Je höher die Mobilität und die Mischung, desto größer die Uniformität. Welche Spezies auf dem Weg zur Uniformität übrig bleibt, ist zufällig, weil alle die gleiche Chance haben zu überleben.
Eine Identität, die keine Repräsentation mehr hat. Auf dem Altar globaler Menschenrechte geopfert, mit dem pejorativen Menetekel des formlosen „Pack“ gekennzeichnet und damit bewusst aus dem Meinungsdiskurs, von seinen Bürgerrechten, ja aus der „Menschheit“ ausgeschlossen. Bei dieser Feindstellung – der Mensch kommt von außerhalb, der Unmensch aber ist innerhalb der „Grenzen“ – wird das Außen automatisch überhöht, aber das gesamte Innere infrage gestellt: damit aber auch parlamentarische Rationalität, Meinungsfreiheit und Gewaltverzicht durch Wahl. Wenn die System-Rationalität nicht mehr funktioniert, Grenzen und kulturelle Errungenschaften einer „Körperschema-Störung“ anheimfallen, dann scheint sich in der Tat für alle Beteiligten das Scheunentor der vorkulturellen Irrationalität und Gewalt zu öffnen. Je nach Sichtweise „Häretiker“ auf der einen, „Tyrannen“ auf der anderen Seite – was bereits für die mittelalterlichen Scholastiker Grund genug war für den „gerechten Zorn“ und seinen „gerechten Krieg“.
Mit der Bagatellisierung der Außengrenzen fällt dann der gesamte soziale Körper. Und mit ihm sukzessive andere Grenzen. Was nicht dazu führt, dass es keine Grenzen mehr gibt. Die Aufhebung des imaginären „Gesellschafts- und Herrschaftsvertrages“ resultiert im „Naturzustand“, indem sich die Grenze multipliziert, weil sie überall ist. Das Individuum wird zur eigenen Grenze – die Firma Klever aus Aham bestätigte mir auf meine Anfrage, dass der Absatz von „Verteidigungssprays“ sich mehr als verdoppelt habe. Denn so wie Wohnung und Haus Körperextensionen sind, die Sicherheit und Geborgenheit versprechen, so ist der Staat im Regelfall ein Körper, dessen physische Außengrenze die Haut der Bevölkerung und dessen ideell-psychischer Zaun seine Kultur ist. Sicherlich ist beides tangierbar, aber auch hier gilt der Doppelcharakter von „Gift“, das die Dosis entscheidend werden lässt, wann sich etwas Gutes in eine schädliche Gabe wandelt.
Aktuelle Beispiele herrschender Irrationalität
Das Abbrechen der Diskussion, der Hang zu Irrationalität und Gewalt ist häufig die komplexreduzierende Antwort auf inhärente Widersprüche:
- Wir bekämpfen Antisemitismus und Faschismus mit Gegenfaschismus, sind aber für den grenzenlosen Zuzug von Antisemiten.
- Wir als Atheisten oder „Ökumenische“ haben keine Religion – daher finden wir es ganz spannend, dass uns, wie im Mittelalter, der Islam Religion und Kultur bringt… und zwar die des Mittelalters.
- Wir glauben an nichts und haben Probleme mit „Letztwerten“ und „Wahrheit“ – aber wir glauben an die Menschenrechte, die Selbstverwirklichung und natürlich daran, dass wir „gut“ sind.
- Wir sind für die Entfernung von religiösen Symbolen (christliche Kreuze) aus den Klassenzimmern – und dafür, dass Frauen im Öffentlichen Dienst Berlins Kopftuch tragen dürfen.
- Wir sehen zwar die Religion als Opium fürs Volk, vergleichen aber die Bundeskanzlerin mit Jesus Christus – womit aber auch ein extra ecclesiam nulla salus für den deutschen Staat gelten müßte.
- Wir sind für Gender und Frauen-Emanzipation – wenn dies Frauen in islamischen Parallelgesellschaften nicht in Anspruch nehmen dürfen, dann ist das „kulturelle Diversität“.
- Wir finden: Kein Mensch ist illegal – außer jene, die nicht denken wie wir.
- Wir möchten es bunt, dazu gehören auf jeden Fall alle Schwarz-Weiß-Denkenden der Welt.
- Zuwanderung darf nicht nach Nutzenkriterien geschehen – wenn der Druck am Arbeitsmarkt zu groß wird, dann beantragen wir ALG, wichtig ist doch, das unsere Rente sicher ist.
- Wenn Integration nicht funktioniert, dann haben der Staat/die Politik oder die Mitbürger versagt, nie aber der zu Integrierende.
- Wir wollen keine Grenzen: „Nie wieder Deutschland“ – sind aber für das Selbstbestimmungsrecht der Völker und möchten, dass „Deutschland“ Bedürftigen Asyl und Hilfe zukommen lässt.
- Wir halten die Familie für einen Hort des männlichen Patriarchats und der verhinderten Selbstverwirklichung und sind deswegen bei Flüchtlingen für unbeschränkten Familiennachzug.
- Wir möchten in Sicherheit leben… aber: „All Cops are bastards“ und „Soldaten sind Mörder“.
- Wir üben Gewalt gegen Flüchtlinge, die aber keine Schuld haben, das sie hier sind.
- Wir üben Gewalt gegen die außerparlamentarische Opposition, die daher politisch machtlos und auf der Flucht (innere Emigration) ist.
- Wir wollen, dass Menschen mit Migrationshintergrund bei uns Karriere machen – es sei denn sie heißen Xavier Naidoo.
- Wir wollen den zu 70-80% männlichen Flüchtlingen aus Syrien hier ein angenehmes Leben bescheren, während wir in Syrien gegen den IS kämpfen und dabei deren Familien auslöschen.
- Wir sind zwar für europäische Einigung, aber jetzt, wo Briten, Franzosen und Osteuropäer scharfe europäische Grenzkontrollen fordern, drohen wir mit dem Ende des Euros.
Nach den Anschlägen von Paris: Der Kampf gegen den Terror – oder gegen wen?
Die Terroranschläge haben die Widersprüche und Irrationalitäten deutscher Politik wie auch die Reflexe der Leit- und Leid-Medien kaum ändern können. Die „Kein Mensch ist illegal“-Praxis ist auch nach den Anschlägen kaum tangiert. Schuld, so der Kommentar von „Spiegel“-Augstein, haben die Franzosen dann auch selbst, denn das „Versprechen der Gleichheit“ sei ebenso wie die Integration in Frankreich gescheitert. Dies, so Augstein, sei eine Warnung an Deutschland. Dechiffriert: Schuld sind die Liberal-Konservativen, die die Sozial- und Asylindustrie kritisch sehen! Verhaften Sie die üblichen Verdächtigen! Dass Integration eine „zweiseitige Willenserklärung“ verlangt – zu jedem Angebot gehört auch die Annahme -, scheint Augstein nicht zu stören.
Ein weiteres Phänomen in der Suche der „causa“, für die scheinbar der infinite Geschichts-Regress gilt: Schuld ist die ehemalige Kolonialpolitik der Franzosen, so ZDF-Kinderfernsehen. Ein deutscher Widerspruch zur invasiven und kolonialen Nahen-und-Mittlerer-Osten-Politik unserer amerikanischen Verbündeten ist mir momentan allerdings auch nicht präsent. Man fragt sich zudem, welchen Anteil Deutschland an der aktuellen Kolonialpolitik der Menschenrechte hat. Sehr zutreffend erklärt der aktuelle deutsche Präsident des UN-Menschenrechtsrates Dr. Joachim Rücker: „Es gibt keine westlichen Menschenrechte. Die Menschenrechte sind universal“. Dann gelten sie wohl auch im Universum und für Tiere – schließlich stammt der Mensch vom Affen ab? Rückentwicklung nicht ausgeschlossen. Dennoch: Andere Kontinente, Länder, Kulturen, andere Auffassungen – als Beispiel die „Kairoer Erklärung der Menschenrechte im Islam“, in der die konkrete (islamische) Gemeinschaft stets vorgeht.
Was eint die nicht interpretationsoffenen Menschenrechte und viele deutsche Medien? Fehlende Differenzierung! Kein Wunder, wir erinnern uns: Je mehr „Adressaten“ und je höher die Mobilität und Mischung, desto größer die Uniformität! So hat zwar der islamische Terror nach Meinung herrschender Medien- und Politikmeinung nichts mit dem Islam zu tun – so wie folgerichtig Flüchtlinge nichts mit Flucht, deutsche Politiker nichts mit Deutschland zu tun hätten. Auf der anderen Seite aber stammt jede kritische Äußerung zu dem Themenkomplex direkt aus „Mein Kampf“ – Sascha Lobo lässt grüßen! Die Nicht-Differenzierung ist auch das beherrschende Kennzeichen des islamischen Terrors. Denn seine Opfer werden keine erklärten Kombattanten/Soldaten, sondern unterschiedslos Männer, Frauen, Kinder, gleich welchen Alters, Berufs und Nationalität. Ja, auch Flüchtlinge und die innerislamische Opposition. Ein konzertierter Angriff auf den IS wird den IS nur verteilen – in die islamischen Krisenherde, nach Nordafrika, nach Europa. Selbst die totale Auslöschung beseitigt nicht die Hydra des stets nachwachsenden und empfangsbereiten (globalen) Prekariats – zumal die „Kreuzfahrer“ immer noch als raum- und kulturfremde Mächte Hegemon spielen. Daher muß sich Europa auf permanenten Terror einstellen, so Alan Posener mit Recht.
Die Frage aber, wer den Terror, das Irrationale und die Gewalt ausübt, lässt sich angesichts der oben geschilderten Entwicklungen kaum nur noch mit „der islamische Terrorismus“ beantworten. Die Demokratie ist auf dem Rückzug – weltweit… Willkommen im paradoxen Zeitalter globaler technologischer Determination und antagonistischer Irrationalität!
Twitter @wanderschatten
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