Vom ewigen Ende der Welt

Das Ende der Welt fasziniert und ängstigt die Menschen, seit sie auf der Erde leben. Aber erst mit der Möglichkeit, es auch zu formulieren, konnte ein Geschäft daraus werden.

Durch gigantische Fenster, in den spektakulär terrassierten Sälen des Restaurants am Ende der Welt, in Douglas Adams´s Roman „Per Anhalter durch die Galaxis“, konnte man, mittels Zeitreise, das Ende der Sonnensysteme beobachten. Auch das des Eigenen. Die Plätze waren jeden Abend ausgebucht und auf den unterirdischen Parkplätzen standen Raumschiffe von jedem Ort und aus jeder Zeit des Kosmos. Der Clou des Geschäfts war, dass man das erregende Schauspiel der explodierenden Supernovas, der Zeitmaschine sei Dank, jeden Abend neu erleben konnte.

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Das Ende der Welt fasziniert und ängstigt die Menschen, seit sie auf der Erde leben. Vielleicht auch schon früher, aber erst mit der Möglichkeit, es auch zu formulieren, konnte ein Geschäft daraus werden. Die Vorstellung des Endes war und ist unerfreulich. Dafür eventuell verantwortlich zu sein, ist noch unerfreulicher. Aber genau dieser direkte Zusammenhang zwischen dem Fehlverhalten Einzelner oder dem von Gruppen wurde von selbsternannten Vermittlern behauptet und sophistisch bewiesen. Höhere Wesen, vom Menschen enttäuscht, so die damalige Darstellung (heute ist das höhere Wesen die Natur), hätten jetzt die Faxen dicke und würden den Spaß deshalb beenden. „Willst Du diese gewaltige Schuld etwa auf Dich nehmen?“ werden die Übeltäter von den sich moralisch “Überlegend-gebenden” gefragt. Das schlechte Gewissen ist erzeugt und den Zerknirschten werden Wege aufgezeigt, wie das Unheil in letzter Sekunde doch noch abzuwenden wäre. Buße muss sein und als Zeichen, dass man es wirklich ernst meint, sollte die Buße materiell unterlegt sein.

Im Abendland übernahmen das Erzeugen von schlechtem Gewissen bald, als Träger des Wissens und der Kultur, die Mönche mit ihren Institutionen, den Klöstern. Idealistischem Beginnen folgten durch die große Nähe zur Macht pragmatische Anpassungen. Junge Idealisten kamen nach und forderten vehement Reformen, meist mit der Begründung, die überlieferten, unangreifbaren göttlichen Texte als Erste richtig gelesen und daher natürlich auch als als Erste richtig verstanden zu habn. Den Clunizensischen Reformern des 10. Jahrhunderts folgten im 11. und 12. die Zisterzienser, diesen wiederum im 13. Jahrhundert die Bettelmönche der Franziskaner, Dominikaner und Augustiner. Während die ersten beiden noch, direkt oder indirekt durch Ausbeutung von Bauern, selbst für sich sorgten, war das bei den Bettelmönchen, die sich in Städten niederließen, nicht mehr möglich.

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Abhilfe schuf hier die Abrundung des Geschäftsmodells: Das kommende Ende der Welt wurde in schreienden Farben an die Wand gemalt, Änderungen des Verhaltens angemahnt und die Möglichkeiten geschaffen, sich durch Zahlung angemessener Beträge von dieser Schuld temporär, ganz oder teilweise freizukaufen. Der Ablaßhandel war institutionalisiert. Die Verbindung von Idealismus und Zynismus hatte, wie schon so oft, triumphiert. Auch hier stand aber idealistischem Beginnen ein pragmatischer Verlauf gegenüber, (Zahlung wurden bald nicht nur für dieses Leben angeboten, sondern, auch, und hier muss man die Innovationskraft bewundern, für das Kommende) die dann junge Idealisten wieder zum drängenden Ruf nach „Reformen“ veranlasste.

Einer dieser jungen Reformer war der Augustiner Martin Luther, der eigentlich, nur zeitlich verzögert, zum Kampf gegen seinesgleichen aufrief. Seine alles überstrahlende Popularität und seinen Ruhm verdankt er allerdings weniger der Tatsache, Reformen gefordert und durchgesetzt zu haben, sondern der, dass eine bedeutende Partei in einem kontinentalen Machtspiel in ihm eine äußerst wirksame Waffe erkannte, um den Feind, hier die Habsburger, richtig zu ärgern. Der Aufwand an Werbung, der damals betrieben wurde, um dieser Waffe die nötige Schärfe zu verleihen, wirkt noch heute nach.

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Aber auch in der Welt des Ablasses gelten die Regeln des Kapitalismus von Angebot und Nachfrage. Zwar muss nichts materiell erzeugt oder geschaffen werden, ideell jedoch sehr wohl. Und so müssen sich Institute,wie die Kirchen, die schon länger hier sind, immer wieder gegenüber neuen Wettbewerbern, die noch nicht so lange hier sind, behaupten. Diese wollen agressiv mit innovativen Weltuntergangsfantasien neue Zielgruppen schaffen bzw. alte erobern. Neue Methoden der immer beliebten und bewährten Endzeitbegeisterung sind z.B. Waldsterben, Ozonloch, CO2, Klimawandel, Folgen des Imperialismus und im deutschen Sonderfall (den es für Deutsche selbstverständlich immer geben muss) die Wiedergutwerdung. Angeboten werden Aufschub, Abmilderung, eventuell sogar Verhinderung. Die Zahlung erfolgt auch heute noch direkt durch Spenden und Überschreibungen oder indirekt durch Akzeptanz von Steuern und Preisaufschlägen (EEG, CO2-Aufschläge). Die meisten Institutionen auf dem Ablassmarkt werden aber direkt vom Staat (Kirchen und deren Organisationen) oder durch Forschungsgelder (Klimainstitute) bezahlt. Für andere (oft Vereine) hat der Staat zur Finanzierung spezielle Abmahnmodelle erfunden, um nicht freiwillig Zahlungswillige dazu zu zwingen.

Das Geschäft wird heute industriell betrieben. Es ist ein einträgliches Geschäft. Stars wie Marion Käßmann, die eine Moraldichte und Moralreinheit erreichen, um die sie selbst Savonarola beneidet hätte, leisten im Erzeugen von schlechtem Gewissen zusammen mit einer perfektionierten Propaganda Unglaubliches.

Wer hier an vorderster Front des moralischen Kampfes steht, wird mit nur einer Moral nichts ausrichten. Die Doppelmoral ist hier zwingend.


Thomas Punzmann ist Galerist in Frankfurt am Main.

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Kommentare ( 10 )

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10 Comments
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Okko tom Brok
7 Jahre her

Es heißt nicht von ungefähr: „Klimakirche“!

Simon Templar
7 Jahre her
Antworten an  Okko tom Brok

Climatology

Licht und Schatten
7 Jahre her

Wow, da wird ein weiter Bogen gespannt.
HHGTG – Ablasshandel – Gutmenschentum

Ja, diese Zusammenhaenge kann man sehen, nein, zwingend sind sie nicht.
Diese Gedankenbahnen sind definitv noch nicht ausgefahren – sehr anspruchsvoll und ansprechend.

Jedenfalls kein Artikel des taeglichen Krawalls, sondern Big Picture – viel bigger geht gar nicht.

Danke.

Themroc
7 Jahre her

Das für mich wirklich erschreckende ist nicht so sehr die Doppelmoral der Schlechtgewissensapologeten. Was mich erschüttert: Dass über die ganze Moral das Konzept „Verantwortung“ in Vergessenheit gerät.
Niemand ist mehr für irgendwas verantwortlich.
Regierungen nicht für die eigenen Entscheidungen
Eltern nicht für die Erziehung ihrer Kinder
Kinder nicht für die eigenen Leistungen
Muslime nicht für ihre Integration

Der buchstäblich Einzige, der noch Verantwortung trägt ist der Werktätige. Der ist verantwortlich für die Steuern und Abgaben, die er zu zahlen hat.

L. Diehn
7 Jahre her

Danke, ein wunderbarer Ausflug in die Geschichte der Apologeten des Armageddon! Während in der Folge der Unmenschlichkeiten, der Pestepidemien und der Verwüstungen des 30jährigen Krieges ein Glaube an die Endzeit eine gewisse Basis hatte, erscheinen die Kassandra-Rufe in Zeiten nie gekannten Wohlstandes und fast verdreifachter Lebenserwartung schon fast lächerlich. Aber immerhin können die Medien Bilder aus allen Teilen der Welt zeigen, so dass man meint, zahllose Katastrophen quasi miterlebt zu haben. Auf diesem Boden lassen sich dann Endzeitängste wieder aussäen. Nur so kann ich mir auch erklären, warum viele Deutsche meinen, Orientale und Afrikaner ohne Prüfung der Person aufnehmen und… Mehr

Teufelskralle
7 Jahre her

Ich stehe jeden Morgen mit dem schlechtem Gewissen auf, dass ich zu wenig gegen die neuen Ablasshändler tue. Vielleicht ein paar Thesen an Kirchentüren nageln.

Market Observer
7 Jahre her

Danke für die sehr plastische Einordnung der aktuellen Sachlage in den geschichtlichen Vergleich. Absolut gelungen, so kann man sich die Auswüchse des modernen und auch staatlich verordneten „Ablasshandels“ durchaus besser vorstellen.
Der nächste grössere Vulkanausbruch – vor dem Jahr 2.100 – wird schon wie in den Jahren 536, 1257, wahrscheinlich 1347 und 1815, denen jeweils die Jahre ohne Sommer folgten, wieder für die Abkühlung des Planeten sorgen – und das „eingesparte“ geruch- und farblose Spurengas CO2 dann auch kompensieren. Ob vorher noch das kohlensäurebläschenfreie Bier auf den Markt kommt?

Gerd Dammhirsch
7 Jahre her

„Stars wie Marion Käßmann, die eine Moraldichte und Moralreinheit erreichen, um die sie selbst Savonarola beneidet hätte …“

Klasse Formulierung. Aber heißt die Dame nicht Margot?

Thomas Punzmann
7 Jahre her
Antworten an  Gerd Dammhirsch

Danke für den Hinweis und das Lob. Werde bitten es zu ändern.