Legitim handelt, wer Grenzen setzt

Der CDU-Parteitag hat Deutschland erneut zum offenen Land erklärt. Die Massenmigration wird zwar an den Grenzen logistisch besser organisiert - aber die Probleme wachsen im Landesinneren.

Die Menschenrechte sind zweifellos eine wichtige Rechtsquelle. Es liegt in ihrer auf „die Menschen“ bezogenen Natur, dass sie gar nicht anders als universell formuliert sein können. Menschenrechte „nur für Deutsche“, „nur für Chinesen“ machen keinen Sinn. Aber wenn es um den dauernden Aufenthaltsort von Menschen und dessen Veränderung durch Migration geht, sind die Menschenrechte keineswegs die einzige Rechtsquelle. Hier ist eine zweite große Rechtsquelle berührt: das Völkerrecht. Das Völkerrecht beruht auf Begriffen Staat, Staatsvolk, Staatsgrenze. Sie billigt den staatlichen verfassten Völkern die souveräne Entscheidung darüber zu, ihre Grenzen zu schützen und Erweiterungen des Staatsvolks zuzulassen oder nicht. Im konkreten Fall großer Krisen, Kriege und Katastrophen ist also immer eine Abwägung zwischen den beiden, voneinander unabhängigen Rechtsquellen „Menschenrecht“ und „Völkerrecht“ vorzunehmen. Deshalb sind Regelungen, die Flüchtlinge auf die nächstliegenden sicheren Staaten verweisen legitim; ebenso ist es die Einschränkung ihrer Freizügigkeit im Aufnahmeland (durch Lager). Deshalb kann es bei einem übermächtigen, dauerhaften Zustrom auch legitim sein, eine jährliche Obergrenze festzulegen – aus dem legitimen Rechtsgrund der Selbsterhaltung. Und eins ist dabei wichtig: Die Entscheidung, ob ein solcher Fall der Selbsterhaltung vorliegt, wird nicht von internationalen Gremien getroffen, sondern sie liegt bei dem jeweiligen Land. Die Festlegung einer zahlenmäßigen Obergrenze ist also nicht nur ein Akt des Realismus, sondern auch ein völkerrechtlich zulässiger Akt.

Es gibt kein Menschenrecht auf Migration.

Gewiss gibt es eine Universalität der Menschenrechte, aber es gibt kein universelles Recht der Menschen, sich durch Einwanderung in ein anderes Land Zugang zu diesen Rechten zu verschaffen.

Die Geschichte vom eintausendundersten Menschen

Also Obergrenzen. Oder Kontingente. Oder wie man sonst nennen will. Sind wir damit am Ziel? Nicht ganz, denn schon wird eine Geschichte erzählt, mit der sich alles wieder in heiße Luft auflöst. Am 22.November durfte Herr Altmaier im „Bericht aus Berlin“ die Kontingente als neue Lösungsidee vorstellen. Und dann kam die Frage: Was geschieht an der Grenze, wenn das Kontingent voll ist? Was geschieht mit dem „eintausendundersten“ Menschen? Wird er zurückgewiesen? Tja, hmm, sagte da der große Koordinator, so dürfe man das nicht verstehen. Denn bei diesem Menschen Nr.1000 + 1 könnten ja ein besonderes Schicksal vorliegen. Und nur wenig später war von Frau Klöckner zu hören: „Wenn da noch einer vor unser Haustür steht, dann gebietet es die Humanität, ihn aufzunehmen.“ Aha. Damit wären die Vorschläge „Obergrenze“ und „Kontingente“ letztlich doch nur eine Farce, denn man hält ja noch zusätzliche Zugangswege bereit. Wenn man die Plus-Eins-Regel akzeptiert, bleibt die Zuwanderung nach Deutschland eine grenzenlose Geschichte.

Zugegeben, die Haustür-Geschichte lässt niemand kalt. Wir stellen uns einen einsamen, erschöpften Wanderer vor, der bei Nacht und klirrendem Frost an unsere Tür klopft. Wer würde in so einer dramatischen Situation „Nein“ sagen? Allerdings ist diese Geschichte auch eine abwegige Geschichte, die mit dem, was politisch zu entscheiden ist, nichts zu tun hat. Politik muss allgemeinverbindliche Normen setzen. Deshalb ist es hier durchaus kein Verstoß gegen die Menschlichkeit, wenn dem Bürger zugemutet wird, dass er keinen Platz bekommt und zurückstehen muss. Zum Beispiel, wenn die Operationstermine im Krankenhaus im laufenden Monat erschöpft sind. Oder die Termine beim Einwohnermeldeamt. Man verlangt vom Bürger Anpassung, wenn in einem Fach nicht genügend Studienplätze oder in der Bahn nicht genügend Sitzplätze zur Verfügung stehen. Es gibt auch keine Plus-Eins-Regel, wenn der letzte Tag zur Abgabe einer Bewerbung oder zum Bezahlen der Steuern verstrichen ist.

Es geht um Gemeingüter und Gemeinwohl

Die Bürger sind durchaus bereit, solche Obergrenzen, die ohne Ansehen der Person gelten, zu akzeptieren. Das hat seinen guten Grund. Bei den Fällen, die oben beispielhaft aufgezählt wurden, geht es um Gemeingüter. Gemeingüter müssen vor Übernutzung geschützt werden. Oder vor Schwarzfahrern, die ohne eigenen Beitrag die Gemeingüter nutzen. Die Gemeingüter sind den Politikern von den Bürgern treuhänderisch anvertraut, damit diese sie vor Missbrauch zu schützen. Dafür sind exakte und strikte Grenzen unabdingbar – seien es nun zahlenmäßige Obergrenzen, Kontingente, zeitliche Fristen oder territoriale Grenzlinien. Seit der klassischen Diskussion über die Commons (im Deutschen teilweise durch den Begriff „Allmende“ erfasst) weiß man: Politik ohne strikte Grenzen ist keine Politik. Die Geschichte vom eintausendundersten Menschen ist eine zutiefst politikfremde Geschichte.

Es ist eigentlich unfassbar, dass angebliche Berufspolitiker im Angesicht einer Migrationswelle von historischen Ausmaßen solche naiven Haustür-Geschichten erzählen. Denken sie wirklich, vor einem Volk zu stehen, das sich so leicht ablenken lässt?

Der Eiertanz um die Obergrenze zeigt eine politische Klasse, die bis in ihre tiefsten Reflexe hinein völlig vom „Verteilen“ und „Begleiten“ besetzt ist. So hat sie sich zu einem merkwürdigen Sondermilieu verkapselt, das überall dabei ist und doch nirgendwo Halt bietet. Auf dem SPD-Parteitag war das mit Händen zu greifen. Wer mag noch hoffen, dass es bei der CDU anders ist?

Dieser Beitrag ist auf Achse des Guten erschienen.

In der Reihe „Migrationsmythos“ von Gerd Held sind bisher erschienen:

Teil 1 – Flüchtlinge: Die Diktatur des Rettens >>>

Teil II – Flüchtlingskrise: Der Inbegriff des Bösen – die Abschiebung >>>

Teil III – Die Grenzlüge: Merkel flieht die Wirklichkeit >>>

Teil IV – Wild Migration: Wer Grenzen stürmt, wird nirgendwo heimisch werden >>>

Teil V – Integration – Die falsche regulative Idee >>>

Teil VI – Afrika-Migration: Lernen von Frankreich >>>

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