Ist den Betreffenden klar, worüber sie bei "Taurus" so leichtfertig reden? Ist es eine Rakete, eine Drohne, ein „Marschflugkörper“, ein Geschoss? Die technischen Daten sind leicht zugänglich: An einem theoretischen Szenario demonstriert Hans Hofmann-Reinecke, was auf dem Spiel steht.
Der Taurus ist ein Flugapparat, so lang (5 m) und so schwer (1,5 t) wie ein größeres Auto, mit einer Spannweite von 2 Metern. Mit solchen Stummelflügeln würde der schwere Apparat bei rollendem Start niemals vom Boden abheben. Deshalb wird er unter ein Flugzeug gehängt, etwa eine McDonnell Douglas F-15, und dann bei hoher Geschwindigkeit (ca. 900 km/h) ausgeklinkt.
Jetzt ist er ein autonomes Flugzeug, mit Autopilot, Navigationssystemen und einer halben Tonne Sprengstoff an Bord. Die genauen Zielkoordinaten samt Route, sind bei der Einsatzplanung am Boden programmiert worden. Angetrieben wird der Taurus von einem “Turbofan“ mit 7 kN Schub; diese Kraft entspricht etwa der Hälfte seines Gewichts. Turbofans treiben in größerer Ausführung, und für eine längere Lebensdauer ausgelegt, auch unsere Airliner an.
Der Treibstoff reicht für einen 45-minütigen Flug, das ergibt gut 500 km. Und noch etwas: Der Taurus ist in der Lage, sein Ziel zu erkennen. Er hat ein dreidimensionales digitales Modell davon gespeichert und vergleicht es beim Anflug mit dem, was seine Kamera sieht. Und was würde passieren, wenn er sein Ziel nicht zu Gesicht bekäme? Dann fliegt er weiter zu einem vorprogrammierten Ort, an dem er sich schadlos in die Luft sprengt. (Janes.com)
Wie sähe ein Taurus-Einsatz in der Praxis aus?
Drehen wir dazu den Spieß um: Nehmen wir an, auch Russland hätte so einen Taurus zur Verfügung – eine vermutlich ganz realistische Annahme.
Von der Luftwaffenbasis Levashovo bei St. Petersburg startet eine Suchoi 57 mit solch einer Waffe unter dem Rumpf, nimmt Kurs nach Westen und steigt auf die übliche Flughöhe. Bald ist sie über der Ostsee und wird auf den Radarschirmen der estnischen und finnischen Luftüberwachung sichtbar. Für die ist das keine Überraschung, denn russische Piloten machen hier gerne ihre „Dogfights“.
Eine halbe Stunde später dreht die Suchoi nach Südwesten und setzt ihren Flug über Wasser fort. Nach einer weiteren halben Stunde, in der Nähe der Insel Bornholm, drückt der Pilot einen roten Knopf. Für den Taurus ist es das Signal, sein Triebwerk anzulassen und sich auszuklinken, worauf die Suchoi eine steile 180° Wende macht und wieder nach Hause fliegt.
Auf sich allein gestellt
Der Taurus ist jetzt auf sich allein gestellt. Als Erstes verlässt er seine Flughöhe und geht in steilem Sinkflug auf 10 oder 20 Meter über dem Wasser. Jetzt ist er unter dem Radar. Eine ganze Palette von Systemen zeigt ihm seine genaue Position an. Falls das GPS gestört sein sollte, benutzt er sein INS (Inertial Navigation System), dann hat er noch eine Kamera an Bord, welche die Landschaft beobachtet und mit der digitalen Landkarte des Bordcomputers vergleicht. Über Wasser ist das zwar keine Hilfe, aber das Bordradar erkennt die Küstenlinie, und aus all diesen Daten kann der Taurus seine Position auf ein paar Meter genau berechnen.
Um seinen Bestimmungsort zu erreichen, fliegt er weiter Kurs Südwest, und zwar mit Mach 0,9, das sind 300 Meter pro Sekunde oder 18 Kilometer in der Minute. Nach 10 Minuten ist er über der Bucht von Greifswald und dreht nach Süden. Unter ihm ist jetzt die Mecklenburger Landschaft, die er mithilfe seines TFR („Terrain Following Radar“) in geringer Höhe, aber mit unverminderter Geschwindigkeit überfliegen kann. Nach weiteren 10 Minuten hat er die Stadtgrenze von Berlin erreicht. Jetzt zieht er steil nach oben, um sein genaues Ziel, wie ein Adler, aus großer Höhe zu identifizieren.
Und da ist es auch gefunden: der rechteckige Grundriss mit der Kuppel in der Mitte lassen keinen Zweifel daran, genau so ist es in seinem Programm gespeichert. Der Taurus stürzt sich jetzt von oben herab genau mitten in sein Ziel hinein. Zuerst zündet die „Penetration Charge“, das ist die kleinere Ladung, die zum Durchdringen einer möglichen Schutzwand notwendig ist. Sie zerfetzt die gläserne Kuppel in tausend kleine Splitter. Nach einigen Millisekunden explodiert dann die eigentliche große Bombe von ca. 400 Kilo und legt das Reichstagsgebäude, von innen heraus, in Schutt und Asche. Das Schicksal der Menschen darin: unvorstellbar.
Die Suchoi ist inzwischen unversehrt in Levashovo gelandet.
Die beste Verteidigung?
Bei dieser Mission hat der Angreifer dem Gegner einen maximalen Schaden zugefügt, ohne selbst ein Risiko eingegangen zu sein. Das macht den Taurus zu einer sehr begehrten Waffe. Aber dient er auch zur Abwehr eines Feindes? Nur wenn Angriff für die beste Verteidigung gehalten wird. Aber diese Strategie führt zwangsläufig zu einer rasanten Eskalation jedes Konfliktes; da kann der Streit um eine Halbinsel in einen Weltkrieg ausarten, so wie das Attentat auf einen österreichischen Erzherzog.
Die Lieferung von Taurus-Flugkörpern an die Ukraine könnte also weitreichende, nicht abzusehende Konsequenzen haben. Die aktuelle Debatte dazu wird dem nicht gerecht, sie wird auf dem falschen Niveau und in den falschen Kreisen geführt. Wer eine Maschine, die zum Massenmord eingesetzt werden kann, stolz auf seinem (oder ihrem) T-Shirt herumträgt, ist geschmacklos oder zynisch. Das wird nur noch übertroffen von der Redaktion eines Fernsehprogramms für Kinder, wo diese Mordmaschinen als schnuckelige Tierchen den Fünfjährigen näher gebracht werden sollen.
Dieser Artikel von Hans Hofmann-Reinecke erscheint auch im Blog des Autors Think-Again. Der Bestseller Grün und Dumm, und andere seiner Bücher, sind bei Amazon erhältlich.
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„Der Taurus ist jetzt auf sich allein gestellt.“
Ist der einsame Taurus so eine Art Held, dass sowas landserheftmäßig relevant ist?
Ja, vielleicht wenn man in Taka-Tuka-Land wohnt. In Ost- und Mitteleuropa hätten die Menschen (ja, auch Sie!) ohne die NATO allerdings längst den Stiefel russischer Invasionstruppen im Nacken.
Geschichten aus dem Paulanergarten. Oder: Wie es mir dank meiner blühenden Phantasie mal gelang, Gastautor bei Tichys Einblick zu werden.
Und jetzt kommen wir mal vom Bundeswehrporno in die Realität zurück.
„Kurz nach dem Start des Eurofighters mit dem Taurus an Bord, blinken sämtliche Warnlämpchen auf. Der NATO-Pilot muss auf einer Bundesstraße notlanden. Zum Glück ist ein großes Teilstück der Straße leer, denn 10km weiter kleben Klimademonstranten.“
Ein angesehener russischer Journalist hat bereits darüber sinniert, welche Objekte in Deutschland für die Rache in Frage kommen.
Deswegen sind Briten und Franzosen so scharf das anzuwenden, weil sie außerhalb von Wirkngsradius dieser Waffen sind. Die Entfernung von der ordöstlichen Grenze der Ukraine bis nach Moskau beträgt gerade 500 km. Gnade uns Gott. By the way: Der polnische Schriftsteller und Nobelpreisträger H. Sienkiewicz hat in einem Buch folgende Geschichte geschrieben: Missionare in Afrika wollten jungen Kali zum Christen erziehen und haben ihm Katechismus beigebracht. Vor der Taufe erfolgte eine Prüfung: „Kali, sag mal einen Beispiel für eine schlechte Tat.“ „Schlechte Tat ist, wenn jemand Kali Kühe klauen!“ „Gut, Kali! Und eine gute Tat?“ „Gute tat ist, wenn Kali… Mehr
Wenn es zum Einsatz der Taurus in der Ukraine kommt, dann bieten die Russen für eine intakte Taurus 30 Millionen Dollar in jeder beliebigen Währung für jeden der daran beteiligt ist, samt dauerhafter Aufenthaltserlaubnis in Russland. Dann hätte Russland das fortschrittlichste Stück deutscher Wehrtechnik und könnte es genüsslich sezieren wie bereits den Leo 2. Neben humanitären Erwägungen wäre das mein Hauptgrund die Lieferung zu verweigern.
p.s. die Spitfire war erst konkurrenzfähig, nachdem die Briten von der Bf109 gelernt hatten, wie eine Einspritzanlage funktioniert. Von der FW 190 haben sie viel über Sternmotoren gelernt.
Ooh… Schade, dass ich nicht bei der Bundeswehr bin und so ein Ding mal eben in der Hosentasche rausschmuggeln kann. Eine dauerhafte Aufenthaltserlaubnis in Russland... Davon habe ich doch mein Leben lang geträumt! Übrigens besitzen die Russen auch einige modernste westliche Passagierflugzeuge wie den Airbus A350. Seltsam, seltsam, dass die Russen nicht auf die Idee kommen, dieses „fortschrittlichste Stück“ europäischer Flugzeugfertigung „genüsslich zu sezieren“ und einfach nachzubauen. Stattdessen kramen sie die ollen Baupläne von Flugzeugmustern aus den 80er Jahren raus und versuchen krampfhaft, noch ein paar dieser Sowjet-Klipper zusammen zu schrauben, um den völligen Zusammenbruch ihrer zivilen Luftfahrt zu verhindern.… Mehr
Das schlimme ist nicht Taurus selbst sondern das man für die Befestigung ein halbes Jahr braucht, also muss der Krieg ein halbes Jahr weitergezogen werden, wie stellt man sich das denn vor bei der Tageszahl an Toten wird es irgendwann eng, selsbt wenn man im besten Fall nur 100 Tote der Armed Forces of Ukraine annimmt was aber eher das Doppelte ist oder mehr, kommt man auf 36000 Tote bis man mal Befestigungen für die SU-25 hat falls die Ukraine denn dann noch welche hat(vielleicht sollten wir ein paar Tornado hinzufügen, wir werfen die doch eh bald weg für F-35A… Mehr
200 Comments Mittwoch abends 6.März 2024. Aufgeregt legen die Foristen ihre Perspektiven dar, die Steilvorlage eines Hoffmann-Reineckes hat sie aufgescheucht, jeder weiß was, Reichweiten, Entfernungen, Einschätzungen, es nimmt kein Ende. Verantwortung hat keiner von diesen 200 Foristen, und auch Krieg in Deutschland kennt persönlich keiner mehr. Das Durchschnittalter der Bundestagsabgeordneten beträgt z.Zt. 47 Jahre, = 1977 Geburtsjahr. Der Kanzler *1958, sein Vater könnte Kriegsteilnehmer gewesen sein, oder auch sein Großvater. Die BRD steht bereits über EU und NATO mit einem Fuß in und gegen Rußland. Es reicht. Ein immer noch christlichen Land muß dem Völkerapostel Paulus Gehör schenken: „Darum laßt… Mehr
Das Hauptaugenmerk soll jetzt darauf gelenkt werden, dass der böse Russe unsere guten und friedliebenden BW-Führungkräfte bespitzelt hat. Nein!! Im Kern geht es um einen völkerechtswidrigen, deutschen Angriff (auch indirekt) auf Russland. Aber das will ein großer Teil des Volkes nicht sehen.