Alle Jahre wieder, aktuell vom Bundesgesundheitsminister Spahn, werden Gesetzesvorstöße lanciert, die darauf abzielen, standardmäßig jede/n Einwohner/in zur potenziellen Quelle von Organen für Transplantationszwecke zu machen.
Nach Vorstellung von Herrn Spahn und vielen weiteren Personen und Organisationen soll in Deutschland, nach diversen anderen Ländern, die sogenannte Widerspruchslösung eingeführt werden, d.h., jeder/m dürfen automatisch nach Feststellung des Hirntods Organe entnommen werden, wenn nicht vorher ein Widerspruch eingelegt wurde, entweder vorher vom Hirntoten oder von den Angehörigen.
Die Gesamtthematik mit allen Teilfacetten abzuhandeln, würde ein komplettes Buch erfordern. Dieser Aufwand kann und soll hier nicht getrieben werden, vielmehr wird der Fokus auf die zentralsten Aspekte gesetzt, die ihrerseits ausreichen, um die Fragestellung definitiv zu beantworten.
Was ist eine Spende?
Zunächst eine Begriffsklärung zum Begriff der „Organspende“. Eine Spende ist nach gängigem Sprachgebrauch eine bewusste, freiwillige, willentliche Entscheidung, etwas ohne (direkte) Gegenleistung zu geben, gefolgt von der Übergabe des Gespendeten. Davon zu unterscheiden ist die Wegnahme (im Falle der Organe die Entnahme aus dem Körper) von etwas eigenem durch andere, ohne dass es vorher eine solche explizite Übergabeentscheidung gegeben hat (ein Raub wäre ein solches Beispiel).
Entschließt sich jemand bewusst und freiwillig dafür, einen Organspendeausweis auszufüllen und bei sich zu führen oder sich als Organspender/in zu registrieren, kann dementsprechend von einer Organspende gesprochen werden, falls es im Falle des Hirntodes zu einer Organentnahme kommt.
In allen anderen Fällen dagegen ist der Begriff der Spende sachlich unpassend; u.U. wird er in manipulativer Absicht oder mit Verschleierungsabsicht verwendet. Aus diesem Grunde wird der Begriff der Organspende in diesem Artikel ausdrücklich nicht für solche Konstellationen verwendet, in dem es sich nicht um eine bewusste, freiwillige Spende handelt.
Auch wird der teilweise ins Gespräch gebrachte Begriff der Pflichtspende als Oxymoron zurückgewiesen. Hier wird durch eine manipulative Begriffsneuschöpfung versucht, eine formalrechtliche Pflicht (z.B. analog einer Steuerpflicht) zu konstruieren / zu insinuieren für etwas, das fundamental freiwilliger Natur ist.
Die Freiheitliche Grundordnung als Referenzmaßstab
Die Freiheitliche Grundordnung ist die Rechtshierarchieebene oberhalb der Freiheitlichen Demokratischen Grundordnung (FDGO), die ihrerseits eine Ebene oberhalb der Verfassungsebene, die des Grundgesetzes, angeordnet ist. Die FDGO ist Deutschland-spezifisch, die Freiheitliche Grundordnung dagegen universell / landesunabhängig; das Vorhandensein der universellen / landesunabhängigen Freiheitlichen Grundordnung ergibt sich rein logisch, sie beinhaltet all das, was nicht landspezifisch ist, sondern für viele Länder gilt (z.B. für Frankreich, die USA usw.). Für den Zweck dieser Debatte kann man aber beide gleichsetzen, daher wird in der Folge nur die Freiheitliche Grundordnung berücksichtigt. Als Grundordnungen sind sie nicht direkt Teil der formalen Rechtsordnung, diese fängt in der Rechtshierarchie erst weiter unten an, auf der Verfassungsebene.
Die Grundordnungen sind aber sehr wohl hochgradig relevant bzgl. der Frage der Auslegung von Verfassungen, bzgl. der Grenzen der Verfassungen (was ist überhaupt legitim innerhalb einer Verfassung). In Deutschland z.B. ist das Kriterium für politischen Extremismus das Fordern der Beseitigung der FDGO oder eines Teils davon. Es ist auch das Kriterium für Parteiverbote.
Die Freiheitliche Grundordnung besteht aus all den Grundwerten und Grundprinzipien, die einerseits die Schranken für die darunter liegende Rechtshierarchieebene definieren und andererseits aber auch ihre Inhalte umreißen. Es ist eine Rahmenordnung, nur innerhalb dieses gesteckten Rahmens sind also länderspezifische Grundordnungen, entsprechende Verfassungen oder Gesetze zulässig. Sie beinhaltet bzw. berücksichtigt auch das gesamte Weltwissen über die Realität, den Menschen, die Geschichte, die Logik, die Mathematik und die Erkenntnisphilosophie. Die Grundwerte sind letztlich logisch gesehen Axiome, z.B. das Axiom der Gleichrangigkeit aller Menschen. Ein Grundprinzip dagegen wie das Verbot von Entscheidungen Befangener bzgl. Öffentlicher Angelegenheiten (nur sehr unvollständig in Deutschland umgesetzt…) ist aus der geschichtlichen Erfahrung in Kombination mit der Kenntnis um die Menschen hergeleitet.
Die Freiheitliche Grundordnung ist das, was die meisten Menschen meinen, wenn sie von „rule of law“, Rechtsstaat“, „Demokratie“ etc. sprechen. Es ist die Gesamtheit der abstrakten, von Zeit und Raum gelösten, Prinzipien, auf der die freien Gesellschaften beruhen (diese beruhen auf noch mehr, nämlich auch auf ihrer Geschichte, ihrer Geographie und ihren Staatsbürgern).
Ein Problem ist, dass es weder für die FDGO noch die Freiheitliche Grundordnung bisher eine textliche Fassung gibt, die man einfach mal nachlesen könnte; im Zweifelsfalle wird es auch nie eine geben, zumal über sie nicht wie bei einer Verfassung entschieden wird; sondern sie ist gewissermaßen schon vorhanden und wird entdeckt. Nichtsdestotrotz kann man sehr wohl darüber sprechen, genau wie es das Grundgesetz, das Bundesverfassungsgericht etc. und eben dieser Artikel tun.
Die Freiheitliche Grundordnung komplett zu umreißen, erfordert ein umfassendes Werk, ein normales Buch reicht dafür nicht aus, zumal sich eine Klarheit z.T. erst durch die Abgrenzung zu anderen Ordnungen, z.B. feudalistischer Ordnungen oder Clanordnungen, ergibt. Dieses Ausbelichten wird Zug um Zug geschehen, dieser Artikel beleuchtet einige Teilfacetten der Freiheitlichen Grundordnung.
Das Thema Organentnahme kann nicht auf rein gesetzlicher Ebene diskutiert werden, auch die verfassungsrechtliche Ebene ist zu klein. Sie muss daher auf Grundordnungsebene diskutiert werden, denn nur auf dieser kann geklärt werden, ob und falls ja, unter welchen Umständen, Organentnahmen überhaupt zulässig sein könnten; zumal das Grundgesetz auf dieses Thema gar nicht eingeht und es zum Zeitpunkt der Verfassung des Grundgesetzes gar kein Thema war. Aus diesem Grunde ist die Freiheitliche Grundordnung der Maßstab, gegen den alle Vorschläge gemessen werden, und nicht das Grundgesetz oder sonstige Rechtsnormen. Denn die Frage ist, welche Art von Regelungen zum Thema Organentnahme überhaupt legitimierbar sind.
Nach diesen Vorbemerkungen jetzt aber in medias res:
Heilung vs. Organentnahme
Das Ziel einer ärztlichen Behandlung ist konstitutiv immer die Heilung oder zumindest die Linderung von Beschwerden. Es soll eine Besserung des Gesundheitszustandes ggü. dem Fall einer Nichtbehandlung herbeigeführt werden. Dies besagt nicht nur das ärztliche Ethos, sondern in vielen Ländern, so auch in Deutschland, das Gesetz. Alles, was Ärzte tun, ist nur genau darauf ausgerichtet (bzw. sollte es sein).
Im Falle einer möglichen Organentnahme mit dem Ziel der anschließenden Transplantation dagegen muss aus physiologischen („medizinisch“ wäre hier vielleicht nicht ganz der richtige Begriff, da er zu sehr mit dem Begriff des Heilens in Verbindung steht) Gründen vollständig anders vorgegangen werden. Es muss der Körper nicht mehr geheilt werden, sondern er muss in einen für die Organentnahme optimalen Zustand gebracht werden, siehe z.B. Explantation bei Organspende nach diagnostiziertem Hirntod bei Wikipedia.
Rechtlich versucht man zwischen beiden Zielen eine absolute Grenze einzuziehen, durch die Prozedur der Feststellung des sogenannten „Hirntods“, einer medizinisch-rechtlichen Konstruktion, die die Lebenden von den Toten trennen soll und dementsprechend, je nach Ausgang der Diagnose (Hirntod ja oder nein) verschiedene Zielverfolgungen vorschreibt bzw. erlaubt. Die Anforderungen an die Qualität dieser Diagnose sind hoch.
Formal findet sich dieser Zielkonflikt widergespiegelt in den unterschiedlichen Methoden zur Diagnose des Hirntods, siehe z.B. die Informationsbroschüre des Transplantationszentrums Freiburg, insbesondere das Diagramm auf Seite 4: Hirntod und Hirntoddiagnostik (PDF). Das Standardverfahren beinhaltet eine längere Beobachtungszeit, die sicherstellen soll, dass wirklich ein Hirntod vorliegt und die Fehlerwahrscheinlichkeit extrem klein ist.
Wie schon erwähnt, sind solche Wartezeiten aber im Hinblick auf eine Organentnahme suboptimal, denn schließlich sind ja dann schon Teile des Körpers „gestorben“ (daher ja auch der Begriff „Hirntod“) und „vergiften“ den restlichen Körper inkl. der Organe. Daher wurde bereits in der Vergangenheit die rechtliche Möglichkeit geschaffen, diese Beobachtungszeit drastisch zu verkürzen durch den Einsatz entsprechender Messungen („apparative Untersuchungen“).
Auch wenn die (deutschen) Regelungen detailliert sind und sorgfältig erarbeitet wurden, muss man doch konstatieren, dass der Zielkonflikt besteht und unauflösbar ist. Und man muss konstatieren, dass die Fehlerwahrscheinlichkeit nicht absolut null ist. Des Weiteren, dass es immer ein Restrisiko der gezielten Umgehung der Vorschriften gibt. Und damit gibt es ein Risiko, dass man für tot erklärt wird, obwohl man es nicht ist, und dann durch die Organentnahme endgültig ins Jenseits befördert wird.
Das Eingehen eines solchen, wenn auch im Mittel sehr kleinen und nur schwierig abschätzbaren, Risikos ist etwas, was man nur selbst tun kann, bei vollem Bewusstsein, freiwillig und nach sorgfältiger Abwägung. Eine solche Entscheidung kann niemals delegiert werden, es sei denn, ebenfalls durch eine sehr bewusste, freie und sorgfältig durchdachte Entscheidung.
Gibt es ein Recht auf Organtransplantationen?
Oder anders ausgedrückt: Ist es einer der Ziele der Freiheitlichen Grundordnung, auch unter Verletzung oder Zurückdrängung anderer Ziele, anderer Grundwerte oder Grundprinzipien das Leben von Schwerkranken durch Organtransplantationen zu verlängern? Sind entsprechende Rechtsnormensetzungen zu solchem Zweck legitimiert oder nicht? Und wenn ja, welche? Und vor allem: Welche nicht?
In der Freiheitlichen Grundordnung ist mit das oberste Ziel, der oberste Wert das friedliche und gedeihliche Zusammenleben der Staatsbürger (und die von ihnen erlaubten sonstigen rechtmäßigen Einwohner) des jeweiligen Hoheitsterritoriums. Zum Gedeihen gehört die Gesundheit. Daher sind verschiedene Maßnahmen wie z.B. Forschungsförderung, finanzierte Medizinstudiengänge, Erkennung und Eindämmung von Seuchen etc. nicht nur zulässig, sondern mindestens teilweise geboten.
Aber gleichzeitig gilt, dass die Gesundheit eine Res Privata ist, eine Privatangelegenheit. Die Gesundheit des/r Einzelnen (genauer: der erwachsenen Nicht-Mündel) ist keine Öffentliche Angelegenheit, es gibt keine Behörde, die dafür zuständig wäre, nicht nur das, es darf keine geben. Zulässig ist aber eine umfassende Aufklärung.
Generell gilt auch, dass in freien Gesellschaften Personen, die die Rechtsnormen ändern wollen, zunächst und primär die Staatsbürger überzeugen müssen. Und nicht die Behörden oder Parlamentarier. Die Staatsbürger wählen dann solche Parlamentarier, die entsprechende Ziele verfolgen oder sie versuchen die bereits gewählten zu überzeugen; aber ein Pressure-Group-artiges Vorgehen maßgeblich nur ggü. Parlamentariern (wie dies zunehmend zu beobachten ist) entspricht nicht der Konzeption der Freiheitlichen Grundordnung. Behörden wiederum folgen nur der Rechtsordnung, sie definieren sie nicht.
Da die Freiheitliche Grundordnung eine symmetrische Ordnung ist (eigentlich sind praktisch alle anderen Ordnungen asymmetrisch), alle (Staats-)Bürger sind gleichrangig (im Gegensatz z.B. zum Feudalismus oder einer Sklavenhaltergesellschaft), haben einzelne Bürger oder Gruppen von ihnen keine Befehlsgewalt oder Weisungsbefugnis anderen gegenüber. Und zwar auch dann nicht, wenn sie eine noch so große Mehrheit darstellen. Ausnahmen hiervon gibt es nur, wenn hochrangige Ziele / Werte anders nicht erreicht werden können, aber auch dann müssen eine Vielzahl von Bedingungen eingehalten werden (z.B. Gleichbehandlungsgrundsatz, Verhältnismäßigkeit, Notwendigkeit etc.).
Damit ist die Frage aber noch nicht beantwortet, nur ein Teil davon: Es wäre zulässig, Transplantationen grundsätzlich zuzulassen, Forschungen dafür zu finanzieren und auch einen rechtlichen Rahmen hierfür zu definieren, da diese die Zahl der Lebensjahre der Organempfänger z.T. erheblich steigern können. Die Bürger könnten allerdings auch Beschränkungen festlegen, z.B. bzgl. der Gesamtkosten oder Gesamtkosten pro gewonnenem Lebensjahr, denn Transplantationen sind sehr teure Operationen mit erheblichen Folgekosten.
Das Risiko der nicht-Beachtung eines Widerspruchs
Woher eigentlich sollen die Ärzte genau wissen, ob widersprochen wurde? In bestimmten Fällen ist dies eindeutig möglich, wenn z.B. ein Organspendenausweis vorhanden ist, der eine Organentnahme explizit verbietet. Was aber, wenn ein solcher Ausweis nicht vorliegt? Z.B., wenn man ihn in einer anderen Hose oder Handtasche vergessen hätte? Denkbar wäre ein Zentralregister. Aber wie kommen die Daten in dieses Register? Was, wenn die Daten dort manipuliert werden? Was, wenn das Register gehackt wird? Was, wenn man z.B. ein paar Tage vorher einen Brief an das Register geschickt hat mit einem Widerspruch, dieser aber wegen einer Panne innerhalb der Registerbehörde noch nicht ausgewertet wurde? Auch wenn in der Praxis solche Probleme und Fehler unwahrscheinlich sind, sind sie doch nicht ganz gleich null.
Hinzu kommt das Risiko einer vorsätzlichen Löschung eines Widerspruchs, z.B. durch Entfernen eines Organspenderausweises, in dem ein Widerspruch notiert ist, oder durch Löschung des Widerspruchs im Zentralregister. In der Geschichte gibt es genügend Beispiele für vergleichbare Fälle.
Aufgrund der Schwergewichtigkeit der Angelegenheit kann es daher keine solche Negativregelung (Widerspruchslösung) geben, sondern, falls es eine gibt, muss es zwingend eine Positivregelung sein, d.h., es muss eine Zustimmung explizit erteilt werden.
Ist kein Widerspruch eine Zustimmung?
Von den Befürwortern einer wird folgendes Argument angeführt: Diejenigen, die keine Organentnahme wollen oder sich noch nicht sicher sind, ob sie Organspender werden wollen, können ja sehr einfach einen Widerspruch einlegen, dies sei ja kein großer Aufwand und von daher Verhältnismäßig im Vergleich zum potenziellen Nutzen. Es könne jedem/r zugemutet werden, sich mit dem Thema auseinanderzusetzen und dann eine Entscheidung zu fällen. Der Zwang, dies zu tun, sei zwar einer, aber eben nur ein kleiner und daher sozusagen vernachlässigbar.
Rechtlich bewirkt dies allerdings eine vollständige Umkehrung des Rechtsprinzips, dass kein Handeln, keine Willenserklärung eben genau das sei, nämlich kein Handeln und keine Willenserklärung (und der Fall des sog. Konkludenten Verhaltens fällt ja hier auch aus). Auf einmal wird aus einem Nichtstun, aus keiner Willenserklärung, das exakte Gegenteil konstruiert, nämlich eine de facto Willenserklärung zugunsten der Organentnahme. Kein Widerspruch soll also auf einmal eine Zustimmung bedeuten.
Dies ist eine der größten Gefahren solcher Vorgehensweisen, mit dem Potenzial der Zerstörung der Freiheitlichen Grundordnung. Und aus diesem Grunde setzt diese diesbezüglich vollständige, absolute Schranken, die unter keinen Umständen überschritten oder umgangen werden können. Die Freiheitliche Grundordnung basiert maßgeblich und konstitutiv auf eben dem freien Willen, auf der Selbstautonomie der Bürger. Und dieses Fundament darf unter keinen Umständen angegriffen werden, zumal es ja gerade hier bei dieser Thematik sehr wohl andere Möglichkeiten gibt, die im Einklang mit der Freiheitlichen Grundordnung stehen.
Aber selbst dieses gewichtige und bereits allein ausreichende Argument ist nur einer der Gründe, warum kein Widerspruch keine Zustimmung sein darf. In den Debatten wird oft so leicht dahingesagt, es solle sich einfach jede/r mit dem Thema befassen, eine Entscheidung treffen, und im Falle des Widerspruches diesen einfach registrieren lassen. So aber ticken viele Menschen nicht, und die Freiheitliche Grundordnung „weiß“ dies. Viele würden zwar diesem Grundgedankengang zunächst zustimmen, auch dem der Organentnahme im Hirntodfall, aber: De facto fangen sie dann doch nicht an, gründlich darüber nachzudenken, sich zu informieren, sich mit anderen zu unterhalten, sich mit den Risiken auseinanderzusetzen, sich die Fälle herauszusuchen, wo Leute erst durch die Organentnahme getötet wurden usw. usw.
Das Thema ist nämlich schwerkalibrig und erfordert Zeit und mentale Ruhe. Diese kann aber durchaus, je nach Lebenssituation und Persönlichkeit, durchaus viele Jahre lang nicht gegeben sein. Und selbst dann werden sich viele unsicher sein und treffen erst einmal keine explizite Entscheidung. Und genau weil das so ist und weil die Freiheitliche Grundordnung dies ganz explizit berücksichtigt, schützt sie die Menschen davor, dass dann einfach andere für sie entscheiden. Denn das wäre de facto ein Missbrauch der Schwächen von Menschen.
Und genau dieser Schutz ist ein weiterer konstituierender Teil des Fundamentes der Freiheitlichen Grundordnung. Sie schützt nicht nur die Schwächsten in der Gesellschaft, sondern schützt auch solche Menschen, die nicht schwach im Sinne von z.B. minderjährig oder dement sind, sondern jede/n vor behördlichen / gesetzlichen Maßnahmen, die Schwächen von Bürgern zu deren Ungunsten ausnutzen (könnten).
Erlaubt die Freiheitliche Grundordnung Nudging?
Die Widerspruchslösung ist eine der Standardverfahren des Nudgings. Nudging (anstupsen) meint das paternalistische Manipulieren der Entscheidungsfindung von Bürgern durch eine Obrigkeit, ohne ihnen formal die Entscheidung aus der Hand zu nehmen. Ein anderes Beispiel ist die räumliche Anordnung von Kantinenessen in den Selbstbedienungstheken, die „schlechten“ Kuchen etc. werden ganz unten und nur auf kleiner Fläche gelagert, das „gute“ Obst besonders herausragend positioniert.
Nudging ist nur möglich, wenn es eine Asymmetrie zwischen den Bürgern gibt, typischerweise ein „Gremium“, eine „Bürokratie“, ein Parlament etc. vs. die „normalen“ Bürger und wenn sich erstere als Herrscher oder Vormund der Bürger aufspielen wollen. Dies aber widerspricht den Kerngrundsätzen der Freiheitlichen Grundordnung, nämlich dem der Symmetrie zwischen den Bürgern und dem Grundsatz, dass Behörden, Parlamente etc. zwar für die Bürger wirken, letztere aber nicht beherrschen, sondern vielmehr unter strikter Aufsicht durch die Bürger professionell und kostengünstig die jeweiligen Öffentlichen Angelegenheiten erledigen, die ihnen von den Bürgern aufgetragen wurden.
Nudging ggü. Kindern ist aber erlaubt, wenn es von den Eltern ausgeht oder sie das Nudging kontrollieren.
Darf ein sozialer und moralischer Druck aufgebaut werden?
Das Einführen einer Widerspruchslösung setzt den Standard auf Organentnahme. Da die meisten Menschen oder zumindest sehr viele sich nur ungern gegen den „Standard“ in ihrer Umgebung stellen, ist es für viele schwierig oder schwieriger, dann das Gegenteil des Standards zu tun. Wenn also die Ärzte auf die Angehörigen im Sinne der Organentnahme einreden und dann auch noch der „Standard“ via Gesetz ebenfalls dies fordert, wird ein Druck aufgebaut, dem viele nicht standhalten werden, obwohl sie anders denken.
An dieser Stelle prallen zwei Menschenbilder aufeinander, das u.a. der Liberalen, die implizit immer starke, gut informierte, rationale Persönlichkeiten voraussetzen, und das der Freiheitliche Grundordnung, die „weiß“, dass es sehr unterschiedliche Menschen gibt, die sich zudem von Minute zu Minute auch anders verhalten können. Es gibt solche starken, gut informierten, rationalen Persönlichkeiten, aber es gibt auch viele andere. Vor allem in dieser kritischen Situation, wo sie gerade eine/n Angehörige/n verloren haben und vielleicht noch weitere schwer verletzt sind.
Die Freiheitliche Grundordnung weiß von alledem und sie weiß auch (genauer: es ist in sie sozusagen eingeschrieben), dass es auch Menschen gibt, die, selbst wenn sie die Freigabe zur Organentnahme geben, dies später, ihr Leben lang, bereuen werden, weil sie sich fragen, ob ihr/e Angehörige/r nicht doch vielleicht wieder aufgewacht wären, wären die Organe nicht vorher entnommen worden. Sie schützt daher nicht nur die Hirntoten, sondern auch die Angehörigen, nicht nur vor dem Zwang, eine solche schwerwiegende Entscheidung unter hohem Zeitdruck und in einer sehr belastenden Situation zu treffen, sondern auch vor dieser möglichen, lebenslangen Qual.
Zusätzlich muss bzgl. der Frage des moralischen Drucks angemerkt werden, dass Rechtsordnungen zwar auch auf Moralvorstellungen beruhen, sie aber keine Moralordnungen sind, d.h., sie stellen die Abweichungen von Moralnormen nicht ab einer beliebig kleinen Abweichung unter Strafe, sondern nur größere Abweichungen. Ordnungen, die bereits kleine Abweichungen unter Strafe stellen, sind Tugendterrordiktaturen; historisch gesehen sind sie immer zu Terror degeneriert und gescheitert. Siehe hierzu auch den Fall Savonarola.
Die Freiheitliche Grundordnung ist dementsprechend zwar auf den höchsten moralischen Standards gegründet, erzwingt aber keine Moral bis ins Kleinste. Und daher darf ein moralischer Druck nur in Grenzen aufgebaut werden. Wo diese genau liegen, ist nicht exakt definiert, sondern in gewissem Rahmen variabel. Ein gewisses Maß an Werbung für Organentnahmen wäre in jedem Falle zulässig, ein persönlicher „Besuch“ von mehreren „Überzeugern“ zuhause jedes Quartal dagegen wäre deutlich zu weit gehend.
Organentnahme vs. Nothilfe
Das Durchführen einer Organtransplantation zugunsten von jemanden, der/die ohne diese höchstwahrscheinlich sterben würde, könnte ab einer bestimmten Sterbenswahrscheinlichkeit als Nothilfe deklariert werden. Das Leisten einer Nothilfe wiederum ist in der Freiheitlichen Grundordnung einer der Bürgerpflichten, die unter bestimmten Voraussetzungen, insbesondere der Zumutbarkeit und der nicht-Eigengefährdung, vorgeschrieben ist, siehe dazu §323c StGB: Unterlassene Hilfeleistung.
Der Grund für solche Vorschriften liegt darin begründet, dass einer der obersten Werte der Freiheitlichen Grundordnung die Hilfe und Unterstützung Hilfebedürftiger ist. Im Grundgesetz findet sich dieser Gedanken in den Artikeln 2 und 20. Den Menschen in einer Freiheitlichen Grundordnung ist es nicht egal, wie es ihren schwächsten Mitgliedern geht; und denen unter ihnen, denen das doch egal ist, wird durch solche Regeln auf die Sprünge geholfen.
Strukturell unterscheiden sich die normalen Nothilfekonstellationen aber in drei zentralen Punkten von einer Organentnahme:
* Das Risiko dieser Hilfe besteht im eigenen Tod
* Die Hilfebedürftigen haben keinen Anspruch auf eine solche Hilfe (siehe Begründung oben).
* Bei den meisten Hilfeleistungen hat man es selbst in der Hand, die Hilfeaktion abzubrechen oder anders zu gestalten, falls sich die Selbstgefährdungssituation erhöht; im Falle der Organentnahme dagegen ist man den Ärzten etc. vollständig ausgeliefert.
Daher ist die Argumentationslinie zugunsten der Nothilfe nicht auf den Fall der Organentnahme übertragbar.
Was im Einklang mit der Freiheitlichen Grundordnung möglich wäre
Nachdem erläutert wurde, was nicht geht, soll hier kurz angerissen werden, welche Regelungen möglich wären. Denn das Menschenbild der Freiheitlichen Grundordnung erlaubt es sehr wohl, dass Transplantationen stattfinden, sowohl Lebendtransplantationen (z.B. Spende einer Niere) wie auch Organtransplantationen von Hirntoten, vorausgesetzt, diese oder deren Angehörigen haben vorher zugestimmt (wobei die Angehörigen ein Verbot seitens des Verstorbenen nicht aufheben können). Denn freiwillige, bewusste Entscheidungen von Freien Bürgern sind ja gerade ein zentraler, konstitutiver Kern der Freiheitlichen Grundordnung.
Was aber wäre jenseits dessen, was ja in etwa dem aktuellen Rechtsstand in Deutschland entspricht, möglich?
Ausgeschlossen wären Maßnahmen oder Regelungen, die die Bürger in eine bestimmte Richtung drängen, z.B. durch direkte Geldzahlungen, Steuererleichterungen, Verknüpfungen mit anderen Themen (z.B. kürzere Wartezeiten für Zahnarzttermine, falls man sich als Organspender registrieren lässt). Denn solche Maßnahmen stehen dem Menschenbild der Freiheitlichen Grundordnung, dem des Freien Bürgers, entgegen; sie sind Lenkungsmaßnahmen, die darauf abzielen, die freien Entscheidungen, den freien Willen der Bürger zu verbiegen. Geldzahlungen an Angehörige haben zudem das Risiko, dass sie bewirken können, dass diese zu ihren eigenen Gunsten entscheiden könnten.
Vielen Menschen würde es leichter fallen, sich als Organspender zu registrieren bzw. einen Organspendeausweis mit sich zu führen, wenn es die Möglichkeit gäbe, einige Bedingungen anzugeben, insbesondere:
* Festlegung, welche verschärften Kriterien zur Diagnose des Hirntods zur Anwendung kommen sollen, z.B. längere Beobachtungszeiten, mehr Einzelmessungen
* Festlegung, dass nur bestimmte Personen (oder Organisationen) den Hirntod diagnostizieren dürfen bzw. daran mitwirken sollen bzw. diesen zusätzlich bestätigen sollen
* Festlegung, dass bestimmte Personen (oder Organisationen) an der Entscheidung zur Organentnahme mitwirken sollen (z.B. langjährig bekannter Hausarzt)
* Festlegung, dass es keine kommerziellen Verbindungen zwischen der Personen und/oder Organisationen geben darf, die die Diagnose des Hirntods durchführen und den Personen und/oder Organisationen, die die Transplantation durchführen
Generell wäre es denkbar, dass es verschiedene Regelwerke gibt, z.B. von Kirchen herausgegebene, auf die man Bezug nehmen könnte. Diese Regelwerke könnten parametrierbar sein, d.h., man kann bestimmte Lücken, z.B. bzgl. Beobachtungszeiten, selbst ausfüllen und auf diese Weise noch genauer bestimmen, was man will.
In der konkreten Praxis wäre es sehr hilfreich, wenn es einen formalen Rahmen mit genau definierten Begriffen gäbe, der den Ärzten in eindeutiger Weise mitteilt, was sie tun dürfen und was nicht. Zu diesem Zweck wäre es per Parlamentsbeschluss zulässig, solche Begriffe samt Bedeutung zu definieren, damit ein einheitliches Verständnis herrscht. Z.B. könnten verschiedene Messverfahren definiert werden und Begriffe wie „Beobachtungszeitraum“ genauer präzisiert werden. Es wäre dann (evtl.) möglich, dies zu kombinieren mit der freien Entscheidung eines potenziellen Organspenders bzgl. einiger Aspekte, z.B. Mindestbeobachtungszeitraum oder Einbindung weiterer Personen oder Organisationen.
Aufgrund der extremen Bedeutung der korrekten Durchführung aller Teilaspekte inkl. Feststellung, ob eine Erlaubnis erteilt wurde, wäre es auch angemessen, dies unter richterlicher Aufsicht durchzuführen und öffentlich zugänglich zu dokumentieren, inkl. der Messdaten; dies würde die Wahrscheinlichkeit von Fehlentscheidungen oder Manipulationen nochmals deutlich senken. Zulässig wäre auch die Zusendung von Informationen über eine Organspende, aber nur, wenn auch ausführlich und vollständig auf die Risiken hingewiesen wird.
Mit die größte Wirkung würde vermutlich von folgendem Konzept ausgehen: Nur diejenigen, die sich frühzeitig als Organspender registriert haben, werden als Organempfänger zugelassen (bei Organknappheit), wer selbst nicht zur Organspende bereit ist, verwirkt also die Möglichkeit zum Organempfang. Das ist eine reziproke Konzeption, die gerecht ist. Aus Sicht der Freiheitlichen Grundordnung spricht nichts gegen eine solche Regelung, sie ist freiwillig und symmetrisch. Die Details solcher Regelungen sind allerdings nicht ganz trivial. Diese Konzeption ist auch unter dem Begriff „Clublösung“ bekannt.
Fazit
Aufgrund des (kleinen) Risikos im Zuge einer Organentnahme, fälschlicherweise als hirntot diagnostiziert zu werden, ist eine automatische, gesetzliche Regelung, dass bei der Feststellung eines Hirntods die Organe entnommen werden dürfen, wenn man nicht widersprochen hat, fundamental und unabänderlich ausgeschlossen; jedwede Regelung dieser Art ist ein schwerer Grundordnungsbruch und damit rückwirkend und von Anfang an nichtig. Der Grund für dieses Verbot ist, dass das Eingehen eines solchen Risikos nur und ausschließlich das Ergebnis einer bewussten und freien Entscheidung sein darf.
Ein Recht auf eine Organtransplantation zu eigenen Gunsten gibt es nicht und kann es nicht geben, da es keine Überordnung der Kranken über die Hirntoten gibt, sondern in der Freiheitlichen Grundordnung das Verhältnis zwischen den Bürgern symmetrisch ist. Das Aufzwingen einer Entscheidung ist ebenfalls nicht zulässig, da dies eine zu schwierige Entscheidung ist und in der Praxis die menschlichen Schwächen einseitig ausgenutzt werden würden. Da das Risiko von Fehlern bei der Verwaltung der Widersprüche nicht null ist, ist aus diesem Grunde ebenfalls eine Widerspruchslösung ausgeschlossen.
Die Umkehrung des Prinzips, dass keine Willenserklärung eine Zustimmung ist, ist ausgeschlossen, da dies dem fundamentalen Konstruktionsprinzip der Freiheitlichen Grundordnung widerspricht, welches besagt, dass die Selbstautonomie der Bürger einen sehr hohen Rang hat. Auch würde damit ein gefährlicher Präzedenzfall geschaffen, der im Laufe der Zeit die Freiheitliche Grundordnung akut gefährden könnte.
Im Gesamtergebnis ist daher aus verschiedenen, schwerwiegenden Gründen eine Widerspruchslösung grundordnungs- und damit verfassungswidrig.
Möglich ist aber eine Werbung für Organspenden, aber nur, wenn auch auf die Risiken hingewiesen wird und wenn die Urheber der Werbung ihre ggf. vorhandene Befangenheit und Finanzierungsquellen offenlegen. Und möglich ist eine Regelung, nach der (bei Organknappheit) nur rechtzeitig registrierte Organspendewillige, Empfänger von Organen sein dürfen (Clublösung).
Bryan Hayes ist als Softwarearchitekt in der IT-Branche tätig.
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Ein wunderbarer Artikel, der das Problem und alles, was damit zusammenhaengt (vom Dilemma des Arztes wie das der Patienten, der Familien etc.), aufzeigt. Bravo. Ich gestehe, ich hatte in der Mitte die Neigung das Lesen abzubrechen, da ich der Meinung war, mittlerweile sollte alles gesagt sein. Aber andererseits, Sie haben vollkommen Recht: dieses Thema ist nicht einfach so abzuhaken. Die Tatsache, dass so wenig Menschen in diesem Land einen Organspendeausweis haben, ist Beleg genug. Das Thema ist nicht praesent bei den Menschen. Wer schliesslich, wenn er kein Grufti/Gothic ist, setzt sich aktiv mit dem eigenen Tod, der Vergaenglichkeit, oder dem… Mehr
>> Mittlerweile bin ich soweit, bereits zu ueberlegen wie ich meinen ausdruecklichen Unwillen zum Ausdruck bringe, fuer den Fall der Faelle. Welche Garantie habe ich denn, dass ein Arzt mich in Empfang nimmt und sorgsam abwaegt welche Chancen ich habe und wie diese aussehen und wie gross die Chancen der Organempfaenger sind?<< Da reicht ein Tattoo im Brustbereich völlig aus 😉 Meines war recht preiswert, da ich die "Rechte am Entwurf" freigestellt hatte . Die Dame meinte, dat mach ich mir auch. ein 3d Herz – durchkreuzt mit schwarzen Balken und Textumrandung oben NON – NO – HET letzteres für… Mehr
@stolzer Sachse Ich hatte ja schon einmal geäußert, das ich die Idee der Tätowierung genial finde. Bei Frauen ginge das, wenn es nicht immer sofort sichtbar sein soll (Dekolleté), nur auf dem unteren Brustbein, was die Größe des Tattoo schon einschränkt. Je kleiner das Tattoo, desto leichter rausschneidbar. Ich hoffe, Ihnen jetzt nicht zu persönlich zu werden, aber wie groß ist ihr Herztattoo inkl. Schriftzügen? Wenn Sie die Rechte an dem Entwurf freigegeben haben, kann man diesen auf einer Website des Studios sehen (würde dann mit meiner Tätowiererin mal diskutieren ob Ihre Vorlage für mich praktikabel ist). Wie gesagt: geniale… Mehr
Tatoo ist gut aber nichts für mich.
Ich denke an eine Erkennungsmarke mit entsprechendem Text.
Dann ist die Botschaft auch klar bei großen Hautverletzungen.
An die Datenbank glaube ich im Zweifel nicht.
Da war dann gerade der Computer abgetsürzt.
https://www.dog-tag.de/?gclid=EAIaIQobChMI8uGAi5qy4QIVmLPtCh2vAAauEAAYASAAEgIu9_D_BwE
Bravo! Sie haben das gesamte Prozedere ad Absurdum Bryan Hayes! Ich persönlich war und bin dagegen,das der Staat sich an meinem oder dem Körper eines Angehörigen vergreift,wenn es nicht zu Lebzeiten durch die Person willentlich und ohne staatlichen Zwang erlaubt wurde! Gehe einer in die Leichenhalle und bestehle einen Verstorbenen,dann ist das eine schwere Straftat,die zu Recht verfolgt und bestraft wird. Nur der Staat will für sich wieder andere Brötchen backen? In unserem Land drehen mittlerweile so viele am Rad,da muß man vorsichtig sein das die „Leichenfledderei“ von Staats wegen nicht zum neuen Geschäftsmodell für Vater Staat wird. Für mich… Mehr
Zitat: „Widerspruchslösung: Unvereinbar mit der Freiheitlichen Grundordnung.“
Vollkommen richtig. Aber jetzt mal ernsthaft, wen „juckt“ das denn überhaupt noch in diesem kollektiv-bunten Irrenhaus Deutschland? Gesetzesentwürfe die massiv gegen das GG verstoßen sind doch zwischenzeitlich on vogue. Man denke nur an das Erbe des Maasmännchens: Netzwerkdurchsetzungsgesetz
Schön wie der Autor den Begriff Organspende hinsichtlich der Widerspruchslösung in Frage stellt! Neusprech ist augenscheinlich inzwischen in alle gesellschaftlichen Bereiche eingedrungen und kaum einer, ich wegen der „Organspende“ eingeschlossen, bekommt das mit. Auch das vom Autor beschriebene Konstrukt „Recht auf Organspende“ ist mir bislang nicht gegenwärtig gewesen. Es ist ein wichtiger Begriff bei der Abwehr dieser neuesten Attacke aus der herrschenden politischen Klasse gegen die Selbstbestimmung und Autonomie der Bürger. Besonders die Gefahren die aus dem Erklärungserfordernis einer Widerspruchslösung für uns immer noch viel zu arglosen Bürger drohen, ich muss mich da ausdrücklich mit einschließen, hat der Autor ganz… Mehr
So viel Text, wo es doch viel einfacher geht: Was ist Freiheit? Und was ist Recht? Freiheit ist eine Immunität, sonst wäre sie nicht frei sonder unfrei. Jede beabsichtigte Handlung ist frei, wenn sie nicht mit dem Recht eines anderen im Konflikt steht. Das nennt Anthony de Jasay die Freiheitsvermutung. Kant z.B. spricht von innerer und äußerer Freiheit. Die innere Freiheit sind die Gedanken, Theorien und der Wille, etc und die äußere Freiheit kommt im Wählen von Zielen, im Handeln zum Ausdruck. Damit jemand ein Recht zur Organentnahme hat, muss derjenige, der entnimmt, beweisen, dass er das Recht zur Entnahme… Mehr
Ich weiß nicht, ob man sich unbedingt auf die juristische Meta-Ebene der freiheitlichen Grundordnung begeben muss. Reicht es nicht schon aus, dafür die Persönlichkeitsrechte zu bemühen? Die Persönlichkeitsrechte der Lebenden ergeben sich aus Art. 2 GG (freie Entfaltung der Persönlichkeit) und der Persönlichkeitsschutz der Toten aus der Menschenwürde gem. Art. 1 GG. Das sollte doch eigentlich schon reichen, um die Zulässigkeit des Ausweidens eines Hirntoten ohne die vorherige Einwilligung des Betroffenen zu verneinen!? Andererseits finde ich es gut, dass der Artikel die rechtlichen Aspekte des „Organraubs“ ausführlich beleuchtet und dadurch wiederum den Werteverfall in unserer Gesellschaft – hier insbesondere (aber… Mehr
Die Todesstrafe ist unter anderem in Deutschland auch deswegen abgeschafft worden, weil es eben das Risiko gibt, dass ihr auch Unschuldige zum Opfer fallen. Mag dieses Risiko auch klein sein, es ist eben im Ergebnis final! Selbiges trifft für die Organtransplantation und die Organspender zu. Und dass gerade hierbei finanzielle Interessen eine Rolle spielen, wie zahlreiche Skandale bereits gezeigt haben und auch durch Organraub z.B. in Indien oder China drastisch belegt ist, zeigt auch ganz reale Missbrauchsgefahren auf, in die durchaus auch die Transplantationsärzte selbst verstrickt sein können (und waren). Die angestrebte Widerspruchslösung ist daher nichts anderes als der Versuch,… Mehr
Jeder Mensch muss frei und unabhängig entscheiden können, was mit seinem Körper geschieht! Ein Recht des Staates auf die Körper der Bürger darf es nicht geben! Das hat für mich auch nichts mit mangelnder Hilfsbereitschaft zu tun. Der Staat darf einem Menschen das alleinige Entscheidungsrecht über seinen Körper nicht nehmen. Die Würde des Menschen einschließlich seines Körpers, muss unantastbar bleiben.
Die Widerspruchslösung wäre eigentlich eine gute Sache, dehnte man sie auf alle Eingriffe an und in meiner Person aus. Ich widerspreche einer Organentnahme, ich widerspreche einer Geldentnahme, ich widerspreche überhaupt einer Zustimmungsentnahme, ich widerspreche einer Freiheitsentnahme sowohl des Denkens als auch des Redens, Hörens und Handelns und dergleichen mehr. Ich will für andere unantastbar sein in jeder Beziehung. Vielleicht könnte ich mich dann sogar dazu verstehen, freiwillig Steuer zu bezahlen, wenn man mir nachweist, was genau man mit dem Geld tun will und dann auch getan hat. Bezahlung von tumben Politikern gehört vermutlich nicht dazu.
Das Recht auf Eigentum ist Kern aller freien Rechtsordnungen. Das Recht auf Selbstbestimmung ist Kern des Rechtes auf Eigentum und umgekehrt. Diese beiden Rechte stellen in ihrer Verknüpfung das zentrale Element eines freien selbstbestimmten Lebens. Das Recht, was mit dem eigenen Körper geschieht, ist DAS zentrale Element des Rechtes auf Eigentum und Selbstbestimmung. Wer diese Rechte angreift und einschränkt, hat ein Problem mit den Menschen-Rechten. Unter Anerkennung der Problemlage, dass sich jeder Bürger sich die Frage stellen sollte, was mit seinem Körper geschieht, kann die Lösung maximal darin bestehen, dass jeder Bürger ab einem gewissen Alter und Reife nach Aufklärung… Mehr