Nach gerichtlicher Anordnung: Wie eine Hausdurchsuchung wegen eines X-Posts zur Posse wurde

Der Fall des Bürgers aus Unterfranken, bei dem eine Hausdurchsuchung wegen eines geteilten „Schwachkopf“-Memes mit dem Porträt von Robert Habeck erfolgte, ist nicht der einzige. Fast zeitgleich erlebte ein ebenfalls in Nordbayern lebender Mann wegen eines X-Posts eine Hausdurchsuchung – angeordnet von derselben Bamberger Amtsrichterin. TE sprach mit ihm.

IMAGO / Fotostand
Amtsgericht Bamberg, Bayern

Am 13. November hatte TE von einer gerichtlich angeordneten, frühmorgendlichen Hausdurchsuchung bei einem unterfränkischen Bürger berichtet. Er hatte ein Bildcollage auf X weiterverbreitet, in der die Shampoo-Werbung der Firma Schwarzkopf mit dem „grünen“ Wirtschaftsminister Robert Habeck in Verbindung gebracht wurde. Aus „Schwarzkopf“ machte das Meme „Schwachkopf“.

Habeck, nunmehr Kanzlerkandidat und Initiator von über 800 Anzeigen wegen Beleidigung o.ä., verteidigte sein Anzeigenverhalten in der ARD-Sendung „Bericht aus Berlin“ vom 17. November reichlich verquast. Egal, Souveränität schaut anders aus. Aber dergleichen kann man von deutschen Kanzlern oder Kanzlerkandidaten oder einer „grünen“ Außenministerin (Platz 2 mit 500 Anzeigen) seit geraumer Zeit nicht mehr erwarten.

Wieder eine Hausdurchsuchung im Bezirk des Amtsgerichts Bamberg

Mittlerweile meldete sich bei TE ein Leser, ebenfalls aus Nordbayern, der zur fast gleichen Zeit wegen eines X-Posts eine Hausdurchsuchung erleben durfte. Angeordnet am 29. Juli wegen „Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger und terroristischer Organisationen“ (sic!) übrigens von derselben Bamberger Amtsrichterin Englich wie im Fall „Schwarzkopf/Schwachkopf“.

Was war geschehen? Arbeits- und Sozialminister Hubertus Heil (SPD) hatte bei einer Rede zum 1. Mai 2024 gesagt: Die AfD sei für ihn ein „Albtraum für Deutschland“. Ein 62-jähriger Unterfranke hat darauf im Netz geantwortet: Für ihn bedeute AfD „Alles für Deutschland!“

TE konnte mit dem Mann ein kurzes Interview führen. Seine Identität ist TE bekannt. Er will, weil er noch berufstätig ist, unerkannt bleiben, deshalb nennt ihn TE „A.V.“ Die Schriftsätze des Amtsgerichts Bamberg hat „A.V.“ TE zur Verfügung gestellt; an einigen Stellen hat TE diese Schreiben zur Wahrung der Anonymität geschwärzt.

Reichlich verquer übrigens argumentiert Richterin Englich in der „Begründung“ des Durchsuchungsbeschlusses. Sie schreibt dazu: „Die Parole ‚Alles für Deutschland‘ stellt, wie der Beschuldigte weiß (sic!), ein Erkennungszeichen der ehemaligen nationalsozialistischen Organisation dar, deren öffentliche Verwendung in Deutschland verboten ist.“

Und weiter: „Aufgrund der Presseberichterstattung über Verfahren vor dem Landgericht Halle gegen Björn Höcke ist auch allgemein bekannt (sic!), dass es sich bei diesem Ausspruch um eine Parole der Sturm-Abteilung handelt.“

Wie bitte? Wo ist das historisch nachgewiesen? Und: Reicht jetzt schon eine „Presseberichterstattung“ über den Beginn eines Prozesses am 18. April 2024 gegen Björn Höcke: eines Prozesses mit einem Urteil, das auch nach einer Revisionsverhandlung von Anfang Juli 2024 nach wie vor nicht rechtskräftig ist und vermutlich – wenn überhaupt – erst in zwei Jahren durch einen Entscheid des Bundesgerichtshofes rechtskräftig werden könnte.

TE-Interview mit dem Betroffenen A.V.

Tichys Einblick: War Ihnen bewusst, dass die Formel „Alles für Deutschland!“ verboten ist?

A.V.: Nein, weil ich daran auch nichts Strafbares sehe.

Wie schätzen Sie diese angeordnete Durchsuchung ein?

Das ist Schikane, Einschüchterung der Bürger. Willkür und politischer Nonsens.

Haben Sie eine Ahnung, wer Sie „hingehängt“ hat?

Nach der Aussage der Polizisten wird Twitter speziell auf solche Themen überwacht und es folgen Verfahren. Der Polizist hat sich geäußert, er hat einen ca. halben Meter hohen Stoß solcher Fälle auf seinem Tisch.

Wie haben sich die Polizisten bei der Durchsuchung verhalten?

Sehr vernünftig, freundlich.

Wie lange hat die Durchsuchung gedauert?

Wir haben uns ca. 1 Stunde in der Küche am Tisch unterhalten.

Was wurde beschlagnahmt?

Ein altes, nicht funktionierendes Handy.

Haben Sie Ihre Gerätschaften mittlerweile wiederbekommen?

Ich konnte berufsbedingt den Termin zur Abholung nicht wahrnehmen. Die Asservatenstelle war weder telefonisch noch anderweitig erreichbar. Ich habe eine Beschwerde geschrieben und warte die Antwort ab.

Sie sind 1962 in einem europäischen Land geboren, das damals und noch viele Jahre danach kommunistisch regiert wurde. Als Jugendlicher sind sie nach Deutschland gekommen und Deutscher geworden. Sehen Sie Parallelen zwischen Ihrem Geburtsland damals und Deutschland heute?

Ja, ich sehe klare und eindeutige Merkmale, wie damals in der Tschechoslowakei. Heute: Slowakei. Freie Meinungsäußerung steht nur auf dem Papier, der Staat schikaniert, schüchtert ein und bestraft Bürger mit der Absicht, Exempel zu statuieren. Die meisten politischen Parteien vertreten ihre eigenen Interessen und die Interessen der Konzerne oder sie treiben Vetternwirtschaft.

Was raten Sie Bürgern, die Ähnliches wie Sie erlebt haben?

Sich ihrer Macht bewusst zu werden und die Öffentlichkeit zu informieren. Sich für unsere Werte einsetzen und diese auch verteidigen.

Und das Ende der Posse?

Mit Schreiben vom 8. Oktober 2024 hat die Amtsrichterin das Verfahren eingestellt.

Ein gewaltiger Schaden aber bleibt: Bürger fühlen sich mehr und mehr eingeschüchtert. Sie erleben in immer größerer Zahl Beispiel von „Phobokratie“ (= „kratein“/Herrschen mit Phobie provozieren). Die verfassungsrechtlich garantierte Unverletzlichkeit der Wohnung steht auf dem Spiel. Eine besonders eifrige Justiz macht sich selbst zum politischen Instrument. Und der Polizei wird die Zeit gestohlen, die sie wahrlich zum Schutz der inneren Sicherheit notwendiger bräuchte.

Lehre aus der Geschichte: Nichts fürchten Autokraten und Diktatoren mehr, als wenn man ihnen widerspricht oder sie lächerlich macht.

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Kommentare ( 144 )

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144 Comments
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Jacob L.
1 Monat her

Möglicherweise ein neues Geschäftsmodell: Mache möglichst schlechte Politik, so dass sich in ihrer Existenz bedrohte Menschen empört Luft verschaffen.
Verfolge diese dann im Internet zum Zwecke der Anzeige.
Generiere aus den Anzeigen max. Geld.

Wenn ich mal überschlage: je Anzeige geschätzt durchschnittlich 1000 € Schmerzensgeld macht bei 800 Anzeigen ca. 800.000 € und bei 500 Anzeigen ca. 500.000 € leicht verdientes Geld.

Ornhorst
1 Monat her

„Alles für Deutschland“ kann kein Erkennungszeichen der SA sein, denn es ist ein schlicht patriotischer Wahlspruch, den es mit Sicherheit in derselben oder ähnlicher Form in anderen Sprachen für andere Nationen gibt. Mit ist z.B. früher mal „Allt för Sverige“ untergekommen.

Honoree Bloum
1 Monat her

Extrem wichtig ist es m.E. nach zu wissen, wer die Kosten dieser Verfahren zahlt, wenn die Bedrängten den Klageweg beschreiten und dann Recht bekommen.
Eine Anzeige ist kein Urteilsspruch.
Die Systempresse/-medien schweigt zu alledem.

Andreas Sewald
1 Monat her

Wo ist eigentlch die rechtlich zwingende Unterschrift der Richterin auf den Durchsuchungsbeschluss? Muss dieser nicht, solange nicht (Zeitmangel) Gefahr in Verzug oder Gefahr für Leib und Leben ist, vorher dieser handschriftlich unterschrieben sein?
Was gilt hiervon als Voraussetzung überhaupt erfüllt?

  • Gefahr im Verzug
  • Gefahr für Leib und Leben
  • Verhältnismäßigkeit
  • Hinreichender Tatverdacht

Zwar mag der Tatverdacht vordergründig gegeben sein, doch es entbehrt jeglicher Verhältnismäßigkeit.
Meiner leihenhaften Meinung nach handelt es sich hier um einen übergriffigen Staat. Strafe Einen und erziehe Hunderte.
Was sagen hier die Juristen?

Freiheit fuer Argumente
1 Monat her
Antworten an  Andreas Sewald

Die sagen vermutlich:
Art. 13 GG
Die Wohnung ist unverletzlich.

Nacktflitzer
1 Monat her

Habeck, nunmehr Kanzlerkandidat und Initiator von über 800 Anzeigen wegen Beleidigung o.ä., verteidigte sein Anzeigenverhalten in der ARD-Sendung „Bericht aus Berlin“ …“ – Besonders perfide daran war, daß Habeck sagte in dem Interview, die Durchsuchung wäre gar nicht wegen der vermeintlichen Beleidigung zustande gekommen. Es gäbe vielmehr einen „rassistischen“ oder „antisemitischen“ Hintergrund. Er hat m.E. absichtlich „rassistisch“ als Wort fallen lassen, obwohl das niemals zur Debatte stand. Alle schlechten Etiketten irgendwie in den Raum stellen.

Monostatos
1 Monat her

Auffallend viele Frauen, welche diese staatsterroristischen Methoden exekutieren. Der Ungeist der Nazi-Justiz war offensichtlich nur im Winterschlaf und ist jetzt wieder quicklebendig. Mit Rechtsstaatlichkeit hat das Nullkommanull zu tun.

andreas
1 Monat her
Antworten an  Monostatos

Vielleicht sind ja Richterinnen noch braver und autoritätshöriger als ihre männlichen Kollegen. Meine persönlichen Erfahrungen mit Beamtinnen legen es nahe.

Klaus Uhltzscht
1 Monat her

Amtsrichterin Monika Englich ist neben ihrem Engagement im Bereich Rechtsfindung (also Finden von rechten Bürgern) auch die Pressesprecherin des Amtsgerichtes Bamberg: https://www.justiz.bayern.de/gerichte-und-behoerden/amtsgerichte/bamberg/ansprechpartner.php In ihrem vorliegenden Hausdurchsuchungsbefehl vermengen sich Verdachtsbegründung und Maßnahmenbegründung. Sowas gliedert man in einem Behördentext normalerweise als Absätze hintereinander. Frau Englich scheint beim Ausstellen des Hausdurchsuchungsbefehls innerlich erregt und vom Verhalten des Bürgers persönlich empört gewesen zu sein. Die Maßnahmenverhältnismäßigkeit behauptet sie ohne Begründung. In Folge verstößt Frau Englich in ihrem Schreiben gegen geltende Rechtschreibregeln („Aufgrund … einem Screenshot“, „Vorliegend ist ein für eine Beweisführung relevant“, „die vorgenannten Berichterstattung“). Die wechselnde „ß“- und „ss“-Schreibweise in den Absätzen zeigt,… Mehr

Last edited 1 Monat her by Klaus Uhltzscht
kasimir
1 Monat her

Danke dem Herrn aus Nordbayern und auch an die TE-Redaktion, dass das hier thematisiert wird. Bei X gibt es nun mindestens seit einer Woche eine Diskussion zu dem Thema, viele haben das Schwachkopf-Meme nochmal geteilt :-)) Ich bin in der DDR aufgewachsen, kurz vorm Mauerfall, da war ich noch sehr jung, bin ich in den Westen geflüchtet. Ja, ich glaube jeder, der im ehemaligen Ostblock (DDR, Tschechoslowakei oder auch Rumänien) aufgewachsen ist, kennt das, kann sich noch gut daran erinnern und bekommt Déjàvues im Kopf. Wir dürfen das nicht durchgehen lassen, ich finde, die Meinungsfreiheit ist bereits sehr eingeschränkt. Meine… Mehr

Machtnix
1 Monat her

Diese Englich’s gibt es in jeder totalitär faschistoiden Epoche. Muss man abwählen.

Wogobi
1 Monat her

Hat nicht direkt mit obigem Artikel zu tun ist aber typisch für das heutige Deutschland.Rtl meldet 3000 € Strafe für heimlich vor Kindergarten abgestellten Weihnachtsbaum.