Kommunalpolitik und Windgeschäft

Der Landkreis Osnabrück als Vorhabenträger und Genehmigungsbehörde beim Ausbau der Windenergie: Eine Geschichte zum Augenreiben. Subventionen sind immer der Startschuss für Selbstbedienungsläden.

© Justin Sullivan/Getty Images

Nachdem der, von der Bundesregierung verabschiedete, Atomausstieg und damit die Energiewende am 6. August 2011 in Kraft trat, wurde vom Landkreis Osnabrück das Regionale Raumordnungsprogramm 2014 – Energie aufgestellt. Die Ziele des verstärkten Windenergieausbaues wurden, auf Drängen einiger CDU-Kreistagsabgeordneter um den Landrat Dr. Lübbersmann wie folgt festgelegt:

  1. Ein massive Ausbau der Windenergie im Landkreis Osnabrück.
  2. Energieautonomie aus erneuerbaren Energiequellen des Landkreises Osnabrück bis 2030.
  3. Die Wertschöpfung soll in der Hand der Grundstückeigentümer, Investoren aus dem Gebiet des Landkreises Osnabrück und dem Landkreis Osnabrück direkt liegen.
  4. Finanzielle Entschädigungen für Menschen, die vergleichsweise nahe an neuen Windrädern leben.

Der Landkreis Osnabrück hatte bereits die, nach den Plänen der Rot-Grünen Landesregierung geforderten, acht Prozent der Flächen, die für Windkraft infrage kommen, dafür reserviert. Damit hatte er das Ziel von 1.000 Hektar bereits übererfüllt. Trotzdem sollte der Ausbau massiv forciert werden. Um dieses zu erreichen, müssen die Abstände zu Wohngebäuden auf 500 Meter verringert wer- den.

Um am Ausbau der Windenergie mitzuverdienen, gründete der Landkreis Osnabrück innerhalb der BEVOS (Beteiligungs- und Vermögensgesellschaft mbH) des Landkreises Osnabrück die Energos (Energiewirtschaft Landkreis Osnabrück GmbH). Die Energos gründete wiederum, zusammen mit den Energieversorgern (z.B. Stadtwerke Osnabrück) und den Städten und Gemeinden, die Wehlos (Windenergie Holding). Dazu hieß es am 8.8.2012 in der NOZ: „Der Landkreis Osnabrück macht ernst mit der Energiewende in der Region. Landrat Michael Lübbersmann hat am Mittwoch den Startschuss für die Gründung einer Energie-Holding gegeben, um die Zahl der Windräder von derzeit rund 100 zügig zu verdoppeln. Das Investitionskapital von unterm Strich 500 Millionen Euro soll ganz überwiegend aus der Region kommen, damit auch die späteren Gewinne vor Ort bleiben. „Regionale Energie für regionale Wertschöpfung“ lautet die Devise des Kreises, der sich bis 2030 vor allem im Strombereich komplett mit erneuerbaren Energien versorgen will. Grundlage dafür ist das vom Kreistag bereits im vergangenen Jahr verabschiedete integrierte Klimaschutzkonzept. Vorgesehen sind auch finanzielle Entschädigungen für Menschen, die vergleichsweise nahe an neuen Windrädern leben.“

Die Energos hat die Aufgabe, im Auftrag des Landkreises Osnabrück Windparks selbst zu errichten, oder sich zumindest an allen, vom Landkreis Osnabrück ausgewiesenen 26 Windvorranggebieten zu beteiligen. Sie ist bereits mit 80% an den Windrädern in Gehrde, mit 20% am Windpark Bühnerbach (Neuenkirchen Br.) und an den Windparks in Glandorf und Glandorf-Averferden beteiligt. Die Renditeerwartung für den Landkreis Osnabrück prognostizierte der Chef der Landkreis Energiegesellschaft Christian Niehaves mit bis zu 12 Prozent.

Am 24.6.2013 beschloss der Landkreis Osnabrück, eine eigene Energiegesellschaft zu gründen. Das beschloss der Kreistag einstimmig bei Enthaltung der Grünen. Die Firma soll „Energos“ heißen. Lediglich die Grünen sahen in der Gründung und der minimalen Beteiligungsmöglichkeiten der Bürger und der gewählten Abgeordneten eine problematische Entwicklung. Dazu schrieb die NOZ am 24.6.2013: „In einer nach der Abstimmung verbreiteten schriftlichen Erklärung machte Annette Niermann ihrer Empörung über diese Beschlussfassung noch deutlicher Luft als in ihrem Redebeitrag vor dem Kreistag: „Wir Grünen sind fassungslos über das Desinteresse der politischen Mehrheit an der Beteiligung der politischen Gremien im Rahmen der Ausgestaltung der gerade gegründeten Gesellschaft Energos.“ Nicht nur die gewählten Abgeordneten hätten minimale Beteiligungsmöglichkeiten, auch werde der Diskussionsprozess mit den Bürgern bewusst ignoriert. Es sei fraglich, ob die Energiewende so gelingen könne, da die Bürger schließlich maßgeblich vom Ausbau der Energie betroffen seien.

Vor der Abstimmung hatte CDU-Kreistagsmitglied Jürgen Kiesekamp die Vorteile einer eigenen Energiegesellschaft hervorgehoben. Seit rund 100 Jahren habe der Landkreis das Handeln auf dem Energiesektor anderen überlassen. Das sei aus heutiger Sicht nun nicht mehr der richtige Weg. Denn für den Landkreis sei dadurch finanziell wenig abgefallen. Durch die neue Gesellschaft würde den Städten und Gemeinden mehr als bisher von der Wertschöpfung durch die Energieproduktion zu- wachsen.“

Die CDU-Mittelstandvereinigung (MIT) warnt hingegen den Landkreis Osnabrück als Genehmigungsbehörde vor unternehmerischen Aktivitäten bei Errichtung und Betrieb neuer Windkraftanlagen. In der NOZ vom 13.8.2014 heißt es: “Es ist nicht Aufgabe der Kreisverwaltung, sich als Unternehmer zu betätigen, so der Vorsitzende des MIT-Kreisverbandes Osnabrück-Land, Dietrich Keck“.

Die Gründung der Windenergieholding Wehlos stieß auf großem Widerstand. Dazu heißt es am 27.4.2015 in der NOZ: „Der Chef der Landkreis-Energiegesellschaft Energos, Christian Niehaves, hat Probleme bei der Umsetzung der Windenergieholding des Landkreises Osnabrück (Wehlos). Er musste den geplanten Start mehrere Male verschieben. Klagen verzögern das Projekt und könnten es sogar zum Scheitern bringen. Niehaves will Wehlos nun zumindest noch vor 2017 realisieren.“ Weiter heißt es „Diese Verzögerungen ergeben sich an vielen Orten im gesamten Landkreis, also nicht nur da, wo die Energos am Ball ist. Aber dem Ziel, die bilanzielle Stromversorgung bis 2030 mit Erneuerbaren Energien aus dem Landkreis zu versorgen, kommen wir immer näher.“

Die finanzielle Beteiligung der Landkreise an Windenergieprojekten ist nur dann zulässig, wenn er den erzeugten Strom selbst vermarktet. Außerdem ist der Landkreis Osnabrück durch die Energos und der Wehlos der Vorhabenträger der Windparks und gleichzeitig Genehmigungsbehörde. Er beantragt die Baugenehmigung für die Windkraftanlagen über eine Investitionsgesellschaft bei sich selbst, bearbeitet die Einwendungen der Anlieger, führt die Abwägung nach dem Bundesimmissionsschutzgesetz durch, genehmigt sich die Anlagen, überwacht den Betrieb und die Einhaltung der Emissionswerte.

Durch eine direkte Beteiligung der Städte und Gemeinden an der Wehlos sind die Kommunen Durchführungsbehörde der Bauleitplanung (Flächennutzungsplan und Bebauungspläne) und gleich- zeitig Betreiber der Windenergieanlagen. Diese Verflechtung des Landkreises Osnabrück und der Städte und Gemeinden mit den Vorhabenträgern der Windparks behindert eine Objektive Bearbei- tung von Einsprüchen und Bedenken der Anlieger und Bürger im Genehmigungs- und Bauleitver- fahren. Einige Kreistagsabgeordnete sind gleichzeitig Grundstückeigentümer im Windvorranggebiet, Investor, Gesellschafter, Ortsrat und Stadtrat in einer Person. Bei diesen Zusammenhängen kommt der Verdacht auf, dass es sich hier um einen „Selbstbedienungsladen“ handelt. Auf eine finanzielle Entschädigungen für Menschen, die vergleichsweise nahe an neuen Windrädern leben, warten die Anlieger noch heute.

Diese Verquickung einiger Landkreise, Kommunen, Windkraftbetreiber und Umweltschutzorganisationen ist in weiten Teilen Deutschlands, wie auch im Landkreis Aurich oder in der Samtgemeinde Esens üblich. Dieses wird auch in einem Filmbericht von Panorama 3 deutlich.

Von Ewald Wichmann und Wilfried Bergmann aus Bramsche.

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