Habeck nimmt übel – Die neue Preis-Liste

Robert Habeck will verbale Anwürfe nicht länger hinnehmen, sondern dagegen vorgehen. Angeblich, um die Demokratie zu retten. Das ist Unsinn, denn Demokratie und Redefreiheit gehören zusammen, sie lassen sich nur gemeinsam verteidigen oder ruinieren.

picture alliance/dpa | Sven Hoppe

Bisher hatten wir das Strafrecht, um gegen Beleidigungen, Verleumdung und üble Nachrede vorzugehen. Seitdem die Grünen an der Macht sind, reicht das aber nicht mehr, denn nun sollen ja auch Äußerungen unterhalb der Strafbarkeitsgrenze erfasst, verfolgt und bestraft werden. Diesem Zweck hat sich ein junges Unternehmen, ein Start-up mit Namen SO DONE verschrieben.

Weil die natürliche Intelligenz dieser anspruchsvollen Aufgabe nicht gewachsen war, ist sie durch KI, durch künstliche Intelligenz erweitert, ja sogar ersetzt worden. Auf einer Art von Preisliste kann man sich jetzt darüber informieren, was eine Beleidigung kostet beziehungsweise bringt: mit gut 3.000 Euro ist der „Hurensohn“ relativ teuer, das „Arschloch“ mit 600 Euro eher billig.

Trotzdem hätte das „Arschloch” für Willy Brandt oder seinen Kanzleramtsvorsteher Horst Ehmke teuer werden können. Einem von den beiden wird ja die Rede von den acht Arschlöchern in Karlsruhe zugeschrieben, von denen man sich die schöne neue Ostpolitik nicht einfach so kaputtmachen lassen wolle. Gemeint waren die Verfassungsrichter, die den im Grundgesetz verankerten Anspruch auf Wiedervereinigung nicht aufgeben wollten.

Damals gab es SO DONE noch nicht. Aber was wäre wohl passiert, wenn es das Unternehmen schon gegeben hätte? Wenn der Senat die oben erwähnte Preisliste vor Augen gehabt hätte? Wenn sich jedes seiner acht Mitglieder beleidigt gefühlt und auf Entschädigung bestanden hätte? Wenn sich der andere Senat der Beschwerde angeschlossen und ebenfalls Geld verlangt hätte? Dann wäre ein Betrag von 16 mal 600, also rund 10.000 Euro – oder Mark, die es damals ja noch gab – fällig geworden, die Hälfte davon als Erfolgshonorar für SO DONE. Nicht nur Lidl, auch die Klage hätte sich gelohnt.

Robert Habeck muss das eingeleuchtet haben, auch er ist dort inzwischen Kunde. Er ist empfindlich, und er ist stolz darauf. Er habe sich entschieden, lässt er uns wissen, verbale Anwürfe nicht länger hinzunehmen „und somit zu normalisieren, sondern gemeinsam mit SO DONE konsequent gegen Beleidigungen und Bedrohungen vorzugehen“. Er tut das, sagt er, um die Demokratie zu retten. Aber das ist Unsinn, denn Demokratie und Redefreiheit gehören zusammen, sie lassen sich nur gemeinsam verteidigen oder ruinieren.

Wie alle Freiheiten stößt die Redefreiheit erst da an ihre Grenzen, wo sie anderen schadet oder schaden könnte. Im Falle Habecks ist ihr das bisher jedoch noch nicht gelungen. Der Mann sitzt immer noch da, wo er nicht hingehört, an der Spitze eines Ministeriums, das Zuständigkeit für eine Sache beansprucht, von der er wenig oder nichts versteht. Zu wenig jedenfalls, um die Wirtschaft vorm Absturz in die Bedeutungslosigkeit zu bewahren.

Deswegen brauchen wir die Redefreiheit. Den Athenern, Erfindern der Demokratie, konnte sie gar nicht weit genug gehen. Sie liebten die scharfen Hunde, die nicht nur bellen, sondern auch beißen können. In der Komödie hatten sie, staatlich subventioniert, Jahr für Jahr ihren festen Auftritt. Da wurden die Bürger auf offener Bühne namentlich durchgehechelt, angeprangert und lächerlich gemacht, als Hurensöhne, Arschlöcher und Ähnliches bezeichnet. Und das Publikum applaudierte.

Robert Habeck tut so etwas nicht. Er applaudiert nicht, er nimmt übel. Er wittert überall Verrat und beauftragt die Inquisition, gegen die Verräter vorzugehen. Wenn für ihn selbst dabei was abfällt, umso besser.


Dr. Konrad Adam ist Journalist, Publizist und ehemaliger Politiker der AfD. Er war Feuilletonredakteur der Frankfurter Allgemeinen Zeitung und Chefkorrespondent und Kolumnist der Tageszeitung Die Welt in Berlin.


 

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Kommentare ( 20 )

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Armin Reichert
2 Stunden her

Und die willfährige, politisch gesteuerte Justiz spielt fleißig mit.

bkkopp
2 Stunden her

Auch wenn man die gewerbliche Tätigkeit von SO DONE zutiefst bedauert und mißbilligt, Herr Adam weiß auch, dass Demokratie und Verbalinjurien gegen Politiker ( unsere Angestellten ) nicht kausal zusammengehören. Persönliche Beschimpfungen und Beleidigungen sind auch keine “ Meinung “ für die wir Redefreiheit brauchen. Da auf andere, meist viel subtilere Weise versucht wird Redefreihit einzuschränken, um anderen Narrativen Raum zu belassen, ist absolutistischer Anspruch auf Redefreiheit für Pöbeleien nur eine Ablenkung von den wirklich relevanten Themen. Habeck, und all seine Gesinnungsgenossen seit Trittin/EEG/2000 sind in ihrer ideologischen Verblendung auf “ Klimaziele“ dabei unsere Wirtschaft in wenigen Jahren so zu… Mehr

aaa007
3 Stunden her

also entpuppt sich DO DONE als Abmahnverein mit wirtschaftlichen Interessen. Haben wir das nicht schon mal gesehen? Und 50% Provision sind Wucher.

K.Behrens
3 Stunden her

Und so liest sich das unter anderem auf deren Website: „Das alles kostet dich gar nichts! SO DONE ist dein Prozesskostenfinanzierer und bezahlt als solcher alle Anwalts- und Gerichtskosten, die anfallen. Dafür ist SO DONE mit 50% an der Geldentschädigung beteiligt, die dir zuteil wird. Faktisch bezahlt also der Täter mit seiner Geldentschädigung unsere Dienstleistung, die dir ermöglicht, sich gegen ihn zu wehren.“ Was steckt hinter dieser Masche? Duze alle, erzähle irgendwas von Oxford, lege 25.000 Euro für die Gründung einer GmbH auf den Tisch und fertig ist “SO DONE“. Man glaubt es kaum, aber die Gründer stehen der FDP… Mehr

Positivsteuerung
3 Stunden her

Sein Endgegner ist nicht der kritische Bürger, sondern es sind die physikalischen Grundgesetze.
Gegen die kann man auch nicht vor Gericht ziehen.
Man kann mit ihnen zusammenarbeiten, wenn man sie versteht, und dann kann das eine freudvolle produktive Sache werden.
Oder eben nicht, dann geht es in den freien Fall.

ceterum censeo
3 Stunden her

Nach der Graichen-Verflechtung in seinem Ministerium darf die Frage gestellt werden, in welchem Verhältnis Habeck zu SO DONE steht. Oder ist das auch schon in seinen Augen verfolgungswürdig und strafbewehrt?…

Abraxas1609
3 Stunden her

Tja, wenn jemand mit religiösem Sendungsbewusstsein, der von seinen Jünger*Innen angebetet und verehrt wird, Kritik erfährt, dann fühlt sich das an, als wäre man religiös Verfolgter. Ist aber nur Demokratie, dass beschissene Politik mit diskursiver Ablehnung und Abwahl geahndet wird.
Wegen jeder Kritik gleich beleidigt zu sein und in die juristische Auseinandersetzung zu gehen, zeugt von fehlender Souveränität und Persönlichkeit.

Jbaumann
3 Stunden her

Habeck hat da was nicht verstanden. Die Grünen liegen aktuell so um die 10%. Nichtwähler sind dabei unterschlagen, ehrlich wären es also so etwa 7-8% der Wahlberechtigten die die Grünen wählen würden. Im Umkehrschluss bedeutet dass, kaum einer interessiert sich für den guten Robert. Von diesen 7-8% dürfte vielleicht die Hälfte sich wirklich für Habeck interessieren. Der Rest wählt „Grün“ aus irgendwelchen Gründen, aber nicht wegen Robert Habeck. Wenn die Grünen morgen nicht mehr im Bundestag sitzen, dann interessiert sich niemand mehr für ihn. Keiner will ihn beleidigen, keiner will ihn loben. Was er da gerichtlich verfolgen lässt, ist im… Mehr

Ben Clirsek
3 Stunden her

Interessant, der Mann, der die Wirtschaft ruiniert, der dafür sorgt, dass Geringverdiener durch die exorbitant hohen Energiepreise nicht mehr ein noch aus wissen, der dafür verantwortlich ist, dass die wirtschaftliche Existenz von Familien durch Arbeitslosigkeit, aufgrund von Abwanderung der Unternehmen auf Bürgergeldniveau reduziert wird, fühlt die Demokratie -und meint vor allem sich – durch ein paar läppische Schmähungen bedroht? Junge Junge, die Chupze muss man erst einmal haben. Das Schlimme ist, dass Blackrock Merz diesen, für die Bevölkerung gefährlichsten Politiker seit dem 2. Weltkrieg nach den Wahlen 2025 wieder in höchste Ämter heben wird.

Skeptiker
3 Stunden her

Wenn Habeck wirklich ÜBERZEUGT wäre, das Richtige zu tun, dann stünde er über solchem Kleinkram. Seine Empfindsamkeit lässt vermuten, dass er daran zweifelt, den eingeschlagenen Weg aber um jeden Preis weitergehen will.