Das Verfassungsgericht fordert schon seit Jahren eine Reform des Wahlrechts. Doch die geplante Reform des Wahlrechts verstößt gegen das Grundgesetz. Ein Kommentar von Rupert Scholz
Die Reform des Bundestags-Wahlrechts, die die Ampel in diesen Tagen verabschiedet, ist begründet, soweit es um die Verringerung des Bundestages geht. Die jetzige Zahl der 736 Abgeordneten, weit über der gesetzlich vorgesehenen 598, ist in der Tat absolut unvertretbar. Der Weg, den die Ampel allerdings einschlagen will, ist absolut unvertretbar, ja verfassungswidrig.
Das Wahlrecht des Bürgers gemäß Artikel 38 des Grundgesetzes basiert auf Freiheit, Gleichheit und Unmittelbarkeit. Alles dies wird verletzt. Entscheidend ist dabei die Erststimme. Nach dem geplanten neuen Modell soll diese Erststimme jedoch keine entscheidende Rolle mehr spielen. Nur diejenigen Erststimmen werden unmittelbar zu einem Bundestagsmandat führen, denen eine hinreichende Zahl von Zweitstimmen für ihre Partei entspricht. Mit anderen Worten: Das Erststimmenmandat gilt nicht mehr unmittelbar, es gilt nicht wie geboten absolut und es wahrt nicht mehr die Gleichheit der Wahl. Damit wird der Verfassungsgrundsatz des Artikel 38 GG elementar verletzt.
Prof. Dr. Rupert Scholz ist Bundesminister der Verteidigung a.d. und Staatsrechtler. Er ist Mitautor und Herrausgeber des Grundgesetzkommentars Dürig/Herzog/Scholz (ehem. bekannt als „Maunz/Dürig“), welches als juristisches Standartwerk gilt.
Anmerkung der Redaktion:
Die von der Ampelregierung geplante Reform des Wahlrechts sieht vor, dass Erststimmenmandate nur noch dann zur Geltung kommen, wenn die Partei des Gewinners auch mindestens 5 Prozent der bundesweit abgegebenen Zweitstimmen erhält. Somit wäre es möglich, dass die CSU in Bayern jeden Wahlkreis für sich entscheidet – aber an der Fünfprozenthürde scheitert und nicht in den Bundestag einziehen kann.
Das bisherige Wahlrecht sieht vor, dass der Gewinner eines Wahlkreises, gemessen an den Erststimmen, immer in den Bundestag einzieht. Können die Kandidaten einer Partei dann außerdem drei Wahlkreise für sich gewinnen, wird die Fünfprozenthürde nicht angewandt. Es werden trotzdem Mandate nach Zweitstimmen verteilt. Die für sie abgegebenen Zweitstimmen lösen dann Ausgleichs- und ind der Folge Überhangmandate aus.
Aufgrund der bestehenden Regelungen war es daher nach der letzten Bundestagswahl möglich, dass die Partei Die Linke in den Bundestag einzieht. Denn obwohl sie den Zweitstimmen nach mit 4,9 Prozent an der 5-Prozent-Hürde scheiterte, gewann die Partei drei Wahlkreise (zwei in Berlin und einen in Leipzig). Damit zogen insgesamt 39 Linken-Abgeordnete in den Bundestag ein.
In einer früheren Version dieses Artikels stand, dass drei Wahlkreismandate einer Partei Fraktionstatus geben und in der Folge Listenmandate außlösen. Der Fraktionsstatus ist aber von der Zahl der Abgeordneten abhängig.
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Der Bundestag sollte auf 400 Abeordnete verkleinert werden! Deutschland sollte in 200 Wahlkreise eingeteilt werden. 200 Bundestagssitze bekommen die direkt gewählten Abgeordneten. Die restlichen 200 Sitze werden im Verhältnis der Zweitstimmen verteilt.
Von Rupert Scholz habe ich noch nie was vernünftiges gelesen. Er ist ein Musterbeispiel dafür, die geäußerte Rechtsauffassung in den Dienst der eigenen Partei zu stellen. „Entscheiden ist die Erststimme.“ Nein, Herr Scholz, entscheidend war schon immer die Zweitstimme.Sogar so entscheidend, dass das Bundesverfassungsgericht 2012 eine entsprechende Verteilung von Ausgleichsmandaten angemahnt hat. Naja, sowas muss man als Professor für Staatsrecht ja nicht wissen – solange man der CDU/CSU angehört, die von den Überhangmandaten meistens profitiert hat.
Also ich weine den 36 überschüssigen Linken Abgeordneten keine Träne nach, wenn sie 2025 rausfliegen.
Natürlich nicht. Aber fair und demokratisch geht anders.
Gesamtverteilung nach 2.-Stimmen (mMn OHNE 5%-Hürde!). Dann Direktkandidaten „solange der Vorrat reicht“, alle mit 50% sind sicher drin. Rest per Liste.
UND: Auswahl aus dem „Listenbauch“ statt Abnicken der Parteiklüngelei! DAS wäre die viel entscheidendere Änderung.
Die Stärkung der Listenwahl führt vor allem dazu, dass noch mehr geistige Minderleister und Quoten-Weibchen auf lukrative Posten gehoben werden können.
Hinzu kommt, dass sich Leute auf Listenplätze setzen lassen können und hinterher dann darauf verzichten (wie zB. AKK), was das Wahlergebnis dann auch wieder verzerrt. Man feiert sich dann noch, weil irgendwelche unbekannte Jünglinge in den BT einziehen – m.E. ein Unding!
Wobei – Lauterbach und Helge Lindh wurden auch direkt gewählt.
Was glauben Sie, wie man Wahlkreiskandidat wird? Gegen die Partei, oder was?
Dem ist nichts hinzuzufügen, außer:
Artikel 21 des Grundgesetzes besagt: „Die Parteien wirken bei der politischen Willensbildung des Volkes mit“
Aber wie begründete gestern der Erste Parlamentarische Geschäftsführer der FDP-Bundestagsfraktion Johannes Vogel die Wahlrechtsreform im Deutschlandfunk: Ziel und Motiv sei es, den Bundestag „fair verteilt über die Parteien“ zu verkleinern.
Welches Selbstverständnis und Verständnis für die Semantik dieser Norm haben unsere Parlamentarier eigentlich!? Johannes Vogel hat natürlich kein Direktmandat.
Unser GG als Schutz jedes einzelnen Bürgers vor staatlicher Macht und staatlichem Geld interessiert die Macht- und Geldgierigen nicht.
Über unser GG setzt „man“ sich so lange hinweg, bis der „Zeitgeist“ im BVerfGE angekommen ist. Und dann sind staatliche Macht und Geldgier am Ziel.
Herr Maassen hat recht: Kompromissbereitschaft bedeutet ab einem gewissen Punkt Ruin unserer Demokratie.
Aus Interesse : Woher kommt der Anspruch „absolut“, das steht im GG Art 38 nicht.
@Redaktion „Können die Kandidaten einer Partei dann außerdem drei Wahlkreise für sich gewinnen, erhält die Partei dieser Kandidaten außerdem Fraktionsstatus.“ Das ist nicht richtig. Richtig ist,, dass diese Partei bei der Ermittlung der Gesamtzahl der Mandate gemäß Zweitstimmenergebnis berücksichtigt wird. Fraktionsstatus erhält die Gruppe der Abgeordneten trotzdem erst, wenn sie 5 % der Abgeordneten des Bundestages stellt. Ansonsten bleiben die Abgeordneten eine Gruooe (vgl. Legislaturperioden 1990-1994 und 1994-1998 für Gruppe der PdS. Dass die Linke z. Z eine Fraktion stellt, obwohl sie bei der Wahl unter 5 % der Zweitstimmen errang und über die Grundmandatsklausel gemäß Zweitstimmenanteil in den Bundestag… Mehr
Rupert Scholz/CDU braucht niemamd zu sagen, was im GG steht. Auch nicht, dass der Artikel 38 wichtig ist und (nach Art,19) nicht verlogen werden darf. In Deutschland kann jeder lesen. Es wäre wichtigerer gewesen, zu verhindern, das die CDU die extremen Fehler machte die zur jetzigen Situation führten. Aber dazu war auch R. Scholz/CDU unfähig. Diese Fehler waren: Merkel länger als eine Legislaturperiode wirken zu lassen. Was mit der los ist war sehr schnell zu erkennen. Gravierend war weiter die Verletzung des Art 5.1 . Dort steht das Wort „ungehindert“ gedruckt. Der angeblich große Verfassungsrechter R. Scholz sollte Ihnen mal… Mehr
Das BVerfG hat sich mit Scholz und Komsomolchen sicher schon im Vorfeld bei einem Essen auf diese Regelung geeinigt.
Das geht glatt durch. Rechtsstaat und Demokratie war gestern.
Direktwahl mit mind. relativer Stimmenmehrheit muss immer schwerer wiegen, als die Verhältniswahl einer Partei. Alles andere ist Wahlbetrug, Gesetz hin oder her. Die Erststimme darf nicht geschwächt werden! Direktwahl von Kandidaten ist besser, als die Wahl einer Liste einer Partei. Die Sozialisten wollen erkennbar mit ihrer Wahlreform den Parteiproporz und die urbanen Reguonen bevorzugen. Das ist falsch. Trotzdem gibt es gerechte Lösungsmöglichkeiten, um die Anzahl der Mandate insgesamt konstant zu halten. Es muss so sein, dass neben einem Direktwahlsitzen pro Wahlkreis der Restder Sitze durch Verhältniswahl von Parteien dazukommt und nicht mehr. Hier muss gekappt werden, damit die Gesamtsitzzahl von… Mehr