Plakativer Protest gegen Putin

Mit Biss, Wut und Witz protestieren Ukrainer und Russen in Berlin seit Langem gegen Putin. Vor dessen Angriff auf die Ukraine wollte man sie jedoch kaum hören. Im Herbst 2021 hatte die Polizei noch ein Plakat „Putin ist ein Killer“ beschlagnahmt. Von Michael Leh

© Michael Leh

„Putin is a Killer“. Kann man sich vorstellen, dass ein Plakat mit dieser Aufschrift von der Berliner Polizei beschlagnahmt wurde? Es geschah am 17. September 2021 auf dem Mittelstreifen von „Unter den Linden“ gegenüber der russischen Botschaft.

Ein ganzer Trupp Polizisten rückte an, um das gummierte Plakat zu konfiszieren, das mein Freund Dmitry Bagrasch, ein in Berlin lebender russischer Putin-Gegner, aufgehängt hatte. Erst am 25. Januar 2022 teilte die Staatsanwaltschaft in einem Schreiben an Bagraschs Anwalt mit, dass sie das Strafverfahren wegen „Beleidigung“ eingestellt hat. Gerade einen Monat später begann Putin den Krieg gegen die Ukraine.

Ich hatte die Polizeiaktion zum Glück noch beweiskräftig fotografieren können. Denn das glaubt einem ja sonst kaum einer.

Zur Vorgeschichte gehört noch: Dasselbe Schild „Putin is a Killer“ (und auf Deutsch: „Putin ist ein Killer“) stand von April bis Mai 2021 einen ganzen Monat am „Demokratiecamp“ russischer Putin-Gegner am Brandenburger Tor. Dutzende Polizisten hatten es gesehen. Keiner beanstandete es. Auch vor der russischen Botschaft stand es bereits 2020, ebenfalls vor den Augen der Polizei.

An jenem 17. September 2021 stoppte aber ein großer schwarzer Wagen mit rundum abgedunkelten Scheiben auf der Straße just vor unserem Schild und der Putin-Pappfigur auf einem Holzaufsteller. Der Fahrer fotografierte alles auffällig bei heruntergelassener Scheibe aus dem Auto.

Rund eineinhalb Stunden später marschierte die Polizei an. Diese teilte Bagrasch mit, sie handele auf Weisung der Staatsanwaltschaft. Es gebe den Anfangsverdacht einer Straftat („Beleidigung, üble Nachrede“). Wir nehmen an, dass aus dem schwarzen Wagen im Auftrag oder im Benehmen mit der Kreml-Botschaft fotografiert wurde, und die Botschaft sich dann an die Staatsanwaltschaft oder Polizei wandte.

Mit dem leitenden Polizeibeamten war keine Diskussion darüber möglich, ob – insbesondere in Abwägung mit der Meinungsfreiheit – überhaupt eine Straftat vorliegen könne. Barsch wies er jeden Einwand zurück. Zwecklos war auch der Hinweis auf unter anderem den „Tiergartenmord“. Bezüglich dessen sprach der Generalbundesanwalt ja längst von einem staatlichen Auftragsmord des Kreml, was das Berliner Kammergericht bestätigt hat. Auch der Hinweis darauf, dass US-Präsident Joe Biden die Frage, ob Putin ein Killer sei, bejaht hatte, wurde ignoriert.

Die ringsum aufgestellten Bilder von unter Putins Herrschaft Vergifteten und Ermordeten verhalfen auch nicht zu der Einsicht, dass Putin wohl kaum beleidigt würde. Anfangs trug die Polizei auch noch die Putin-Pappfigur weg. Sie sollte wohl noch als „Beweisstück“ dienen – Putin in der Asservatenkammer. Dann kam man sich bei der Polizei aber wohl selber blöd vor und brachte den Pappkameraden wieder zurück mit der Maßgabe, ihn nicht wieder im Zusammenhang mit einer „Straftat“ zu verwenden.

Für uns sieht der Vorgang so aus: Die Kreml-Botschaft beschwerte sich über den Anti-Putin-Protest, und die Berliner Staatsanwaltschaft willfahrte und setzte die Polizei in Trab.

Das hat sich jetzt erledigt. So viele Anti-Putin-Plakate, wie jetzt bei den Großdemonstrationen in Berlin gegen den Krieg gezeigt wurden, hätte die deutsche Staatsanwaltschaft bei bestem Willen nicht beschlagnahmen können. Und auf der Demo etwa vom 27. Februar – an der sich auch viele Russen beteiligten – stand nicht etwa nur „Putin ist ein Killer“. Sondern zum Beispiel auch:

„Putin is a terrorist“,
„Putin ist ein Kriegsverbrecher“,
„Putin is a Psycho“,
„Putin = Mörder“,
„Putin in Jail“,
„FCK PTN“,
„Stop Putler“,
„Putin you are the real Nazi“,
„Putin, der Nazi bist du selbst“,
„Burn in hell, Putin“,
„Go fuck yourself Putin“,
„Putin Liar“,
„It’s time to STOP Bloodimir NOW“,
„International Terrorist“ (mit einem Bild Putins).


Michael Leh ist freier Journalist in Berlin und Mitglied im Vorstand der Internationalen Gesellschaft für Menschenrechte (IGFM).

Alle Bilder: © Michael Leh

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Kommentare ( 43 )

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Monostatos
2 Jahre her

Patentrezept: Bei der Anmeldung einer Versammlung oder einer Protestkundgebung sollte gleich eine behördliche Genehmigung eingeholt werden, wogegen und mit welchen Parolen demonstriert werden kann/darf/soll/muss. Und es sollte auch ein Sponsoring organisiert werden. Vielleicht gibt es ja Financiers wie die Open Foundation, die Bill & Melinda Gates Foundation, Pfizer, WHO, Greenpeace. Das Recht auf Versammlungsfreiheit und freie Meinungsäußerung würde so mit dem passenden Sinn ausgefüllt und auch lukrativer.

Cabanero
2 Jahre her

Die Demonstrationen, die wir seit Kriegsausbruch sehen, sind ganz sicher keine Demos „für“ die Nation Ukraine, noch die „Sache“ der Mehrheit der Ukrainer, nämlich das Land aus dem Macht- und Einflussbereich Rußlands herauszuführen und im globalen Westen zu verankern. Ich bin selbst auf so einer Demo in meiner Stadt zugegen gewesen. Ich will den Menschen, die dort waren (zu 95 % Deutsche) nicht ihre Ernsthaftigkeit, Empörung oder nur Entsetzen absprechen. Aber demonstriert wird eher gegen den Zerfall der eigenen Illusionen. Eskapistischer Moralismus, weltfremder Pazifismus im Schatten der Atomgarantie der Amerikaner, den Glauben an die Universalität des westlichen Linksliberalismus. „Das kann… Mehr

Deutscher
2 Jahre her

Die Schwarz/Weiß-Malerei ist billig. Gab es jemals einen Krieg, in dem der Feind nicht dämonisiert, die Verbündeten aber heroisiert worden sind? Das nennt sich übrigens Propaganda und ist heute offenbar so wirksam wie eh und je. Die politischen Entscheidungen werden in Berlin getroffen und müssen akzeptiert werden, das ist parlamentarische Demokratie. Wenn aber deutsche Bürger glauben, in einem Krieg Partei ergreifen zu müssen, der Deutschland gar nicht betrifft, tragen sie damit nur den Konflikt von außen nach innen. Auf den plumpen Boykott russischer Waren durch deutsche Supermarktketten, die vor lauter Eifer gleich noch jene „russischen“ Lebensmittel aus den Regalen nehmen,… Mehr

Last edited 2 Jahre her by Deutscher
Kassandra
2 Jahre her
Antworten an  Deutscher

Die Medien sind Partei.
In dem Fall sogar „Kriegspartei“.
Und es gab welche, die beschrieben, dass Kriege gar nicht stattfinden würden, wenn die Medien sich da raushielten.

N. Niklas
2 Jahre her

Sir Arthur Posonby („Falsehood in War-Time“ 1928) über Kriegspropaganda: „Wir wollten den Krieg nicht, die Anderen sind Schuld, sind sind unmenschlich, ihr Anführer ist der leibhaftige Teufel und jeder der unsere Ansichten anzweifelt ist mit ihm im Bunde.
Nach diesem Lehrstück in ukrainophiler Propaganda wird TE ausgeglichen sicherlich noch eines aus dem russischen Staatsrundfunk oder aus der Botschaft präsentieren?

Eddie
2 Jahre her

Die Putinisten sind offensichtlich eingefleischte Stalinisten, die im Massenmörder Stalin einen Befreier (von was eigentlich) feiern oder sie trauern dem Stalin-Hitler-Pakt zur Aufteilung Osteuropas nach. Putin wird als Kriegsverbrecher in die Geschichte eingehen und eine Reihe seiner Gefolgschaft. Jeder zivilisierte Mensch weiß, dass Putin ein Killer ist. Wer ihn deckt, macht sich der Beihilfe schuldig.

Roland Mueller
2 Jahre her
Antworten an  Eddie

Was soll dieses absurde Gelaber? Das ist genauso sinnvoll, wie den Eddie mit dem Gesslerhut zu vergleichen, obwohl dieser Vergleich eigentlich weniger abwegig wäre. Der Hut vom Gessler sass auch auf einem Kopf aus Stein. Ein Verbrecher von der übelsten Sorte war übrigens der in der Westukraine hochverehrte Stepan Bandera.

Radikaler Demokrat
2 Jahre her

Und Eurasien war nie im Krieg mit Ozeanien…
Ich kenne Menschen, die bei Obamas Wahlkampf in Berlin ein wenig Wasser in den Wein gießen wollten. Da war allerdings die US-Botschaft vor, die kritischen Plakate wurden auf deren Geheiß blitzschnell eingesammelt und die Kritiker aus der Veranstaltung entfernt.
Man kann Russland ganz vieles vorwerfen, aber in Sachen „Demokratie“ und „Meinungsfreiheit“ haben sie ganz schnell vom Westen gelernt.

SwingSkate
2 Jahre her

„Putin is a killer“ – sicherlich nicht falsch und in Berlin lässt sich das leicht plakatieren. „Nato close the sky“ aber würde ich als Anstiftung zum großen Krieg verstehen. Man muss das nicht gut finden wenn die ehemalige Sowjetrepublik Ukraine den Westen auf einen derartigen Kamikaze-Kurs zwingen will. Gerade die Deutschen haben ja die Erbmasse des kalten Krieges leichtfertig für 16 Jahre ins Kanzleramt gewählt – man sollte meinen niemand möchte diese Erfahrungen auf internationaler Ebene fortführen.  

Roland Mueller
2 Jahre her

Von den Leuten, die von der ukrainischen Armee in den letzten acht Jahren im Donbass terrorisiert und umgebracht wurden, will man immer noch nichts hören. In diesem Sinne interessieren mich die überaus einseitig programmierten ukrainischen Propagandisten in Berlin herzlich wenig.

Deutscher
2 Jahre her
Antworten an  Roland Mueller

Es ist halt wie damals auf dem Balkan: Die Serben wurden als wahre Statane dargestellt, ihre Feinde als Helden und Opfer. Jahrzehnte später plötzlich: „Oh, es gab da wohl ein paar klitzekleine Kriegsverbrechen von Seiten der Kosovaren, tja, das konnte man damals natürlich nicht wissen…“ *schulterzuck*

Last edited 2 Jahre her by Deutscher
AJMazurek
2 Jahre her

Bush is a killer oder Clinton is a killer oder gar Kennedy is a killer stimmt ja auch, oder? Auch Obama is a killer, der Friedensnobelpreisträger (Nobelpreis nicht aberkannt) war ja der Champion außergerichtlicher Tötungen rund um die Welt …

Last edited 2 Jahre her by AJMazurek
Marcel Seiler
2 Jahre her

Die neue Weltordnung, die die weltweiten Kommunikationsmittel bewirken, stellt uns vor Regelungsprobleme, die wir noch nicht einmal durchdacht haben. Etwa: Sollen die Kriege und Konflikte aller Völker *wirklich* alle auf deutschem Boden durch öffentliche Demonstrationen ausgetragen werden? Wollen wir in Deutschland wirklich unentwegt Demos für und gegen ausländische Regierungen haben?

Natürlich ist Putin ein Killer. Aber sowohl den ausländischen Gästen in Deutschland als auch den eingebürgerten Deutschen, die ihr Herz in ihrer Heimat und noch nicht in Deutschland haben, sollte es nicht erlaubt sein, Deutschland in ihre Konflikte hineinzuziehen. Wer für seine Heimat kämpfen will, muss es dort tun.

Last edited 2 Jahre her by Marcel Seiler
Kassandra
2 Jahre her
Antworten an  Marcel Seiler

Nun ja. Die Demos gegen das Narrativ des „Russen“ eignen sich wie der ganze Krieg vorzüglich, um von all den Miseren, die gegen uns eingeleitet sind, abzulenken. Schon dass über diese Friedensdemos berichtet wird während über die, die gegen die Impfung und für die eigene Freiheit auf die Straße gehen von MSM wie ÖR beschwiegen werden, spricht Bände. Von gar nicht erst stattfindenden Demonstrationen gegen Islamisierung ganz abgesehen. Denn wer weiß hier schon, wie viele heute einreisen, wie viele bereits da sind und was es bedeutet, wenn sie uns sagen, dass „der Islam“ zu Deutschland gehöre? Auch, wenn darunter auch… Mehr