Hussam Chaaban kam 1989 aus Srien und sagt, wir Neubürger versprechen Ihnen: Auch wir werden die deutschen Tugenden nie im Wohlstand ertrinken lassen! Und das nicht nur, weil sie auch unsere Lebensziele beschreiben, sondern weil dieses Land genau deshalb das Ziel unserer Wünsche war, weil wir in Deutschland – auch trotz mancher unserer Eigenarten - als Deutsche leben wollen. Lassen Sie es uns gemeinsam tun. Miteinander. Nicht gegeneinander.
Wohlstand verdirbt den Charakter, heißt es. Das gilt für alle Menschen, weiblich oder männlich, schwarz oder weiß, In- oder Ausländer. In seltenen Fällen paaren sich Wohlstand und Charakter. Und die Paarung zwischen Wohlstand und Charakter gebar dann den Gutmenschen. Ich denke aber, das wichtigste ist der Charakter – nicht der Wohlstand. Dennoch streben die meisten Menschen nach Wohlstand und kümmern sich weniger um den Charakter.
Daher wandern die Menschen dahin, wo sie den Wohlstand finden – das ist menschlich verständlich auch dann, wenn es nicht von jedem gern gesehen wird. Wenn nun aber zu viele Menschen zu viel von diesem einen Kuchen haben wollen, dann gibt es Kriege! Und das gilt umso mehr, wenn der Kuchen immer kleiner oder nur unter ganz wenigen aufgeteilt wird, wie es in vielen der Heimatländer der Wohlstandssuchenden der Fall ist.
So darf sich niemand wundern, dass Unzählige nach Europa kommen wollen. Und es ist verständlich, dass es viele gibt, die dieses zu verhindern suchen. Die Gegner der Einwanderung tun dieses aus ihrer Sicht aus guten Gründen – denn sie waren ja zuerst da und sind aus ihrer Sicht die „Macher“ dieses Wohlstands, an dem nun andere teilhaben wollen. Die Einwanderer hingegen sehen sich als Opfer von Kriegen und wirtschaftlicher Not. Daraus leiten sie ein Anrecht ab, sich von diesem Kuchen ein kleines Stück abschneiden zu dürfen. Das birgt Konflikte – und diese Konflikte sind seit dem vergangenen Sommer in Deutschland unübersehbar angekommen.
Deutschland und seine Tugenden
In Deutschland hört man sehr oft von den „deutschen Tugenden“ und viele „Patrioten“ meinen in vollem Ernst, dass diese dieses Land ausmachten. Doch blickt man sich in der Welt um, so findet man fast in jedem Land bei den Menschen ähnliche Eigenschaften. Trotzdem führt das in vielen Ländern nicht zu dem erhofften Fortschritt – und der Wohlstand, der Deutschland charakterisiert, bleibt ohnehin aus.
Aus meinen Erfahrungen in Syrien und in Deutschland behaupte ich, dass erst der Wohlstand überhaupt einem Land zum Fortschritt verhelfen kann. Natürlich gehört dazu ein wenig Glück. Und sei es nur, an einem Ort zu leben, an dem die Klimaverhältnisse so sind, dass niemand bereits all seine Kraft daran setzen muss, seine Familie halbwegs ernähren zu können; das einem deshalb alle Chancen bietet, mehr aus seinem Leben zu machen. Viele Faktoren machen ein Land wie Deutschland zu dem, was es ist. Die Bereitschaft der Menschen, für ihr Land und sich selbst zu arbeiten, ist nureiner davon.
Ein Land braucht die Gemeinschaft aller
Deutschland ist ein Ort, an dem die meisten Menschen verstanden haben, dass Staat Gemeinschaft bedeutet und nicht das Ausgeplündert-werden der Vielen durch die Wenigen. Ein solches Land braucht Kluge und Weitsichtige – und Skeptiker. Und es braucht auch die Gutmenschen, die naiv an eine bessere, gerechtere Zukunft – an das Gute im Menschen glauben.
Die Menschen, die heute nach Europa einwandern, bestehen wie die Deutschen selbst aus allen solchen Charakteren.Es kann also nicht wundernt, dass unter ihnen alles zu finden ist – von dem, was uns gefällt, bis hin zu dem, was uns nicht gefällt. Gerade deshalb sollten wir ihnen ein Angebot machen, wenn sie nicht – wovon es wie überall auch welche gibt – unsere Gesetze sträflich missachten. Das Volk in Deutschland war schon immer ein kunterbunt zusammengewürfeltes. Da kamen Franzosen und Polen, Schweden und Italiener, Spanier und Tschechen, Russen und Jugoslawen. Bei den meisten von ihnen erinnert gerade noch einmal der Name daran, dass in der Vergangenheit ihre Vorfahren den Weg aus der Not nach Deutschland fanden.
Deutschland braucht keinen falschen Nationalismus
Nicht nur wegen dieser gemeinsamen Geschichte benötigt Deutschland keinen ethnisch begründeten Nationalismus, muss es niemanden, der dazu gehören möchte, ausgrenzen. Denn der Kern der Deutschen, des Deutsch-Seins, ist eben nicht eine deutsche „Rasse“ oder ein autochthon deutsches Volk, sondern die Gemeinschaft derer, die in Deutschland leben und zusammen den Wohlstand schaffen, der Deutschland auszeichnet und auf dem wir gemeinsam den Fortschritt aufbauen.
Deutsch sein, das heißt vor allem, dazu gehören. Und dazu gehören wollen! Stolz zu sein darauf, was man gemeinsam geschaffen hat und künftig schaffen wird. Mir tut es jedes Mal schrecklich weh, wenn bei unseren Länderspielen einige Fußballnationalspieler die Hymne nicht mitsingen. Und ich spüre genau, dass sie zwar für Deutschland spielen, aber das „Deutsch-sein“ bei ihnen niemals richtig angekommen ist. Weil selbst ihnen dieses Deutsch-sein niemals bewusst überreicht, geschenkt wurde.
Die Einbürgerung als emotionalen Akt zelebrieren
Wer dazu gehören will und dazu gehören soll, der muss diesen Wandel vom Nicht-Deutschen zum Deutschen emotional spüren können. Es muss wie ein Aufnahmeritus ein symbolischer Akt sein, an den „der Neue“ sich sein Leben lang erinnern wird, weil er für ihn den entscheidenden Schritt in ein neues, in ein besseres Leben festmacht. Und das auch deshalb, weil viele dieser neuen Deutschen trotz ihrer Sehnsucht hart mit sich ringen mussten, ihre alte Heimat zu verlassen und die meistens über Generationen reichenden, alten Bindungen aufzugeben.
Zuwanderer stehen häufig innerlich unter starken, emotionalen Spannungen, denn sie wissen selbst dann, wenn ihnen am Ende eines bürokratischen Prozesses die Einbürgerungsurkunde übersandt (!) wird, nicht, ob das nicht vielleicht doch nur ein nichtsagendes Stück Papier ist – oder ob sie jetzt tatsächlich dazu gehören.
Deshalb plädiere ich dafür, jedem, die ein Anrecht auf die Staatsbürgerschaft erworben hat, in einem symbolischen, emotionalen Akt die Staatsbürgerschaftsurkunde persönlich zu überreichen. Die „Geburt“ als Deutscher sollte als nationale Angelegenheit zelebriert werden. Der Eingebürgerte muss diese neue Zugehörigkeit feierlich spüren und dabei versprechen, sie im Guten zu bewahren. Die Amerikaner haben schon lange erkannt, wie wichtig eine solche Zeremonie ist. Derjenige, der vom Geduldeten zum Neubürger wird, erhält seine Urkunde feierlich überreicht – und er schwört, die Verfassung der Vereinigten Staaten zu achten und zu verteidigen. Genau das sollten auch unsere neuen deutschen Bürger tun. Denn dann ist dieser Schritt für sie tatsächlich in seiner ganzen Tragweite erfahrbar, und das Geschenk der Einbürgerung wird erwidert werden.
Keine Angst: Wir stellen Deutschland nicht auf den Kopf
Manch sogenannter „Bio-Deutscher“ hat offenbar Angst, in Unterzahl zu geraten. Doch das liegt maßgeblich daran, dass er nicht nachvollziehen kann, die neuen Bürger als deutsche Bürger anzusehen. Auch ihm könnte die Symbolik einer wirklichen Zeremonie der Einbürgerung das sichtbare Zeichen geben: Hier ist einer, der zu uns gehören möchte. Und den wir nun als einen der unsrigen aufnehmen.
Wer dennoch fürchtet, wir, die deutschen Bürger, die einst aus fremden Länder hierher gekommen sind, um Deutsche zu werden, würden alles auf den Kopf stellen, denen möchte ich sagen: Die weitaus größte Zahl dieser neuen Bürger hat sich längst emanzipiert von Almosen. Wir sind in allen Bereichen des Lebens angekommen und ärgern uns wie Sie darüber, wenn die Steuerklärung mit Nachforderungen zurückgeschickt wird. Und wie Sie wissen wir trotzdem, dass auch hier die Fairness dazu gehört, niemanden besser oder schlechter zu behandeln, weil wir mit diesen Steuern unseren gemeinsamen Staat finanzieren und unsere gemeinsame Zukunft bauen.
Wir, die neuen Bürger dieses Landes, versprechen Ihnen nicht nur deshalb: Auch wir werden die deutschen Tugenden nie im Wohlstand ertrinken lassen! Und das nicht nur, weil sie auch unsere Lebensziele beschreiben, sondern weil wir verstanden haben, das dieses Land genau deshalb das Ziel unserer Wünsche war, weil wir in Deutschland – trotz unserer Eigenarten – wie Deutsche leben wollten. Lassen Sie es uns gemeinsam tun. Miteinander. Nicht gegeneinander.
Hussam Chaaban wurde 1968 in Homs/Syrien geboren und kam 1989 nach Deutschland. Heute arbeitet er als selbständiger Physiotherapeut gemeinsam mit seinem deutschstämmigen Partner in München.
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