NSA hält es für riskanter, den Gesprächen der deutschen Kanzlerin zu lauschen, als sich von ihren Handlungen überraschen zu lassen.
Wie jetzt bekannt wurde, hat der amerikanische Geheimdienst vor knapp zwei Monaten erneut das Handy von Kanzlerin Merkel abgehört. Die Konsequenzen, die sich daraus ergaben, sind in ihrer Tragweite auch zur Stunde noch nicht abzusehen.
Wir berichten in der Chronologie der Ereignisse.
29.9. Beamte der National Security Agency (NSA) klinkten sich wieder einmal in das Mobiltelefon der Kanzlerin ein und lauschten einem Gespräch. Anzeichen für ein Thema mit politischer Brisanz gab es zunächst nicht. Bei diesen Worten Merkels allerdings horchte man auf: „… sind alles Apatschen … keine Kiowas … kannst du ganz beruhigt sein.“ Die Tonqualität war schlecht und kurz darauf brach das Gespräch ab, Merkels Gesprächspartner war nicht zu ermitteln.
Bei der NSA konnte man sich keinen Reim auf das Gehörte machen. Was hatte die deutsche Kanzlerin mit den amerikanischen Ureinwohnern zu tun? War ihre Äußerung so zu interpretieren, dass sie Apatschen für harmlos, Kiowas dagegen für gefährlich hält? Unterhielt sie womöglich an der amerikanischen Regierung vorbei direkte Beziehungen zu dem einen oder anderen Stamm? Und wenn ja, was bezweckte sie damit?
Man beschloss, den Präsidenten vorerst nicht zu informieren, und hoffte, aus weiteren Gesprächen der deutschen Kanzlerin Anhaltspunkte für die Klärung der Fragen zu bekommen. Diese Hoffnung erfüllte sich nicht. Dafür kam auf anderem Wege Dynamik in die Angelegenheit.
5.10. Durch eine undichte Stelle in der NSA drangen die Informationen über die rätselhaften Äußerungen der Kanzlerin an die amerikanische Öffentlichkeit und kamen schnell auch Angehörigen der Volksgruppen der Apatschen und Kiowas zu Ohren. Alte Animositäten wurden angeregt und bald auch medial befeuert.
7.10. Der „Apache Nation Weekly“ berichtete angewidert von einem Fest der Kiowas, bei dem eine „als Angela Merkel hergerichtete Puppe an einen Marterpfahl gebunden und mit Barbecue-Spießen beworfen“ worden sei.
8.10. Der „Kiowa Chronicle“ antwortete, man sehe keinen Grund, auf die Anschuldigung einzugehen, lege aber Wert auf die Feststellung, dass die Apatschen ganz offenbar ihrem Ruf als „Heuchler und Warmduscher reinsten Wassers“ treu zu bleiben gedächten. Als „Muttis Lieblinge“ hätten sie sich nun vollends zum „Gespött aller rechtschaffenen Indianer“ gemacht.
9.-15.10. In von Tag zu Tag hitzigeren Leserbriefen steigerte sich der anfängliche Spott zu groben Beleidigungen und schließlich unverhohlener Feindseligkeit. Es fielen schlimme Worte, die wir hier nicht im einzelnen wiedergeben wollen.
16.10. Auf den wachsenden Unfrieden zwischen Apatschen und Kiowas aufmerksam geworden, wies Präsident Obama die NSA an, sich mit dem befreundeten deutschen Dienst in Verbindung zu setzen und mit dessen Hilfe in Erfahrung zu bringen, was hinter Merkels Äußerungen stecke. Wollte die Kanzlerin die beiden Stämme tatsächlich gegeneinander aufbringen?
17.10. Beim BND war man zunächst nicht minder ratlos. Ein älterer Mitarbeiter fühlte sich bei „Apatschen“ und „Kiowas“ zwar vage an etwas erinnert, kam aber nicht dahinter. Man beschloss daher, einen schon vor längerer Zeit ins Kanzleramt eingeschleusten V-Mann zu aktivieren. Und dem kam schon bald der Zufall zu Hilfe.
19.10. Der V-Mann bekam als „Mädchen für alles“ an diesem Nachmittag den Auftrag, der Kanzlerin ein Stück Heidelbeerkuchen und eine Tasse Tee in ihr Büro zu bringen. (Der Anschaulichkeit halber sei erwähnt: das Küchenteam wählte aus dem in jüngerer Zeit so erfreulich gewachsenen Tassensortiment (wir berichteten schon) eine Tasse in einem den Heidelbeeren korrespondierenden zarten Blau mit der goldenen Aufschrift „Mutti ist die Beste“.)
Als der V-Mann ihr Büro betrat, fand er Frau Merkel an ihrem Schreibtisch eingenickt vor. Auf dem Schoß hatte sie ein aufgeschlagenes Buch – den ersten Band von Karl Mays „Winnetou“-Trilogie.
Damit war das Rätsel natürlich gelöst: In „Winnetou I“ kommen Apatschen und Kiowas bekanntlich als verfeindete Stämme vor, und in einer Schlüsselszene, welche die innige Freundschaft zwischen den beiden Hauptfiguren begründet, befreit Old Shatterhand den Sohn des Häuptlings der edlen Apatschen, Winnetou, aus der Gefangenschaft der weniger edlen Kiowas. Merkels Äußerung „alles Apatschen, keine Kiowas“ war somit nicht wörtlich zu nehmen, sondern im übertragenen Sinn zu verstehen. Möglicherweise ging es um das Migrationsthema, vielleicht wollte Merkel einem anderen „Winnetou“-Leser seine Besorgnis wegen des Charakters der Einwanderer ausreden – das war Spekulation. Erwiesen war aber nun, dass es keinerlei Bezug zu den Verhältnissen in den heutigen U.S.A. gab.
Die erfreuliche Erkenntnis wurde sofort an die NSA weitergegeben: Bei der fraglichen Äußerung handle es sich um eine bloße Metapher, die nur vor dem Hintergrund deutscher Literatur zu verstehen und keinesfalls auf die real existierenden Stämme der Apatschen und Kiowas gemünzt gewesen sei.
Die NSA antwortete prompt, dankte dem BND für die Kooperation und übermittelte einen Gruß des Präsidenten. Präsident Obama sei erfreut, dass sich die Sache so schnell habe aufklären lassen, er sei sich stets sicher gewesen, dass es sich um ein Missverständnis handle, an der Integrität und Loyalität der deutschen Kanzlerin habe er zu keinem Zeitpunkt gezweifelt.
(Außerdem, das fügte der NSA-Agent mit einem Seufzer hinzu, habe der Präsident angeordnet, die für Deutschland zuständige Abteilung solle mehr in ihre literarische Bildung investieren.)
20.10. Um möglichen Enthüllungen zuvorzukommen, beschloss der BND, den Geheimdienst-Ausschuss des Bundestags über die erfolgreich beendete Aktion in Kenntnis zu setzen.
Grüne und Linke, traditionell keine Freunde der Geheimdienste, reagierten angesichts der besonderen Umstände mit Verständnis: Wenn „Naturvölker“ (Grüne) bzw. „unterdrückte Völker“ (Linke) gegeneinander aufgestachelt würden, so müsse dem entgegengewirkt werden, geheimdienstliche Tätigkeit dürfe in einem solchen Fall kein Tabu sein.
Die Mitglieder der Koalition äußerten sich verblüfft über die offensichtlich fortdauernde Spionagetätigkeit der NSA und etwas verschnupft über die tätige Mitwirkung des eigenen Dienstes, wollten in der Sache aber keinen Anlass für transatlantische Verstimmungen sehen. Die Wirkungen, welche die Fehlinterpretation der Äußerung Merkels gezeitigt habe, seien Strafe genug, und man erkenne an, dass das Einschalten des BND aus einer innenpolitischen Notlage heraus geschehen sei.
Die Kanzlerin selber sagte, „eigentlich geht das alles wieder gar nicht“, aber die Angelegenheit habe „ja auch ihre komische Seite“. Besorgniserregend sei allerdings, dass man beim BND offenbar keinen Karl May mehr lese. Um Präsident Obama bei der Beschwichtigung der indianischen Gemüter zu unterstützen und insbesondere die versehentlich in Verruf geratenen „echten Kiowas“ der unverbrüchlichen Wertschätzung durch die deutsche Bundesregierung zu versichern, beabsichtige sie zudem, die deutsche Vertretung in den U.S.A. mit einer geeigneten Mission zu betrauen.
25.10. Der deutsche Botschafter in Washington hat die Siedlung der Kiowas besucht. Mit diplomatischem Geschick gelang es ihm, das Eis zu brechen und das deutsch-kiowanische Verhältnis wieder einzurenken. Er lobte den Kopfschmuck der versammelten Häuptlinge, versicherte alle der Sympathie und Solidarität der deutschen Stämme und überbrachte als Gastgeschenk zwanzig Flaschen Whiskey aus deutscher Herstellung. Besonders gut kamen (kurzerhand aus Ostfriesenwitzen abgeleitete) Apatschenwitze an. Beim abschließenden Genuß einer Friedenspfeife zog sich der Botschafter zwar eine leichte Rauchvergiftung zu – die Heiterkeit, die er damit bei den Gastgebern auslöste, ließ deren Groll jedoch vollends verfliegen.
27.10. Die Verstimmung zwischen Apatschen und Kiowas hingegen hielt unvermindert an. Im „Apache Nation Weekly“ hieß es zum Treffen der Kiowas mit dem deutschen Botschafter: „Die versoffenen Söhne der Kiowas gaben uns wieder ein Beispiel ihres liederlichen Charakters. So schnell, wie sie rot sehen, so schnell lassen sie sich auch bequatschen. Insbesondere, wenn es etwas zu saufen gibt.“
28.10. Die Antwort des „Kiowa Chronicle“ ließ nicht lange auf sich warten: „Die wehleidigsten Rothäute westlich von Neufundland gaben uns wie immer kein Beispiel jedweden Charakters. Sie haben keinen. Wenn sie mal nicht die maximale Zuwendung bekommen, kreischen sie wie Squaws und kleine Kinder.“
1.11. Dakota-Häuptling „Vielsagender Blick“, der das Geplänkel zwischen Apatschen und Kiowas von Anfang an mit Sorge verfolgt hatte, schlug vor, ein großes Pow-Wow zu veranstalten, an dem möglichst viele Stämme teilnehmen sollten. Man solle gemeinsam eine Friedenspfeife rauchen und so den Streit beilegen. Die Anregung wurde aufgenommen, das Pow-Wow anberaumt.
13.11. Das Pow-Wow hat nicht den gewünschten Erfolg gebracht. Die Stimmung war von Anfang an gereizt. Apatschen beschwerten sich, Kiowas drängelten sich bei der Essensausgabe vor und nahmen sich dann die dicksten Steaks. Kiowas wiederum gaben an, Apatschen würden ihnen, während sie, die Kiowas, geduldig vor der Essensausgabe Schlange stünden, Zuckerstücke in den Whiskey tun und obendrein die Polster von den Sitzplätzen stehlen. Häuptling „Vielsagender Blick“ hatte alle Mühe, die Ordnung aufrechtzuerhalten.
Als es dann darum ging, sich auf den Tabak zu einigen, mit dem die Friedenspfeife gestopft werden sollte, gerieten die streitenden Parteien endgültig aneinander. Die Veranstaltung endete in einer Massenschlägerei, an der sich auch die Mitglieder der anderen Stämme rege beteiligten.
Häuptling „Vielsagender Blick“ soll hinterher gesagt haben: „Leute, das war ja wieder mal sowas von unnötig. Aber schön wars auch. Überhaupt sollten wir uns viel öfter sehen.“
18.11. In der Wochenzeitung der Hopi-Indianer, welche „aus persönlichen Gründen“ nicht am Pow-Wow teilgenommen hatten, erschien ein ausführlicher Bildbericht über die Geschehnisse. Der Bericht in „Hopi’s Hope“ schloss mit einem pessimistischen Fazit. Wörtlich hieß es: „Man wird diese Wilden nie zur Vernunft bringen.“
19.11. Die Äußerung der Hopi-Zeitung hat sich als unglücklich erwiesen. Die Angesprochenen schoben spontan ihre Zwistigkeiten beiseite und schlossen sich erbost zu einer Anti-Hopi-Allianz zusammen.
22.11. Eine Streitmacht aus schätzungsweise 7.500 Kriegern bewegt sich aus verschiedenen Richtungen auf die Siedlungen der Hopi zu.
23.11. Der amerikanische Präsident versetzt die Nationalgarde in Alarmbereitschaft.
24.11. Der Sprecher der Bundesregierung sagte zu den Vorgängen, die Kanzlerin habe sich „nie träumen lassen, dass ein paar harmlose Worte solche Folgen haben könnten“. In Deutschland kenne man so etwas nicht. Sie habe gegenüber Präsident Obama ihr tiefes Bedauern ausgedrückt und der amerikanischen Regierung alle nur erdenkliche Hilfe zugesichert. Man denke darüber nach, den Amerikanern ein Kriseninterventionsteam aus Integrationsexperten des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge anzubieten. In Frage kämen auch in Arbeitskämpfen des öffentlichen Diensts erprobte Schlichter-Persönlichkeiten.
25.11. Einem vertraulichen Bericht zufolge hat die NSA beschlossen, die Überwachung des Merkel-Handys endgültig einzustellen. Nach Abwägung aller Fürs und Widers sei man zu der Überzeugung gelangt, dass es für die Sicherheit der Vereinigten Staaten riskanter sei, den Gesprächen der deutschen Kanzlerin zu lauschen, als sich von ihren Handlungen überraschen zu lassen.
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