Die Gesundheitskarte für alle ist eine Einladung zur kostenlosen Behandlung aller, die im Asylverfahren keine Chance haben. Die deshalb kommen, sind nicht die Ärmsten. Ein Verdrängungswettbewerb mit Pflichtversicherten wäre die Folge - und die Bereicherung des Leistungskatalogs der Schleuser wie dieser selbst, schreibt unser Gastautor, der als Arzt global unterwegs ist.
Bis jetzt werden nur akute Erkrankungen von Asylbewerbern in Deutschland behandelt. Angela Merkel prüft nun, ob sie den Vorschlag der Grünen übernehmen und Asylbewerber mit einer Gesundheitskarte ausstatten soll. Wäre das gerecht? Oder wäre das ein zusätzlicher Anreiz für illegale Einwanderung? Kann die Gesundheitskarte für Asylbewerber auch Nachteile für die deutsche Bevölkerung mit sich bringen?
Es fühlt sich so schön an – Menschen zu helfen. Vor allem Menschen, die bereits bei uns sind und zu denen ein klarer Kontrast erkennbar ist. Asylbewerber haben bis zu ihrer Ankunft in Deutschland nicht die gleiche medizinische Versorgung wie wir erfahren – viele wollen ihnen diese nun ermöglichen. Selbstverständlich empfinden wir Mitleid mit denen, die es nicht so gut haben wie wir. Aber ist viel Mitleid gut für unser Land und kann die Weltsituation dadurch verbessert werden oder führt zu wenig „Hirn“ zu einem noch größeren Asylchaos?
Wir haben derzeit vor allem Mitleid mit den Privilegierten, die bereits bei uns sind. Wenn es um Gesundheit geht, geht es nicht nur den Asylbewerbern schlechter als uns. Viel schlechter geht es den Menschen, die in den Herkunftsregionen und Krisenländern verweilen, denn diese haben meist nicht die Möglichkeit bei akuten Erkrankungen einen Arzt aufzusuchen oder den Rettungsdienst zu rufen. Es gibt viele Milliarden Menschen in der Welt, die nicht die gleiche Gesundheitsversorgung wie wir erfahren. Ist die Forderung nach einer „Gesundheitskarte für alle“ eine zielführende Lösung, um die Unterschiede in der Gesundheitsversorgung abzubauen und die Welt fairer zu machen?
Vor einigen Jahren war ich als Arzt in einem kleinen Krankenhaus in Kambodscha: Ein kleiner Junge wurde in die Klinik gebracht, in einem lebensbedrohlichen Zustand. Die Ausstattung des Krankenhauses, was Gerätschaften und Medikamente betraf, ließ gelinde gesagt Wünsche übrig. Der kleine kambodschanische Junge verstarb an seiner Erkrankung, das Krankenhaus hatte für die Behandlung seiner Erkrankung einfach nicht die notwendige Ausstattung, auch in der erreichbaren Umgebung gab es keine Behandlungsmöglichkeiten. Auch wenn Entwicklungshilfe insgesamt durchaus kritikwürdig ist, sollten wir unsere begrenzten Ressourcen in nachhaltiger Art und Weise vor Ort investieren, denn nur dort können wir Grundprobleme lösen und gerecht helfen.Wenn es wirklich um Fairness in der Welt geht, kann das heutige System nicht funktionieren.
Vor Ort sind Gesundheitsinvestitionen nachhaltig
In der derzeitigen Situation helfen wir vor allem jungen Männern: Was ist mit Kindern, Alten und Frauen, die nicht nach Europa migrieren? Wir könnten mit den gleichen Beträgen viel mehr Menschen in ihren Ländern retten, denn Millionen von Menschen sterben jedes Jahr in der Welt, weil sie nicht den gleichen medizinischen Versorgungsstandard haben. Wieso sollten wir ausgerechnet denen eine nach heutigen Standards nahezu perfekte Versorgung ermöglichen, die zu einem großen Teil gar kein Grund haben Asyl zu beantragen und die anders als die Zurückbleibenden das Geld haben, Schleuser zu bezahlen. Immerhin mehr als zwei Drittel der in Europa gestellten Asylanträge werden abgelehnt.
Wie in der Flüchtlingskrise insgesamt dürfen wir uns nicht nur von unseren Emotionen leiten lassen. Wir müssen den Blick für das Ganze behalten. Die derzeitige Krise ist durch falsche Versprechungen und ideologische Missachtung gültigen Rechts entstanden. Angela Merkel ist gerade dabei, den nächsten Fehler zu begehen – eine „Gesundheitskarte für alle“ wird den Anreiz zur illegalen Anreise weiter erhöhen. Wenn man, nachdem man „Asyl“ gerufen hat, sofort und völlig ungeprüft eine perfekte medizinische Versorgung bekommt, wird das ganz selbstverständlich zu einem Anreiz zur Migration nach Europa. Zwar soll es zunächst nur eine Karte mit abgesteckter Leistung sein, die nur für bedrohliche Fälle Behandlung zulässt. Heute müssen die Sozialämter die Genehmigung aussprechen; und die Gesundheitskarte reduziert den immensen Bürokratie-Aufwand. Das klingt vernünftig. Allerdings wird bald die Klage über diese dann etablierte „Zwei-Klassen-Medizin“ ausbrechen; dann wird die Leistungsbegrenzung schnell fallen. Auch neigen Ärzte dazu, eher zu viel zu behandeln als zu wenig; sie sind dem Patienten, der in der Praxis vor ihnen steht, verpflichtet und nur danach der Abrechnungsstelle. Auch das Eigeninteresse wird nicht nur gelegentlich seine Wirkung entfalten. Damit wird die Gesundheitskarte zum Anspruch auf maximale Versorgung.
Aussichtsloser Asylantrag, aber kostenlose Behandlung
Stellen Sie sich vor, Sie hätten eine schwere Erkrankung, die in ihrer Heimat nicht behandelt oder nicht bezahlt werden kann und sie wissen, dass Asylbewerber in Deutschland automatisch und im Endeffekt ungeprüft kostenlos medizinische Behandlungen bekommen. Was würden Sie machen? Sie würden sich mit der nächsten Möglichkeit nach Europa begeben, um diese Behandlung zu bekommen und im Zweifelsfall auch Gründe erfinden, um diese zu erhalten. Das können wir nicht leisten und sollten es auch nicht– denn hier würden schon wieder die eh schon Privilegierten unterstützt. Wir können jeden Euro nur einmal ausgeben, wir sollten klug und forciert helfen, vor Ort in Krisen- und Entwicklungsländern.
Es gibt medizinischen Ressourcen, die sehr begrenzt sind, zum Beispiel Spenderorgane. In Europa und auch Deutschland gibt es einen chronischen Mangel an Organspenden, die zur Transplantation genutzt werden können. Bei einer völligen Gleichstellung von Asylbewerbern könnte beispielsweise eine beträchtliche Menge an Menschen nach Deutschland gelockt werden, die Spenderorgane benötigen – würden dann Europäer priorisiert werden? Wohl kaum, denn selbstverständlich wären auf den Wartelisten alle gleichberechtigt. Das würde unter Umständen auch bedeuten, dass Peter aus Hamburg stirbt, weil Asylbewerber Abdullah weiter oben auf der Warteliste steht.
Sebastian Richter hat Medizin in Berlin, Paris und Helsinki studiert. Er ist als Arzt und Journalist international tätig – auch in Skandinavien. Sein journalistischer Schwerpunkt sind Gesundheitsthemen, sein ärztlicher die Notfallversorgung.
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