Hessen – Vor einer Schicksalswahl?

Der Urnengang in Hessen hat Folgen für das ganze Land – Drei mögliche Szenarien – Eine Analyse von Sebastian Sasse.

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Schon jetzt sprechen Beobachter mit Blick auf den Urnengang der Hessen an diesem Sonntag von einer Schicksalswahl: Es gibt einige Anzeichen dafür, dass die Wähler nicht nur über ihre künftige Landesregierung entscheiden, sondern auch mitbestimmen, wie lange die Große Koalition in Berlin noch halten wird. Es geht also auch um die Zukunft von Kanzlerin Angela Merkel.

Die Folgen der Bayern-Wahl haben vor allem innerhalb der Union für eine interessante Fraktionierung gesorgt: Es ist eine Absetzbewegung von der Kanzlerin festzustellen – von ihren Gegnern, aber auch von ihren Unterstützern. Aber kann es einen Merkelismus ohne Merkel geben?

Torschlusspanik?
Gibt die CDU die Wahl verloren?
Die Ministerpräsidenten von Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen scheinen das zu glauben. Während die Kanzlerin nach der Bayern-Wahl sichtlich bemüht war, die CSU-Schwester zu schonen, haben sowohl Daniel Günther wie auch Armin Laschet weiter Salz in die Wunde des Wahlverlierers gestreut. Die CSU habe auf alte Themen gesetzt, hieß es von beiden. Was wohl vor allem so zu deuten ist: Konservative Akzente sind etwas, was mit der neuen CDU, wie sie sich vorstellen, nicht mehr vereinbar wäre. Günther hatte ja vor einigen Wochen mit seiner Anbiederung gegenüber der Linken schon für Verwirrung gesorgt. Und Armin Laschet wird sowieso nicht müde, bei jeder Gelegenheit zu betonen, dass die Union eben keine in erster Linie konservative Partei sei.

Mit ihren Akzenten in der programmatischen Profilierung der Partei konnten sich die Zwei bisher mit der Kanzlerin einig fühlen. Doch die schwenkt, anders als die Merkelianer, mittlerweile eher auf einen mittleren Weg ein. Sie ist sichtlich bemüht, weitere Flügelkämpfe in der Partei zu verhindern. Ob dahinter tatsächlich, wie sie nun beim CDU-Landesparteitag in Thüringen betonte, vor allem die Sorge steht, die Union könne ihren Status als letzte verbliebene Volkspartei verlieren, ist schwer einzuschätzen. Interessant ist jedenfalls, dass es nun sozusagen Merkelianer gibt, die ihre Chefin links überholen. Es gibt unter ihren Getreuen aber auch eine Absetzbewegung. In die andere Richtung.

WerteUnion beim Parteitag

Annegret Kramp-Karrenbauer, immerhin von Merkel in das Amt der CDU-Generalsekretärin geholt, übt in letzter Zeit zum einen deutliche Kritik an der Regierungsarbeit – das war schon beim Deutschlandtag der Jungen Union vor zwei Wochen zu hören, nun aber auch wieder in der Bilanz nach der Bayern-Wahl. Und zum anderen: Kramp-Karrenbauer hebt so die Unabhängigkeit der Partei gegenüber der Koalition hervor. Dafür zu sorgen, dass die Partei nicht zur reinen Erfüllungsgehilfin des Regierungschefs wird, genau darin hatte einer ihrer legendären Vorgänger, Heiner Geißler, eine der wichtigsten Aufgaben des Generalsekretärs gesehen.

WerteUnion will Merkel loshaben
Werte-Union: CDU ohne Merkel
In diesem Zusammenhang ist auch bemerkenswert, dass die WerteUnion, die konservative Basisbewegung innerhalb der Union, beim kommenden Parteitag mit einem Stand vertreten sein wird. Das wird auch mit Rückendeckung Kramp-Karrenbauers geschehen, die ja für den Parteitag verantwortlich zeichnet. Der Vorsitzende der WerteUnion, Alexander Mitsch, hat bereits angekündigt, dass man Anträge einbringen will: Einmal eine Ablehnung des UN-Migrationspaktes, zum anderen soll eine Amtszeitbegrenzung für Bundesvorsitzende und den Bundeskanzler auf acht Jahre gefordert werden.

Alle diese Aspekte machen folgende drei Szenarien wahrscheinlich:

Szenario 1: Die CDU gewinnt ohne größere Verluste in Hessen. Das würde Merkel stabilisieren. Mit Blick auf die aktuellen Umfragen aber eher unwahrscheinlich.

Szenario 2: Die CDU verliert eindeutig und Merkel kündigt als Konsequenz ihren Rückzug an. Der Vorteil für die Kanzlerin, wenn sie selbst die Initiative ergreift: Sie könnte Einfluss auf den Zeitplan und auch auf die Auswahl der Personen setzen. Eine mögliche Option wäre etwa bereits im Dezember ein Wechsel im Parteivorsitz zu Kramp-Karrenbauer. Der Wechsel im Regierungsamt würde dann wahrscheinlich im kommenden Sommer erfolgen.

Szenario 3: Die CDU verliert, Merkel zeigt aber keine Bereitschaft zu Konsequenzen. Das könnte in der Bundestagsfraktion zu neuen Putschgedanken führen. Dann drohte ein Aufstand. Ein möglicher Übergangskanzler wäre Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble. Eine Schlüsselfigur wäre hier auch Ralph Brinkhaus: Bisher zeichnete er sich, bei aller Kritik, durch Loyalität aus. Das könnte sich dann ändern.


Dieser Beitrag von Sebastian Sasse erschien zuerst am 25.10.2018 in Die Tagespost. Katholische Wochenzeitung für Politik, Gesellschaft und Kultur.


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Kommentare ( 22 )

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22 Comments
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Anna Athena
6 Jahre her

Danke Herr Sasse für die Nachricht, dass die Werte-Union zwei so wichtige Anträge, wie die Ablehnung des UN-Migrationspaktes und die Kanzler -und Parteivorsitz Begrenzung im kommenden CDU-Parteitag einbringen will. Ihr Wort in Gottes Ohr. Wenigstens ein Funke der Hoffnung…

BINE
6 Jahre her

Szenario 3 ist am wahrscheinlichsten aber ohne die „Meuterei auf der Bounty“.
Das Parteienpersonal, insbesondere das Westdeutsche, ist überfordert mit einer Neuausrichtung, die sich am Gemeinwohl orientiert.
Die Funktionäre sind zu selbstzentriert.
Merkel bleibt und es werden sich alte Machtstrukturen aus Merkels DDR Zeit weiter etablieren und sich mehr und mehr mit der kleptokratischen globalen Elite verfilzen.

Eberhard
6 Jahre her

Das ZdF ahnt wohl etwas. Morgen gibt es Die Hessenwahl und am Montag, Aufbruch in die Freiheit.

Crazy Horse
6 Jahre her

Ich halte Szenario 3 für wahrscheinlich.
Wir brauchen mehr Luftgewehre…

W aus der Diaspora
6 Jahre her

Mindestens bis zur EU-Wahl Ende Mai nächsten Jahres wird es ein weiter so geben. Dann allerdings wird die CDU derartig in den Keller rauschen, dass Merkel sich nicht mehr halten kann.

Ernst-Friedrich Behr
6 Jahre her

Es reicht für die CDU nicht, das Personal auszutauschen. Erforderlich ist eine inhaltliche Wende in fast allen Fragen der Politik, hin zu den alten Positionen der CDU in der Zeit vor Frau Merkel, insbesondere zur Marktwirtschaft. Diese alten Positionen sind: Rückgängigmachen der Energiewende (Weiterbetrieb der Kernkraftwerke, ersatzlose Aufhebung des Gesetzes über erneuerbare Energien, Aufhebung aller Forschungsverbote in Physik und Ingenieurwissenschaft zur Kerntechnik, kein Ausstieg aus der Kohleverstromung), Wiedereinführung der Wehrpflicht und Erhöhung des Wehretats zur Wiederherstellung der Verteidigungsfähigkeit, keine Bevorzugung der sog. „Bio“-Landwirtschaft, keine Schadstoffgrenzwerte, welche die Automobilindustrie erwürgen, keine Fahrverbote, strenge Anwendung der Verträge von Schengen, Maastricht und Lissabon,… Mehr

Stephanie S.
6 Jahre her
Antworten an  Ernst-Friedrich Behr

Diese Partei könnte man wieder wählen. Nur wer ist in der CDU hat genug Mut dies durchzuführen. Sehe leider niemanden am Horizont..

Ernst-Friedrich Behr
6 Jahre her
Antworten an  Ernst-Friedrich Behr

Nein, Herr Igor, ich träume nicht. Auch ich halte das Szenario 3 für wahrscheinlicher als alle anderen. Es wird sich in Deutschland so schnell nichts ändern. Dazu sind die politischen Akteure, und nicht nur die, mittlerweile zu ungebildet. Das Erstarken der Grünen ist ebenso wie die Vergrünung der CDU (die schon unter Helmut Kohl begann) eine Folge der Bildungskatastrophe der sechziger und siebziger Jahre. Ich habe nur beschrieben, was notwendig wäre, um die CDU noch zu retten.

Vae Victis
6 Jahre her

Aus Hessen, dem Pionierland Rot-Grüner Koalitionen, werden keinerlei Impulse ausgehen. Es wird nur beweisen, dass sich für Bouffier absolute Nibelungentreue zur Kanzlerin auszahlt. Die Hessenwahl wird insbesondere im Rhein-Main Gebiet entschieden, wo Deutsche in Frankfurt schon lange eine machtlose Minderheit sind. Für diesen Minderheitsstatus und dessen Vertiefung stehen insbesondere Merkelpartei und Grüne. Beide werden durch eine große Mehrheit der Stimmen für genau diese Politik belohnt. Bei der letzten Kommunalwahl in Frankfurt erhielt der einzige Kandidat mit gemäßigt konservativem Programm 6% der Stimmen. Etwas besseres als gerade eine Wahl in Hessen hätte Frau Merkel zum Abschluss des Wahljahres 2018 nicht passieren… Mehr

HH 1966
6 Jahre her
Antworten an  Vae Victis

@Vae Victis İn Bezug auf das Rhein-Main Gebiet sehe ich dieses etwas anders. Natürlich haben sie recht, das dort der Auslaenderanteil sehr hoch ist. Die Frage ist nur, ob diese erstens, überhaupt wahlberechtigt sind, zweitens, ob sie überhaupt waehlen gehen und drittens, welche Partei sie favoritisieren? Historisch gesehen war es immer die SPD, die z.B unter den „Auslandstürken“ die meisten Stimmen erhielt, und eben nicht die Grünen oder die CDU. Ob dieses nun so bleibt, ist aber fraglich. Denn nicht nur die Deutschen, sondern auch viele hier schon laenger lebende „Paßdeutsche“ sehen, das sich das Land durch die „Flüchtlingskrise“ nicht… Mehr

Anna Athena
6 Jahre her
Antworten an  Vae Victis

O Gott bitte nein! Sie werden hoffentlich nicht Recht bekommen..

romsch
6 Jahre her

Ich glaube an das Szenario 4: Die CDU verliert deutlich, wird aber die stärkste Partei bleiben. Man wird dieses als einen Erfolg verkaufen, insbesondere in den Zeiten der Gefahr des Rechtspopulismus und des drohenden Staatsstreichs durch die Feinde der Demokratie. Die Lakaien von Merkel werden noch mehr und stärker von geschlossenen Reihen hinter der alternativlosen Kanzlerin und Weltretterin faseln. Der Parteitag der CDU wird vielleicht die Spitze der CDU ein wenig verändern (nur die zweite und dritte Reihe hinter Merkel) aber keine Revolution bringen. Die neue „Zwischen-mir-und-Merkel-passt-kein-Blatt-Papier“ Fraktionsmarionette macht es schliesslich alternativlos vor. Die Groko wird sich weiter durchwursteln, weil… Mehr

HH 1966
6 Jahre her
Antworten an  romsch

Das bezweifel ich sehr stark, da auch der CDU insgesamt schon klar geworden ist, das sie mit Merkel, trotz aller „Durchhalteparolen“ keinen Blumentopf mehr zu gewinnen ist. Nach einer weiteren deutlichen Niederlage wird es noch staerker rumoren in der CDU und man wird sich immer mehr fragen, ob Merkel noch die richtige Person an der Spitze ist. Die CDU ist zwar als „Kanzlerpartei“ sehr leidensfaehig, aber auch nicht so „blöd“, nun weiterhin auf ein „totes Pferd“ zu setzen. İnsbesondere wenn die Wahlergebnisse deutlich zeigen, das sie ihren Status als „Volkspartei“ verliert. So „suezidfreudig“ halte ich die CDU nun auch nicht,… Mehr

Schrammi
6 Jahre her

Ich tippe auf Szenario drei. Ich kann mir nicht vorstellen dass die Kanzlerin freiwillig ihren Rückzug antritt. Sie selbst und viele ihrer Anhänger in der Partei halten sie für alternativlos. (Schreckliches Wort)

Protestwaehler
6 Jahre her

„Einmal eine Ablehnung des UN-Migrationspaktes, zum anderen soll eine Amtszeitbegrenzung für Bundesvorsitzende und den Bundeskanzler auf acht Jahre gefordert werden.“ …da hat mal wieder jemand von der AfD stibitzt.
Welchen hintergründigen Sinn hat diese „WerteUnion“ eigentlich, durch das Nachplappern von AfD Positionen abgewanderte Wähler zurück zu gewinnen :-/
Wirkt alles ziemlich hilflos und verzweifelt.

Anna Athena
6 Jahre her
Antworten an  Protestwaehler

Die Haupsache ist doch, dass es durchkommt und somit Wirkung zeigt.