Die Generation Baerbock hat neue Maßstäbe für das gesetzt, was man können und wissen muss, wenn man Politik in vorderster Reihe gestalten will. Die eklatanten Bildungs- und Wissenslücken wie ihr wackliger Sachverstand in Kernfragen deutscher Politik, sind branchenüblich. Ein Gastbeitrag von Peter J. Brenner
Nun also auch die Familienministerin. Franziska Giffey, SPD, ist das dritte Mitglied eines Merkel-Kabinettes, das seinen Doktortitel unredlich erworben hat. Das ist nicht weiter bemerkenswert. Bei jährlich knapp 30.000 Promotionen in Deutschland spielt es keine Rolle, ob ein Doktortitel mehr oder weniger aberkannt wird. Es sind noch genug da, und man gewöhnt sich daran.
Man darf den Beteuerungen wahrscheinlich Glauben schenken, dass die Betroffenen sich keiner Schuld bewusst sind und sie, wie Giffey gerade wieder versichert hat, nach „bestem Wissen und Gewissen“ gehandelt haben. Mit beidem ist es wohl nicht weit her, und offensichtlich ist es so, dass sie die Regeln gar nicht gekannt haben, an die sie sich hätten halten sollen.
Die Fälle Guttenberg, Schavan, Giffey, Baerbock sind Symptome einer Übergangsphase, in der die Welt der Akademiker noch ihre über Jahrhunderte hin-weg aufgebaute Reputation bewahrt, ihr Ethos aber verloren hat. Die kleinen oder größeren akademischen Schwindeleien gelten in dem Milieu, in dem sich Giffey und Baerbock bewegen, allenfalls als lässliche Sünde.
Bundeskanzleraspiranten sollten diesen Bildungsstand eines bayerischen Realschülers nicht unterschreiten; wer sich um eines der wichtigsten politischen Ämter der westlichen Welt bewirbt, sollte also zumindest über gründliche Kenntnisse in Politik, Geschichte, Zeitgeschichte, Geographie, Naturwissenschaft, Wirtschaft, Kultur verfügen. Das hilft, sich in der Welt zurechtzufinden.
Der Lohn der Mühen
Warum eigentlich nehmen Politiker die Mühe auf sich, akademische Titel zu erschwindeln oder universitäre Laufbahnen zu simulieren? Zunächst einmal hilft es im politischen Betrieb: Knapp 82 Prozent der Bundestagsabgeordneten haben einen Hochschulabschluss; in der Bevölkerungsgruppe der 25- bis 65-jährigen sind es dagegen nur 22 Prozent. Rund 17 Prozent der Parlamentarier haben einen Doktortitel, und etwas mehr als zwei Prozent sind habilitiert; der größte Anteil der Habilitierten findet sich übrigens in der AfD-Fraktion. Die deutsche Bundeskanzlerin kann neben ihrem echten Doktortitel auf immerhin 17 Ehrendoktorate verweisen. Ihr türkischer Migrationspaktpartner Erdogan indes überbietet sie um ein Vielfaches mit seinen 44 Ehrendoktortiteln. Zweifellos repräsentieren akademische Laufbahnen und Titel also auch in der Politik „symbolisches Kapital“, um es mit dem Soziologen Bourdieu auszudrücken.
Baerbock ist es deshalb, genauso wie Giffey, nicht schwer gefallen, ihre ohnehin nur halbherzig erworbenen und zweifelhaft gebliebenen akademischen Meriten wieder abzustreifen. Sie haben ihren Zweck erfüllt. Für ihr Londoner Ein-Jahres-Studium hat Baerbock eigenen Angaben zufolge rund 11.000 Euro an Studiengebühren bezahlt. Eine lohnende Investition. Denn mit einem Studienabschluss erhöht sich die Chance, sich den profanen Anforderungen des alltäglichen Arbeitslebens entziehen zu können und in irgendeinem parteipolitischen Biotop, etwa als Büroleiterin einer Bundestags- oder Europaparlamentsabgeordneten, Unterschlupf zu finden, wo es nicht so darauf ankommt. Dazu benötigt man aber zumindest ein simuliertes Studium. Dass jemand mit einer abgeschlossenen Ausbildung als Spenglermeister oder Fliesenleger Leiter eines Abgeordnetenbüros geworden sei, hat man jedenfalls noch nicht gehört. Können würden sie es sicher auch.
Aber es reicht nicht. Man muss sich selbst zusätzlich einen Bonus für erfolgreiche Wahlen und eine Corona-Zulage für erschwerte Arbeitsbedingungen während der Pandemie – damit kann eigentlich nur das Maskentragen gemeint sein – genehmigen, in einer Situation, in der ganze Branchen um ihr Überleben kämpfen und Mitarbeiter mit Kurzarbeit Null, also bis zu 40-prozentigen Lohnkürzungen, auskommen müssen.
Im Niemandsland der Anywheres
Baerbock und die ihren sind längst im Land der globalen Eliten, der „Anywheres“, angekommen; im Niemandsland von Menschen, die Deutschland regieren wollen – und es auch schon tun – und die längst jeden Kontakt zur Lebenswirklichkeit derer verloren haben, die sie regieren wollen. Eine kurze 30-Sekunden-Szene aus der NDR-Dokumentation „45 Minuten“ vom 23. November 2020 mit dem Titel „Kurs aufs Kanzleramt? Baerbock und Habeck“ gibt Aufschluss über das Weltbild, das dahinter steckt. Im Doppelinterview mit Habeck erläutert Baerbock die Rollenverteilung: Hier der dröge Parteifreund Robert mit Gummistiefeln und Melkschemel, dort die Globalistin Annalena, die sich selbst bescheinigt, „eher vom Völkerrecht“ – und nicht etwa nur aus Hannover – zu kommen, aber faktenwidrig glaubt und im „WDR Europaforum“ vom 20.05.2021 verkündet, eine der großen Errungenschaften der Europäischen Union sei die Vereinheitlichung der Steckdosen gewesen.
Wie wird man so?
Aber Baerbock ist Kanzlerkandidatenaspirantin und Habeck nicht. Wie muss ein Bildungssystem aussehen, das diesen Typus hervorbringt, oder, vornehmer ausgedrückt: Wie funktioniert die politische Elitenrekrutierung in dieser Generation?
Die Universitäten in Deutschland und anderen westlichen Ländern haben längst, spätestens seit der Umsetzung des Bologna-Prozesses, die gesellschaftliche Schlüsselstellung verloren, die sie in modernen Zivilisationen zwei Jahrhunderte lang hatten. Wer eine akademische Ausbildung an einer Universität erfahren hatte, musste bestimmte Erwartungen erfüllen: uferlose Wissensbestände, Klarheit des Denkens und Sprechens, theoretische Fundiertheit, Rationalität der Argumentation, die Bereitschaft zur Überwindung von Widerständen und Unlustgefühlen, Neugierde und intellektuelle Redlichkeit hätte man in einem Universitätsstudium gelernt haben sollen – in Kurzform: Klar denken und viel wissen.
Dieser universitären Sozialisation verdankt sich jene generations und milieutypische Mischung aus Ignoranz, Unverfrorenheit und Selbstüberschätzung, die sich bei Politikern wie Medienvertretern zunehmend beobachten lässt. Die Universitäten sind zum Aufwärmbecken für Karrieren in der Politik, in staatsalimentierten NGOs sowie in den Medien geworden. Wer ein Studium absolviert oder wenigstens einmal begonnen hat, wird Vorstellungen und Verhaltensweisen völlig selbstverständlich finden, die in der arbeitenden Bevölkerung nur mit ungläubigem Kopfschütteln zur Kenntnis genommen werden: dass bei dem Wort „Steuerzahler“ Frauen „nicht mitgemeint“ seien, dass deshalb Nachrichtensprecher und Talkshowmoderatoren des öffentlich-rechtlichen Rundfunks und Universitätsangehörige einen Sprachfehler simulieren müssen; dass in Deutschland „systemischer Rassismus“ herrsche, so dass einem amerikanischen Schwerkriminellen Märtyrerstatus gebühre und Straßen nach ihm benannt werden müssten, während umgekehrt der „Zigeunerbach“ und das „Drei Mohren“-Hotel in Augsburg – in dem sich ohnehin verdächtige Personen wie Friedrich II., Mozart, Thomas Mann, Michail Gorbatschow aufgehalten haben – ihren Namen ändern müssen; dass Staatsgrenzen Teufelswerk und Staatsbürgerschaften ein faschistisches Konzept seien; dass man neben seinem SUV auch ein Elektromobil und ein Lastenrad in der Garage stehen haben müsse, und dass schließlich in Urlaub nur fliegen dürfe, wer Geld genug hat, um einen CO2-Ausgleich zu zahlen. Das sind mentale Milieuschädigungen, die so gut wie ausschließlich an Universitäten erworben werden. Kein Mensch, der sich im Alltag, im Beruf und der Familie, bewähren muss, kann auf solche Gedanken kommen.
Seit dem „Nibelungenlied“ bescheinigt man den Deutschen gerne eine selbstzerstörerische Lust am Untergang. Aber dass sie im September 2021 wirklich einer vor sich in schwadronierenden Berufsanfängerin ins Amt des Bundeskanzlers verhelfen, mag man doch nicht glauben. Die Person Baerbock wird aus dem politischen Gedächtnis der Bundesrepublik verschwinden wie ein Gesicht im Sand am Meeresstrand. Aber der Typus bleibt. Er repräsentiert die Zukunft.
Univ.-Prof. Dr. Peter J. Brenner (*1953) studierte Philosophie, Germanistik, Erziehungswissenschaft und Komparatistik an der Universität Bonn. Nach der Promotion in Bonn 1979 war er wissenschaftlicher Assistent, nach der Habilitation Privatdozent an der Universität Regensburg und Heisenberg-Stipendiat an der Universität Bayreuth. Von 1991 bis 2009 war er Professor an der Philosophischen Fakultät der Universität zu Köln. 2009 wechselte er an die Technische Universität München, zunächst als Gründungsgeschäftsführer der TUM School of Education; anschließend war er Akademischer Direktor an der Carl von Linde-Akademie der TUM. An der University of North Carolina at Chapel Hill und der Leopold-Franzens-Universität Innsbruck hat er Gastprofessuren wahrgenommen.
Der Beitrag erschien zuerst im Bildungsblog „Einmal im Monat“ von Peter J. Brenner www.imsw.de
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„Doktor“ ist KEIN Titel, nicht Bestandteil des Namens, es ist nichts weiter, als ein AKADEMISCHER Grad, der keinen Anspruch auf besondere, devote ‚Höflichkeit‘ verursacht – mit Ausnahme bei über 90% vollverblödeter Deutscher, die solchen „Titeln“ hinterherhecheln ….
Es sind bei Weitem nicht alle so schlecht und so dämlich und so maßlos verzogen wie die Bärbock. Gott sei Dank. Aber die sind die „armen Hunde“, die diese absurd verzogenen Vollpfosten a la Bärbock/Grüne verhalten müssen. Wenn es eng wird, finanziell, wirtschaftlich und bez. der Freiheit, dann müssen sich endlich diejenigen, die das Land am Laufen halten, gegen die Bärbock-Anhänger, gegen die Dummen der Woke-Szene zur Wehr setzen, und zwar so, dass die sogar mit ihren Schlägertruppen in die Flucht geschlagen werden. Mit diesen Bärbock-/Habeck- und Co-Leuten bestehen wir in Deutschland (Europa) nicht den Konkurrenzkampf mit China, denn die… Mehr
Die fahren schon seit Jahren das Anforderungsprofil runter um der Sozialisten Kinder auch was werden zu lassen, während die Welt genau das Gegenteil macht und die Anforderungen erhöht um bestehen zu können und mit dieser Differrenz wollen sie noch die Zukunft meistern, kein Wunder wenn wir ein Volk von Abschreibern geworden sind, weil noch nicht einmal für diese abgespeckte Variante die Intelligenz ausreicht und auch der Wille nicht mehr vorhanden ist, sondern nur noch das Etappenziel, in eine Position zu kommen um diese dann immerdar begleiten zu können. Franz Josef Strauß hat vor dieser sozialistischen Entwicklung schon in den siebziger… Mehr
Nicht mal da weiß man, wer den Auftrag gab.
Was soll eigentlich neu an dieser Landpomeranze sein? Ihre Stilettos in rotem Lackleder oder der züchtige, bodenlange Plisseerock? Die gezupften Augenbrauen, die getönten Haare, Augenbrauen und angeklebten Wimpern? Frau Bärbock ist für meinen Geschmack ein mehr oder weniger geschickt aufgebautes Marketinginstrument der Grünen, nichts sonst. Lang, lang ist’s her, dass die Grünen für ihre Ziele und Ansprüche eintraten. Wenn selbst Parteimitglieder wie Trittin sich schützend vor diese ungebildete Person stellen, wie schlimm muss es um die Partei und ihre Machtgeilheit bestellt sein. Vier Prozent weniger bei der letzten Sonntagsfrage innerhalb nur eines Monats zeigen dann doch, dass die Deutschen vielleicht… Mehr
Wenn man auf ihren Gang achtet, fällt sofort auf, dass das nicht ihr Schuhwerk ist. Auch ihr breitbeiniger Stand passt zu ihrer eher einfachen Art, insb. zur schnodderigen Ausdrucksweise. Vielleicht ist es diese Schlichtheit, welche Vertrauen schafft.
Jedoch, wer vom Teleprompter oder Redeskript nicht fehlerfrei ablesen kann, erfüllt den gängigen Mindeststandard nicht.
Beim Märchen „Des Kaisers neue Kleider“ traute sich niemand die Wahrheit auszusprechen. Hier scheint es so, dass niemand die Wahrheit erkennen will oder kann.
„Die Person Baerbock wird aus dem politischen Gedächtnis der Bundesrepublik verschwinden wie ein Gesicht im Sand am Meeresstrand. Aber der Typus bleibt. Er repräsentiert die Zukunft.“
Mal ganz ehrlich: Ich bin in der Bonner Republik groß geworden – DAS war das beste Deutschland, das wir je hatten!
Und jetzt geht es verloren – und dazu noch an die Schneeflöckchen-Generation. Die sich selbst die Zukunft verbaut und andere anplärrt: „How dare you!“
Ich habe wahrscheinlich 2/3, eher sogar 3/4 meiner Zeit hinter mir; der Rest, wie kurz auch immer sie werden wird, reicht, dass es mich vor Gruseln nur so schüttelt!!!
Da sprechen Sie mir aus der Seele.
O, golly. Das sind ja herrliche Aussichten.
Unser Problem ist, dass es im Bundestag zwar viele mit Hochschulabschluss gibt, aber davon wenige in MINT. Da sitzen Juristen, Germanisten, Soziologen und andere Schwätzer, die nicht mal wissen was Watt bedeutet, aber die deutsche Energiewende beschliessen.
Stellen Sie mal vor, ich sage zu Ihnen:
„Glauben Sie mir: Es gibt auch im MINT-Bereich eine ganze Menge Schwätzer, die glauben, sie könnten überall mitreden, nur weil sie MINT studiert haben.“
Was wäre damit gewonnen?
Selbstverständlich haben Sie recht damit, dass es eine breite Fachperspektive im Bundestag geben muss. Qua Berufserfahrung als publizierender Historiker an einer außeruniversitären Forschungseinrichtung gebe ich Ihnen aber Brief und Siegel darauf, dass MINTler nicht die einzigen seriösen Wissenschaftler auf der Welt sind. Also sparen Sie sich bitte die „Schwätzer“.
Da fphlt sich aber jemand auf den Schlips getreten….. Hat er alle Geisteswissenschaftler per se als Schwätzer bezeichnet ? Nein.
Als Historiker in einer Forschungseinrichtung beschließen Sie ja vermutlich nicht die „Energiewende“. Und dass durch Leute, die lustig Gigatonnen und ähnliches durcheinanderhauen. Was speziell Baerbock so von sich gibt, untertrifft Hauptschulniveau.
Aber gut, bei der hat es zu gar keinem richtigen Studienabschluß gereicht.
Alles ist Wechselwirkung weiß v. Humboldt. Seit Rotgrün bei Bildung u. Wissenschaft das Sagen hat, wird am Bedarf vorbei produziert. Wohin mit den weichen Studiengängen, die vom Fließband purzeln, aber keiner braucht? Früher kam unnötiger Nachwuchs ins Kloster.
Qualifiziert war, wer lange knien, Gebete konnte und adelig war – wie heute für Parlamente und Ministerien. Akademischer Titel ersetzt Adel. Der schadet aber nicht. Das Wörterbuch der Gemeinplätze ist Pflichtlektüre. Daher Kanzler ab 14, Päpstin ab 16 wegen SBS See.
„Amüsant …, sie mit jenem Wissenskanon zu konfrontieren, der bei Bewerbern … für den gehobenen nicht-technischen Dienst (nicht nur!) in Bayern vorausgesetzt wird: deutsche Sprache, logisches-schlussfolgerndes Denken, grundlegende Allgemeinbildung …“ Einerseits amüsant, andererseits problematisch für die Absolventen dieser FH-Ausbildung, denn sie sind auch ausgebildet in Staats- und Verfassungsrecht und geraten zunehmend in Loyalitätskonflikte, wenn sie – etwa auf Bundesebene – einerseits ihren Diensteid „Ich schwöre, das Grundgesetz und alle in der Bundesrepublik Deutschland geltenden Gesetze zu wahren und meine Amtspflichten gewissenhaft zu erfüllen, so wahr mir Gott helfe.“ leisten, andererseits das Gebaren ihrer Dienstherren beobachten und sich ihnen gegenüber loyal… Mehr