Das Kind meint, im Vollbesitz der „objektiven Wahrheit“ zu sein

Wenn grüner Lifestyle zum „demonstrativen Konsum“ wird, wenn der Klimaschutz zur moralischen Selbstüberhöhung führt, kann dahinter eine Art Wohlstandverwahrlosung stehen, die die Gesellschaft infantilisiert.

IMAGO / Müller-Stauffenberg

Spätestens seit dem Aufstieg Greta Thunbergs als grüne Ikone sind die meisten Deutschen fest überzeugt: Die Klimaapokalypse steht bald bevor. „Wir“ müssen sofort etwas unternehmen. Rigoros, rabiat, radikal. Grün ist die Farbe unserer Zeit. Steckt diese bei manchen leicht hysterisch anmutende Haltung tief in der deutschen DNA? Bereits im Vormärz schwankte die Creme de la creme aufgewühlt die deutsche Nationalflagge. Heute ist es die grüne Klimaflagge. Doch wie konnte es dazu kommen? Warum eifern so viele dem grünen Lifestyle als Lebensideal hinterher? Ein Ausflug in gewisse psychologische Prozesse hilft weiter.

Aber erst eine wichtige Bedingung ermöglichte diese psychologischen Entwicklungen, nämlich der materielle Wohlstand. Seit Jahrzehnten geht es den Deutschen, was den hohen Lebensstandard betrifft, so gut wie nie. Keine Raubzüge, keine Hungerkrisen, keine Kriege. Die primären Bedürfnisse sind gestillt: Essen, Schlafen, Sicherheit. Man kann sich anderen, „höheren“ Aufgaben widmen, wie etwa der Klimarettung.

Subjektive Sicht als objektiver Status

Dieser materielle Wohlstand erleichtert einen ichbezogenen und hierdurch infantilen Lifestyle. Der „Nanny State“ (Ian Macleod) ermöglicht vielen seiner Bürger ein nahezu eigenverantwortungsloses Leben: Auf der einen Seite lassen Verwaltungsbeamte, qua ihres Berufsstandes, schon kurz nach dem Abitur die Korken zum Ruhestand und zur gemeinsamen Kaffeefahrt knallen. Auf der anderen Seite hangeln sich die anderen, mit Wohngeld und anderen Sozialleistungen zum Lebensabend, der aus Grundsicherung inklusive kostenlosem Tagestrip zur Suppenküche besteht. Der Entwicklungspsychologe Jean Piaget spricht auch von „Egozentrismus“. Das Kind ist der Überzeugung, der eigenen subjektiven Sicht komme ein objektiver Status zu.

„Die zweite Gruppe lebt auch grün.
Notgedrungen, aus Armut.“

Auf den grünen Lifestyle übertragen, könnte man sagen: Der infantile Erwachsene fürchtet sich vor der Klimaapokalypse, ergo steht der Untergang faktisch bevor. Egal, wie die Faktenbasis aussieht und was andere Positionen zu sagen haben, alleine die subjektive Gefühlsbasis zählt. Dieser „Egozentrismus“ stellt ein Merkmal des „pimären Narzissmus“ nach Sigmund Freud dar. Diesen Narzissmus durchlebt jeder Mensch, er ist eine natürliche Entwicklungsphase. Problematisch wird es, wenn jemand in dieser Phase stecken bleibt. Dann sprechen Psychologen vom „sekundären Narzissmus“. Neben dem charakteristischen Egozentrismus kennzeichnet beide Narzissten zusätzlich Empathielosigkeit und maßloses Anspruchsdenken.

Dieses dominante Auftreten von Ichbezogenheit, mangelnder Empathiefähigkeit und der Überzeugung, man sei der Nabel der Welt, verleitete bereits in den 1980er-Jahren einige Wissenschaftler eine Pandemie des Narzissmus zu diagnostizieren. Der US-amerikanische Historiker Christopher Lasch konstatierte sogar eine „The Culture of Narcissism“, so auch der Titel seines gleichnamigen Buches aus dem Jahr 1979.

Man wähnt sich im Vollbesitz objektiver Wahrheit

Heute glauben viele auf dem Gebiet der Ökologie im Besitz der „objektiven Wahrheit“ zu sein. Weil sie sich, im Gegensatz zu den Unwissenden, als Hüter der „objektiven Wahrheit“ wähnen, fühlen sie sich diesen moralisch überlegen. Das wollen sie auch nach außen zeigen. Das hebt sie von den „Nichtwissenden“ ab. Das ist ihr Distinktionsmerkmal. Aus ihrem Anderssein, ihrem „Bessersein“, ziehen sie Anerkennung.

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Dieses Verlangen nach Anerkennung sah der Soziologe Thorstein Veblen, bereits im Jahre 1899, manifestiert als „demonstrativen Konsum“. Doch dieser weicht heutzutage einem „demonstrativ politisch korrekten und nachhaltigen Konsum“, oder kurz, einem „demonstrativ grünen Konsum“. Prahlte früher der Ehemann mit dem Konsum von Luxusgütern seiner Gattin, um sich von den anderen abzuheben, so ist es heute der nachhaltige Lifestyle. Nach Veblen abgeändert: „nur grüne Verschwendung bringt Prestige“

Diesem Lifestyle eifern einige „kleine“ Leute nach. Der „demonstrativ grüne Konsum“ ist ihr Ideal, das sie bewundern und anstreben. Auch sie wollen dazugehören, auch sie wollen Anerkennung. So fangen diese an sich bio und veggie zu ernähren. Die Fülle an typisch grünen Produkten in den Regalen von Supermärkten und Discountern spricht Bände. Grün ist längst bei der Bevölkerung angekommen.

Zwei Gruppen grünen Lifestyles

Deswegen suchen sich die „Hüter der objektiven Wahrheit“ ein anderes Distinktionsmerkmal. Es ist ein stetes Katz-und-Maus-Spiel. Die Entwicklung der geschlechtergerechten Sprache verdeutlicht das. Während am Anfang das Binnen-I den Unterschied machte, ging man zum Unterstrich (_) und Gendersternchen (*) über. Mittlerweile benutzt die Avantgarde des „demonstrativ grünen Konsums“ den Doppelpunkt (:). Die einen begreifen sich als Besitzer der heiligen grünen Spargelstange. Die anderen möchten das grüne Gemüse wiederum für sich.

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Deswegen unterscheiden sich beide Gruppen auch in ihrem grünen Lifestyle. Erste Gruppe besitzt mehrere Autos, lebt in London, Paris und Berlin und schwingt sich ab und zu, demonstrativ versteht sich, auf das E-Bike mit der Bionade in der Hand. Es ist ihre Form der Buße der Klimasünden. Getreu dem Motto: „Sobald das Geld im grünen Konsum klingt, die Seele aus dem Feuer springt“.

Die zweite Gruppe lebt auch grün. Notgedrungen, aus Armut. Ein Auto ist zu teuer, Flugreisen kommen sowieso nicht in Frage. Der öffentliche Nahverkehr und der eigene Drahtesel sind da kostengünstige Alternativen. Gleichzeitig sehen sie voller Missgunst und Neid zur ersten Gruppe auf. Deswegen schlagen sie mit der Verbots-Keule um sich. Eben sie verfechten mit größtem Eifer SUV-Verbot, Flugverbot und autofreie Städte. Was einst der linke Marsch durch die Institutionen war, ist heute der grüne Marsch. Eine Umfrage unter ARD-Volontären offenbarte, was viele schon wussten. 57,1 Prozent von ihnen bekennen sich zu den politisch Grünen. Eine geschlechtergerechte Sprache ist schon nicht mehr aus den Universitäten und Behörden wegzudenken. Letztlich war es, im politischen Milieu, Angela Merkel, die Deutschlands Abkehr von der Atomkraftenergie beschloss und die „Ehe für alle“ einführte.

Mehrheitlich Frauen bevorzugen die Grünen

Das System ist grün infiltriert. Und beim wem sind die politisch Grünen besonders beliebt? Beim weiblichen Geschlecht. 41 Prozent der Grünen-Wähler sind Frauen – mehr als in irgendeiner anderen Partei. Das und die Beliebtheit eines grünen Lifestyle bestätigen, was Frauenquote, Frauenbevorzugung und jegliche Abwertung des Mannes, wie etwa „toxische Männlichkeit“, demonstrieren. Unsere Gesellschaft ist grün. Wie jeder Trend, verfliegt aber auch dieser Hype. Spätestens wenn mehr und mehr Bürger, im Namen des Klimas, auf ihren Flug, das eigene Auto und andere Annehmlichkeiten verzichten müssen. Spätestens dann war grün die Farbe der Saison.


Dieser Artikel von Deborah Ryszka erschien zuerst in Die Tagespost. Katholische Wochenzeitung für Politik, Gesellschaft und Kultur. Wir danken Autorin und Verlag für die freundliche Genehmigung zur Übernahme.

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Kommentare ( 120 )

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greenout
3 Jahre her

Hatten wir doch schon mal alles
Im Mittelalter wurde den Menschen mit dem Höllenfeuer Angst eingejagt, durch Zahlung von Bußgeld ( davon wurde u.a. der Petersdom gebaut) konnte man sich das ersparen.
Heute die Richtigen wählen, dann wird es wieder kalt

the ministry of silly walks
3 Jahre her

Die Infantilisierung der Welt ist in vollem Gange. Staatsoberhäupter lassen sich von einer Jugendlichen mit autistischer Entwicklungsstörung übelst öffentlich beschimpfen und finden das toll. Kinder hüpfen, um den Wirtschaftsstandort Deutschland abzuschaffen und damit den Ast abzusägen auf dem sie als Erwachsene nicht mehr sitzen werden. Erwachsene fahren auf elektrischen Tretrollern durch die Gegend und duzen jeden, der ihnen begegnet und machen sich die Welt, wie sie Ihnen gefällt. Kritik gegen alles und jeden ist ok, sich selbst mit Kritik konfrontiert zu sehen führt zu unkontrollierten Wutanfällen und Auf-den-Boden-stampfen. Infantil ist die Weigerung, Grenzen anzuerkennen – in jeder Beziehung. „Kinder sind… Mehr

ErikaR.
3 Jahre her

Ganz so unterschiedlich sind Frauen und Männer nicht. Auch Männer glauben, dass die kulturell vorgegebene soziale Matrix gleichbedeutend mit „real“ ist. Es unterscheidet sich also nur die Matrix oder die „Vernunft“ der Männer von der Matrix oder „Vernunft“ der Frauen. Aber keines von beiden entspricht deshalb mehr der „Realität oder Wahrheit“ als das andere.
„Normalität“ oder „Moral und Prinzipien“ oder „Ratio“ liegt eben an sich keine absolute Wahrheit und Realität zugrunde, sondern eine relative. Davon müsste man ausgehen, um überhaupt eine Diskussionsgrundlage zu haben.

Gerner
3 Jahre her

Die Frabe Grün wird uns noch lange erhalten bleiben. Aktuell bedeutet er das die „Anderen“ auf SUV, Flugreisen, Fleisch usw. verzichten sollen weil es eine „Sünde“ sei. Und es ist offenischtlich das hier die Frauen die Oberhand haben (warum auch nicht?). Und genau das bedingt die zweite Entwicklung zum neuen „Grün“. Die neuen „Grünen“ wollen Prollautos, posen und gut eingewickelte Mädchen. Die alten „Grünen“ fördern sogar deren Aufstieg das die neuen „Grünen“ derzeit als Unterdrückte gelten. Ach ja, wie war gleich die Farbe des Islam?

Karl
3 Jahre her

Würden sie mich bitte darüber aufklären, wie diese Sätze zu verstehen sind:
Und beim wem sind die politisch Grünen besonders beliebt? Beim weiblichen Geschlecht. 41 Prozent der Grünen-Wähler sind Frauen – mehr als in irgendeiner anderen Partei.“
Wenn 41% der Grünen Wähler Frauen sind, kann dies ja nicht die Mehrheit der Grünen-Wähler sein, oder???

Der Physiker
3 Jahre her
Antworten an  Karl

Das ergibt nur dann Sinn, wenn die Wahlbeteiligung bei den Frauen deutlich geringer als bei den Männern ist. Dann sind bspw nur 35% der CDU-Wähler Frauen (übrigens ein wunderbares Beispiel für den generischen Maskulin!), aber 41% der Grünen-Wähler, mehr als in jeder andern Partei. Glaub ich aber, ehrlich gesagt, nicht

Felix
3 Jahre her

Ja, Sie haben vollkommen recht. Wir leben unter einer Weiberherrschaft und genauso sieht unsere Gesellschaft aus: psychisch kranke männliche Kinder und später Erwachsene, eine auf Unlogik und Schwachsinn aufgebaute Politik, oftmals ermöglicht durch „Frauenversteher“, die schon als Kinder zu „hörigen“ Krüppeln erzogen wurden.
Aber was soll‘s: das ist der Lauf der Evolution. Noch sind alle höher stehenden Kulturen an ihrer Hybris und Verkommenheit zugrunde gegangen. Und schon im Paradies hat das Weib den Mann ln ihrer grenzenlosen Gier ins Verderben gestürzt.

Sani58
3 Jahre her

Die hiesige Kultur und der noch recht breite zumindest auskömmliche Wohlstand geht sowieso den Bach runter. Da ist es gleichgültig, ob unter GronRot oder GrünSchwarz. Ganz einfach, weil Jahrzehnte funktionierende Strukturen in Industrie, Wirtschaft und Energiewesen geschreddert werden, weil (in manchen Gegenden besonders) die willigen und ausgebildeten Handwerker und Facharbeiter, bald auch die Meister und Ingenieure ausgehen und kaum Gescheites nachkommt, trotz aller und vieler Bemühungen. Also last die Hüpferjugend hüpfen und feiern. Beratungsresestent sind sie sowieso und andere Meinungen und Auffassungen sind (für die) nazi. Der Aufschlag wird heftig sein, wenn sie im famielienalter mit Verantwortung sind. Sogar auch… Mehr

Juergen P. Schneider
3 Jahre her

Die Deutschen sind eigentlich fast immer im Katastrophenmodus. Nirgendwo in der westlichen Welt haben die grünen Weltenretter so viel Zulauf wie in Deutschland. Die links-grüne Indoktrination in Kitas, Schulen, Universitäten und via ÖRR hat zu einer kompletten Unterwanderung der gesamten Gesellschaft durch die links-grün Gehirngewaschenen geführt. Erst durch die katastrophalen Folgen, die die deutsche Weltrettungspolitik der letzten Jahre zeitigen wird, könnte es zu einem größeren Prozess des Umdenkens kommen. Erst wenn die Folgen dieser „Tyrannei der guten Absichten“ (G. Höhler) auch den letzten grünen Spinner ereilt haben, ist Besserung in Sicht.

ozweip
3 Jahre her

Spätestens dann, wenn es den Menschen so richtig beschissen geht, lässt der grüne Hype nach. Zum Glück befindet sich die Dorfjugend noch nicht in der geistigen Insolvenz.

Pitt Arm
3 Jahre her

Wäre die Klimadebatte in Deutschland mit Argumenten und rational geführt, dann wäre sie ziemlich schnell beendet. Schritt 1: Bitte allen selbsternannten Weltrettern und Grünenwählern zunächst diese Grafik zeigen: https://de.statista.com/infografik/22731/laender-mit-den-hoechsten-co2-emissionen/?fbclid=IwAR36IwTqgCbh8C3KDKFutagVx42x1_ZzlZiN3dxOg1S-YBtuqWbEUD5RJJo Schritt 2: Dann zwei Fragen stellen: 1.) Wie groß ist Deutschlands Einfluß auf das Weltklima? 2.) Welchen Unterschied würde es ausmachen, wenn wir sofort alles abschalten und sogar das Ausatmen von CO2 abstellen würden? Im Anschluss kann man darüber reden, welche symbolischen Maßnahmen wir in Deutschland ergreifen sollten und zu welchem Preis (Wohlstandsverluste). Dieter Nuhr, als Mitbegründer der Grünen, hat Recht wenn er sagt, daß FFF in Washington, Peking und Neu… Mehr

doncorleone46
3 Jahre her
Antworten an  Pitt Arm

Sie unterschlagen das Wichtigste: Mit Fakten zu arbeiten ist oldschool! Das ist die Kartoffelmentalität und die versteht das Ganze nicht!

bfwied
3 Jahre her
Antworten an  Pitt Arm

Sie haben natürlich recht, aber diese Fragen stellen sich die Klimareligiösen nicht. Sie können sie nicht stellen, denn sonst müssten sie ihren Glauben in den Mülleimer werfen. Sie stellen sich auch nicht die Frage nach der Physik und nicht nach der behaupteten Wissenschaftlichkeit, die aggressiv keinen Widerspruch duldend entgegen unzähliger Geologen, Geographen, Atmosphärenphysiker als vollkommen gegeben verbreitet wird. Wir müssen diese absurde neue Hexenverbrennungszeit erleben, weil den Westen, insb. Deutschland, aber auch GB, eine Sekte vereinnahmt hat, und Sekten denken nicht objektiv bzw. naturwissenschaftlich. Es ist so wie bei der Verbraunung Deutschlands einst und wie in den USA an einer… Mehr