Der kleine Zirkus Belly läuft Gefahr, nach 35 Jahren sein Familienmitglied Robby zu verlieren. Schuld daran sind Aktivisten, die sich zwar „Tierrechtler“ nennen, in Wahrheit aber nicht tierfreundliche, sondern menschenfeindliche Positionen vertreten.
Die Transporte werden kritisiert. Eine Belastung unerträglichen Ausmaßes wird in langen Fahrten ausgemacht. Dies mag im Einzelfall sogar zutreffen, wenngleich ich viele Tiere kenne, die äußerst gerne ausführlich durch die Gegend gefahren werden, solange sie dabei hinausschauen dürfen. Tatsächlich aber sind Zirkustiere nie sehr lange unterwegs. Die Unternehmen achten schon aus ökonomischen Gründen auf eine Tourenplanung, die nahegelegene Orte in einer bestimmten Region miteinander verbindet. Nach einer Woche Aufenthalt in der einen Stadt können zwei Stunden Fahrt auf der Autobahn wohl kaum als Quälerei bezeichnet werden. Der häufige Ortswechsel ist für die Tiere vielmehr eine spannende Abwechslung, die immer neue Eindrücke für alle Sinne bereithält.
Vollzeit-Beschäftigung im Zirkus
Wie überhaupt kaum ein Tier mehr beschäftigt wird, als eines im Zirkus. Tägliche Proben und Aufführungen tragen dem Bewegungsdrang mehr als Rechnung. Und Spaß macht es auch.
Hier liegt wohl der größte Irrtum, dem die sogenannten Tierschützer unterliegen. Die Dressur selbst wird als Verbrechen an der Kreatur gesehen, als unter Schlägen und Hunger durch Angst erzwungen. Wer viel Verbindung zu Tieren hat weiß um die Absurdität dieser Annahme. Wilde Tiere lassen sich nicht zwingen. Jedenfalls nicht, ohne sich zu wehren. Nicht nur bei den Raubtieren, auch bei Huftieren und gerade bei den Elefanten wäre dies fatal für den Zirkus und seine Besucher. In Wahrheit beruht jede Tiernummer auf Vertrauen und Verständnis zwischen den Protagonisten und ihren Lehrern. Eine Dressur wird heute über Jahre, manchmal Jahrzehnte hinweg aufgebaut, sie schließt die Nähe zwischen Tierlehrer und seinen Schützlingen ein, die oft mit der Geburt des Tiers beginnt und erst mit seinem Tod endet. Kein heutiges Zirkustier wurde in der Wildnis gefangen, sie sind Nachkommen von Generationen in menschlicher Obhut aufgewachsener Wesen, die nie ein anderes Leben kannten. Der Zirkus hat seine Stars domestiziert, ganz so, wie das seit Jahrzehntausenden auch in der Landwirtschaft geschieht. Ihre Haltungsbedingungen sind daher an ihren individuellen Bedürfnissen auszurichten und nicht an denen der wildlebenden Verwandten. Tiergerecht soll es sein, artgerecht wäre sinnlos.
Robby, der glückliche Schimpanse
Das aktuelle Beispiel heißt Robby. Er ist ein Schimpanse, der in menschlicher Obhut das für seine Art hohe Alter von 41 Jahren erreicht hat und sich nach wie vor bester Gesundheit erfreut. Seit nun 35 Jahren im Familienzirkus Belly zuhause, wollen die Tierschutzaktivisten von PETA ihn seiner Familie und seiner gewohnten Umgebung entreißen. Ein entsprechendes Gerichtsurteil ist gemäß der Berichterstattung im aktuellen Spiegel (Ausgabe 48/2015) bereits ergangen. Zirkusdirektor Köhler hat jedoch Einspruch eingelegt, das Verfahren wird voraussichtlich weitere Instanzen beschäftigen.
Vor einigen Jahren hatte ich selbst die Gelegenheit, den Circus Belly zu besuchen, mir ein Bild von den Haltungsbedingungen der Tiere zu machen und ein paar Worte mit Klaus Köhler zu wechseln. Auch konnte ich Robby sowohl hinter den Kulissen, wie auch bei seinem Auftritt in der Manege erleben. Der Affe wird geliebt und respektiert. Bessere Lebensumstände kann man sich für eine Handaufzucht kaum vorstellen, die nie Kontakt zu Artgenossen hatte. Auch der Spiegel zitiert die zahlreichen Veterinäre entsprechend, die Belly wie alle deutschen Zirkusse regelmäßig überprüfen. Robby ist nicht nur kerngesund, er zeigte und zeigt auch keine Verhaltensauffälligkeiten. Unter anderen Umständen wäre ein muskelbepackter Schimpanse mit 80 Kilogramm Kampfgewicht schließlich ein eher schwieriger Zeitgenosse.
„Direktor“ nennt er sich, der gute Klaus Köhler, obwohl er doch eigentlich nur Angestellter seines reisenden Zoos ist, dessen Mitglieder die eigentlichen Bosse des kleinen Unternehmens darstellen. Einen engagierteren und leidenschaftlicheren Tierfreund habe ich selten getroffen.
Entfremdung oder anfreunden?
Sogenannte „Tierrechtler“ hingegen stehen für die Entfremdung zwischen Mensch und Natur. Sie sind, wie sich am Beispiel Robby zeigt, nicht tierfreundlich sondern menschenfeindlich.
Diese Ideologie gedeiht vor allem in den großstädtischen Milieus gut betuchter Freizeitoptimierer. Denn gerade dort geht in einer rein artifiziellen Umgebung das Gefühl für das wahre Wesen der Natur leicht verloren. Aus der Unkenntnis über Tiere und den richtigen Umgang mit ihnen entsteht der Mythos von artgerechter Haltung, die die Trennung vom Menschen erfordere. Zeitgeistorientierte Politiker glauben, dem zur Stimmengewinnung nachkommen zu müssen. Das Verbot der Wildtierhaltung in Zirkussen kann aus Sicht eines „Tierrechtlers“ dabei nur ein erster Schritt sein. Nutztiere im Zirkus, in der Landwirtschaft und schließlich Haustiere werden auch bereits thematisiert. Man stelle sich vor der Haustür protestierende PETA-Aktivisten vor, die einem Hund oder Katze, Kaninchen oder Meerschweinchen wegnehmen wollen, weil diese in einer Wohnung und nicht „artgerecht“ in der Wildnis leben. Da wird leicht nachvollziehbar, wie Familie Köhler sich gerade fühlt.
Eine kleine Schar plakatetragender Demonstranten vor den Zirkuskassen genügt schon, um diese verhängnisvolle Spirale deutscher Verbotskultur in Gang zu setzen. Der donnernde Applaus von hunderten oder tausenden Menschen in den Zelten zählt nicht mehr. Obwohl letztere die wahren Tierfreunde sind. Denn sie tragen mit ihren Eintrittsgeldern mehr zum Wohlergehen der tierischen Artisten bei, als jeder Aktivist.
Kein Zirkusbesucher sieht gedemütigte und gequälte Tiere. Von Martin Laceys Löwen bis hin zu Klaus Köhlers Robby besteht die Kunst der Dressur in Wahrheit darin, die Tiere so zu zeigen, wie sie wirklich sind. Nicht antrainiertes, sondern natürliches Verhalten, nicht Duckmäusertum, sondern Persönlichkeit und Charakter, nicht Unterwerfung, sondern Stolz werden präsentiert. Wo kann man heute noch Kraft, Geschicklichkeit, Schnelligkeit, Schönheit und Eleganz wilder Tiere so hautnah erleben? Der Zirkus leistet hier Unverzichtbares, er allein verschafft den Menschen diese Momente.
Meine Bewunderung für wilde Tiere ist jedenfalls im Zirkus entstanden. Und es ist schön, auch meinem Kind dieses Erleben heute schenken zu können. Denn nur das Wissen um die Natur ermöglicht die Akzeptanz, das Verständnis und den Respekt, aus dem sinnvoller und notwendiger Naturschutz entstehen kann. Wer sollte denn dieses Wissen besser vermitteln können, als Elefant, Löwe und Schimpanse selbst? Nur die wenigsten von uns werden je die Gelegenheit haben, die Serengeti zu bereisen, um diese Tiere außerhalb der Gehege zoologischer Gärten zu erleben.
Die Tierlehrer meiner Kindheit brachten die Faszination der Wildnis zu uns, in unsere Herzen. Die Tierlehrer der Gegenwart bringen sie zu meinem Kind. Die „Erinnerungen an Circus Renz“ sollen auch für meine Enkel unvergänglich sein. Daher: Niemals Zirkus ohne Tiere!
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