Gegen Extreme helfen keine Extremen

Die Vereinnahmung durch Hass und Straftaten von Radikalen darf die Diskussion sensibler Themen nicht verunmöglichen – nicht durch die Sorge, das Amt in einer politischen Organisation zu verlieren oder von Freunden und Bekannten gescholten zu werden.

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In diesen Tagen stehen Chemnitz und Sachsen bundesweit und international erneut im Schatten des Rechtsextremismus. Die Bilder randalierender Hooligans, deren Schlägereien mit Einsatzkräften der Polizei und Straftaten gegenüber Migranten sind umso bedrückender, wenn sie nicht nur in den 20-Uhr-Nachrichten zu sehen sind, sondern plötzlich Teil der eigenen Lebenswirklichkeit werden. Ich bin zuversichtlich, dass die Vorkommnisse in den nächsten Wochen gründlich aufgeklärt werden.

Gleichermaßen will ich an dieser Stelle mein Unbehagen in Bezug auf die Reaktionen in weiten Teilen der Medienöffentlichkeit und der politischen Kräfte dieses Landes äußern. Die Vereinnahmung durch den rechten Mob, deren Hass und Straftaten, dürfen nicht dazu führen, dass keine grundsätzliche Diskussion in sensiblen Themen mehr möglich ist – sei es durch die Sorge, das eigene Amt in einer politischen Organisation zu verlieren oder von Freunden und Bekannten gescholten zu werden.

Was die Berichterstattung betrifft:

„Ein Mord ist immer schlimm, egal, von wem er begangen wurde oder wer das Opfer ist.“ Stimmt. Es stimmt aber auch, dass eine einzelne Straftat umso stärker thematisiert werden muss und darf, wenn sie Ausdruck gesellschaftlicher Konflikte ist und in einem größeren Kontext steht. Die Tötung in der Brückenstraße in der Nacht vom Samstag zum Sonntag steht zweifelsohne im Kontext der seit drei Jahren verstärkt geführten „Einwanderungsdebatte“ in Deutschland. Dass darüber hinaus eine schwere Straftat am Rande eines regelrechten Volksfests begangen wurde, das für viele Chemnitzer, Jugendliche und junge Erwachsene auch aus dem Umland Jahr für Jahr ein echter Magnet ist, sollte die große Empörung einigermaßen verständlich machen, wenngleich dies mitnichten die Ausschreitungen rechtfertigt.

„Es ist noch völlig unklar, was passiert ist.“ Der genaue Tathergang ist freilich unklar und wurde in den sozialen Medien unzulässig bereits in den krassesten Farben ausgemalt und durch die Polizei später dementiert. Klar ist mittlerweile, dass die Tatverdächtigen Syrer und Iraker sind und am Ende mindestens ein Mensch infolge der Auseinandersetzung verstarb. Vielleicht lassen sich just daraus keine Schlüsse ziehen – allein die Tat zum Anlass zu nehmen, um auf Missstände in der deutschen Migrationspolitik hinzuweisen, ist allerdings nicht unzulässig.

Was die öffentlich-rechtlichen Medien betrifft:

Dass deutsche Politikjournalisten im Allgemeinen besondere Parteienpräferenzen haben, ist nichts Neues, was sich auch in der Berichterstattung zur Flüchtlingskrise ab 2015 zeigte. An den „Öffentlich-Rechtlichen“ wird die Entfremdung des Journalismus von der politischen Wirklichkeit dann aber noch deutlicher. Etwa die WELT berichtete bereits von der Straftat, bevor der rechte Mob durch die Chemnitzer Innenstadt zog. Für tagesschau.de wurde das Thema dagegen erst interessant, als Sachsen als originäre Heimat des Rechtsextremismus dargestellt werden konnte.

Tagesschau und ZDF Heute standen erst kürzlich in der Kritik, nachdem bewusst auf die Berichterstattung zu einer durch einen Asylbewerber verübten Tötung verzichtet wurde. Neben diversen Problematiken, die von anderer Seite bereits ausführlich aufgearbeitet worden sind (unsachliche Berichterstattung zu Donald Trump, zum Ukraine-Konflikt, antiisraelisch, überschwänglich zu den Grünen etc.), fällt mir persönlich immer und immer wieder auf, mit welcher Energie sich ARD und Co. darum bemühen, auch das letzte antimarktwirtschaftliche Ressentiment zu bedienen; seien es die „Paradise Papers“, große Teile des Angebots an Dokumentationen in den ARD- und ZDF-Mediatheken, DLF-Nova, beliebte Narrative in Heute-Show und Extra 3 oder auch kürzlich – anekdotisch – streckenweise die sogenannten Sommerinterviews. Die Mentalität, dass vermeintliche Probleme durch Steuern und Staatsausgaben gelöst werden, durchzieht die Berichterstattung der öffentlich-rechtlichen Medien – von ausbleibender sachgerechter Darstellung ökonomischer Zusammenhänge ganz zu schweigen.

Journalisten und Medien sind natürlich unabhängig und dürfen publizieren, was sie wollen. Die gemein- und zwangsfinanzierten öffentlich-rechtlichen Sender sollten sich allerdings schon von ihrem Selbstverständnis her als neutrale und objektive Quelle ausgewogener Berichterstattung begreifen. Derzeit ist das nicht der Fall. Und darum haben Tagesschau und andere auch in der Chemnitz-Frage kein Anrecht darauf, als neutral und objektiv angesehen zu werden.

Was politischen Extremismus betrifft:

Dass wir in Sachsen ein Problem mit Rassismus und Rechtsextremismus haben, ist evident. Umso stärker erschüttert mich, wie kopflos und fanatisch der „Kampf gegen Rechts“ in den Feuilletons, sozialen Medien und von einem Großteil der politischen Kräfte in Deutschland geführt wird. Da wird die Abgrenzung von rechter Gewalt mit linker Identitätspolitik vermischt, Antikapitalismus gehört zum guten Ton (dazu auch eindrücklich ein Spruchbanner in Chemnitz), linker Extremismus wird unter dem Deckmantel von Zivilcourage und Aktivismus plötzlich salonfähig. All das macht rechtsextreme Ausschreitungen nicht besser oder schlechter. Es muss nur klar sein:

Wenn ein Gros von Gegendemonstranten tief in linken oder linksradikalen Denkmustern verwurzelt ist, kann niemand ernsthaft erwarten, dass diese Leute eine starke politische Mitte abbilden und einen Querschnitt der Gesellschaft adressieren. Damit sind insbesondere Denkmuster wie die des ausbeuterischen Unternehmers oder des Elfenbeinturms der männlich-weißen Mittelschicht gemeint. Wer Eigentum nur als minderwertiges Grundrecht betrachtet und Enteignungen für ein probates Mittel hält, um die eigene politische Agenda durchzusetzen, der ist selbst keinen Deut besser als die Ideologen von der anderen Seite.

Warum?

Die nun wieder eindrücklich vorgeführte Spaltung der deutschen Gesellschaft wird nicht von denen geschlossen, die sich ihrer moralischen Überlegenheit gewiss sind. Am Ende werden die Täter der Ausschreitungen verurteilt, Wut und Hass bleiben.

Warum sollte nun ausgerechnet die Avantgarde der politischen Korrektheit etwas Positives zu diesen immensen gesellschaftlichen Konflikten beizutragen haben? Stattdessen ist jetzt die Stunde einer starken, bürgerlichen und freiheitlichen Mitte.


Morris Scheithauer ist Student und Vorsitzender der Jungen Liberalen Jena-Weimar.

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Kommentare ( 55 )

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55 Comments
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Oswaldo
6 Jahre her

„Die Vereinnahmung durch den rechten Mob, deren Hass…“ „Dass wir in Sachsen ein Problem mit Rassismus und Rechtsextremismus haben, ist evident…“ Das erste ist die Sprache der Linken, das zweite ihre Denkweise. Solche Geßlerhüte grüßen (aus Versehen? mit Absicht?) ist doch kontraproduktiv, wenn man als FDP im liberal- rechtskonservativen Spektrum (das Zentralorgan von Antifa Zeckenbiss betreibt Herr Tichy hier nicht gerade) punkten möchte. Wobei die FDP ja bundespolitisch eher Äquidistanz versucht als halblinks. Sie versucht sich ganz heraushalten. Allerdings funktioniert auch das nicht. Man kann nicht eine große Auseinandersetzung aus der Ferne beobachten und sie zugleich gewinnen zu wollen. Was… Mehr

jorgos48
6 Jahre her

Schlagzeile der FAZ
LINKES BÜNDNIS „AUFSTEHEN“ :
Wagenknecht beklagt „handfeste Krise der Demokratie“
AKTUALISIERT AM 04.09.2018-11:22

Die Reingewaschenen Nachfolger der SED sorgen sich um die Demokratie. Glauben wir das auch noch.
Da entsteht die neue Nationale Front unter Führung der Partei der Arbeiterklasse.
Wer vergesslich ist und die 40 Jahre SED Regime vergessen hat oder einfach nichts weiß wird den Sammlern auf den Leim gehen. Und die alten 68. Träumer aus SPD und Grünen marschieren schon mit.

K. Sander
6 Jahre her

Zu DDR-Zeiten wurden wir gezwungen das „Neue Deutschland“ zu abonnieren. Ich habe es jeden früh in der S-Bahn bei der Fahrt zur Arbeit benutzt. Einfach hinsetzen, aufklappen, vor das Gesicht halten und Augen zu. Wir haben damals auch nicht die Zeilen, sondern nur zwischen den Zeilen gelesen. Bei einer Konferenz hatte damals auch ein Journalist teilgenommen. In derKaffeepause hat der uns damals erklärt, dass die keine realen Informationen veröffentlichen dürfen. Das wurde durch die Politik verboten und kontrolliert. Nach der Wende hat es sich gedreht. Die schrieben, dass sie nur noch realistische Informationen veröffentlichen wollen, die nicht von Politikern beeinflusst… Mehr

Ferengi
6 Jahre her

Das Problem einer politischen Mitte ist, dass sie faktisch nicht mehr existiert. Die politische Mitte ist inzwischen soweit nach links verschoben worden, dass alles, was die eigentliche Mitte darstellen würde, von linientreuen Politikern und Medien bereits als „rechts“ oder „rechtsradikal“ eingeordnet und als Gefährdung der Demokratie eingestuft wird. Das noch einmal zu ändern, dürfte in Deutschland unmöglich sein.

Thorsten
6 Jahre her
Antworten an  Ferengi

Die politische Mitte existiert, nur hat Merkel mit ihrer links-grünen Agenda das Koordinatensystem nach links verschoben. Wer früher in der CDU seine politische Heimat fand, der ist nun ein Rechtsextremist.

Das eigentliche Problem ist, dass die Menschen sich nicht aus dem Spinnennetz der Politik und Lügen befreien und ihre Meinung öffentlich kundtun und an der Wahlurne entsprechende Konsequenzen ziehen.

6 Jahre her

Was wundern wir uns denn so sehr. Die Geschichte hat uns doch nahezu alles gelehrt, was es auf dieser Welt gibt. Jede Gesellschaftsform hat sich bisher in der Form organisiert, in dem eine Minderheit eine Mehrheit unterdrückt. Und das wird auch immer so bleiben. Die Formen und Methoden ändern sich lediglich. 1. Geld regiert die Welt (auch wenn Geld nur noch eine Phantasie ist und überhaupt keinen Wert mehr besitz) 2. Gib mir die Macht über das Geld (Finansystem) und es ist mir völlig egal, wer diese Welt regiert. 3. Postfaktisch. Die Realität verliert immer mehr an Einfluss und die… Mehr

Thorsten
6 Jahre her
Antworten an  [email protected]

Geld hat einen Tauschwert, auch können damit Zahlungsverpflichtungen in den abgeschlossenen Verträgen und gegenüber dem Staat erfüllt werden.

Der Vorteil gegenüber der Tauschwirtschaft ist immens und macht deswegen Geldwirtschaften erfolgreich. Die USA ist das eindeutige Beispiel, dass eine liberale Wirtschaftsform zu großen Erfolg führt. Alternative Gesellschaftsentwürfe wie Nazi-Deutschland, die Sowjetunion oder China (unter Mao) sind untergegangen. Sie eifern heutzutage der USA nach.

Sonny
6 Jahre her

Das eigentlich Schlimme ist doch, dass keinem Presseerzeugnis mehr Glauben geschenkt wird und sich nur das jeweilig Passende zur eigenen Überzeugung überall herausgepickt wird. Die Indizien der letzten drei Jahre allerdings und oft auch medial unterdrückten Beweise der importierten Kriminalität- zahlreiche mit tödlichem Ausgang – sind überwältigend. Wenn die Menschen nichts mehr glauben, verlassen sie sich auf das was sie sehen und jeden Tag erleben (müssen). Ich habe keinen rechten marodierenden Mob in Chemnitz erkennen können. Erkennen konnte ich jedoch, dass die linke Antifa eine Schweigeminute für die Opfer der Messerstecherei durch Kreischen und Pfeifen gestört hat. Ich konnte in… Mehr

Achso
6 Jahre her

Da unsere geliebte Staatsratsvorsitzende diesbezüglich auf profundes Wissen zurückgreifen kann, wird wohl alles in die Schlacht geworfen!

mac4ever
6 Jahre her

Rechter Mob? Welcher rechte Mob? Hält dieses demagogische Narrativ jetzt auch hier Einzug? Nach meinen Informationen haben in Chemnitz 6500 Bürger gegen den Messerterror von Migranten demonstriert. Und ein paar Extremisten gab es und ein paar Idioten, die den rechten Arm erhoben haben. In einem Interview des Deutschlandfunks gab sogar der Chefredakteur der linken „Freien Presse“ in Chemnitz zu, dass es keine Menschenjagd gegeben habe und schon gar keinen „marodierenden Mob“, wie die „Welt“ schrieb.

Der eigentliche Skandal ist doch das unisono durchgeführte Ablenkungsmanöver fast aller Medien: https://aktuellezeitkultur.wordpress.com/2018/08/30/die-luegen-der-qualitaetsmedien/

Hadrian17
6 Jahre her

Vernunft … ist immer eine gute Sache und stets allen anderen Möglichkeiten gegenüber zu bevorzugen. Versuchen wir es einmal. Zuvörderst geht es um Chancengleichheit. Und damit um „Geld“: Wenn es schon innen unter den „Bio“Deutschen nicht klappt … siehe Arbeiter- und Angestellten – Rentenniveau 48% bei jahrzehntelangen Einzahlungen in die „Rentenkasse“ die nicht einmal 100 % dessen, was hereinkommt, wieder auskehrt gegenüber 71,x % Beamten-Pensionsniveau ohne jede Einzahlung in eine Kasse und zusätzlicher „Beihilfe“ zur privaten Krankenversicherung, von Politiker-Pensionen gar nicht zu reden … erstaunlich übrigens, dass es deswegen nicht zu Unruhen kommt … . Wie soll es dann klappen,… Mehr

K. Sander
6 Jahre her
Antworten an  Hadrian17

„Bio“ Deutsche erinnert mich an Margot Käßmann. Die sagte vergangenes Jahr: „Zwei deutsche Eltern, vier deutsche Großeltern: ‚Da weiß man, woher der braune Wind wirklich weht“. Großeltern, Eltern und Kinder … das wird doch dann durch Gene weitergeleitet. Damit hat sie Deutsche zur Rasse gemacht. Aber bei der Käßmann ist mir schon vor ungefähr 18 Jahren schlecht geworden. Jeden Sonntag kam in der Nacht zum Montag eine philosophische Diskussionsrunde beim ZDF. In einer Sendung hatte die teilgenommen. Im Ergebnis kam heraus, dass nur noch Theologen und Philosophen unsere Leben bestimmen sollen. … also Demokratie weg. Seit Schröders Zeiten wurden dann… Mehr

Johann Thiel
6 Jahre her

Werde mich zu diesem Artikel lieber nicht äußern, denn dessen Inhalt in Verbindung mit dem Autor ist wirklich nur für eines gut – mich noch weit mehr wütend zu machen als ich es ohnehin schon bin.