Über 700 Abgeordnete im nächsten Bundestag?

Dieter Schneider zeigt mit Simulationsrechnungen die ganze Absurdität des vom Bundesverfassungsgericht erzwungenen Ausgleichsverfahrens im Fall von Überhangmandaten.

Unglaublich viele nicht gewählte Abgeordnete im Bundestag stellen Roland Tichy und Andere als Möglichkeit dar. Wahrscheinlich wird es von den Parteivertretern angezweifelt werden. Es gibt drei Möglichkeiten, dass diese Zahl erreicht wird:

  1. Durch die CDU
  2. Durch die CSU
  3. Durch die AfD

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Rettet das Direktmandat
Entgegen früherer eigener und anderer Aussagen ist das gleichzeitig nicht möglich. Die Zahlen der Überhangmandate in den einzelnen Bundesländern kumulieren sich nur innerhalb einer Partei, nicht zwischen den Parteien. 2013 brauchten die 4 Übergangmandate der CDU in jeweils einem Bundesland nicht ausgeglichen werden, weil der notwendige Ausgleichsbedarf für zu viel Mandate für die CSU in Bayern viel höher war. Selbst wenn z. B. in Hamburg Überhangmandate für die SPD entstehen würden, müssten sie nicht ausgeglichen werden, wenn in anderen Bundesländern ein höherer Ausgleichsbedarf durch Überhangmandate von CDU oder CSU oder AfD entsteht.

I. Mögliche Überhangmandate der CDU

Simulation: Da können bis zu 25-30 z. B. in den Bundesländern Baden-Württemberg (6), Brandenburg (3), Mecklenburg-Vorpommern (1), Rheinland-Pfalz (2) Saarland (1), Sachsen (6), Sachsen-Anhalt (3), Schleswig-Holstein (2) und Thüringen (3) entstehen. Da werden für diese Simulation weitgehend die Erstwahlergebnisse 2013 und die aktuellen Wahlprognosen für die Zweitstimmen bei der Bundestagswahl 2017 zugrunde gelegt. Nach diesen Prognosen bekommt die CDU z. Z. etwa 175 Mandate. Durch weitere 27 Überhangmandate entsteht ein Überschuss von 15,4 Prozent. In dieser Höhe muss ein Ausgleich für die anderen Parteien einschließlich CSU mit insgesamt 423 Mandaten geschaffen werden. Ergibt 65 Ausgleichsmandate. Zusammen mit 25 Überhangmandaten sind das 90 Zusatzmandate. Damit es über 100 werden, müsste die CDU noch höher als nach den Prognosen in den genannten Bundesländern Zweitstimmen einbüßen, ohne nennenswert Direktmandate zu verlieren.

II. Mögliche Überhangmandate durch die CSU

Der Hauptgrund für die nach dem Zweitstimmenergebnis zu hohen Mandatszahlen der CSU in Bayern war die nachträgliche Korrektur des Bevölkerungsanteils von Bayern bei der Erstzuteilung der Mandate. Das ist durch einen Wahlkreis mehr für Bayern bei der Wahl 2017 schon erheblich abgeschwächt. In Bayern könnte es nur durch einen „normalen“ Effekt (höhere Mandatszahl durch Erststimmen als durch Zweitstimmen) zu Überhangmandaten kommen. Die Erstzuteilung könnte ersatzlos gestrichen werden, weil sie durch die Neueinteilung der Wahlkreise nur kleine Änderungen mit großen Auswirkungen bringen kann (siehe Bayern 2013).

Simulation: Die CSU gewinnt alle Wahlkreise, aber nur 45 Prozent der anzurechnenden Zweitstimmen. Das ergäbe einen „Überschuss“ von 9,1% und rund 50 Ausgleichsmandate. Es ist damit unwahrscheinlich, dass diesmal wieder ein bayrische CSU-Effekt den bundesweiten CDU-Effekt überlagert.

III. Mögliche Überhangmandate durch die AfD

Simulation: Die AfD nimmt in den neuen Bundesländern der CDU alle Wahlkreise ab und erreicht in diesen Bundesländern 32 Prozent und bundesweit 20 Prozent der Stimmen. Da würden etwa 15 Überhangmandate entstehen, die zu 120 Mandaten für die AfD bundesweit dazu kommen. Ergibt ein Überschuss von 12,5% = 60 Ausgleichsmandate + 15 Überhangmandate = 75 Zusatzmandate.

Fazit: Für die Bundestagswahl 2017 führen alle drei Simulationen zu weniger als 100 Zusatzmandaten. Es können sogar wesentlich weniger sein, wenn die CDU etliche Wahlkreise, aber lange nicht alle in den Bundesländern verliert, wo sie bisher alle oder fast alle Wahlkreise gewonnen hat und die CSU zwar alle Wahlkreise gewinnt, aber mit den angerechneten Zweitstimmen dicht an die 50%-Marke kommt.

Im Wissen davon wird das Wahlgesetz im Hinblick auf die Bundestagswahl 2017 nur geringfügig geändert werden, um den CSU-Effekt bei der Erstzuteilung abzuschaffen.

Die Wähler, nicht die Politiker werden durch ihr Wahlverhalten entscheiden, wie viel Bundestagsabgeordnete den Reichstag bevölkern. Es kann sogar sein, dass kaum Überhangmandate entstehen, weil bundesweit kleinere Parteien durch attraktive Direktkandidaten Wahlkreise gewinnen. In den neuen Bundesländern ist auf jeden Fall damit zu rechnen, wahrscheinlich aber auch in Baden-Württemberg.

Wie sind viel mehr als 700 Mandate möglich?

Dafür zunächst zwei absurd erscheinende Vorstellungen:

  1. Die AfD Thüringen ist so verärgert, wie Teile der Parteispitze mit Ihrem Landesvorsitzenden Bernd Höcke umgehen, dass sie den Austritt des Landesverbandes aus der AfD erklärt und sich als AfT (Alternative für Thüringen) verselbständigt. So tritt sie zur Bundestagswahl an. Die restliche AfD erkennt die Chancen auch für sich und tritt nach einem Deal mit Höcke in Thüringen nicht an.
  2. Bei der Bundestagswahl nimmt dann diese“ thüringische Heimat-Partei“ der CDU alle acht Direktmandate weg und erreicht 32 Prozent der Zweitstimmen.

Die Folge davon: Der Bundestag hat nicht nur die gesetzmäßigen 598 Abgeordnete sondern 823!!!

Dazu die vereinfachte Berechnung:

  • Die „AfT“ stehen 8 Mandate zu, weil ihre Direktkandidaten alle Wahlkreise gewonnen haben.
  • Bei einem Zweistimmenergebnis von 32 Prozent hat sie aber nur einen Anspruch auf 5 Mandate  (32 Prozent der Thüringen zustehenden 16 Zweitstimmenmandate.) Daraus entstehen 3 Überhangmandate.
  • Das ist ein Überschuss von 60 Prozent (3 zu 5). Der muss durch Ausgleichsmandate für die anderen Parteien nach einem Beschluss des Bundesverfassungsgerichtes ausgeglichen werden. Alle anderen Parteien – einschließlich der AfD außerhalb Thüringens – bekommen 60 Prozent mehr Mandate. Zusammen sind das dann 354 Ausgleichsmandate (60 Prozent von 590 Mandaten der anderen Parteien einschließlich der AfD).
  • 598 Mindestmandate + 3 Überhangmandate + 354 Ausgleichsmandate =

955 Gesamtmandate.

Das zeigt die ganze Absurdität dieses vom Bundesverfassungsgericht erzwungenen Ausgleichsverfahrens. Der geschilderte Fall entspricht grundsätzlich dem besonderen Verhältnis von CDU und CSU.

Dieter Schneider, Jahrgang 1941, studierte Betriebswirtschaftslehre in Frankfurt am Main. Nach sieben Jahren Management-Tätigkeit brachte er als selbständiger Unternehmensberater und Journalist den branchenspezifischen Information- und Beratungsdienst „Marktlücke“ heraus, den es ununterbrochen Anzeigen- und PR-frei fast 40 Jahre gab. Seit 2013 publiziert Dieter Schneider mit gleichem Namen MARKTLÜCKE Management-Themenmagazine.

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