„Follow the Science“ ist ein beliebtes Schlagwort angeblich progressiver Weltverbesserer. Aber wer kann wirklich noch rechnen und Größenordnungen abschätzen? Nehmen wir die Windkraft. Wie viel Strom produziert sie und wie viel Energie entzieht sie den unteren Luftschichten – und was verbraucht ein Trabi? Ein Gastbeitrag von Arnold Vaatz
Verehrte Leser, in meinem Beitrag „Gerechnet und zu leicht gefunden“ hatten sich durch häufiges Ändern des Textes zwei gravierende einige Fehler eingeschlichen, die ich wegen Betriebsblindheit nicht erkannt hatte. Einige Leser haben nachgerechnet und sie gefunden. Dafür danke ich und bitte um Entschuldigung. Der von mir geschilderte Zustand stellt sich in Wirklichkeit noch viel dramatischer dar. Dies ist der berichtigte Text.
Ferner muss ich wieder einmal klarstellen: Ich habe die Energiepolitik der Bundesregierungen seit 1998 niemals mitgetragen. Sowohl das EEG wie auch den Atomausstieg habe ich in der namentlichen Abstimmung im deutschen Bundestag abgelehnt. EEG-Novellen habe ich dann zugestimmt, wenn sie verringerte Einspeisevergütungen zur Folge hatten, sonst nicht. Ich selbst habe meiner Fraktion vorgeschlagen, das EEG durch ein Artikelgesetz zu novellieren mit dem Wortlaut: „Artikel 1 – Das EEG tritt mit sofortiger Wirkung außer Kraft, Artikel 2 – Durch das EEG entstandene eigentumsgleiche Rechte bleiben unberührt. Dieser Vorschlag wurde verlacht und durch meine Fraktion abgelehnt.
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Wir warteten gemeinsam auf den Bus, hatten gerade einen verpasst und der nächste kam erst in 30 Minuten. Ein Schüler saß neben mir auf der Bank und spielte mit seinem Handy. Auf meine Frage antwortete er, dass er soeben das 9. Schuljahr beendet habe und im September das zehnte begänne. Gymnasium. Wir sprachen über die Schädlichkeit von Autoabgasen. Gegenüber stand ein Trabant am Straßenrand und er wollte wissen, wie viel Kilowatt (kW) Leistung der hat. Das Auto seiner Eltern habe 81 kW. Ich sagte, ich könne ihm nur die PS-Zahl sagen. Ob er wisse, wie viel PS ein Kilowatt habe? Er wisse das nicht.
Ich sagte: „So etwa 1,35, genau weiß ich es nicht.“
„Naja“, sagte er, „das muss man nicht wissen!“, tippte ins Handy, ich nannte ihm die PS-Zahl 26 und er erklärte stolz: „Dann hat der Trabi rund 19 kW. Nicht mal ein Viertel von unserem. Und braucht wie viel auf 100 km?“
Ich antwortete: „8 Liter Benzin. Im Gemisch 1:33 mit Motoröl.“
Und er: „Die reinste Verschwendung. Unser Auto braucht 6 Liter Diesel.“
Aber längst interessierte mich etwas ganz anderes. Lernen die Schüler heute das Umrechnen von Einheiten in der Schule nur noch per Internet? Ich wollte es testen und lenkte das Gespräch auf den Physikunterricht. Mengeneinheiten umrechnen – das ging gerade noch. Kilo in Mega, Milli in die Grundeinheit, auch Ar in Hektar und Liter in Kubikmeter. Aber bei Energieeinheiten war er überfordert: Joule in Newtonmeter? Gut, den Spaß verstand er nicht, ist nämlich dasselbe. Aber Kilokalorien in Joule? Gut. Wusste ich auch nicht im Kopf. Etwas um die 4.000. Er tippte erneut ins Handy: „Richtig“, sagte er: „eine Kilokalorie sind 4.187 Joule.“
Da kam mir eine Idee: „Kannst Du feststellen, wie viel Windstrom letztes Jahr in Deutschland ins Netz eingespeist wurde?“ Google macht’s möglich – auf der Website www.windbranche.de wurde er fündig: ungefähr 113 Milliarden Kilowattstunden waren es. „Und wie viel sind das Megawattstunden?“
Er antwortete: „113 Millionen!“
„Richtig. Und Gigawattstunden?“
„Einhundertdreizehntausend!“
„Auch richtig. Jetzt gib mal ein: ‚Windrad Wirkungsgrad‘!“
Er las ab: „Ein Windrad hat etwa einen durchschnittlichen Wirkungsgrad von 50 Prozent.“
Und nun wieder ein bisschen Physik: „Was ein Wirkungsgrad ist, weißt Du doch?“ Er wusste es nicht so genau. Also erklärte ich es ihm: „In Prozent ist das: abgegebene Energie geteilt durch aufgenommene Energie und das Ganze mal Hundert. Wie viel Energie haben also die Windräder im Jahr 2021 in Deutschland aufgenommen, wenn sie einen Wirkungsgrad von 50 Prozent haben und davon 113.000 Gigawattstunden ins Netz abgegeben haben?“
Er überlegte eine Weile und antwortete dann richtig: „226.000 Gigawattstunden!“
Nun fragte ich ihn: „Und sag mal: kannst Du das auch in Kilotonnen TNT-Äquivalent umrechnen?“
Er: „Was ist TNT-Äquivalent?“
Ich: „Eine Kilotonne TNT-Äquivalent ist die Energie, die bei der Explosion von eintausend Tonnen Trinitrotoluol freigesetzt wird. Trinitrotoluol ist ein Sprengstoff.“
Aber sein Handy hatte es schon ausgerechnet: „226.000 Gigawattstunden sind ungefähr 194.000 Kilotonnen TNT-Äquivalent.“
Und ich sagte: „Das ist ja unglaublich! Und nun gib mal ein ‚Hiroshima-Bombe Sprengkraft‘.“
Er las vor: „Die freigesetzte Sprengenergie der Hiroshima-Bombe vom 6. August 1945 wird auf 12,5 Kilotonnen TNT-Äquivalent geschätzt.“
„So“, sagte ich, „nun teile mal auf Deinem Handy 194.000 durch 12,5.“
Das Ergebnis lautete: Etwa 15.500. Das heißt: Im Jahr 2021 haben die Windräder in Deutschland und auf dem Meer vor der deutschen Küste den unteren Luftschichten eine Energiemenge entzogen, die bei der Explosion von über 15.000 Hiroshima-Bomben freigesetzt wird. Jeden Monat ungefähr die von 1.300, jeden Wochentag 40 und Freitag, Samstag und Sonntag je 45, oder, damit es sich die Bundestagsabgeordneten vorstellen können: In Jedem Wahlkreis jede Woche eine Hiroshima-Bombe.
Der junge Mann war schockiert: „Gibt es da Untersuchungen, was das für die Umwelt bedeutet? Und für das Klima?“
„Ich kenne keine.“
„Aber so was geht doch nicht spurlos …“
„Am Klima wird es sicher spurlos vorbeigehen. Vielleicht sogar am Wetter, weil in der Atmosphäre noch ganz andere Energien im Spiel sind. Kann sein, kann aber auch nicht sein. Ich weiß es nicht.“
„Trotzdem: Was wäre denn die Alternative zu Windrädern?“
„Unsere Außenministerin schlägt ja vor, auf die Energie zurückzugreifen, die im Stromnetz gespeichert ist“.
„Sie wollen mich auf den Arm nehmen! Mein Vater sagt, das Netz kann überhaupt nichts speichern, nicht eine Kilowattstunde!“
Immerhin, dachte ich, zumindest die Familie scheint noch nicht den Verstand verloren zu haben. Mein Sachsen lob ich mir! Deshalb wagte ich, es zu sagen: „Da hat er Recht, Dein Vater. Die Alternative ist natürlich die Kernkraft.“
„Und wohin mit den Abfällen?“
„Wenn man wollte, könnten die abgebrannen Brennstäbe still in der Erde ruhen, 800 Meter tief. Dort könnten sie so lange strahlen, wie die Erde besteht. Sie bedrohen dort nichts und niemanden. Kein Tier, keine Pflanze, kein Grundwasser, keine Luft und keinen Boden. Und erst recht nicht das Weltklima. Wenn man wollte. Aber man will nicht.“
Wir saßen auf der Bank im Wartehäuschen. Es waren ungefähr 35 Grad im Schatten und geregnet hatte es seit Wochen nicht. Der Bus hielt, wir banden uns die Masken vors Gesicht und stiegen ein. Der junge Mann konnte den Dingen noch nicht allein auf den Grund gehen. Dazu dürften ihm die Voraussetzungen noch fehlen: die Grundlagen der Thermodynamik, die allgemeine Gasgleichung, das Gesetz von Boyle-Mariott, die Zerlegung des Gasdrucks in Partialdrücke, Stoffwerte, Enthalpie, Sättigungsgrenzen, Tau- und Tripelpunktberechnungen oder gar meteorologische Grundsachverhalte.
Aber ich sorgte mich, er könne seinen Lehrer fragen, was ein Energieentzug der Explosionsenergie von 15.000 Hiroshima-Bombenexplosionen pro Jahr allein in Deutschland mit dem Wetter macht. Und dann als Energiewendeleugner gelten. Und sich die Zukunft verhageln. Wie zu DDR-Zeiten, wenn man sich als Abiturient kritisch zur Freundschaft mit der Sowjetunion äußerte. Man wusste damals nie und weiß heute nie, wie ein Lehrer da reagiert.
Und ich registrierte, in welch vermintes Gelände die simple Umrechnung von physikalischen Maßeinheiten führen kann.
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Wir haben den Königsweg noch nicht gefunden! „Wenn man wollte, könnten die abgebrannen Brennstäbe still in der Erde ruhen, 800 Meter tief.“ Hätte man vor ein par Millionen Jahren den Müll da vergraben, wo jetzt die Alpen stehen, hätte man was falsch gemacht. Land heb sich und senkt sich. Genauso ist auch der Ärmelkanal entstanden. Deshalb sehe ich die Atomenergie kritisch. Nicht nur, weil sich sehr viele Länder an keine Regeln halten und vieles im Meer verkappen, sondern auch weil die Erde lebt, nur mit einem anderen Pulsschlag. Zudem kommt noch die Dummheit unserer Politiker hinzu. Was in gorleben verfuscht… Mehr
„Hätte man vor ein paar Millionen Jahren den Müll da vergraben, wo jetzt die Alpen stehen, hätte man was falsch gemacht.“ Unsinn. Hätte man (wer auch immer) das getan, wäre es gar kein Problem. Oder glauben Sie, die Alpen würden dann im Dunkeln leuchten? Der Witz an Atommüll ist folgender; Halbwertszeit! Was fies strahlt, zerfällt schnell. Darum strahlt es ja so dolle. Und das ist ergo schnell weg. Was lange strahlt, gar etliche Jahrmillionen, das können Sie im Keller bunkern oder als Sitzmöbel verwenden. Weil es gar nicht so dolle strahlt, da kriegen Sie weniger Strahlung ab, als wenn Sie… Mehr
Isotop U-236 hat eine Zerfallszeit (Halbwertszeit) von 10 hoch sieben Jahre und leuchtet nicht! Das ist Radon vorbehalten. Wenn sie natürlich vorkommendes Uran mit Spaltmaterial in den großen Agitationstopf werfen ist das eine Kirmesdiskussion.
Gerade eine ungenaue, polemische Diskussion schadet dem Weiterbetrieb der AKW‘s, da sie leicht zu widerlegen ist.
Man kann natürlich alles auf die gesamte Fläche Deutschlands umrechnen. Man sollte es aber nicht. Windräder stehen nämlich genau dort konzentriert, wo wenig Hindernisse sind und wo man sich einen hohen Windertrag ausrechnet. Windräder haben wenig Einfluss dort, wie im Gebirge, wo der Wind sowieso gebremst und verwirbelt wird. Sie stellen dann eine zusätzliche Barriere dar, wenn kein Gebirge vorhanden ist. Von Ostdeutschland abgesehen, zumal der Wind vorherrschend für die Mitte und den Norden aus westlicher Richtung kommt, konzentriert man sich beim Bau auf Küstennähe und Tiefebene, wo der Wind sonst freie Bahn hat. Von der Küste kommt allerdings auch… Mehr
Seltsam, offensichtlich ist ein bisschen Rechnen vielen TE Lesern zu anstrengend….weshalb so wenige Punkte und Comments ? Ich habe Herrn Vaaz nie gekannt, aber ich habe Muehe mit Leuten, welche in einem Land aufwachsen und studieren und eine gute Ausbildung machen, und dann den Wehrdienst verweigern. Keine Heldenthat fuer mich als ehem. Lt-Gen ! Der Artikel ist gut dargestellt fuer Laien, und inhaltlich korrekt. Mehr waere zu schreiben, aber eben, TE Leser sind offensichtlich keine Ingenieure. Das Windfarmen das Klima erwarmen und die Umgebung austrocknen, ist seit Langem bekannt. Ein gutes Paper wurde im 2018 publizert Miller et. al, in… Mehr
Nun, das Thema ist ein wenig komplexer. Um die „segensreiche“ Wirkung von Windrädern zu konstatieren, muss man alles, was damit zusammenhängt, berücksichtigen. Als da wären: der gigantische Flächenverbrauch, die Tonnen an Stahlarmierung, die man für das Fundament benötigt und für deren Herstellung man wiederum erhebliche Energie benötigt, die Tonnen an Beton für den Sockel, für dessen Herstellung man wiederum erhebliche Energie benötigt, die tausende Kilogramm an Aluminium, für deren Herstellung man wiederum erhebliche Energie benötigt, die vielen hundert Kilogramm an Koltran und seltenen Erden, deren Herstellung nicht nur erhebliche Energie benötigt, sondern deren Abbau unter menschenunwürdigen Arbeitsbedingungen in Afrika und… Mehr
„Dunkeldeutschland“ ist keine Herabwürdigung – es ist ein Versprechen!
So sehr ich Windräder ec. ablehne, ein beliebter Denkfehler wird auch hier gemacht: Die durch Windräder der Atmosphäre entzogene Energiemenge mag eine große Zahl sein. Sie ist jedoch auch hier in Relation zu der gesamten in der Atmosphäre enthaltenen Energie zu sehen – und das dürfte nur ein verschwindend kleiner Anteil sein.
Lokale Auswirkungen auf das Wetter/Klima sind dadurch möglich und werden auch beobachtet. Globale Wirkung halte ich für äußerst unwahrscheinlich.
Sehr sehr schön!!!
Wünsche mir, es gäbe in D. täglich eine Million solcher Gespäche.
Das Schöne an der Physik ist, dass Überschlagsrechnungen zu den Energiebilanzen harte, politikunabhängige Aussagen ermöglichen, hier harte untere Grenzen des Eingriffpotenzials von Windmühlen in die Windsysteme. Schätzt man die kinetische Windenergie der gesamten (!) Troposphäre über Deutschland ab: Fläche Deutschlands mal Flächenmasse der Luft (gleich 10 m Wassersäule) mal 1/2* mittlere Windgeschwindigkeit im Quadrat und nimmt plausibel an, dass sich „verbrauchter“ Wind in etwa 2 Wochen (Zeitskala der Dynamik von Hoch- und Tiefdruckgebieten) durch Sonnenenergie erneuert, kommt man darauf, dass Wind einen Energiefluss von etwa 0.5 W/m^2 bereitstellt, der durch Reibung an der Erdoberfläche und intern in Wärme dissipiert. Das… Mehr
Interessanter Gedanke. Aber ist es nicht so, daß Strom zu einem guten Teil wieder in Wärme umgewandelt wird? Und wieviel Energie wird dem Bilanzraum durch andere Aktivitäten hinzugefügt, egal ob über Verbrennungsmotoren o.ä.? Ich denke, es wird erst ein Schuh draus, wenn man sich überlegt, daß mit den Vogelschredderanlagen die lokalen Energiebilanzen massiv verändert werden. Damit wird jetzt in der Fläche – also in Natur oder Kulturlandschaften – Energie entnommen (und Luft vertikal verwirbelt), wie das früher nicht der Fall war. Die Wärmezufuhr war dagegen schon immer primär in Siedlungen konzentriert sowie in den klassischen großen Kraftwerkstandorten…
Mit der Google Umfrage „Windrad Wirkungsgrad“ erhält man kein präzises Ergebnis. Die ca 50 % beziehen auf das „Gesetz von Betz“ und sind die Leistung die dem Wind entnommen wird. Daher ist Leistungsbeiwert die korrekter Bezeichnung. Die anderen 50% Windenergie fliesen hinter dem Rotor weiter. Der Wirkungsgrad sagt aus, wieviel man von der entnommenen Windenergie in Strom umwandeln kann. Dazu konnte ich keine genaueren Berechnungen finden. Das Flügelprofil verursacht Verluste, ebenso der Generator usw.. Es könnten auch wieder diese 50% sein. Ich vermute, der Wirkungsgrad ist aber höher, da die Bauteile schon sehr optimiert sind (z.B. Generator mit „seltene Erde… Mehr
Lassen Sie den Wirkungsgrad weg und nehmen Sie einfach die eingespeißte Energie von 113 TWh. Mit ein paar Rundungen sind´s dann immer noch 8000 Atombomben – was ohne diesen Artikel wohl kaum jemand schätzen würde.