„Die EU will, dass wir Insekten essen“

Die Europäische Union ermöglicht, dass Insekten in Pulverform vielen Lebensmitteln wie Bier, Brot, Pizza und Müsli beigemischt werden dürfen. Stimmt es, dass sie nährstoffreich, umweltschonend und klimaverträglich sind? Ein Gespräch darüber, warum man uns Insekten ins Essen mischt.

IMAGO - Collage: TE

Udo Pollmer ist Lebensmittelchemiker und Sachbuchautor. In der Theorie sieht Pollmer kein Problem bei Insekten in Lebensmitteln, wenn man die Insektenprodukte ordentlich reglementiert. Bei den jetzt zugelassenen Insekten sei es jedoch schwierig, die Produktion ordentlich zu kontrollieren. Roland Tichy hat mit ihm gesprochen.

Tichys Einblick: Was ist so schlimm an Insekten im Essen?

Udo Pollmer: Schlimm ist daran nichts, wenn man weiß, womit man es zu tun hat. Schon lange sind in Lebensmitteln Insektenprodukte drin. Honig ist dabei die harmloseste Variante; in vielen Lebensmitteln ist natürliches Karmin als Farbstoff drin – überall, wo auf der Verpackung „E120“ steht, ist es drin. Es wird aus Schildläusen gewonnen.

Wo ist Karmin drin?

Echtes Karmin wird zum Beispiel für Süßwaren verwendet. Das wollten die Verbraucher so, denn vor 20 Jahren haben sie protestiert, dass sie chemische Farbstoffe gegen natürliche ersetzt haben wollten. Also hat man auf das altbekannte Karmin zurückgegriffen.

Lange Zeit war es Ziel der Bäcker, ihr Brot so rein wie möglich zu halten. Nun sollen Mehlwürmer unter das Mehl gemischt werden …

In der Theorie ist das ja kein Problem, wenn man die Insektenprodukte ordentlich reglementiert. Die zugelassenen Insekten haben alle einen vorgeschriebenen Produktionsprozess, und unter diesem Prozess wurde die Produktion und der Handel mit den Insekten von der EU erlaubt. Das Problem ist aber: Wie soll man die Produktion kontrollieren? Es wurden bisher vier Insektenarten zugelassen. Die Zulassungen erlauben je die Beimischung in 30 oder 40 Produkte. Besonders bei der breiten Palette an Käfern und Würmern, die nun zugelassen sind, ist es schwierig, die Produktion ordentlich zu kontrollieren. Wo kommt das Mehl her, wie wird es hergestellt?

Weil die Insekten aus Asien kommen?

Es ist ja nicht so, dass jemand einfach die Fliegen, die er im Betrieb hat, fangen und beimischen kann. Aber auch der Import kann ein Problem sein. Ein Produkt, dass vor Kurzem zugelassen wurde, wird aus Asien importiert. Diese Firma stellt im Jahr 100.000 Tonnen Insektenpulver her. Wie wissen wir, dass nicht irgendwelche anderen Käfer und Maden oder Überreste von Schädlingsbekämpfungen daruntergemischt wurden? Das ist bei Madenpulvern kaum zu kontrollieren. Bei Nahrungsmitteln, die Insektenmehl beinhalten, ist es noch schlimmer: Wie soll der Konsument wissen, dass die Insekten darin alle aus reglementiertem Pulver hergestellt wurden?

„Es ist ja nicht so, dass jemand einfach die Fliegen,
die er im Betrieb hat, fangen und beimischen kann“

Verbraucherverbände und viele Medien erklären uns gerade, dass solche Lebensmittel ganz hervorragend sind. Der Nährwert soll besonders hoch sein. Insekten seien umweltfreundlicher. Was sagen Sie dazu?

Nun, die Verbraucherverbände werden auch von jemandem bezahlt, und das ist nicht der Verbraucher. Die Verbraucher zahlen Steuern, die an die Verbände über den Umweg eines Ministeriums gehen. Und da gibt es logischerweise Wünsche, und diese Wünsche werden umgesetzt. Wenn uns dann erzählt wird, dass Insektenpulver 50 Prozent Eiweiß enthält, ein Steak aber nur 22 Prozent, so stimmt das. Aber ein Steak ist Frischware, während das Insektenpulver ein verarbeitetes Produkt ist. Vergleicht man die Frischware, dann ist das Fleisch im Vorteil. Außerdem enthalten Insektenpulver, vor allem wenn sie aus Maden gemacht werden, viel Fett. Denn die Maden sammeln Energie für ihre Metamorphose an. Und noch dazu sind diese Fette sehr cholesterinreich, was immer als Problem gilt, nur jetzt nicht. Und zum Hinweis, in Insekten seien mit dem Chitinkörper auch Ballaststoffe drin – das stimmt auch für die Sehnen und Flechsen in der Wurst.

Wir werden also hinter die Fichte geführt?

In den Ländern, wo man gewohnheitsmäßig Insekten isst, Thailand zum Beispiel, ist die Situation anders. Dort werden die Insekten gemästet, zubereitet und gegessen – als Ganzes. Die machen nicht wie wir ein Pulver und mischen es ins Essen, in der Hoffnung, dass es keiner merkt. Insektenmehl wird dort als Tierfutter verwendet. Das ist auch eine deutlich sinnvollere Methode als die bei uns geplante: Ganze Viecher für die Menschen, die das unbedingt essen wollen, Mehl für Schweine. Für diese Allesfresser ist eine Ernährung mit Insektenmehl als Proteinquelle auch besser als jetzt, wo sie meistens vegetarisch ernährt werden.

Aber klimafreundlicher sind Insekten doch, oder?

Na ja, was heißt schon klimafreundlicher. Kühe produzieren große Mengen an Methan – aber das produzieren alle Tiere. Methan ist ein natürliches Produkt des Verdauungsprozesses. Und klar, Methan gilt als deutlich klimaschädlicher als CO2, aber Methan verschwindet auch schnell wieder aus der Atmosphäre. Insekten produzieren CO2 und Methan wie jedes andere Lebewesen auch. Und sie produzieren auch zum Teil große Mengen an Stickoxiden. Sicher, ein individuelles Insekt produ­ziert weniger Gase als eine Kuh oder ein Elefant. Das ist eine Funktion der Grö­ße. Früher galten Termiten als die wich­tigsten Methanproduzenten der Erde, nun sollen sie es nicht mehr sein – aber das ist alles Zahlenspielerei.

Das ist wie ein Frontalangriff, den Sie fahren. Sie sagen, der Nährstoff ist nicht höher. Gesund wissen wir noch nicht so richtig. Und die Klimafreund­lichkeit hält als Argument auch nicht.

Es gibt sinnvolle Produktionsformen von Insekten – in den Tropen. Insekten sind wechselwarm, daher brauchen sie von außen zugeführte Wärme, damit sie funktionieren, also fressen und sich vermehren können. Wenn Libellen los­ fliegen wollen, setzen sie sich so lange in die Sonne, bis sie aufgeheizt sind. Dann können sie starten. Das ist aber in unseren Breitengraden ein Problem, wenn sie bis auf 30 Grad heizen müssen, damit da mal was passiert. Wenn wir mit billigem russischem Erdgas heizen können, dann kann sich das auch bei uns lohnen. Aber ansonsten ist es nicht sinnvoll, bei uns Insekten züchten zu wollen. In den Tropen, da lässt sich das wirtschaftlich machen. Jedenfalls für die menschliche Ernährung.

Aber Tiernahrung lässt sich aus In­sekten herstellen?

In Deutschland hat sich gezeigt, dass man wirtschaftlich sinnvoll Tiere mit Insekten ernähren kann. In Ostdeutsch­land steht beziehungsweise stand ein­mal eine Anlage zur Züchtung von Soldaten­ oder Waffenfliegen. Diese werden mit Müll oder Kot gezüchtet. Über eine Biogasanlage sorgt man für die notwendige Wärme. Die Larven der Fliegen krabbeln dann aus dem Müll, fallen auf ein Förderband und werden dann an Hühner verfüttert. Hühner sind Insektenfresser, für die ist das eine ganz wunderbare Sache. Aber Men­schen damit zu ernähren wird schon wieder deutlich komplizierter – schon allein wegen der Gesundheitsvorschrif­ten. Bei einem Schwein können Sie über den Weg der Einzeltierbeschau heraus­finden, ob das Tier wirklich gesund war. Machen Sie mal bei einem Insekt eine Einzeltierbeschau! Die Krankheiten, die die Tiere haben können, sieht man ja oft nicht, und in Europa kennen wir viele der Krankheiten auch nicht.

Ist Krankheit ein großes Problem bei Insekten?

Es lässt sich nicht ohne Weiteres prüfen, ob Insekten krank sind. Außerdem hat Insektenzucht all die klassischen Pro­bleme der Massentierhaltung. Da sind unzählige Tiere auf kleinstem Raum – ein idealer Nährboden für Krankheiten. Das sieht man, wenn man sich Betriebe anschaut, in denen seit Jahrhunderten schon Insekten gezüchtet werden: in der Seidenraupenzucht. Diese hat die gleichen oder sogar mehr Probleme als unsere Massentierhaltung. Das fängt mit dem Kraftfutter an, das die Tiere statt Maulbeerblättern kriegen. Das mögen die Seidenraupen nicht, des­wegen werden Fraßstimulatoren zuge­geben. Dann muss man natürlich auch mit Antibiotika ergänzen und mit anti-viralen Medikamenten, denn es werden ja riesige Massen von Tieren auf kleins­tem Raum gehalten. Das ist schlimmer als jede Massentierhaltung hierzulan­de. In Japan waren mal 25 antibiotische Wirkstoffe für die Seidenraupenzucht zugelassen. Hinzu kommen Häutungs­regulatoren, damit die Raupen alle gleichzeitig verarbeitet werden kön­nen, und Fruchtbarkeitsregulatoren, um die Fortpflanzung zu steuern. Am Ende werden die Raupen, von denen die Seide abgespult wurde, dann gegessen. Das ist mitnichten eine tierfreundliche­re, umweltfreundlichere oder bessere Produktionsmethode.


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Kommentare ( 63 )

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63 Comments
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Anne W
1 Jahr her

Es fing offensichtlich erkennbar mit den Covid Massnahmen an:
Das Volk soll gedemütigt, kleingehalten und in weiteren Ängsten lebend ( iih, ist da Insekte drin?) sein.

Diese gewonnene Freude der sich selbst Überschätzenden hat was regelrecht „Perverses“.
Da kommt noch mehr an widerlichen Zumutungen auf uns zu.

Last edited 1 Jahr her by Anne W
beko
1 Jahr her

Die Zutaten für Lebensmittel werden von den Herstellern allgemein durch minderwertige, auch Austauschstoffe genannt, ersetzt. Bei Süßigkeiten und Fertigsuppen ist mir das in letzter Zeit besonders aufgefallen. Kaum noch ein Produkt entspricht dem aus vergangenen Zeiten, im Geschmack. Zudem sind viele von ihnen, außer einheits-geschmacklos, übersüß. So süß, dass ich nicht selten Sodbrennen bekomme. Ja sogar die Zigaretten sind nicht nur mit Tabak gefüllt. Und der schöne gemahlene „Bohnenkaffee“ besteht auch nicht nur aus gemahlenen Kaffeebohnen und selbst die Bohnen haben nicht die beste Qualität. Das betrifft auch für Schokolade zu – bis auf wenige Ausnahmen – oder Eis. Hauptsache… Mehr

Anne W
1 Jahr her
Antworten an  beko

Mit Fertiggerichten setzt man seinen Körper meist auch einem Chemiecocktail aus.

Allein die erlaubten Mengen an dem Geschmacksverstärker Glutamat ist unerhört.
Die Geschmacksnerven von Kindern, die viel davon essen, verkümmern und „normale“ selbst gekochte und gewürzte Nahrung kann nicht mehr als „schmackhaft“ wahrgenommen werden.
Da Glutamin einem Botenstoff im Gehirn ähnelt, besteht der Verdacht, einen Einfluss auf die Psyche haben zu können: Hyperaktive Kinder.

Dann die Farbstoffe und Bindemittel… .

Alles offiziell erlaubt!!
Und ein Angriff auf die Gesundheit.

Last edited 1 Jahr her by Anne W
Kuno.2
1 Jahr her

Solange Kommunisten wie der aktuelle Generalsekretär der SPD, Kühnert, am Ruder sind und ganz offen sagen, dass die Kollektivierung der Wirtschaft das Ziel ist, solange sollte sich niemand beschweren. Denn alles geschieht mit Ansage. Das muss man den Neokommunisten von Grün bis Sozialdemokratismus lassen; die machen nichts was nicht irgendeiner von denen früher angekündigt hatte. Das Problem ist nur, dass die Werte schaffende Bevölkerung mit der Arbeit ausgelastet ist und deshalb zur Vergesslichkeit neigt. Außerdem ist es so, dass die breite Masse der Arbeiter (das includiert auch Arbeiterinnen!) nur das zur Kenntnis nehmen kann was die Informationskonzerne zulassen.

Dr. Friedrich Walter
1 Jahr her

Das zeigt die neue Bedeutung der Bezeichnung: „Made in Germany“. Guten Appetit…!

Nibelung
1 Jahr her

Auch Insekten wollen fressen und zwar gewaltig und jede Gattung auf ihre Art, was auch sehr unappetittlich sein kann, wenn man es so betrachtet. Die berühmten Heuschreckenplagen oder der Fraß anderer Insekten auf Wiesen und Feldern belegen doch, daß es keineswegs bescheidene Wesen sind, die haben auch Hunger und vernichten dabei alles, was ihnen im Weg steht und gäbe es keine chemische Keule, würde es sich schon lange auf unserem Tisch bemerkbar machen, weil die Vorkoster auf den Äckern sich über unser Essen hermachen würde und nur noch die Hälfte verfügbar wäre. Somit wird mit dieser Lösung die gleiche Schimäre… Mehr

Teiresias
1 Jahr her

Ich werde das Gefühl nicht los, daß die in dieser Politik innewohnende Erniedrigung der eigentliche machtpolitische Sinn der Übung ist.

Wer den Menschen aufnötigen kann, ekelerregendes Gewürm zu essen, erringt damit die Herrschaft über kulturelle Normen. Alles Hergebrachte muss vom Untertanen zwangsweise aufgegeben werden, wenn die Priester der Klimasekte es verlangen. Die eigene Kultur, die hergebrachten Normen zählen nichts.

Dexit now! Was nützt die EU noch?

gom jabbar
1 Jahr her
Antworten an  Teiresias

Was nützt die EU noch? ……………… Oder wem ?
Bei der Kommission arbeiten rund 32 000 Beamte und Vertragsbedienstete.

AlNamrood
1 Jahr her

Die Insekten sind nicht das eigentliche Problem. Dass man plötzlich Insektenmehl so stark thematisiert hängt damit zusammen dass die Produktion von Fleisch zurück gefahren werden soll. Auch hier geht es um die Globalisierung von Armut. Der Standard soll werden „Insektenbrei für den Pöbel, Wagyu Beef für die Elite“.

dakini
1 Jahr her
Antworten an  AlNamrood

Genau das ist es. Es ist ein Anfang und endet bei „Soylent Green.“ Dieser Film von 1973 spielt im Jahr 2022 in New York und nimmt die heutige Entwicklung voraus.

Michael Theren
1 Jahr her

Das sich in dieses Pulver so ziemlich alles mischen läßt was man will, deutet Herr Polmer ja an…also noch einfacher als zwangsimpfen und wenn man dann bedenkt das in der Fabriknahrung immer Spuren von allem sind (siehe Allergiehinweise), wird man dem auch nicht entgehen..,. Die Frage der ist doch warum, warum jetzt, warum so…ein nicht sonderlich großes vietnamesischen Start up, finanziert von einem singapurianischen Investor, der wiederum von einem US-High-tech Investor finanziert wird, möchte in der EU Insektenpulver verkaufen und prompt werden alle sonstigen Bedenken und Vorschriften über Bord geworfen und für 500.000.000 Menschen die Gesetze willkürlich angepaßt, Zufälle gibt… Mehr

Dr_Dolittle
1 Jahr her

Solange die Beimischung bebildert wird etwa im Stile von Zigarettenpackungen und die informierte Nutzungsentscheidung dem Konsumenten freigestellt wird meinetwegen. Der mediale Druck dahinter läßt mich jedoch mutmaßen, daß selbst wenn 25% zertifizierte Maden im Brot landen und 30% erlaubt sind es schwer nachzuweisen sein wird ob der Deckungsfehlbetrag nicht doch von der Backstubenfliege kommt. Und über informed consent sollten wir uns sowieso nochmal unterhalten…..

Julischka
1 Jahr her
Antworten an  Dr_Dolittle

Dazu kommt ja, daß sich im Restaurant NIEMAND die kompletten Zutaten erklären lässt! Und fraglich auch, ob der Koch selber weiß WAS genau er da vom Großhändler bekommt, denn auch hier ist nur der günstige Einkaufspreis DAS Entscheidende!

Bernhardino
1 Jahr her

Es ist banal, aber wer diesen ganzen Schwachsinn nicht will, der ausschließlich politisch begründet ist, muss halt sein Wahlkreuz an entsprechender, rechter Stelle setzen. So einfach kann es sein und ist es.

gom jabbar
1 Jahr her
Antworten an  Bernhardino

Da bin ich völlig Ihrer Meinung, nur suchen noch zu viele verzweifelt die Lösung bei den Grünchristen,Grünliberalen und Grünsozialisten, diese Hoffnung wird sich nicht erfüllen. Der Tisch muss erst abgeräumt werden, bevor man ihn neu decken kann.