschuldigung gegenüber dem von Trump nominierten Kavanaugh zu informieren.

 

„Wissen ist Macht“, das haben wir von den Eltern eingeimpft bekommen, verinnerlicht, wir geben es weiter an unsere Kinder. Der britische Philosoph Francis Bacon ist der Kreateur des Bonmots. Im 16. Jahrhundert hat er es ins Leben gerufen, zur Zeit der Renaissance und des Humanismus, als eine neue Art des Intellekts in Entstehung war, weg vom Scheuklappen-Denken des Mittelalters und der Religion, hin zu Wissenschaft und Experimenten, durch die man neue Erkenntnisse erlangte. Wissen ist auch Macht, weil Kenntnis über eine Sache oder ein Ereignis die Basis bereitet, um sich ein fundiertes, ausgewogenes Urteil zu bilden.

Nicht dem Glauben folgen
E tu, Ronaldo? Im Zweifel …. lieber zweifeln
Vor etwa zwei Wochen stellte sich heraus, dass eine der Frauen, die Richter Brett Kavanaugh der Vergewaltigung bezichtigten, ihre Geschichte frei erfunden hat. Allen ins Gesicht gelogen, öffentlich und ungeniert. Judy Munro-Leighton hatte zuerst behauptet, sie sei die Verfasserin eines anonymen Briefes, worin stand, dass Kavanaugh und sein Freund sie „in seinem Auto vergewaltigten“. Der Brief war auf einer Website im Zuge der Anhörung veröffentlicht worden. Nachdem sie von Ermittlern befragt wurde, gab sie zu, dass sie den Brief nicht geschrieben und Kavanaugh sie nicht vergewaltigt habe. Sie wollte „Aufmerksamkeit erlangen“ und seine „Nominierung stoppen“.

Über die pikante Falschanschuldigung haben unter anderem „Business Insider“, „Newsweek“, „Daily Mail“, „New York Post“, „The Daily Beast“, „USA Today“, „Fox News“ und das „Wallstreet Journal“ berichtet. Es war nicht die einzige Falschaussage im Kavanaugh-Fall; laut „USA Today“ steht im Untersuchungsbericht des Komitees, dass Julie Swetnick und Michael Avenatti ‚erhebliche falsche Aussagen‘ tätigten, um die Ermittlungen zu behindern. Und: Drei weitere Anschuldigungen erwiesen sich als ’nicht glaubwürdig‘.

"Sexuelle Nötigung, Lügen, Vorurteile."
Maischberger: Korblandung von Hannes Jaenicke
Von den deutschsprachigen Leitmedien hielt es kein einziges für nötig, über Munro-Leightons Lüge zu informieren. Ich war überrascht und twitterte: „Google ich ‚Kavanaugh Falschanschuldigung‘ finde ich in deutschen Leitmedien KEINEN EINZIGEN Artikel darüber. Die Berichte zu den Vorwürfen gegen den Mann waren zahlreich, eine Entlastung wird stillgeschwiegen. Darum, liebe Medien, mögen euch viele Leser nicht mehr.“

Natürlich bin ich damit einigen Journalisten auf den Schlips getreten. Ralph Pöhner, Chefökonom bei der „Handelszeitung“, antwortete: „Quatsch. In deutschen Medien wurde der hier beschriebene Fall mit keinem Wort erwähnt. Also müssen sie auch nix korrigieren.“ Später meinte er, man könne schon darüber berichten, aber: „Angesichts der Themenlage diese Woche (Midterms, Merz, Brexit…) würde ich als Blattmacher auch sagen, dass wir uns nicht um irgendeine linke Idiotin in Washington kümmern.“

Wenn jemand eine Vergewaltigung erfindet und das später zugibt, ist das eine Entlastung. Der gesunde Menschenverstand sagt mir, dass es nur fair ist, einer Entlastung ebenso mediale Aufmerksamkeit einzuräumen. Der konkrete Vorwurf wurde zwar offenbar von deutschsprachigen Leitmedien nicht thematisiert, das ist für mich aber kein schlüssiges Argument, um nicht über die neue Information zu berichten. Gerade angesichts der populären Kavanaugh-Berichterstattung ist es für die Öffentlichkeit möglicherweise von Interesse, wenn eine der Anschuldigungen nun erwiesenermassen falsch ist. Natürlich ändert es grundsätzlich nichts, es hängen noch immer (unbewiesene) Anschuldigungen gegen den Supreme Court-Richter in der Luft. Losgelöst von Kavanaugh kann ich mir aber aus Sicht einer gebrandmarkten Person vorstellen, dass eine bestätigte Falschanschuldigung eine Befreiung ist, und darum von Belang, wenn die Erkenntnis den Weg an die Öffentlichkeit findet. Die erdichtete Vergewaltigung von Munro-Leighton zeigt vor allem auch, dass man nicht jede Geschichte vorbehaltslos glauben kann – und wie wichtig Beweise und Ermittlungen sind.

Wort-Voodoo
Sex und Macht
Ob die Dame eine ‚linke Idiotin‘ ist, eine rechte Anwältin, ein apolitisches Supermodel, spielt überhaupt keine Rolle. Eine Falschanschuldigung kann dazu führen, dass Karriere, Familie, Leben zerstört werden. Wer Vergewaltigungen erfindet, um Leuten zu schaden, sollte bestraft werden. Zumal auch bei einem Freispruch immer etwas haften bleibt, Leute sich hauptsächlich an den Vorwurf erinnern und weniger an die Information über die Unschuld, die irgendwann später folgt. Und natürlich erweist man Opfern von tatsächlichem sexuellem Missbrauch damit keinen Dienst. Ähnliches schreibt das „Wallstreet Journal“ zum Fall Kavanaugh: „[…] Darum ist es wichtig, dass man Ankläger, die lügen, entlarvt und bestraft. Falsche Aussagen im Kongress schaden den Nominierten und ihren Familien, verschwenden Ressourcen und vergiften die amerikanische Politik.“

Man kann nun einwenden, dass es viel mehr tatsächliche sexuelle Übergriffe gibt als Falschanschuldigungen – und die Berichterstattung deshalb unterschiedlich breit ausfällt. Das mag stimmen, als Argument gegen einen Artikel überzeugt es mich nicht.

Es gibt mehr Falschanschuldigungen bei Vergewaltigungen und sexuellen Übergriffen als gemeinhin angenommen. Laut dem forensischen US-Profiler Brent Turvey, der „Falsche Anschuldigungen“ für sein gleichnamiges Buch anhand wissenschaftlicher Literatur mehrerer Jahrzehnte analysiert hat, liegt die Zahl in den Vereinigten Staaten zwischen 8 und 41 Prozent (Quelle: „The Daily Wire“). Gemäss einer Münchner Studie von 2005 zu Vergewaltigung und sexueller Nötigung in Bayern, die im Auftrag des Bayerischen Staatsministerium des Innern verfasst wurde, sind ‚mindestens ein Fünftel bis zu einem Drittel der Vorgänge zweifelhaft‘. Viele Experten bestätigen die Resultate: „Das Phänomen der Falschanschuldigung bei Vergewaltigungen ist sehr verbreitet. Wir rechnen damit, dass etwa die Hälfte der Anzeigen fingiert ist“, sagte Thomas Hansjakob, damals Erster Staatsanwalt im Kanton St. Gallen, in einem Artikel des „Schweizer Beobachter“ von 2012.

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Warum berichten Journalisten nicht mit derselben Leidenschaft über erwiesene Falschbezichtigungen, wie sie es über Anschuldigungen tun? Kavanaugh ist ja nicht das einzige Beispiel – bei Jörg Kachelmann und einigen weiteren war der Freispruch nach dem vernichtenden Vorwurf vielen Medienschaffenden kaum mehr einen Artikel wert. Ist es die Unsicherheit, dass man Frauenwerte verraten könnte? Die wahren Opfer? Scheut man heute die #MeToo-Verfechter? Verfliegt die Motivation, weil für solcherlei Artikel kein Applaus in Aussicht steht?

„Darum, liebe Medien, mögen euch viele Leser nicht mehr.“ Mein Tweet wurde über 1.000 Mal geliked. Ich würde das als Indikator für öffentliches Interesse bezeichnen. Wenn also Blattmacher die Information als nicht relevant einstufen, haben sie entweder kein Gespür dafür, wofür die Leserschaft bereit ist, ihre Aufmerksamkeit zu investieren. Oder aber sie leiden an Überheblichkeit: Man begrenzt den Inhalt seiner Beiträge auf das, was seinen eigenen ideologischen und moralischen Massstäben entspricht, und filtert Informationen selektiv aus. Den Anschein macht es zumindest. Die Emanzipation des Publikums ist aber schon zu weit fortgeschritten, deshalb taugt diese Taktik für die Leserbindung etwa so gut wie ein 100 Prozent-Preisaufschlag aufs Abo.

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Kommentare ( 31 )

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butlerparker
5 Jahre her

Fangen wir mit dem Begriff „Feminismus“ an. Dies ist schon diskriminierend und widerspricht GG Art 3 : „Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin“. Hier steht etwas von Gleichberechtigung, mitnichten von Feminismus. Würde der Staat das GG achten und befolgen, müsste er den Feminismus (wie auch natürlich patriarchalische Strukturen) aktiv bekämpfen. Tut er aber nicht! Hier liegt die Wurzel allen Übels. Presse, Justiz, öff. Meinung, Politik und Zeitgeist thematisieren gar nicht mehr Gleichberechtigung. Die Feminismus Bewegung möchte auch m.E. gar nicht die Gleichberechtigung erreichen, sondern das Matriarchat.… Mehr

GermanMichel
5 Jahre her

Das ist alles so dumm, das tut schon richtig weh, von der kompletten Schamlosugkeit mal ganz abgesehen.

Mit US Kulturimperialismus ist es wie mit US Junkfood, der letzte Dreck überschwemmt den (eigentlich weit überlegenen) Rest der Welt, der sich trotzdem begierig auf geistigen und Ernährungstechnischen Müll stützt

Gironnimo
5 Jahre her

Unglaublich, die Presse hat sich ihren Ruf redlich verdient, Ich habe zu dem Fall eines 15 jährigen Mädchens das von 6 Afgahnen in München über 4 Tage vergewaltigt wurde einen Kommentar bei Focus Online geschrieben, der dort abgelehnt wurde. Darin fragte ich nach, was eine Berichterstattung bezwecken soll, bei der in Bezug auf das Mädchen davon berichtet wurde, dass sie sich „relativ frei“ in der Wohnung habe bewegen können. Will man damit dem Mädchen unterstellen, dass sie Spaß an den Vergewaltigungen hatte und die Gelegenheit zur Flucht nicht nutzte? Das Mädchen war in einer Betreuungseinrichtung untergebracht und stammt damit aus… Mehr

MartinS
6 Jahre her

Es gibt einen weiteren Grund warum in Medien ungern über Falschanschuldigungen berichten. Solche diskreditieren zwangsläufig die gehypte Metoo-Bewegung.

Wie hoch der Anteil der Falschanschuldigungen hier ist wird nie zu ermitteln sein, vermutlich aber sehr sehr hoch. Denn wenn einer Frau nach 20 Jahren einfällt dass sie vergewaltigt wurde und nur deshalb keine Anzeige erstattet hat, weil dies ihre Filmkarriere gefährdet hätte, dann schweigt des Sängers Höflichkeit.

Die einschlägigen Medien kümmert das nicht hier geht’s um Schlagzeilen. Bestätigte Falschanschuldigungen aber beschädigen die Glaubwürdigkeit dieser Medien weiter.

RubbeldieKatz
6 Jahre her
Antworten an  MartinS

Sie sehen das völlig richtig verehrter MartinS. (hoffentlich nicht Martin Schulz?) Die sogenannten Leitmedien leben von Negativschlagzeilen. Je größer der Skandal, desto besser. Mit positiven Dingen kann man keine Auflagen erhöhen. Sonst müssten sie das Finanzierungsformat von TE wählen. Aber je schneller der Leser merkt, dass er mit dem Gelesenen nur veralbert und beeinflusst werden soll, desto eher würde er die Finanzierung einstellen. Die Zeitung wäre weg vom Fenster. Was bei vielen aber gar nicht auffallen würde. Nur die Linken hätten dann weniger Sprachrohre!

Danton
6 Jahre her

Einige der Damen die Weinstein der sexuellen Nötigung bezichtigt haben sind ja auch wegen falscher Aussage aufgeflogen. Gelesen habe ich in der Auslandspresse davon. Interessant deshalb weil sich aus diesem Tatbestand die #metoo Bewegung formierte. Aus vorderster Front dieser Bewegung wurden Falschaussagen getätigt. Eigentlich müsste das unisono erst einmal zur Rehabilitation des Angeklagten führen bis er dann wirklich wegen Vergehen verurteilt wird. Aber dieses #metoo ist ein scharfes Schwert mit dem öffentlich denunziert werden kann was und wer nicht passt. Das so eine Plattform hysterisch und auf Sensationsgier basiert tut ihr augenscheinlich keinen Abbruch.

herbert b.
6 Jahre her

Das einzig Nicht-Negative an dieser Art „Phantastereien“: Es kommen immer wieder Fälle „…ans Licht der Sonnen“ (noch so ein Bonmot). Schon allein das hilft, die Bestürzung über derartiges abgründige menschliche Verhalten etwas im Rahmen zu halten. Dann: Begeht nicht auch eine Medienlandschaft mit dem von Ihnen aufgezeigten, entlarvten, „Berufsethos“ eine Form von Vergewaltigung – am Leserinteresse, am Bedürfnis und Recht auf Information? In einem Leserbrief zu einem Artikel von Anabel Schunke (Achse), schrieb ich zum Schluß, sinngemäß, „bleiben Sie am Ball, Stimmen wie Ihre sind heute wichtiger denn je.“ Dieser Satz sei auch mit gleicher Leidenschaft an Sie gerichtet, liebe… Mehr

Horst Hauptmann
6 Jahre her

Sag ich doch: Lückenpresse.
Lügenpresse ist zu einfach, Lügen kann man schnell und einfach widerlegen.
Aber die Manipulation durch Auslassung ist erstens nicht strafbar und fällt zweitens nur sehr aufmerksamen Beobachtern auf, also nur Leuten, die richtig viel Zeit in Recherche investieren.
Deshalb ist „Lückenpresse“ noch erheblich verwerflicher als „Lügenpresse“.
Lückenpresse ist leider Alltag, wehe dem, der sich auf diese verlässt.

MartinS
6 Jahre her
Antworten an  Horst Hauptmann

Nun es gilt der Grundsatz eine halbe Wahrheit ist immer eine ganze Lügen. Vielen Journalisten scheint dieser Grundsatz bedauerlicherweise unbekannt zu sein.

Feuerstein
6 Jahre her

Sorry, etwas off topic, aber wichtig:

Bald gibt es nur noch zwangsfinanzierte Hofberichterstattung á la Friede, Freude, Eierkuchen. Ab 2019 will Deutschland Weltmeister werden in der Disziiplin ZENSUR.

„Medienstaatsvertrag Zensur freier Medien beschlossen!!!“
https://www.youtube.com/wat

Das bedeutet quasi das AUS für all die segensreichen youtuber-Aufklärer… (und auch für yt-Kanäle der professionellen online-Presse wie Tichys Einblick u.v.a.). Zeit für einen Artikel oder Hashtag #nicht mit uns???

Gruß

Feuerstein
6 Jahre her
Antworten an  Feuerstein

Keine Ahnung, was da schief gegangen ist. Hier der richtige Link zum drei-Minuten-Video von Heiko Schrang
„Medienstaatsvertrag Zensur freier Medien beschlossen!!!“
https://www.youtube.com/watch?v=5oc4jyls9S4
Gruß

Max Media
6 Jahre her

Zitat aus dem Artikel:
„Wenn also Blattmacher die Information als nicht relevant einstufen, haben sie entweder kein Gespür dafür, wofür die Leserschaft bereit ist, ihre Aufmerksamkeit zu investieren.“

Oder sie folgen einfach einer nicht niedergeschriebenen, aber überall durchgesetzten
„Leitlinie“ von oben. Ansonsten würde sich ja wohl durchaus der ein oder andere Blattmacher dafür entscheiden zu berichten. Alleine schon wegen des dadurch entstehenden
Alleinstellungsmerkmal und der damit umsatzsteigerndern Exklusivität.

Da dies nicht stattfindet ergibt sich ganz logisch der Schluss:
Alle stecken unter einer Decke…und die tut nicht gut.

Heinrich Niklaus
6 Jahre her

Der Vergewaltigungsvorwurf richtete sich gegen einen Trump-Vertreter und war deshalb nicht so schlimm. Vielen Dank, Frau Wernli, dass das thematisiert wird.

Danton
5 Jahre her
Antworten an  Heinrich Niklaus

„Der Vergewaltigungsvorwurf richtete sich gegen einen Trump-Vertreter und war deshalb nicht so schlimm.“ Ist das ihr politisches Kalkül? Ist es das was ihrer Logik den nötigen Effekt gibt? Trump böse, also alles Schlecht was in Verbindung mit Trump steht. Egal ob da jemand denunziert wird oder gar zerstört? Im Umkehrschluß heißt das, wenn der linke Mob mir Steine an den Kopf wirft weil ich gegen illegale Migration bin dann ist das schon ok, weil ich ja gegen Merkel bin? Sie sind nicht weit von dem entfernt was uns hier in Deutschland langsam aber sicher die Rechtsstaatlichkeit raubt. Ihre Agumentation ist… Mehr

Heinrich Niklaus
5 Jahre her
Antworten an  Danton

„Ironie (altgriechisch εἰρωνεία eirōneía, wörtlich „Verstellung, Vortäuschung“) bezeichnet zunächst eine rhetorische Figur (auch als rhetorische Ironie oder instrumentelle Ironie bezeichnet).[1] Dabei behauptet der Sprecher etwas, das seiner wahren Einstellung oder Überzeugung nicht entspricht…“ (Wiki)