Ab Oktober kontrolliert Microsoft automatisiert alles, was Sie mit ihrem Windows-Computer anstellen

Wenn Sie sich als Microsoft-Kunde bei ihrer Nutzung von Produkten des Quasi-Monopolisten nicht an einen vagen Verhaltenskodex halten, kann Ihnen bald das Konto gesperrt werden - und Sie verlieren Zugriff auf alle bezahlten oder kostenlosen Dienste und ihre dort gespeicherten Daten. Regress gibt es auf Basis von Gutdünken durch Microsoft. Von Norbert Häring

IMAGO

Laut dem neuen „Servicevertrag“ von Microsoft gilt: „Schwere oder wiederholte Verstöße gegen unsere Richtlinien (…) können zur Sperrung des Kontos führen. Manchmal kann eine Sperrung dauerhaft sein. Bei einer dauerhaften Sperrung verliert der Besitzer des gesperrten Profils alle Lizenzen, Abonnements, Mitgliedszeiten und Microsoft-Kontoguthaben.“

Man darf dagegen Widerspruch bei Microsoft einlegen. Viele der erwähnten Regelbrüche sind kriminelle Handlungen, von Kinderpornographie bis Phishing. Aber es gibt eben auch Begriffe im Verhaltenskodex, von denen wir gelernt haben, dass sie extrem dehnbar sind, wie „Hassrede“ und „anstößig“. Viele bezeichnen es inzwischen bereits als Hassrede, wenn die Regierung, oder eine Person einfach nur kritisiert wird. Auch mit dem Urheberrechtsschutz kann man relativ leicht in Konflikt kommen, ohne kriminell veranlagt zu sein.

Microsoft verspricht, nur verhältnismäßige Strafen bei schweren und wiederholten Verstößen zu verhängen. Aber in dem Regelwerk steht nichts, was eine halbwegs glaubwürdige Garantie bieten würde, dass nicht genau dasselbe passiert, wie bei den sozialen Medienplattformen Facebook, Instagram, Twitter und Co. Dass diese nämlich unter dem Druck der Regierungen viel zu viel zensieren, blocken und regelmäßig über ihre diesbezüglichen Bemühungen berichten. Oft wird wegen kleinster oder nicht nachvollziehbarer Vergehen auf völlig intransparente Weise zensiert, blockiert und gekündigt, bevorzugt gegen Kritiker der Regierung und internationaler Organisationen wie der WHO und Abweichler von deren Narrativ.

Einladung zum Machtmissbrauch

Die Plattformen haben sogar spezielle Seiten für die Regierungen eingerichtet, über die diese ihre Zensurbegehren privilegiert übermitteln könnten. Offenkundig wurde und wird dem oft nachgekommen. Das ist auch bei Microsoft unter diesem Service-Vertrag ohne weiteres möglich und vielleicht sogar zu erwarten.

Das Praktische für Regierungen: Sie brauchen einem aufmüpfigen Künstler oder Autor kein kriminelles Fehlverhalten mehr nachzuweisen, wenn sie ihn oder sie zum Schweigen bringen wollen. Es reicht, Microsoft darauf hinzuweisen, dass einer der Gummiparagraphen des „Servicevertrags“ angeblich verletzt worden sei. Diese Möglichkeit ist auf der Netzseite zur Durchsetzung der Regeln sogar ausdrücklich angesprochen (übersetzt):

„Wir nutzen Berichte von Nutzern, Behörden und vertrauenswürdigen Hinweisgebern, die uns auf mögliche Richtlinienverstöße aufmerksam machen.“

Klar muss ein Unternehmen reagieren, wenn eine Behörde auf fortgesetztes kriminelles Verhalten unter Nutzung seiner Produkte hinweist. Aber warum sollte ein Unternehmen speziell Regierungen und Behörden einladen, es auf Verletzungen seiner eigenen, weit darüber hinausgehenden Richtlinien hinzuweisen?

Das ist eine offene Einladung zum Machtmissbrauch. Warum sollte Microsoft sich mit einer Regierung anlegen, die ihr privilegiertes Recht Zensur vorzuschlagen, missbraucht, warum im Einzelfall auf einer anderen Einschätzung beharren? Eine Regierung, zumal eine mächtige, kann dem Unternehmen sehr viel mehr Ärger machen als eine Kundin mit unfair gesperrtem Account.

Als aktuelles Beispiel möge die geharnischte Antwort der sozialen Medienplattform Rumble an das britische Parlament dienen, von dem sie einen Brief mit der Frage erhalten hatte, ob und wann sie die Inhalte des mit Vorwürfen sexuellen Fehlverhaltens konfrontierten regierungskritischen Entertainers Russell Brand demonetarisieren würde, so wie es die Google-Tochter Youtube gleich bei Bekanntwerden der Vorwürfe getan hatte. Rumble erinnerte das Parlament an die Unschuldsvermutung bis zu einer gerichtlichen Verurteilung als zentralen Pfeiler des Rechtsstaats. (Demonetarisieren bedeutet, dass keine Werbung geschaltet werden kann.) Auch Tiktok und andere Plattformbetreiber erhielten den Brief des britischen Parlaments.

Vage Regeln öffnen Tor zu Willkür

Schon das Generieren von Nacktdarstellungen ist ein Bruch des Microsoft-Verhaltenskodex. Aktmalerei, Aktfotografie, das Posieren von Liebespaaren füreinander, das alles kann zur Accountsperrung führen. Es reicht dem Wortlaut nach auch, anstößige Sprache nur zu generieren, man muss sie nicht einmal verbreiten.

Offenbar gibt es keine Selbstverpflichtung von Microsoft, Sanktionen zu begründen. Das Unternehmen kann also agieren, wie es bei den sozialen Medienplattformen und Finanzdienstleistern wie Paypal seit längerem gang und gäbe ist. Da wird ein Nutzerkonto einfach mit dem Hinweis auf nicht näher bezeichnete Regelverletzungen gesperrt und der Kunde kann raten warum und wie er am besten dagegen Widerspruch einlegt. Man denkt dabei unwillkürlich an Kafkas Josef K., der ohne Anklage von den Behörden verfolgt und sanktioniert wird, und beim Versuch, sich zu verteidigen, ständig ins Leere läuft.

Automatisierte Totalüberwachung

Auf einer vom Servicevertrag aus verlinkten Seite zu den „Durchsetzungsprozessen“ erfährt man (übersetzt):

„Bei Microsoft verwenden wir eine Kombination aus automatisierter Technologie und geschulten menschlichen Prüfern, um Inhalte oder Verhaltensweisen, die gegen unsere Bedingungen und Richtlinien verstoßen, zu finden und dagegen vorzugehen. (…) Wir verwenden Hashes [digitale Prüfsummen; N.H.] von bekannten illegalen und schädlichen Inhalten. Wir verwenden auch unsere eigene Technologie und Klassifikatoren, um schädliche Inhalte zu finden, die über unsere Dienste verbreitet werden.“

Man nutze Maschinenlernen, wie zum Beispiel text-basierte Klassifikatoren, um zum Beispiel Hassrede aufzuspüren, die jemand auf seinem Microsoft-Textverarbeitungsprogramm generiert haben könnte und die dann, wie inzwischen kaum noch zu vermeiden, in der Microsoft-Cloud abgelegt wurde. Wenn sogar die Berliner und andere Staatsanwaltschaften unverständig oder willkürlich genug sind, gegen Künstler und Autoren wegen Nazi-Verherrlichung vorzugehen, weil sie Faschismus und Nazis kritisch zitieren, wollen wir dann wirklich einer künstlichen Intelligenz und irgendwelchen unterbezahlten Moderatoren in Indien vertrauen, dass sie schon richtig einordnen, ob jemand ein Hassrede-Zitat ernst, kritisch oder ironisch gemeint hat?

Fazit

Da Microsoft alle in seiner Cloud gespeicherten Nutzerdaten ständig automatisiert durchforstet, sind Nutzer einer hochentwickelten, fast allumfassenden Überwachungsinfrastruktur ausgesetzt, die anhand ihrer vielen Daten ständig weiterentwickelt und dabei immer komplexer und undurchschaubarer wird. Sie haben keinerlei Handhabe zu prüfen, wonach die Algorithmen suchen, welche Muster sie zusammenfügen und speichern. Für die Geheimdienste und Behörden ist eine solche Überwachungsinfrastruktur natürlich ein gefundenes Fressen.

Ich persönlich nutze deshalb schon länger ein Linux-Betriebssystem und – soweit ich weiß – keine Microsoft-Produkte. Wenn ich mich besser mit Computern auskennen würde, würde ich eine Anleitung geben. Aber mit etwas Herumfragen sollte fast jeder jemand finden können, der beim Abschied von Microsoft helfen kann.

Dieser Beitrag ist zuerst bei Norbert Häring erschienen.

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Kommentare ( 149 )

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WandererX
1 Jahr her

Wenn Europa so blöd und bequem ist, sich den Ami- Konzernen völlig auszuliefern, muss man eben die Folgen tragen.

Timur Andre
1 Jahr her

Die Dienen nur der USA, was glauben Sie ist der Zweck des WEF? Resourcensicherung für die USA, nicht weniger.
Einige Länder haben es erkannt und sind ausgebrochen, wer das ist, kann sicher jeder reimen.

Timur Andre
1 Jahr her

Linux Mint (Cinnamon) auf meinen Laptops seit dieser Woche, dann mein Telefon de-Googled.
Etwas umständlicher, aber es geht, ich bereite für mich zumindest diesem Spuk ein Ende.

Ralf Poehling
1 Jahr her

Das ist ja der Trick bei Agenten: Die täuschen im Netz eine stinknormale Identität vor und erledigen alle kritischen Aufgaben außerhalb des Netzes. Und wenn man dann im Netz nach dieser Person schaut und sie anhand der dortigen Informationen beurteilt, denkt man, diese Person ist harmlos. Genau in diese Falle tappen die Dienste, die zu sehr am Internet hängen. Was den Rest betrifft: Das Problem hat man nicht nur bei Windows. Gerade Smartphones ohne Windows sind genauso betroffen. Oder denken Sie an Alexa. Und selbst Linux ist nicht sicher. Infiltrieren kann man alles. Aber das ist nicht auf dem Mist… Mehr

Waldorf
1 Jahr her

Wie beim ÖRR geht es um statistisch relevante Kontrolle. Sie mag als „erfolgreich“ gelten, wenn 50% + X am Gängelband geführt werden können. Solche, die klug genug sind, zb Tichy zu lesen oder auf Linux umzusteigen, also sich von MS (Facebook, Amazon etc) zu verabschieden, sind (noch) sehr kleine Gruppen. Wer genug Geld hat und sich verschiedene Geräte für verschiedene Nutzungen leisten kann oder nicht an der eigenen Bequemlichkeit scheitert, kann viele Querinformationen über sein „Nutzungsverhalten“ verhindern. Spätestens seit Snowden ist bekannt, dass alle großen Software-Konzerne der USA Hintertüren haben müssen und deren Geheimdienste faktisch auf jeden Inhalt der Endgeräte… Mehr

Christoph Schneegans
1 Jahr her

Die Behauptung in der Überschrift ist reißerisch und absurd. Microsoft räumt sich mit diesem Servicevertrag gerade nicht das Recht ein, Windows-Computer zu „kontrollieren“. Die Begriffe „Windows“, „Computer“ oder „PC“ kommen denn auch im Artikel gar nicht mehr vor.

Michael Palusch
1 Jahr her

Zwei Abende für Linux? Sie belieben zu scherzen!
Ich habe zwei Regalreihen Linuxbücher durchgearbeitet, aber würde mir trotzdem nicht anmaßen, mich Linux-Profi zu nennen.
„Wer für Office-Anwendungen Microsoft noch viel Geld in den Rachen wirft (am besten noch mit Abomodellen), dem ist sowieso nicht mehr zu helfen.“
Ich gestehe:
Seit Corona bin eich ein großer Excel-Fan.
Kein mir bekanntes OSS Office Programm erlaubt(e) es, die täglich veröffentlichten RKI-Rohdaten des „Infektionsgeschehens“, zum Ende der „Pandemie“ war der Datensatz über 1GB groß, auszuwerten und grafisch darzustellen.
Das kann, so schwer mir dieses Eingeständnis auch fällt, nur MS-Excel.

W aus der Diaspora
1 Jahr her

ok, gegen Windows als Betriebssysten kann ich nix machen. Da trau ich mich nicht ran. Aber ansonsten nutze ich Firefox, Thunderbird und OpenOffice. Meines Wissens nach alles nicht Microsoft.

LadyGrilka55
1 Jahr her
Antworten an  W aus der Diaspora

Das ist wohl in der Tat alles nicht Microsoft, aber letztlich weiß man nie, was ein Betriebssystem, das aus Millionen Zeilen von Programmcode besteht, so alles an Überraschungen auf Lager hat.

Microsoft OneDrive kann man deinstallieren, ich habe es sowieso noch nie genutzt. Grundsätzlich speichere ich nichts in irgendwelchen Clouds, weil man nie weiß, wer da alles Zugriff hat.

Ich überlege derzeit, ob ich mir Linux in der Variante Ubuntu, die als userfreundlich gilt, als Zweitsystem auf meinem PC installiere. Viele Programme, die ich nutze, gibt es auch für Linux.

Der Michel
1 Jahr her
Antworten an  LadyGrilka55

Ich hatte Ubuntu einige Zeit installiert – nachdem es aber öfter passiert ist dass Kopiervorgänge von der HD auf einen USB-Stick zwar als abgeschlossen angezeigt wurden, aber eben doch nicht vollständig waren, und nachdem mir das System zwei- oder dreimal abgestürzt war habe ich zu Win-10 zurück gewechselt, ohne irgendwelche wolkigen Speicher zu nutzen (so weit ich weiß). Wohl ist mir nicht, aber Pannen wie bei Ubuntu hatte ich bei einem aktuellen Windows zumindest in den letzten Jahren nur eine.

Ralf Poehling
1 Jahr her

In der Tendenz ist der Artikel richtig. Das Problem ist nicht Microsoft, auch nicht X, Facebook oder wer auch immer. Das Problem ist, ich muss das jetzt so hart sagen, die strategische Auslegung des US Sicherheitsapparates bei der Gewinnung von Informationen durch die Gängelung bzw. Anzapfung der US IT Branche. Die betreiben seit 9/11 eine permanente (mittlerweile) anlasslose(!) Rasterfahndung über sämtliche digitale Kanäle. Nicht nur, dass so sämtliche Nutzer weltweit andauernd unter Beobachtung stehen, ohne dass es juristisch dafür auch nur irgendeine Rechtsgrundlage außerhalb der USA gäbe, nein, das Schlimmste daran ist etwas anderes: Zuallererst lässt sich diese Dauerüberwachung völlig… Mehr

LadyGrilka55
1 Jahr her
Antworten an  Ralf Poehling

„Das Problem ist, ich muss das jetzt so hart sagen, die strategische Auslegung des US Sicherheitsapparates bei der Gewinnung von Informationen durch die Gängelung bzw. Anzapfung der US IT Branche.“

Das mag so sein. Ich sehe sowieso alles als ein Problem an, das mit der US-Regierung, den NeoCons usw. zu tun hat.

Inwiefern Microsoft tatsächlich kein Problem ist, ist zumindest zu hinterfragen. Bill Gates jedenfalls ist mit Sicherheit eines, denn über die „Bill und Melinda Gates Stiftung“ hat der Mann so ziemlich überall seine Finger drin, wo es sich irgendwie für ihn und seine Machtambitionen lohnen könnte.

Ralf Poehling
1 Jahr her
Antworten an  LadyGrilka55

Alles was hier läuft, hat seine Ursache im Zusammenbruch des Ostblocks und dem entstandenen Machtvakuum. Das versucht der fundamentale Islam zu füllen. Denken Sie an Jugoslawien und das Kosovo. Die haben schnell gemerkt, wie sie uns anfassen müssen, damit sie bei uns damit durchkommen.
Die Mischung aus dem Fokus auf Geld und Mildtätigkeit bei uns, wird von denen knallhart ausgenutzt. Es gibt eine direkte Linie vom Kosovokrieg zu 9/11 zum Umsturz in der Türkei und zu den Flüchtlingsströmen.
Bill Gates hat damit nullkommanix zu tun.

evaundadam
1 Jahr her

1. Bei Microsoft Konto abmelden. 2. Nie die Cloud von Microsft benutzen. 3. Nie die Standardeinstelungen benutzen. 3. Alle Datenschutz und Zugriffsregeln überprüfen und Berechtigungen abschalten. 4. Nie den Explorer vom Microsoft benutzen. Anweisungen für all das finden sich zuhauf im Netz. Wenn nicht über google chrome dann über opera oder brave oder.. 5. Nie kostenlose Cloud Speicher von google, apple, Microsoft für Daten, Photos benutzen, die man wirklich privat haben will. Proton aus der Schweiz ist z.B. ein ziemlich sichere Cloud Speicher. 6. VPN benutzen. Sind das nicht die Basics für die Benutzung jedes elekronischen Gerätes? Schließlich und endlich:… Mehr