So lange wir den öffentlichen Diskurs von den Dogmatikern bestimmen lassen, wird sich auch in Zukunft an der Flüchtlings- und Integrationspolitik nichts ändern.
Zum anderen habe ich in den letzten Wochen immer wieder Zweifel an der Machbarkeit der Integration von muslimischen Flüchtlingen erhoben. Hier zeigt sich, wie schwierig die politische Auseinandersetzung mit dem Thema wirklich ist. Ein Thema, das wie kein Zweites in unserer heutigen Zeit das liberale Paradoxon der Toleranzfrage offenbart und zeigt, wie komplex und ambivalent politische Überlegungen sein können und im Kern die Frage behandelt, ob und in welchem Maße man die Intoleranz in liberalen Gesellschaften tolerieren müsse, oder ob in diesem Fall die liberale Toleranz gegenüber der Intoleranz zur Einschränkung der Freiheit und so zum Risiko aller werden könnte. Auf den Fall der Integration vor allem arabischer Muslime angewandt, bedeutet dies, dass wir uns fragen müssen, inwiefern wir unsere Toleranz gegenüber dem Islam und seinen Überzeugungen einschränken müssen, um unsere gesellschaftliche Freiheit zu wahren.
Grenzen der „Umerziehung“
So würde ich mich durchaus als weltoffenen, an anderen Kulturen interessierten Menschen bezeichnen. Müsste ich mich als liberal denkende Person jedoch zwischen kultureller Toleranz und dem Erhalt unserer freiheitlichen Werte entscheiden, wäre meine Entscheidung klar. Insbesondere als Frau ist es mir ein Anliegen, dass der bisherige Status Quo der Gleichberechtigung von Frau und Mann erhalten bleibt und weiter ausgebaut wird. Als selbstbewusste Frau ist es für mich ferner nicht vorstellbar, eine Kultur, eine Religionsausübung im öffentlichen Raum zu tolerieren, die mich als minderwertig ansieht. Darüber hinaus sollte dies auch von der Gesellschaft an sich nicht toleriert werden. Dabei stört mich, dass in der politischen Debatte nur allzu oft so getan wird, als könne man die Menschen dahingehend leicht „umerziehen“ und ihnen unsere Werte vermitteln. Hier ist festzuhalten, dass es sich nicht um den vergleichsweise moderaten europäischen Islam der türkischen und kurdischen Migranten handelt, die in den 1950er und 1960er Jahren zu uns kamen und deren Kinder und Kindeskinder bereits hier geboren wurden.
Der Islam, der jetzt zu uns kommt, ist ein anderer und ich bin skeptisch, dass wir es schaffen werden, diese Menschen adäquat zu integrieren, wenn wir es teilweise auch nach Jahrzehnten nicht geschafft haben, die dritte und vierte hier geborene Generation der türkischen und kurdischen Migranten zu integrieren.
Parallelgesellschaften sind seit Jahren keine Seltenheit, der radikale Islam wächst und gedeiht nicht nur im Nahen und Mittleren Osten, sondern auch direkt hier bei uns. Menschen, die hier geboren worden, schließen sich dem IS an und obwohl sich nichts am öffentlichen Umgang mit dem Thema Integration geändert hat, meinen wir plötzlich, dass wir es dieses Mal besser machen werden. Das erweckt bei vielen Menschen und auch bei mir berechtigte Zweifel. Es ist an der Zeit – und die kritische Stimmung innerhalb der Bevölkerung belegt das – dass wir aufhören, die Menschen von ihrer Selbstverantwortung freizusprechen und sie als bloße Opfer der gesellschaftlichen und sozialen Umstände zu betrachten. Man tut unserer Gesellschaft und diesen Menschen keinen Gefallen damit, dass man nicht von ihnen fordert. Jean-Paul Sartre würde sogar so weit gehen, zu sagen, man nähme ihnen damit die Würde. Dabei geht es nicht darum, von Anfang an volle Anpassung zu fordern. Es ist nur logisch, dass entwurzelte Menschen nach Orientierung suchen und dass sie dabei ihre Identität nur allzu oft durch Rückbindung an die eigene Kultur definieren, aber diese Zeit, die man ihnen gibt und die Toleranz, die man ihnen entgegenbringt, darf nicht so weit führen, dass man die eigene Freiheit, die eigenen, teils über Jahrhunderte mühsam errungenen Werte opfert.
Es war diese Meinung, die in den letzten Wochen dazu führte, dass ich mehrfach harsch von vornehmlich linker Seite angegriffen wurde. Es ist die ewige Diskrepanz zwischen einer Welt, wie sie manche gerne hätten und der Welt, wie sie ist, die es manchen so unglaublich schwer macht, kritisch zu differenzieren und andere Meinungen auszuhalten. Diese Personen tabuisieren die öffentliche Debatte über Obergrenzen, ein vernünftiges Einwanderungsgesetz, Integration genauso wie die Debatte über grundsätzliche kulturelle und religiöse Aspekte und so lange wir den öffentlichen Diskurs von diesen Menschen bestimmen lassen, wird sich auch in Zukunft an der Flüchtlings- und Integrationspolitik nichts ändern. Die Diskrepanz zwischen gesellschaftlicher Mehrheit, Politik und Medien wird weiter wachsen.
Genauso wie der Unmut. Aber genau diesen kritischen Diskurs aus der Mitte der Gesellschaft braucht es. Weil er eben nicht Pegida und auch nicht Gutmensch ist, sondern der realitätsnahe Mittelweg, den es unbedingt aufzugreifen gilt, damit der soziale Friede langfristig gewahrt wird. Denn wie wir damit umgehen, wird darüber entscheiden, ob die Stimmung hierzulande doch irgendwann so düster sein wird, wie sie in Frankreich und anderen europäischen Staaten, in denen mittlerweile zu einem beachtlichen Anteil Rechts gewählt wird, bereits ist. Je länger die hiesige Politik ihr Versagen in der Flüchtlingsfrage aussitzt, desto wahrscheinlicher wird auch hier ein Abdriften der Mitte nach Rechts. Die Konsequenz ist eine Rückkehr zum Nationalismus in Europa, dessen Tendenzen wir in unseren Nachbarländern beobachten können. Hieran wird sich nicht zuletzt das Schicksal der Europäischen Gemeinschaft manifestieren.
Sie müssenangemeldet sein um einen Kommentar oder eine Antwort schreiben zu können
Bitte loggen Sie sich ein