Rathenau war eine vitale, komplexe Persönlichkeit. Seine Begabungen, Fähigkeiten, Interessen und seinen starken Ehrgeiz bündelte er mit einem beeindruckenden Gestaltungswillen und setzte ihn ein in wirtschaftlicher, politischer und künstlerischer Verantwortung.
Schon für seine Zeitgenossen zeigte Rathenau verschiedene Gesichter, die sie schwer in Einklang bringen konnten. Heute scheint sich der Vorgang im historischen Rückblick zu wiederholen. Wie kann es sein, dass sich ein Monarchist für die Republik totschießen lässt, ein Jude gegen seine eigene Religion polemisiert und ein liberaler Großkapitalist auf Sozialreformen in der Wirtschaft drängt? Die kaum noch übersehbare, im Detail sehr ergiebige Rathenau-Literatur versieht ihn deshalb regelmäßig mit Etiketten wie „zwiespältig“ oder gar „schillernd“, „paradox“. An solchem Eindruck hat auch der in Moskau aufgefundene Nachlass nichts grundsätzlich ändern können.
Literaturkennern ist Rathenau aus dessen „raffinierter Persiflage“ (Ernst Schuling) in der Figur des Dr. Paul Arnim in Robert Musils opulentem Roman „Der Mann ohne Eigenschaften“ von 1930 begegnet. In Wahrheit war Rathenau eine vitale, komplexe Persönlichkeit, der seine Begabungen, Fähigkeiten, Interessen und seinen starken Ehrgeiz mit einem beeindruckenden Gestaltungswillen bündelte und in wirtschaftliche, politische und künstlerische Verantwortung transportierte. Der alle partikularen Loyalitäten und Bindungen (Familie, Betrieb, Amt, etc.) umgreifende Horizont seiner Aktivitäten war, schlicht gesagt, sein Land. Das Auge des heutigen Betrachters ist dafür trübe geworden, findet an Golo Manns emphatischer Beschreibung „er war der heißeste Patriot und einer der ganz wenigen geistig schöpferischen Staatsmänner der Epoche“ kein Vorbild mehr. (Deutsche Geschichte des 19. und 20. Jh., 1958)
Parallel dazu betätigte er sich spektakulär als Schriftsteller. Er forderte einerseits die Juden (die Rathenaus waren eine längst säkularisierte Familie) auf, sich kulturell an die modernen deutschen Lebensformen anzupassen; andererseits kritisierte er die Ausschließung von Juden vom Staatsdienst. Eine Reaktion auch auf das ihm verweigerte Offizierspatent nach seiner Einjährig-Freiwilligen-Dienstzeit beim kaiserlichen Heer. Als überaus erfolgreicher Buchautor problematisierte er die „Entseelung“ im technischen Großbetrieb, und er entwarf radikale gemeinwirtschaftliche Modelle der Wirtschaftsordnung. Wenig Resonanz fanden seine Appelle, endlich Führungskräfte aus der Wirtschaft zu politischen Entscheidungen heranzuziehen. Er selbst war nur in inoffizieller Mission in Deutsch-Ostafrika unterwegs.
Mit Kriegsbeginn übernahm Rathenau die Organisation der Rohstoffabteilung im Kriegsministerium; die Behörde hatte er selber vorgeschlagen. Er löste die Aufgabe glänzend, eine offizielle Anerkennung blieb nach seinem Rücktritt im Mai 1915 verletzenderweise aus. Er hielt aber Kontakt mit führenden Militärs, vor allem (bis zum späten Bruch) mit Ludendorff. Während des Krieges äußerte sich Rathenau zurückhaltend, um dann ausgerechnet kurz vor der Novemberrevolution zu einer „totalen Mobilisierung aller Kräfte“ aufzurufen, man müsse aus einer Position der Stärke in die Friedensverhandlungen gehen. Solche Sprünge verwirrten die Öffentlichkeit. Er selbst vermerkte lakonisch: „Die Alten sahen in mir die Revolution, die Jungen in mir die Reaktion.“
Diese Gebrochenheit in der Einschätzung zieht sich bis in die Gegenwart. Der Westen ehrte den Industriellen und Weimarer Politiker, der Osten den Russlandfreund und staatsozialistischen Theoretiker. Und heute? Die peinlichen Vorgänge um die Weiterfinanzierung der Rathenau-Gedenkstätte im Schloss Bad Freienwalde im Nordosten Berlins, seinem früheren Zweitwohnsitz, belegen, dass keine in sich einheitliche Rathenau-Lobby existiert, die sich geschlossen in der öffentlichen Meinung bemerkbar machte. (s. Internet und Lokalpresse). Daran wird auch die gerade erscheinende 70-Cent-Sonderbriefmarke gewiss nichts ändern.
Dr. Rainer Waßner ist Soziologe und Dozent i.R. an der Universität Hamburg. Er ist Autor mehrerer Bücher zur Sozial- und Zeitgeschichte.
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Rathenau ist in seiner Leistungsfähigkeit und in seinem Handeln ein Solitär. Es ist eine Schande, wie es mit ihm zuendeging. Eine Schande ist es auch, dass der Landkreis Märkisch-Oderland dessen kulturelles Erbe nicht weiter pflegt, obwohl er ( bzw. der Rechtsvorgänger) genau diese Verpflichtung bei der Übernahme des Grundstücks übernommen hatte. Wenn man auch noch weiß, dass der Landkreis durch falsche Gestaltung von Mietverträgen für Flüchtlingsunterkünfte zweistellige Millionenbeträge verschwen-det hat, wird das ganze nicht besser. Das mit den Mietverträgen ging in etwa wie folgt: der Landkreis hat 5-Jahres-Verträge für Flüchtlingsunterkünfte geschlossen. Die stehen jetzt leer. Also muß alleine der Landkreis… Mehr
Die haben gerade den Dreißigjährigen Krieg „abgearbeitet“, eine sureale Mischung, die ostelbischen Friedensstifter, Hans Georg von der Marwitz CDU „Beständigkeit zählt“ auch im Dummen, sind auch wieder da. Täglich grüsst die Energiewende mit unläufigen Windmühlen, Abzocker vom Feinsten, EWE und EVN (höchste Durchleitungsgebühren und Wasserpreise in der Republik) lieben die Gegend. Gibt es Suncity eigentlich noch? Ja, Tropical Island!, oder war das Cargolifter? In Brandenburg geht es unaufhörlich in Richtung neues Ruhrgebiet. Guten Morgen Dirk Badtke
Zu Stolpes Zeiten hieß dieser wunderschöne Landstrich hier ja „kleine DDR“. Nun ist es aber an der Zeit für die Menschen zu verstehen, was das heißt. Das Wasser und Strom hier teurer sind, als in Bayern, zeigt, wie hoch diese kostbaren Güter in Brandenburg wertgeschätzt werden. Beim Wasser wurden alle Grundstückseigentümer erneut für den Wasseranschluß verbeschieden. War zwar verfassungwidrig. Das interessiert die Zweckverbände aber einen Dreck. Das Tropical Island liegt n i c h t in Märkisch-Oderland, sondern im Landkreis Dahme-Spreewald. Da Schönefeld mit dazugehört, geht es denen ganz gut. Dem Land allerdings nicht, dass von Luftschiffen träumte und Millionen… Mehr
Kleine Korrektur: In Robert Musils Roman „Der Mann ohne Eigenschaften“ erscheint Walter Rathenau nicht als Doktor Paul Arnim sondern als Dr.Arnheim, siehe Kapitel 26 „Die Vereinigung von Seele und Wirtschaft…“
Dank dem Autor und anderen, die hier immer mal wieder einen historischen Exkurs zelebrieren! Zu Rathenau kann man noch die Äußerungen Ernst von Salomons sozusagen als speziellen Zeitzeugen aus seinem Buch „Der Fragebogen“ anführen. Von Salomon, der wohl einen aktiven Part rund um den Fememord Rathenaus als Mitglied der Freikorps spielte, bekannte danach, dass dieser Mord vom Politischen aus betrachtet ein großer Fehler war, der auf einer eklatanten Fehleinschätzung der Rolle Rathenaus beruhte, besonders was seine Rolle um den Vertrag von Rapallo betraf. Schon damals war die Einschätzung seiner Person mit tragischen Auswirkungen für ihn und für Deutschland schwierig. Das… Mehr
Ernst von Salomon, der in den Mordanschlag auf Walter Rathenau verwickelt war und deshalb zu 5 Jahren Zuchthaus verurteilt wurde, hat in seinem Roman „Die Geächteten“ die Hintergründe dieses Anschlags geschildert und sehr bald den Fehler und seine persönliche Fehleinschätzung erkannt und bedauert.
Rathenau war Patriot und darüber hinaus ein Mensch mit vielen Begabungen und Fähigkeiten ohne Scheuklappen und Denken in Schubladen und Vorurteilen.
Man sollte der AfD empfehlen, falls sie eine Parteistiftung plant, diese „Walter Rathenau-Stiftung“ zu nennen, um damit diesen außergewöhnlichen Menschen, der sich um Deutschland in besonderer Weise zu seiner Zeit verdient gemacht hatte, zu ehren.
Politiker, wie Walther Rathenau gibt es heute nicht mehr, obwohl wir dringend wenigstens einen bräuchten. Für ihn stand immer das Wohl seines Landes im Vordergrund, heutzutage dagegen, geht es nicht um unser Land, sondern nur darum Ideologie durchzusetzen. Ich habe mich immer wieder mit Rathenau beschäftigt, und bei allem, was ich über ihn erfahren habe, wollte er sein Land einen, alles unter einen Hut bringen, während heutige Politiker mit ihrer links-grünen Ideologie und dem sogenannten „Kampf gegen Rechts“ das Land eher spalten, was man liebend gerne der AfD anlastet. Sicherlich darf man dabei nicht vergessen, daß Deutschland einen verlorenen Krieg… Mehr
Interessanter Artikel ! Was dieser Mensch mit interessierter Intention und entsprechender Bildung bewegt hat. Beeindruckend.
Ein unverdientes, schlimmes Ende, gesetzt von Leuten die mit aller Selbstverständlichkeit zerstörten.