Die Prämierung des Begriffs „Freiheit” zur Floskel des Jahres gibt vor, einer medienkritischen Analyse entsprungen zu sein, ist aber nichts als ein politischer Gefälligkeitsakt zweier Journalisten mit schlechten Manieren und guten Beziehungen zum öffentlich-rechtlichen Rundfunk.
Ein neues Jahr, eine neue Erinnerung der öffentlich-rechtlichen Medien, dass der Kampf um die sprachliche und kulturelle Hegemonie mit unverminderter Härte weiter geführt wird. Beglückt uns die – von der Kultusministerkonferenz und dem Kulturstaatsminister finanzierte – Gesellschaft für deutsche Sprache bereits seit den 1970ern mit dem „Wort des Jahres”, gesellte sich schon 1991 das „Unwort des Jahres” hinzu um jeglichen Zweifel darüber, ob ein Wort nun gut oder schlecht aufzufassen sei, aus dem Weg zu räumen. Besonders deutlich wurde dies im Jahr 2015, in dem der „Flüchtling” zum Wort des Jahres gekürt wurde, der „Gutmensch” aber zum Unwort. Oder 2020, als die „Corona-Pandemie” das Wort des Jahres war und die „Corona-Diktatur” zum Antipoden gewählt wurde. Da weiß man gleich, wo man steht, bzw. wo man zu stehen hat. Im inflationär geführten Kampf um die gesellschaftliche Deutungshoheit gesellten sich 2008 dann noch das „Jugendwort” und 2010 der „Anglizismus” des Jahres hinzu.
Die beiden gründeten 2014 die sogenannte „Floskelwolke”, deren Algorithmus 2000 Medienseiten auswertet und die meistgebrauchten Floskeln darstellt. Klingt erstmal gefährlich, so ganz ohne Einordnung. Das dachten sich auch Pertsch und Stiehl und schufen drei Kategorien: „Standardfloskeln”, „missverständliche Floskeln” und „propagandistisch-manipulative Floskeln”. Soviel Einordnung darf nicht unbelohnt bleiben, die Tagesschau bezeichnete das Steckenpferd der staatsnahen Pertsch & Stiehl anlässlich der Bekanntgabe der „Floskel des Jahres 2022” als „sprach- und medienkritische Initiative”, deren Ziel es sei „dem professionellen Nachrichtengeschäft den Spiegel vorzuhalten.”
Dafür gab es dann auch bereits 2015, ein Jahr nach Gründung der Floskelwolke, den eben erst ins Leben gerufenen „Günter-Wallraff-Preis für Journalismuskritik”, der von der Initiative Nachrichtenaufklärung e.V. verliehen wird. Ähnlich wie bei diversen Offshore-Firmen, lohnt es sich aber auch hier den Fäden zu folgen, denn zufälligerweise besteht genau seit 2015 eine Kooperation der Initiative Nachrichtenaufklärung e.V. mit den Nachrichtenredaktionen des Deutschlandfunks und mit „Journalist”, der Zeitschrift des Deutschen Journalisten-Verbands. Wie es der Zufall will, ist Stiehl laut eigener Vita bereits seit 1997 Nachrichtenredakteur beim Deutschlandfunk und Pertsch seit 2015 fester Autor bei „Journalist” mit „Fokus auf Sprache und redaktionelles Handwerk”.
Wer möchte da über Verstrickungen oder politische Vorteilsnahme spekulieren? Nein, Qualität setzt sich einfach durch. Welcher Journalistenverband möchte denn nicht, dass sein Autor mit „Fokus auf Sprache und redaktionelles Handwerk” Menschen auf Twitter reihenweise als „Schwachköpfe”, „Trottel” und „rechte Arschlöcher” bezeichnet, die man laut einem Tweet von 2015 „mal ausbürgern, für ein Jahr nach Mali schicken, zurückholen, in ein Asylheim stecken und anzünden” sollte?
Die Floskelwolke ordnet ein
So weit zur Einordnung der Floskelwolke und ihrer Gründer. Diese haben nun zum dritten Mal seit 2020 ihre „Floskel des Jahres” veröffentlicht und traten damit in direkte Konkurrenz zum Sack Reis, der zeitgleich in China umfiel. Damit aber die Arbeit dieses kritischen „Spiegels des Journalismus in Deutschland” nicht von Internet-Trollen unterdrückt werden kann, oblag es niemand anderem als dem obersten Medium der freien und kritischen Meinungsäußerung in Deutschland, der Tagesschau, diese Leistung entsprechend zu würdigen. Dafür, dass es sich bei Stiehl zumindest um einen seit 25 Jahren an den öffentlich-rechtlichen Rundfunk verbundenen Journalisten handelt, war in der Meldung allerdings kein Platz mehr. Wahrscheinlich beginnt man bei der ARD aus Gründen der Nachhaltigkeit nun auch digitales Papier einzusparen.
Oh, doch nicht. „Besonderes Augenmerk verdienten dabei erneut jene [Phrasen und Floskeln] zur Pandemie und zur Klimapolitik, aber auch zur Energiekrise, die gelegentlich wenig durchdacht waren, mit denen teils distanzlos berichtet wurde oder die gezielt in den medialen Umlauf gebracht wurden.” Wem die Formulierung „distanzlos berichtet” noch kurze Hoffnung aufkeimen ließ, dass nun erstmals die mangelnde Distanz zwischen öffentlich-rechtlichen und der Regierung, allen voran den Grünen, thematisiert werden sollte, wird im Pamphlet zur Floskel des Jahres 2022 bitter enttäuscht.
Bevor die Pressemitteilung zu den eigentlichen Preisträgern kommt, gibt es noch eine Seite mit Statements von Stiehl und Pertsch. Wiederum gilt: so viel Einordnung muss sein, zumal man dem falschen Framing mit richtigem Framing begegnen muss. Stiehl selbst scheint mittlerweile seinem Kollegen Pertsch einige warnende Worte mitgeben zu wollen. „Wir beobachten, wie sich ein zunehmend aggressiver Umgang miteinander in der Gesellschaft in der Sprache widerspiegelt. Verächtliche Formulierungen werden wie Verbalkeulen geschwungen, was wiederum eine durchaus angestrebte Provokation zur Folge hat.” Deutlicher kann der Aufruf an Pertsch, sich mal ein wenig im Zaum zu halten, nicht ausfallen.
Treppchenplätze zur Standortbestimmung
Aber auch weltanschaulich gibt Stiehl deutlich zu erkennen, wo er steht. „Das macht auch nicht Halt vor der Umdeutung eines hoch angesehenen Guts wie Freiheit, in deren Namen inzwischen egoistische Forderungen gestellt werden oder absurde Preisungen von z.B. Atomkraft als „Freiheitsenergie” entstehen. Gegnerische Positionen in verächtlicher Form zu betiteln hat auf vielen Ebenen Einzug gehalten.” Letzteres stimmt zweifellos. Manche verleihen sogar Preise für die Floskel des Jahres, um die unliebsame Nutzung bestimmter Begriffe aus gegnerischen Positionen zu diffamieren, oder bezeichnen energiepolitische Alternativvorschläge als „absurde Preisungen”.
Stiehl legt nach: „Fast wie ein Schimpfwort mutet die Bezeichnung „Klimakleber” an.” Da muss man Stiehl recht geben, „Klimakleber” ist in der Ablehnung der lebensverachtenden Ideologie diverser Extremistengruppen noch viel zu verharmlosend, weshalb wir uns bei Tichys Einblick vorerst auf „Klima-Extremisten” geeinigt haben, wenngleich die Stimmen sich häufen, die danach rufen man solle die Pattexkinder doch endlich als „Klima-Terroristen” bezeichnen. Auf die entsprechende Freigabe von Thomas Haldenwang dürfte man allerdings noch länger warten können.
In bester Tradition von Jan Böhmermann & Co. bekommt natürlich auch die FDP ihr obligates Fett weg. Deren Lob für E-Fuels, die laut messerscharfer Analyse der Floskelwolke „bislang als unwirtschaftlich gelten”, als auch deren Einsatz für den Weiterbetrieb der „altbackenen Technik” der Kernkraftwerke, führt dazu, dass der 3. Preisträger der Floskel des Jahres, der Begriff „technologieoffen”, synonym steht für den „sprachlichen Nebelkerzenweitwurf bei marktwirtschaftlicher Sturheit” der FDP. Auf diese Formulierung waren Pertsch & Stiehl sicherlich sehr stolz. Dennoch stellt sich die Frage, in welchem öffentlich-rechtlichen Universum die Herren leben müssen, um die Atomkraft als „altbacken” zu bezeichnen, während sie ihrer Weltanschauung gemäß – so viel geht aus dem Text an allen Ecken und Enden hervor – die Energiewende mittels der mittelalterlichen Technologie der Windräder unterstützen. Und wie „wirtschaftlich” die erneuerbaren Energien sind, deren Effizienz bei der Energiegewinnung Jahr für Jahr am unteren Ende jeder erdenklichen Skala herumdümpelt, sehen deutsche Haushalte seit Anbeginn der Energiewende unter Merkel Jahr für Jahr auf ihren immer höher werdenden Strom- und Energierechnungen.
Eher vernachlässigbar erscheinen da fast schon die Erwähnungen der Floskeln „Doppel-Wumms”, einer fast schon augenzwinkernden Konzession an die Holzhammerrhetorik des Kanzlers, sowie das Wiederaufwärmen des Begriffs „Sozialtourismus”, zu dessen Erläuterung fast schon der Verweis genügte, dass dieser Begriff bereits 2013 zum Unwort des Jahres gekürt wurde.
Gute Freiheit, schlechte Freiheit
So kommen wir zum „Gewinner” der Floskel des Jahres, dem Begriff der „Freiheit”. Dabei erwähnt Pertsch, dass er bereits Anfang 2022 auf Twitter mutmaßte, „Freiheit” könnte zur nächsten Floskel des Jahres gewählt werden und Twitter daraufhin „implodieren” lassen. Trotz Beteuerung, er „hätte gehofft, Unrecht zu behalten”, sah er sich dann wohl offensichtlich doch genötigt, seine eigene Prognose zu prämieren. Eine zünftige Twitter-Implosion bringt halt auch Traffic und Relevanz.
Denn egal wie sehr man den Sozialstaat liebt (als Nutznießer desselben wohl sehr, wie die beiden Herren demonstrieren!), ein immanenter Bestandteil der freiheitlich demokratischen Grundordnung ist er nicht. Das mag natürlich aus der Sicht eines Salonsozialisten als Ungeheuerlichkeit erscheinen, ebenso wie die Tatsache, dass Freiheit prinzipiell erst einmal immer mit einer freien Entscheidung des Individuums beginnt.
Es würde jetzt zu weit führen, die verschiedenen philosophischen Dimensionen des Freiheitsbegriffes, angefangen von Aristoteles, über die verschiedenen christlichen Definitionen, bis hin zu den Aufklärern, Hegel und libertären Wirtschaftsphilosophen wie Mill und Hayek auszuweiten. Doch eine kritische Auseinandersetzung mit dem Begriff der Freiheit ist gar nicht beabsichtigt, vielmehr geht es den Berufsflosklern eben um die „Einordnung” in „gute” und „schlechte” Freiheit, eine Einordnung die ohne großen Unterbau auskommen muss, sondern die einzig davon zehrt, dass man die mediale Deutungshoheit für sich beanspruchen kann. Die Floskelwolkler machten nicht einmal von der einfach zu missbrauchenden Formulierung Hegels “Freiheit ist Einsicht in die Notwendigkeit” Gebrauch, mit der sie ihrer sozialistisch-verklärten Liberalismuskritik zumindest einen Hauch von Intellektualität mitgeben hätten können.
Daran zeigt sich auch, dass eine wirklich intellektuelle Debatte gar nicht erwünscht ist. Einige wenige sozialistische (Solidarität) und totalitäre (Einordnung) Kampfbegriffe müssen genügen, um den von Steuerzahlerhand finanzierten Umbau der Gesellschaft voranzutreiben.
Das reduktionistische Fazit des bewusst herbeigeführten Shitstorms fand sich in den Tweets der beipflichtenden Kaste rund um Tilo Jung & Co.: Freiheit ist, wenn die Ukraine kämpft, nicht die Egomanie der FDP. Das könnte sogar teilweise hinhauen, doch die argumentativen Abkürzungen auf dem Weg dorthin öffnen die Büchse der totalitären Pandora wieder ein Stückchen weiter auf Kosten des individuellen Freiheitsbegriffes.
David Boos ist Organist, Dokumentarfilmer und Journalist für den European Conservative und andere Magazine.
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Freiheit. Seit Jahren lieben wir die Verwendung von Worten, die sprachpolitisch auf dem Index stehen. Irgendwie ganz im Sinne von Rosenberg/Heppner: „Genau Entgegengesetzt“….ist die Richtung“.
FREIHEIT ! Landsleute , düstere Zeiten erwarten uns – wir sind dabei einer Diktatur kommunistischer Perversion und Entartung zum Opfer zu fallen ! Und …das ist wirklich übel : die Feinde der Freiheit sind mittels Hilfe der „Mächte der Finsternis“ ,dem Mediamonopol der Sionistas schon weiter gekommen als die meisten von uns befürchtet haben. Das ging mir als erstes durch Kopf nachdem ich den kompliziert geschriebenen Artikel mehrfach gelesen hatte – und der Gedanke verschlimmerte sich von Mal zu Mal.Der Umgang mit dem Wort Freiheit ist eigentlich das „Ende einer Kette“ des selbsternannten Gutmenschentums. Der Anfang der „Argumentativ Kette“ ist… Mehr
„Einigkeit und Recht und Freiheit für das deutsche Vaterland! Danach lasst uns alle streben brüderlich mit Herz und Hand! Einigkeit und Recht und Freiheit sind des Glückes Unterpfand.“ Ich hoffe, es ist erlaubt, den Text von August Heinrich Hoffmann von Fallersleben zu bringen, ohne dass der Verfassungsschutz aktiv wird? Bemerkenswert finde ich die gegenseitige Bedingtheit der Begriffe „Einigkeit“, „Recht“ und Freiheit. Das heißt: Einigkeit ist eine Grundvoraussetzung der Freiheit. Aber das reicht nicht, denn einig sind sich auch Faschisten. Da endet die „Tiefe“ der Faschisten. Demokraten haben noch das: Recht. Das bedeutet: nur dann, wenn Einigkeit auf dem Recht gegründet… Mehr
Man sollte diese beiden Hetzte und Hass verbreitenden Figuren, die niemand wirklich kennt, nicht überbewerten und am Besten negieren! Trotzdem, der Artikel war aufschlussreich und höchst interessant!
Ich muss bei „Ich, ich, ich!“ aber vor allem an Emilia Festers Rede denken, die sich für die Spritzpflicht aussprach. In ihrer Rede sprach sie in Richtung von AfD als „FreundInnen der Freiheit“, sie meinte, dass sei falsch verstandene Freiheit, denn sie selbst hätte sich aufgrund dieser „FreundInnen der Freiheit“ stark einschränken müssen. Sie hätte nur noch ihr bekannte Personen küssen können. Nun haben es die „FreundInnen der Freiheit“ ihr nie verboten, sondern das waren Merkel, Spahn & Co. bzw. die haben es bedeutend schwieriger gemacht, da ja Clubs und Bordelle geschlossen wurden, wo man für gewöhnlich Fremde küsst. Für… Mehr
Der Herr Pertsch ist deutlich verhaltensgestört.
Ein linksextremistischer Hassprediger wie es scheint.
Aber wohlmöglich bei ARD und ZDF gerne gesehen ?
Danke für die Warnung.
LINKE STREBER, das sind die beiden, Typen, die immer den Weg des geringsten Widerstands gehen und das als Heldentum verkaufen (ist ja so schön bequem, muss man sich nicht viel bewegen in der denkfaulen [vermeintlichen] Komfortzone von Linksgrün). Vom Psychogramm her die Art Mensch, die sich immer dem andient, was als „Mainstream“ gilt. Ganz gleich wie falsch oder kurzlebig der auch sein wird. Nun ja, nur ein toter Fisch schwimmt mit dem Strom. Die großen Fragen der Gegenwart und nahen Zukunft, sie werden nicht im Bereich des linken Konformismus entschieden, wer zum Held werden will muss den Mut zur Kontroverse… Mehr
Zunächst besten Dank, sehr geehrter Herr Boos, für diesen Erkenntnisgewinn bei mir! Ich kannte bislang den Begriff der ‚Floskelwolke‘ noch nicht, und schon gleich gar nicht mit diesen Hintergrundinformationen. Da bin ich ja schon mitten im Thema. Ich habe meine eigenen Worte oder Unworte des Jahres. Viele sind Dauer-Preisträger, weil sie einfach nicht vom Sockel zu stoßen sind. Mein meist prämiertes Wort des Jahres ist ‚Respekt‘. Als über viele Jahre/Jahrzehnte Weltgereister habe ich auf dem ganzen Globus noch nichts Besseres finden können. Mein Unwort des Jahres, und das seit 3 Jahren unangefochten auf Platz 1, ist ‚Solidarität‘. Meiner Meinung nach… Mehr
Dass man heutzutage in medial-elitären Zirkeln Deutschlands nichts mit dem Begriff Freiheit anfangen kann und dafür von Gleichheit salbadert und ständig Solidarität für Massnahmen einfordert, die dem Bürger schaden: Wen wundert es? Noch mehr wundert man sich indessen, dass sich scheinbar ausser einigen Bloggern wie Tichy, etc. niemanden dagegen wendet und die Bürger gegen all diese gegen ihren Wohlstand, ihre Sicherheit und ihre Entfaltungsmöglichkeiten gerichteten, irgendwie totalitär anmutenden Zeitströmungen nur die Faust im Sack ballen. Hoffen wir nicht, dass -im übertragenen Sinn gemeint- Deutschland wieder erst bis Stalingrad marschieren muss, um zur Einsicht zu kommen.