Mit dem „Doppel-Wumms“ aus der Energiekrise?

Wie verzweifelt muss eine Bundesregierung sein, um ohne konkreten Plan einen 200 Milliarden Euro schweren Abwehrschirm zur Bekämpfung der Energiekrise anzukündigen? Oder: Wie viel Geld ist man bereit auszugeben, damit die Ampel-Regierung auch im Frühjahr noch im Amt ist? Von Alexander Eisenkopf

IMAGO / Political-Moments
Finanzminister Christian Lindner (FDP), Wirtschafts- und Klimaminister Robert Habeck (Grüne) und Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD), 4. Oktober 2022, Berlin

Wie verzweifelt muss eine Bundesregierung eigentlich sein, um ohne einen konkreten Plan einen 200 Milliarden Euro schweren Abwehrschirm zur Bekämpfung der Energiekrise anzukündigen? Wie viel Angst hat sie vor Protesten wütender Bürger im nächsten Winter? Oder um es zuzuspitzen: Wie viel Geld ist man bereit auszugeben, damit die Ampel-Regierung auch im Frühjahr noch im Amt ist?

Offensichtlich liegen in Berlin die Nerven blank. Niemand wird mit den Folgen des Krieges allein gelassen, ist das erneute Versprechen von Bundeskanzler Scholz, des Mannes, der den „Doppel-Wumms“ ausruft: „Die Preise müssen runter“, koste es, was es wolle.

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Statt einer Gaspreisumlage, die seit Wochen durch die Medien irrlichtert, kommt jetzt das Gegenteil: die Strompreisbremse und die Gaspreisbremse. Auch wenn Detailregelungen noch nicht beschlossen wurden – hier soll ein „Expertenrat“ konkrete Vorschläge machen –, zeichnen sich die Umrisse der Vollbremsung bei den Energiekosten ab. Sowohl für Strom wie auch für Gas wird für einen Teil des Verbrauchs ein ermäßigter und aus dem per Kredit neu aufzufüllenden Wirtschaftsstabilisierungsfonds subventionierter Preis gewährt, für den darüber liegenden Bedarf sind Marktpreise zu zahlen. Es bleibt auch bei der im Zuge der Gaspreisumlage geplanten Absenkung der Mehrwertsteuer auf Gas. Hierdurch sollen private Haushalte und Unternehmen vor „wirtschaftlicher Überforderung geschützt werden“, wie es im Papier der Bundesregierung heißt.

Die Regierung hat nichts begriffen

Ein derartiger Eingriff in Märkte mittels Preiskontrolle und Subventionen ist in der deutschen Nachkriegsgeschichte einzigartig. Wie auch die Kriegsrhetorik des Papiers der Bundesregierung bestätigt, befinden wir uns in einer neuerlichen Eskalation eines Wirtschaftskriegs, in dem marktwirtschaftliche Überzeugungen völlig obsolet werden, wenn sie denn überhaupt je vorhanden waren.

Vielleicht glaubt man wirklich, mit der Metapher des Abwehrschirms die Märkte und die Bürger zu beruhigen und ein Signal zu setzen, dass Deutschland trotz zukünftig ausfallender Gaslieferungen Russlands handlungsfähig ist. Im Sinne des berühmt-berüchtigten „Whatever it takes“ wird mit der Energiepreisbremse ein gigantischer Rettungsschirm für deutsche Verbraucher und Unternehmen ausgespannt – und ein Selbstbedienungsladen für die Energieanbieter eröffnet, da die Nachfrage hoch bleibt und höhere Preise dank der Subventionen sogar leichter durchsetzbar sind.

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Gaspreisbremse: Habecks Vorschläge sind nicht machbar
Die Rettung wird aber so nicht gelingen. Kein Kubikmeter Gas fließt wegen der Preisbremse zusätzlich durch deutsche Gasleitungen. Zentraler Punkt eines wirksamen Signals an die verrückt spielenden Gas- und Strommärkte wäre eine bedingungslose Kehrtwende in der Energiepolitik gewesen: Der politisch unterstützte schnelle Einstieg in die eigene Gasförderung mittels Fracking, Aussetzung des Braunkohleausstiegs, dauerhafter Weiterbetrieb der letzten drei Atomkraftwerke und das glaubhafte Signal, Kernkraft auch langfristig als Backup-Option im Zuge des Ausbaus der Erneuerbaren zu akzeptieren.

Stattdessen wird gebetsmühlenartig das Mantra des Ausbaus der erneuerbaren Energien betont und der Ersatz ausfallender russischer Gaslieferungen durch ein „neu erschlossenes“ LNG-Gasangebot verkündet. Anscheinend haben die handelnden Personen immer noch nicht verstanden, dass der Putin’sche Angriffskrieg in der Ukraine die Illusionen der deutschen Energiewende wie Luftballons hat zerplatzen lassen.

Die Illusion der Gaspreisbremse

Wenn kein zusätzliches Gas kommt, ist Sparen angesagt. Wie die großen deutschen Wirtschaftsforschungsinstitute am gleichen Tag in ihrer Gemeinschaftsdiagnose festgestellt haben, müssen mindestens 20 Prozent Gas eingespart werden, damit wir 2023 nicht in einer säkularen Wirtschaftskrise mit einem BIP-Einbruch von bis zu 8 Prozent landen. Das wäre der GAU für Deutschland. Auch der Chef der Bundesnetzagentur nennt ein solches Sparziel und redet offen über mögliche Gasrationierungen.

Bereits die Ankündigung der Energiepreisbremse unterminiert aber die Bereitschaft zum Sparen. Der Appell der Bundesregierung an Unternehmen und private Haushalte, den Energieverbrauch zu senken, wird weitgehend wirkungslos verhallen, wenn für bis zu 80 Prozent des Bedarfs der Preismechanismus außer Kraft gesetzt wird. Die Erwartung, dass mit einem „Bedarfsdeckel“ gleichzeitig die Betroffenen entlastet und Preissignale gesetzt werden können, ist fatal und bleibt eine Illusion. Außerdem werden mit einer solchen Lösung in der Breite auch zahlreiche Haushalte entlastet, welche die höheren Gaspreise grundsätzlich verkraften könnten. Solange sich während der Ferienzeit noch lange Schlangen an den Flughäfen bilden, scheint eine flächendeckende Alimentierung der Strom- und Gaskunden der falsche Weg.

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Zwar steht außer Frage, dass angesichts der aktuell verfahrenen Gemengelage tatsächlich bedürftige („vulnerable“) Haushalte, die höhere Gaspreise allein nicht bewältigen können, unterstützt werden müssen. Pragmatismus schlägt hier Prinzipienreiterei. Dazu hätten sich allerdings monetäre Transfers in Form eines zeitlich begrenzten und gegebenenfalls am Einkommen orientierten „Energiegelds“ als weniger plan- und kriegswirtschaftliche Lösung angeboten. Sowohl für Haushalts- wie auch für Industriestrom wäre eine Aussetzung der überbordenden Steuern und Umlagen das Instrument der Wahl gewesen. Diskussionswürdig ist sicher auch die Idee, Haushalte mit gezielten Prämien zu Einsparungen zu ermuntern.

Darüber hinaus ist auch ziemlich unwahrscheinlich, dass mit der Gaspreisbremse wirksam die Inflation bekämpft werden kann, wie die Bundesregierung meint. Die massiven Subventionen erhöhen die Kaufkraft der Bevölkerung und dürften in der aktuellen wirtschaftspolitischen Situation die Inflation sogar weiter anheizen, was insbesondere untere Einkommensgruppen trifft.

Die Illusion vom Wohlstand auf Pump

Auch wenn wir in dieser Situation „einig und solidarisch“ zusammenstehen, wird es der Politik nicht gelingen, mit dem geplanten Abwehrschirm die Folgen historischer energiepolitischer Fehlentscheidungen wettzumachen. Knappe Ressourcen vermehren sich nicht durch einen Preisdeckel; mit Preiskontrollen und Subventionen kann die wirtschaftliche Substanz unseres Wohlstandes nicht erhalten werden, wie die Bundesregierung es glauben zu machen versucht: Es bleibt ein hilfloser Versuch, die Illusion von Wohlstand auf Pump aufrechtzuerhalten. Die zahlreichen Menetekel eines sinkenden Wohlstands werden aber derzeit schneller als gedacht Realität, und die Folgen einer verfehlten Energiepolitik spätestens dann spürbar, wenn es zu den absehbaren Rationierungen von Strom und Gas kommt.


Professor Dr. Alexander Eisenkopf leitet an der Zeppelin-Universität Friedrichshafen den Lehrstuhl für Wirtschafts- und Verkehrspolitik.

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Kommentare ( 41 )

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RA.Dobke
2 Jahre her

Es ist falsch von früheren politischen Fehlentscheidungen zu sprechen, es ist richtig, von heutiger politischer Fehlentscheidung zu sprechen, wenn WIR selbst den seit dem WK II verläßlichen Energiepartner, Garant für den Erfolg unserer Wirtschaft und des Wohlstands unserer Gesellschaft in einen Wirtschaftskrieg mit uns gebracht haben. Er war sogar über den 24.02.22 verläßlicher Wirtschaftspartner und hielt sich an Verträge, So, wie es sich unter Vertragspartnern gehört! Unsere Sanktionen haben sich gegen uns selbst gerichtet und sind nun das, was man in Militärkreisen „friendly fire“ nennt! Weg mit den Sanktionen und wie die OPEC und unsere Nato- und EU-Partner gehen wir… Mehr

Eberhard
2 Jahre her

Warum melden sich die meisten Experten erst jetzt, wo die Folgen und Auswirkungen immer mehr unsere Wirtschaft und sozialen Frieden gefährden? Alles was von dem, was diese Energiekrise auslöste, wurde politisch seit Jahren angekündigt, vieles bereits in Gesetzen und Verordnungen umgesetzt und von Politik, Medien und einem unbedarften Wahlvolk unterstützt. Wenn schon dem fachlich unkundigen Teil des Wahlvolkes diese zerstörende Ideologie verborgen blieb, die Fachwelt und unsere angeblich hochgebildete Elite hätten über die Folgen und Gefahren aufklären müssen. Selbst heute, wo die Folgen schon enorme negative Wirkung auf die Wirtschaft und die privaten Haushalte entfalten, gehört eine fachliche Auseinandersetzung und… Mehr

Alf
2 Jahre her

Wie viel Geld ist man bereit auszugeben, damit die Ampel-Regierung auch im Frühjahr noch im Amt ist?
Falsche Frage.
Was sparen wir, wenn die Ampel sofort alle Ämter verliert?

Mausi
2 Jahre her

Lt. Nachrichten sind 200 Mrd. EUR überholt. Der Betrag lag bei 285 oder gar 295 Mrd. EUR nach den Nachrichten, die ich heute auf BR Klassik gehört habe.
Sparen: Die gasintensiven Unternehmen haben ihr Sparziel ja wohl erfüllt, indem sie aufgehört haben zu produzieren. Als nächsten Schritt sollten sie komplett aufhören, ohne Insolvenz anzumelden. Insolvenzen sind schlecht für die Statistik. Aufhören ist viel besser. Wird ja vielleicht demnächst finanziell unterstützt? So wie bei RWE über die Enteignung mit nachgelagertem Schadenersatz aus Bürgermitteln.

Last edited 2 Jahre her by Mausi
Kampfkater1969
2 Jahre her

Die Richtung ist meiner Meinung nach abgesteckt, warum auch immer wir da gelandet sind, wo wir jetzt sind, stellt sich für mich die Frage: Wo werden wir rauskommen. Ich bin Unternehmer und zahle inzwischen für meine Investitionen den doppelten Preis des Jahres 2018 mit weiter steigender Tendenz. Wie kann man sich der anhaltenden Inflation entziehen. Ich bin Gott sei dank in der Lage mir leider solche Gedanken machen zu müssen. Da ich im Alter auf mein eigenes Vermögen angewiesen sein werde, sollte es in 15 Jahren auch ncoh werthaltig sein. Immobilien? Solange Pacht oder Miete bezahlt werden kann, geht es.… Mehr

JamesBond
2 Jahre her

Blödsinn, das einfachste wäre Steuern und Abgaben auf Energie komplett zu streichen, dann bin ich bei Sprit bei 70 Cent/l und bei Strom und Gas auch wieder massiv billiger – nur die Abzocke entfällt und die Politclowns sind demaskiert!

Cubus
2 Jahre her

Er soll ja ganz blass gewesen sein auf seinem Rückflug aus den Staaten.
Das war unwürdig und zeigt, dass die Amerikaner derzeit auch über die Leichen ihrer Verbündeten gehen.
Alles wird in Stellung gebracht für den Pazifikkrieg.
Eine Pipeline gibt es ja noch, wird spannend.

JamesBond
2 Jahre her

Regenerative Energie kann zeitweise bestimmte Anteile am Strommix einnehmen, aber eben nicht dauerhaft und der Anteil am Gesamtenergiebedarf unserer Volkswirtschaft wird immer klein bleiben – auch nach 2030 – außer wir werden alle Kartoffeln anbauen, natürlich ohne Maschinen, nur mit der Hacke – sonst tut das nicht.
Kann eine Regierung so blöd, bekifft oder besoffen sein? Viva Italia! Viva Meloni!

s.Braun
2 Jahre her

Das wird die kürzeste Regierung seit Bestehen der Bundesrepublik – nur in der Weimarer Rep. gab es die ein oder andere, die nur wenige Monate gehalten hat. Wenn nicht schon diesen Winter, dann spätestens im Frühjahr werden diese Dilletanten aus dem Bundestag gefegt werden. Falls das nicht eintreffen sollte, muß ich mich wohl oder übel damit abfinden, daß viele meiner Mitbürger gänzlich verblödete Lemminge sind !

GefanzerterAloholiker
2 Jahre her

Die Verlautbarungen der Regierung sind populistischer Quatsch mit Soße. Es stand von 1992 in der NYT, dass die USA eine Emanzipation der EU für einen casus belli halten. Deshalb stand es dort. Und Scholz kann gar nichts. Der ist ein Krämer. In den USA haben sie ihm gesagt, er ist mitsamt Deutschland ein Militärprotektorat und sie werden die Pipeline sprengen. Jetzt meint er, er könne mit der runtergewirtschafteten Vielvölkerregion (ehemals Deutschland) etwas anstellen. Quatsch mit Soße. Wir reden hier von der wirtschaftlichen Vernichtung Deutschlands. Er wäre gut beraten, dass russische Gas sofort zu nehmen und auch aus der NATO auszutreten.… Mehr

Last edited 2 Jahre her by GefanzerterAloholiker