Der Versuch eines scheinbar unpolitischen Blicks auf eine politische Partei wie die Union im Vergleich zu traditionellen Konsumentenmarken aus der Sicht eines Markenexperten.
Es ist viel geschrieben worden in den letzten Monaten über die Markenwerte von CDU und CSU, über den Verlust konservativer Narrative und die Abkehr von der politischen Mitte etc. Im Rahmen einer Markenanalyse, die die Einststellung zu einer Partei mit der zu einer sonstigen Endverbraucher-Marke vergleicht, bedarf es gar keiner explizit politischen Wertungen, um den Niedergang der Marke „Union“ zu belegen.
Der wichtigste Wert jeder Marke besteht aus den Faktoren Vertrauen und Verlässlichkeit. Ich kaufe bzw. wähle eine bestimmte Marke, weil ich dieser vertraue und weil ich damit weiß, worauf ich mich einlasse. Die CDU (wie auch in Bayern die CSU) standen wie keine andere Partei für zwei eng verwandte, markenbildende Dinge: nämlich dafür, keine Überraschungen auszulösen und keine unangekündigten Richtungswechsel zu vollziehen. Das war so seit Konrad Adenauers „Keine-Experimente-Wahlkampf“ 1957. Natürlich gab es Entwicklungen und Veränderungen, aber immer langsam und evolutionär.
Während die SPD verschiedentlich – allerdings immer nach intensiver und öffentlicher Diskussion – schon mal ihre Grundausrichtung änderte (z.B. mit dem Godesberger Programm), war sie auch in der Lage, bei Personalfragen für Überraschungen zu sorgen, denken wir an den Coup von Oskar Lafontaine gegen Rudolf Scharping Mitte der neunziger Jahre.
Das ist ungefähr so, als wenn BMW-Chef Harald Krüger – ohne Absprache mit seinen Gesellschaftern und Gremien – ganz plötzlich verkünden würde, den Ausstieg aus dem Verbrennungsmotor ad hoc zu vollziehen und ab sofort keine Fahrzeuge mehr mit Benzin- oder Dieselmotoren herzustellen. Ein zugegeben extrem unwahrscheinliches Szenario; denn die Gremien würden Krüger sofort ablösen – während Merkel mit ihren Komplett-Wendungen ja von ihrem wichtigsten Gremium, dem Parteitag, mit großer Mehrheit bestätigt wurde.
Wenn wir das Szenario trotzdem weiterdenken, gäbe es einen weiteren gravierenden Unterschied zwischen Wählern der Union und BMW-Kunden: Die BMW-Kunden würden direkt zu anderen vertrauensvollen Marken wie z.B. Mercedes oder Audi abwandern. Dieses Angebot – insbesondere mit dem Label „verlässlich und vertrauensvoll“ (im gleichen Maße, wie es davor die Union war) – fehlte zur Bundestagswahl auf dem Politikmarkt. Das mag ein Grund dafür sein, dass der Verlust der Union „nur“ 8,6% betrug. Ein weiterer Unterschied liegt im Verhalten der Medien. Die würden im Falle des angenommenen BMW-Kurswechsels diesen mehrheitlich kritisch hinterfragen, was sie bei den CDU-Richtungswechseln nicht getan haben. Bekanntermaßen haben die Mainstream-Medien diese Wechsel in ihrer Mehrheit sogar bejubelt.
Die erste Politik-Kehrtwende in der Energiepolitik schlug bei der nachfolgenden Wahl 2013 für die Union noch nicht so zu Buche, da die Masse der Wähler die Konsequenzen dieser Politik nicht in dem Maße absehen konnte, wie das bei der Migrationswende der Fall war.
Das Desaster der Meinungsforschung
Wie konnte es aber zu einer derartigen „Markenentkernung“ kommen? Hier gibt es tatsächliche Parallelen zu großen, gescheiterten Marken und zwar in den Fällen, in denen den Unternehmungsführungen die Visionen und Konzepte ausgegangen sind. Als 2006 der damalige NOKIA-Chef Olli-Pekka Kallasvuo gefragt wurde, was sein oberstes Ziel sei, antworte dieser sinngemäß „die Marktführerschaft zu halten und auszubauen“. Übertragen auf die Politik bedeutet das „Machterhalt als oberstes Handlungsprinzip“ und geht meistens schief.
Und was macht man, um seine Macht mit erlaubten Mitteln möglichst lange zu erhalten? Bei NOKIA hieß die Antwort „Marktforschung“ in allen Bereichen. Die Konsumenten wurden gefragt, was für Handys sie sich wünschen. Es wurde übrigens sogar gefragt, ob sich die Verbraucher ein Handy mit „Touchscreen-Bedienung“ vorstellen können. Die Mehrheit der Befragten konnte dies übrigens nicht, weshalb NOKIA diese Technologie nicht weiterverfolgte. Als Ergebnis der vielen Befragungen gab es viele neue Modelle, welche für Manager, andere für Jugendliche und Ältere und Hausfrauen etc.
Dann kam APPLE und sein visionärer Steve Jobs 2007 – ohne viel Marktforschung – mit dem iPhone auf den Markt und was das für NOKIA bedeutete, ist bekannt.
Ähnliches diagnostizierten die Demoskopen der Union, als dramatische Bilder von Flüchtlingskindern und Menschenmengen an Zäunen aus Ungarn und dem Balkan 2015 durch die Medien schwappten. Da gab es eine erfragte Mehrheit für die Aufnahme dieser arg gepeinigt erscheinenden Menschen. Die politische Schlussfolgerung der Bundeskanzlerin ist ebenfalls bekannt. Zwar änderte sich das Meinungsbild in der Bevölkerung, als die Folgen der Massenimmigration spürbar wurden, aber da kam die Bundeskanzlerin nicht mehr ohne Gesichtsverlust aus der Nummer heraus.
Kann man sinkende Markenschiffe retten?
Natürlich kann man Marken retten, revitalisieren und „relaunchen“ wie es die Marketingsprache ausdrückt. APPLE war selbst in einer Situation des Niedergangs in den 90er Jahren und hat es danach zur wertvollsten Marke der Welt geschafft.
Damit so etwas auch nur in Ansätzen glaubhaft und nachhaltig gelingen kann, setzt dies am Markt wie in der Politik ein authentisches „wir haben verstanden“ voraus – in der Regel verbunden mit einem Wechsel an der Führungsspitze.
Beides ist bei der CDU aktuell nicht erkennbar. So ist nicht auszuschließen, dass der einst erfolgreichen Politikmarke CDU/CSU mittelfristig ein ähnliches Schicksal bevorsteht wie das ihrer ehemaligen Schwester im Geiste, der Democrazia Cristiana in Italien, die vom Politikmarkt verschwunden ist.
Dr. Bernd M. Samland ist Gründer und Geschäftsführer der Marken-Agentur Endmark. Er verantwortet die Entwicklung von über eintausend Markennamen vom TV-Sender VOX bis hin zum Opel MOKKA. Der Fachbuchautor ist Lehrbeauftragter für Werbesprache an der Universität zu Köln und für Markenmanagement am MCI in Innsbruck.
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Stimme Ihnen zu. Vor allem hat mir Hellerbergers Verweis auf die deutsche Romantik gefallen. Diese Zeit ist für immer passé, aber offenbar unauslöschlicher (wenn auch meist unbewusster Teil) des deutschen Nationalcharakters.
Obwohl ich mit „sprachorientiert“ mitgemeint bin, verstehe ich nur zu gut, an welchen Typ Sie dabei denken: Von nichts eine Ahnung, aber zu allem eine Meinung.
Schlimm, schlimm, dass solche Typen unsere heutige politische Klasse darstellen. Laut Helmut Schmidt umfasst die „politische Klasse“ Politik und Medien. Dort befinden sich sowohl Staatsmänner (sehr selten, noch seltener sind Staatsfrauen) als auch Verbrecher(innen). Den größten Teil stellen wohl Vasall(inne)en und Mitläufer(innen) dar.
Ich gebe Ihnen vollkommen recht bezüglich der bisherigen Praxis Verantwortliche zur Rechenschaft zu ziehen. Dennoch sagt mir mein Rechtsverständnis, daß mindestens die scheinbar über allen Gesetzen stehende Bundesmurkserin zur Rechenschaft gezogen werden muss. Sie hat eindeutig ihren Amtseid gebrochen. Es ist meine persönliche Hoffnung und Sie wissen ja, die Hoffnung stirbt zuletzt.
Was Sie sagen, stimmt total, aber wie gesagt, wo kein Kläger da keine Klage und da habe ich diesbezüglich weniger Hoffnung, leider !!!
Ob Hoeness den Fehler zu verantworten hat, kann ich nicht beurteilen.
Fehler sind unvermeidlich und folglich erlaubt, sofern man diese korrigiert.
Und genau das ist der Unterschied.
Nicht Merkels Fehler ist das Problem, sondern die Tatsache, dass sie den Fehler nie eingesehen und korrigiert hat.
Sie haben bzgl. Merkel Recht, sie haben es stur weiter verschäft durch ihr spezielles Handeln, bis zum heutigen Tag…
So einfach ist die Sache nicht! Der durchaus plausible Gegenentwurf zur „Agenda“-Fantasie ist der Folgende: Man hat sich Mitte 2015 aus zunächst guten Gründen auf ein schiefes Brett begeben und in der Folge aufgrund mangelnder Stabilität immer weiter nach unten gerutscht (auf diesem bildlich gesprochenen Brett). Mit ziemlich ungeeigneten Mitteln (Personal, Türkei, …) hat man versucht, sich wieder nach oben zu arbeiten und die Lage in den Griff zu bekommen. Gelungen ist das bislang nicht. Ein einfaches „Zuerst mal die Grenzen dicht!“ funktioniert eben aufgrund europarechtlicher und weltweiter Menschenrechtsverpflichtungen so einfach nicht. Dass sich ein Orban darum nicht schert: Geschenkt.… Mehr
Markenprodukte – also auch politische Parteien – bewegen sich nicht in einem luftleeren Raum, sondern dem Markt. Das bedeutet, sie müssen nicht nur zuverlässig und vertrauensvoll sein, sondern auch die Marktbedürfnisse befriedigen, andernfalls verschwinden sie vom Markt. Und hier wird es bei der Union in der Tat spannend, weil ich finde, daß man auch als konservativer Beobachter konzedieren muß, daß sich der politische Markt geändert hat. Nokia ist eben nicht deswegen am Markt gescheitert, weil es zu wenig oder zu viel Marktanalyse betrieb, sondern weil den Finnen, satt und faul geworden, Köpfe fehlten, die antizipieren konnten, was das „next big… Mehr
Daß die Union ihre Markenkern zerstört: Geschenkt.
Daß die Union demnächst den Weg von Italiens DC gehen wird: Egal.
Daß aber die widerrechtliche Verwüstung Deutschlands dabei unvermindert weitergeht: Absolut unverzeihlich.
Der Autor beschrieb das Ganze aus Sicht eines Marketingexperten und da halt er eine richtige Analyse gegeben. Inhalte, was sie erwähnen, ist in diesem Aufsatz weniger der Schwerpunkt oder der Fokus.
Die Glaubwürdigkeit ist das zentrale Problem. Ist diese verspielt wird die Marke nach und nach in der Versenkung verschwinden. Die CDU hat letztlich keine Chance mehr…den die Folgen ihrer Misswirtschaft kommen erst nach und nach zum Vorschein…und dann wird sich auch der Rest der Dauerklatscher abwenden…
Es ist ein interessanter Ansatz, die Unionsparteien als Marke zu behandeln und auf die Fehlleitung durch Meinungs- respektive Marktforschung als Maßgabe der Politik wie Produktentwicklung zu verweisen. In einem Punkt irrt der Autor aber mit ziemlicher Sicherheit: Würde BMW von heute auf morgen verkünden, nurmehr elektrisch betriebene Fahrzeuge anbieten zu wollen, so glaube ich nicht an das prognostizierte „kritische Hinterfragen“ dieser Entscheidung in den Medien. Statt dessen würde sie bejubelt werden, als Signal und deutliches Zeichen, dass man die Herausforderungen durch Klimawandel und Umweltverschmutzung nun anzunehmen bereit sei, die technische Marktführerschaft würde erhofft werden und selbst eingefleischte Gegner der Marke… Mehr
sehr gut analysiert! Gerade weil hier auch die Begründung mitgeliefert wird, warum es so wenige Wähler gab, die die CDU/CSU nicht mehr wählten. Es gab für sie eben keine Alternative, die ihnen Verlässlichkeit bieten konnte. Da war schlicht die Hoffnung stärker, auf eine zukünftig verlässliche Politik der Union.
Gerade für Wähler, die selbst vielleicht gar nicht, oder nicht so sehr von den Folgen der Kehrtwenden betroffen sind, ist es wohl wichtiger, eine Kontinuität zu haben, als einen Wechsel, von dem man nicht weiss was er bringt.