Rassismus ist keine Einbahnstraße

Nelson Mandela hat gesagt: “Ich verachte Rassismus, weil ich ihn für barbarisch halte, egal ob er nun von einem schwarzen oder weißen Menschen kommt.” Das Südafrika von heute hat das vergessen.

Nelson Mandela hat gesagt: “Ich verachte Rassismus, weil ich ihn für barbarisch halte, egal ob er nun von einem schwarzen oder weißen Menschen kommt”,
und er hat auch gesagt: “Wenn uns tiefe Verletzungen zugefügt wurden, werden sie
erst heilen wenn wir vergeben können”.

Diese Worte haben eine ganze Nation inspiriert, als er 1994 der erste schwarze Präsident Südafrikas wurde, gewählt von allen Bevölkerungsgruppen in freier demokratischer Wahl. Seitdem ist Südafrika auch bekannt als ‘the rainbow nation’, ein Begriff der von Archbishop Desmond Tutu geprägt wurde nach der Apartheid-Ära.

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Dieses Ideal der Toleranz ist schon im 17. Jahrhundert entstanden, um die Menschen vor staatlicher Repression zu schützen. Wir sind jetzt im Jahr 2020 und es scheint, wir treten wieder in ein neues dunkles Zeitalter der Intoleranz ein. Während man sich in Europa mit Begriffen wie Genderism, Hautfarbe und Herkunft herumschlägt, erleben wir hier in Südafrika brutale Gewalt gegen Weiße, die man bei den Leitmedien nicht auf dem Radar hat.

Man bekommt das besonders zu spüren, wenn man wie ich, in KwaZulu-Natal lebt, und plötzlich eine Schlagzeile liest: Älterer Mann ›zu Tode gehackt‹ in einer Midlands-Gaststätte […] als die Crews ankamen, fanden sie den Körper des Besitzers, der mit einem Buschmesser (Panga) zerhackt worden war. Und wenn man dann ganz zufällig Stunden später erfährt, das war ja ein Freund von mir, dann ist die Schlagzeile “Black lives matter” schwer zu verdauen.

Dazu muss man wissen, das fast jeder Weiße hier in seinem Bekannten- und Freundeskreis jemanden hat, der durch kriminelle Gewalt zu Tode gekommen ist. Dabei handelt es sich nicht um Beziehungstaten, nein, es sind brutale Gewalttaten, motiviert durch Gier und Hass – zur falschen Zeit am falschen Ort. Bevor dieser Mord passierte, hatten bereits zwei Kolleginnen Tote im Familienkreis zu beklagen: der Vater der einen ermordet, der Bruder der anderen Kollegin. Südafrika steht an 7. Stelle auf der Weltrangliste der Gewaltverbrechen – das war nicht immer so.

Meine Freunde waren wie ich Einwanderer, die nach Johannesburg kamen, um sich einen Traum zu erfüllen. Kennengelernt habe ich die Beiden erst hier in Howick. Wenn man von Johannesburg, der afrikanische Name ist Gauteng und bedeutet City of Gold, nach KwaZulu-Natal kommt, ist der erste Eindruck: Man betritt ein Paradies. Sanfte Hügel, grüne Wiesen überall und was immer man in den Boden steckt, es wächst – 320 Tage Sonnenschein im Jahr bei einer Durchschnittstemperatur je nach Jahreszeit von 16 bis 33 Grad Celsius.

Für Edi, einen charmanter Östreicher, und Margit, eine typische ‘Berliner Schnauze‘, der ideale Platz, um ein Bed and Breakfast mit deutsch-österreichischen Spezialitäten zu eröffnen. Ganz in der Nähe die berühmte Eliteschule ‘Michaelhouse’ in Balgowan, die international anerkannt ist.

Das Lokal ist/war bekannt und beliebt für seine Würste, sein Bier, gepaart mit österreichischer Geselligkeit und Berliner Humor. Tja, und jetzt wieder ein Toter mehr, wieder eine Existenz zerstört und – wozu das alles. Ganz zu schweigen von den Hinterbliebenen.

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Am Tag nach dem Geschehen habe ich meine Freundin auf einen illegalen Kaffee an einem illegalen Platz getroffen – hier herrscht ja noch immer der strengste Lockdown der Welt – und sie stand noch so unter Schock, dass man ihr nichts angemerkt hat. Ein Telefonat mit ihr am darauffolgenden Tag hat dann das Gegenteil bestätigt, am Telefon hörte sie sich an wie ein Zombie – kein Wunder, denn sie musste ja um ihr Leben rennen. Diese Flashbacks werden sie ein Leben lang verfolgen. Das Schlimmste, wie sie mir sagte, sind die Schuldgefühle “ich konnte Edi nicht mehr helfen”….

Was geschehen war: Am Samstagmorgen, dem 6. Juni 2020 zwischen 8 und 9 Uhr, wurde Edi auf seinem Hof, während er sein Hunde füttern wollte, von hinten attackiert. Ein indigener Mann, mit einer Gesichtsmaske und einem Buschmesser bewaffnet, fragte ihn nach Geld und fing an auf ihn einzuschlagen. Zwischenzeitlich kam meine Freundin, noch im Morgenrock – es war ja Samstagmorgen – aus dem Haus heraus, um nachzusehen, was sich da abspielt. Daraufhin ließ der Angreifer von seinem Opfer ab, um meine Freundin ins Visier zu nehmen. Edi, der schon schwerst verletzt am Boden lag, rappelte sich auf, um seiner Freundin zur Hilfe zu kommen, aber schaffte es natürlich nicht. In ihrer Panik gelang es ihr durch einen Hinterausgang auf die Straße zu rennen, um Hilfe zu holen.

Das Ganze spielte sich in ländlichem Gebiet ab, wo nicht jede Minute ein Auto vorbeikommt. Aber sie hatte großes Glück und ein Auto mit einer weißen Insassin kam vorbei und hat sie dann zum nahegelegen Michaelhouse gebracht, von wo aus Rettungswache und Polizei informiert wurden. Auch Freunde, die in der näheren Umgebung wohnen, wurden alarmiert, die ihr dann zur Hilfe kamen.

In ihr Haus konnte sie nicht mehr zurück, die Forensics waren bereits auf dem Weg. Als der Rettungswagen eintraf, konnte Edi nur noch für tot erklärt werden. Laut Polizeireport ist der Täter noch flüchtig.

Natürlich ist jedes Leben gleich zu bewerten und jeder Tod gleichwertig zu betrauern.

Aber der kleine Unterschied ist, George Floyd, dessen kriminellen Hintergrund man im Internet nachlesen kann, wurde in einem goldenen Sarg beerdigt und Menschen in der ganzen Welt haben seinen Tod betrauert. Mein Freund wird nicht in einem goldenen Sarg beerdigt und er wird auch nicht von der ganzen Welt betrauert werden und es wird auch keiner niederknien, weil Edi sterben musste.

Farm Attacks in Südafrika sind tägliche Ereignisse, die am Tagesgeschehen vorbei gehen. Da stellt sich mir die Frage, wer ist hier privilegiert?

Aber Nelson Mandela hat auch gesagt: “Ein Gewinner ist ein Träumer, der niemals aufgibt.” Dürfen/können wir weiter träumen und wie lange kann man träumen?

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Als der ANC 1994 das Land übernahm, war Südafrika das am meisten entwickelte und industrialisierteste Land auf dem Kontinent mit dem billigsten Strom. Es wäre ein Leichtes gewesen, an diesen Erfolg anzuknüpfen. Südafrika hat die größten Mineralschätze der Welt, aber massive Bürokratie und ein strenges Arbeitsrecht. Die Quote und die dadurch bedingte Inkompetenz, verhindern das alles und behindern die Wirtschaft. Die Konsequenz daraus: Der große Braindrain hat eingesetzt.

Leute aller Herkunft im arbeitsfähigen Alter, die gut ausgebildet sind, ziehen es vor, nach UK, US, Canada, Neuseeland und Australien auszuwandern. Offizielle Zahlen hierzu gibt es nicht. Der Rest ist mehr oder weniger gezwungen, hier zu bleiben und sich zu arrangieren, im Sinne von “gleich und gleich gesellt sich gern”. Das heißt im übertragenen Sinne: Leute mit dem gleichen Bildungsgrad, ähnlichen Interessen und kulturellen Vorlieben bleiben unter sich. Das muss sich – nach meinem Verständnis – aber nicht ausschließlich auf die Hautfarbe beziehen. Man würde ja einem Ostfriesen, der keine Weisswurst und kein Paulaner mag, auch nicht Rassismus unterstellen, oder?

Zum besseren Verständnis, es gibt hier 11 offizielle Amtsprachen, die indogene Bevölkerung besteht aus Zulus, Xhosa, Ndebele, Swazi, Sotho, Shangaan-Tsonga und Venda, dann gibt es Menschen indischer Abstammung, Coloureds und die Weißen und alle diese Menschen sind im Temperament und Mentalität so unterschiedlich wie ein Ire und ein Grieche oder ein Isländer und ein Sizilianer.

Zum Thema Kriminalität und Sicherheit und wie man damit umgeht, ist zu sagen: Es ist wie mit dem Autofahren, man geht ein Risiko ein. In dem Moment, wo man losfährt, ist man gewissen Gefahren ausgesetzt, aber man fährt trotzdem los. Gefahren lauern hier überall, wenn man zur falschen Stunde am falschen Ort ist, dann kann es schiefgehen.

Das alles hat sich noch verschlimmert mit dem Lockdown der Wirtschaft, man muss Augen überall haben – vorne und hinten – wie man auch an Edis Fall sehen kann. So lebt man von einem Tag zum anderen und ich freue mich immer, wenn alles gut geht und nichts passiert ist.

Im Moment gilt mein tiefstes Mitgefühl Edis Hinterbliebenen – möge er in Frieden ruhen – wir werden ihn vermissen.


Sabine Johnson


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Kommentare ( 131 )

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Stefferl
4 Jahre her

In diesem Zusammenhang kann ich nur die hervorragende Reportage „Farmlands“ von Lauren Southern auf Youtube empfehlen. Darin wird der Genozid an der weißen Bevölkerung in Südafrika und die begleitenden Niedergangserscheinungen eindrucksvoll aufgeführt.

AlterEgo
4 Jahre her

Das deckt sich mit meinen Erfahrungen. Ich habe Mitte der 2000er Jahre für einen großen Sportartikelhersteller in der Nähe von Nürnberg gearbeitet. Dort gab es eine große Südafrikanische Community: Allesamt Wirtschaftsflüchtlinge. Und alle weiß. Für einen gutausgebildeten Weißen gab es zu der Zeit praktisch keine Stelle, denn es wurden schwarze Menschen bevorzugt eingestellt, quasi als Wiedergutmachung für die Apartheid. Also blieb nur die Flucht, was letztendlich zu dem erwähnten Brain Drain geführt hat – die Folgen sind bekannt. Auch was die Gewalt angeht wurde mir ähnliches berichtet. Ob und wie man das in den Griff bekommt? Keine Ahnung, aber auch… Mehr

horrex
4 Jahre her

Viele Jahre ist es schon her, zu Mandelas Zeiten, da lernte ich zwei Lehrer kennen, die lange Jahre in SA gelebt hatten. Beide nach D. zurückgekehrt. Beide berichteten übereinstimmend, dass sie geradezu entsetzt waren über die „die wahren Verhältnisse“ grotesk verzerrende Darstellung dessen was in SA stattfindet. – Das war der Zeitpunkt als ich zu „denken“ begann. –

Silverager
4 Jahre her

Man hat es in Rhodesien gesehen, das ja in „Simbabwe“ umbenannt wurde. Ein blühendes Land, eine Kornkammer Afrikas. Nach gewaltsamer Vertreibung (großenteils auch Ermordung) der Weißen versank das Land in bitterste Armut.
Exankt den gleichen Vorgang sehen wir gerade in Südafrika. Die Weißen hoffen und harren. Natürlich vergebens. Als Weißer würde ich sofort das Land verlassen, selbst ohne einen Rand in der Tasche, bevor ich mit Buschmessern in Stücke gehackt würde.
Da halte ich es mit den Bremer Stadtmusikanten: „Etwas Besseres als den Tod finden wir überall.“

Bummi
4 Jahre her

Es liegt schon am kulturellen Hintergrund das z.B. viele Asiaten und Juden sehr erfolgreich sind und die Schwarzen und Latinos etwas weniger. Aber das darf ja nicht sein und so gehen Länder wie Südafrika den Bach immer mehr runter. Und in Deutschland arbeitet Frau Merkel an ähnlichen Zuständen. Dazu gibt es rechtfreie Bereiche wie in Marxloh usw.

AlNamrood
4 Jahre her
Antworten an  Bummi

„Etwas“ ist gut.

Templeton Peck
4 Jahre her
Antworten an  AlNamrood

Hängt damit zusammen, das Christen für Schwarze beiseite treten müssen und „fellow whites“, also Juden, nicht.

Donostia
4 Jahre her

Mentalität so unterschiedlich wie ein Ire und ein Grieche oder ein Isländer und ein Sizilianer.
Das geht gar nicht. Alle Menschen sind gleich und wir lieben Multikulti.

Roland Mueller
4 Jahre her

.Rassismus ist keine Einbahnstraße und der derzeit zur Schau getragene Antirassismus nichts weiter als links gedrehtes Herrenmenschentum, weil die linken Spinner daran glauben das sie die einzigen Guten auf diesem Planeten sind.

Montesquieu
4 Jahre her

Schwarze Gewalt gegen Weiße ist legitimer Ausdruck der epigenetisch engrammierten Diskriminierungserfahrung von vor 150 Jahren.
Gebe es uns nicht, wären sie wie wir.
Das ist das infantil magisches Denken westlicher Sozialwissenschaft.

spindoctor
4 Jahre her

Freunde von Kriminellen nennt man auch Sympathisanten, Gegner von Kriminellen halt Ehrenbürger.
War zumindest früher so.

bkkopp
4 Jahre her

Die Worte, und die Biographie, von Nelson Mandela haben die Welt begeistert. Die Welt hat nur übersehen, dass Mandela ein inspirierender Führer aber kein staats- und verwaltungspolitischer Macher war. Er war eine Lichtgestalt, aber kein Universalgenie. In Südafrika waren seit den 1970ern verschiedene Ideen und Modelle in der Diskussion, wie man eine Post-apartheid-Ordnung organiseren könnte. Es ging, was viele nicht wissen, bis zu Ideen zur Teilung des Landes. Da Anfang der 90er nichts davon ernsthaft erwogen wurde, läuft es seit 1994 wie es lief. Es wäre eben nicht “ ein Leichtes gewesen “ es anders zu machen, weil niemand in… Mehr