Die Freiheit der parlamentarischen Rede wird zunehmend eingeschränkt, wie zwei aktuelle Fälle zeigen. Wer Unsägliches sagt, den verteidigen wir nicht. Aber die freie Rede, die demokratische Debatte im Parlament muss tabufrei stattfinden können.
„Selbstverständlich müssen Frauen weniger verdienen als Männer“, sprach der EU-Parlamentarier Janusz Korwin-Mikke letzte Woche in einer Parlamentsdebatte, „weil sie schwächer, kleiner, weniger intelligent sind.“ Damit löste der polnische Abgeordnete noch in der Sitzung und im medialen Nachklapp einen Aufschrei aus. Dem fraktionslosen Korwin-Mikke (mit auch deutschen Vorfahren, die mal „Mücke“ hießen) drohen deswegen Sanktionen seitens des EP-Präsidiums.
Das wäre nicht das erste Mal. Der exzentrische 74-jährige Konservative, Libertäre und Monarchist musste im Jahr 2015 eine Strafe von 3.060 Euro zahlen und wurde zeitweise von den Sitzungen ausgeschlossen. Denn er hatte in einer Debatte um europaweite Bahnfahrscheine seinen Beitrag mit den Worten „Ein Reich, ein Volk, ein Ticket“ beendet und dabei den rechten Arm zum Hitlergruß erhoben. Dies diente zur Illustration seiner Aussage, dass das Europaparlament zwar ständig die Vielfalt lobe, aber immer für EU-weite Vereinheitlichungen votiere.
Korwin-Mikke gibt selbst zu, dass seine Parlamentsarbeit ausschließlich aus provokativen Redebeiträgen besteht. So hat er einen Teil der Einwanderer nach Europa als „Menschenmüll“ bezeichnet und beklagt, dass der Mindestlohn in den USA unter John F. Kennedy „vier Millionen Niggern“ den Job gekostet habe, und in der EU nun 20 Millionen Jugendliche zu den „Negern Europas“ mache. Er lehnt außerdem die Demokratie ab und fordert die Wiedereinführung der Todesstrafe.
Keine Strafzettel für politische unkorrekten Meinungen
Verglichen damit kann die aktuelle Einlassung des leidenschaftlichen Antifeministen noch als harmlos gelten. Entweder man ignoriert sie – schließlich ist der zwischen den Deutschen Udo Voigt (NPD) und Martin Sonneborn (Die Partei) sitzende Korwin-Mikke im Parlament isoliert – oder man setzt sich mit ihr auseinander. Ein niedriger IQ von Frauen entspricht nicht dem Forschungsstand. Was er mit weiblicher „Schwäche“ gemeint hat, ist angreifbar. Und die Körpergröße hat er bisher nur bei Gehaltsunterschieden von Basketballspielern herangezogen. Aber einen ‚Strafzettel‘ für eine politische unkorrekte Meinung sollte man nicht austeilen.
Nachdem er in einer Parlamentsrede den Satz „Unser Feind ist nicht in Moskau, unsere Feinde sind in Moscheen“ geäußert hatte, meldete sich sofort der frühere Bundesvorsitzende der Grünen, Reinhard Bütikofer („Hast du einen Opa, schick ihn nach Europa“), empört zu Wort und verlangte, dass das EP-Präsidium gegen diese „Volksverhetzung“ einschreiten müsse. Ein anständiger Parlamentarier hält Gegenreden, brüllt Zwischenrufe, macht Öffentlichkeitsarbeit – aber er ruft nicht schmollend nach einer höheren Autorität – hier dem Präsidium –, wenn ein Kollege etwas ihm nicht Wohlgefälliges von sich gibt. Ein Parlament ist kein ‚Safe Space‘, kein Schutzraum vor dem Unliebsamen, sondern eine Arena, in der Standpunkte aufeinanderprallen.
Kein Wunder, dass der schräge Vogel Korwin-Mikke, im Heimatland Polen für kontroverse Fernsehauftritte gebucht, aber politisch marginal, von einer internationalen YouTube-Fangemeinde als Stimme gegen das EU-Establishment hochgehalten wird. Er vertritt die Positionen von Konservativen, von Libertären und/oder EU-Gegnern und hat als demokratischer gewählter Abgeordneter sein Existenzrecht in Brüssel und Straßburg. Ihn mit Bußgeldern und Sitzungsausschluss zu bedrohen, zeigt die Schwäche des EU-Establishments, mit unbequemen Kritikern umgehen zu können.
Das EP behandelt Bürger nicht als vollwertige Zuschauer
Jetzt hat das EP im § 165 seiner Geschäftsordnung auch die Bestimmung aufgenommen, dass bei „Hate Speech“ die Live-Übertragungen der Parlamentsdebatten umgehend gestoppt und entsprechende Passagen anschließend aus der Mediathek gelöscht werden können. Damit unterhöhlt man den Grundsatz, dass Plenarsitzungen öffentlich zu sein haben; Wähler können sich dann kein authentisches Bild von der Arbeit ihrer Abgeordneten machen. So behandelt das EP die Bevölkerung nicht einmal als vollwertige Zuschauer, sondern als unmündiges Volk, das vor seiner ‚Verhetzung‘ geschützt werden müsste.
Hier ließe sich eine fragwürdige Interpretation bzw. Verallgemeinerung von Ereignissen kritisieren, was Gegenstand weiterer Debattenbeiträge hätte sein können. Die Bürgerschaftspräsidentin Carola Veit (SPD) griff aber ein, „fassungslos über Ihre Wortwahl, über Ihre herbeigezogenen Vergleiche, über die vermeintlichen Fakten, die Sie hier in den Raum stellen.“ Solche Kommentierungen gehören jedoch nicht zum Aufgabenspektrum einer neutralen Sitzungsleitung. Hätte er statt „urinieren“ „pissen“ gesagt, hätte ihm das nach gängiger Sitte wohl eine Rüge wegen unparlamentarischen Sprachgebrauchs eingebracht. So aber war es offenbar eine Gesamtschau der Rede, inklusive der Formulierung „Kümmern Sie sich doch erstmal um Ihren eigenen Deutschen-Hass“, gewandt an CDU-Fraktionschef André Trepoll, auf die sich Veit beim später verkündeten Sitzungsausschluss besonders bezog.
Parteien haben offenbar die parlamentarische Auseinandersetzung verlernt
Vorbei die Zeiten, als man im Bundestag den Ordnungsruf noch für einzelne Wörter erhielt („Bundeskanzler der Alliierten“, „Gauleiterstil“, „Marionettenregierung“), nunmehr scheint die inhaltliche Bewertung der Reden eine Rolle zu spielen. Oder sogar die von Pressemitteilungen eines Abgeordneten, wie in Thüringen, wo der Landtagspräsident einen AfD-Redner unterbrach, und ihn um Erläuterung einer solchen bat. Der Bannstrahl trifft Fraktionslose und AfDler, und die meisten übrigen Fraktionen bejubeln dies. So in Hamburg, wo der Ausschluss Flockens von CDU, SPD, Grünen und Linkspartei begrüßt wurde, wie auch schon 2016, als Flocken eine gegen den Islam gerichtete Rede gehalten hatte. Hätte er mal nicht „die Gefühle von gläubigen Menschen verletzen“ sollen – ein verbreiteter Vorwand zur Einschränkung von Meinungsfreiheit. Im aktuellen Fall befürwortete man eine „Null-Toleranz-Haltung“ gegenüber Flocken, was mit demokratischem Meinungsstreit nichts zu tun hat.
Lediglich seine Ex-Fraktion AfD kritisierte den Ausschluss jeweils, ähnlich die FDP in der Hamburger Bürgerschaft, die es – bei starker inhaltlicher Distanzierung – für richtig hält, in einer Debatte in Anwesenheit des Inkriminierten auf diesen zu reagieren, statt ihn vor die Tür zu setzen. Andere Parteien haben offenbar die die parlamentarische Auseinandersetzung verlernt und reagieren hilflos auf abweichende Meinungen.
Versuche, missliebige Auffassungen auf Facebook und bei Twitter löschen zu lassen, finden ihre Fortsetzung in gewählten Volksvertretungen. Nicht einmal der demokratische legitimierte Abgeordnete soll noch Meinungsfreiheit genießen, wenn seine Position außerhalb des vom Mainstream als akzeptabel definierten Spektrums fällt. Das schwächt den Parlamentarismus, das freie Mandat des Abgeordneten, die öffentliche Auseinandersetzung, ja, die Demokratie insgesamt und bestätigt all jene, deren Vertrauen in die staatliche Politik bereits erschüttert ist.
Der Artikel von Christoph Lövenich erschien zuerst hier.
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„Unser Feind ist nicht in Moskau, unsere Feinde sind in Moscheen“
Der Aussage kann ich nur zustimmen. Warum der Herr allerdings den genau gleichen sexistischen Blödsinn von sich gibt, der in den Moscheen gepredigt wird, erschließt sich mir überhaupt nicht. Aber gut, wer die Monarchie zurück haben will, muss wohl einen an der Klatsche haben.
In einer repräsentativen Demokratie sprechen Abgeordnete nicht nur für sich selbst, sondern auch für ihre Wähler, die sie repräsentieren.
Ich glaube, es ist viel schlimmer, als dass die linken Parteien „nur verlernt hätten, mit abweichenden Meinungen umzugehen“. Meine Überzeugung ist, dass diese sich schon so sicher fühlen, dass ihren ihre Macht nicht mehr zu nehmen ist, dass ihnen Recht, Ordnung und Fairness sch***egal sind! Sie stellen sich über jedes Gesetz, mit dem Argument der „Moral“. Wenn man dazu noch das Agieren der SPD im „K(r)ampf gegen rechts sieht und deren Hauptbefürworter, Maas und Schwesig, nicht zufällig beide SPD, dann kann man sich an zwei Fingern abzählen, woher der Wind weht! Nur wir Wähler können dies beenden, und wir sollten… Mehr
….. Zensur findet doch statt.
Ja. Das ist grünlinker Totalitarismus vom Feinsten, Volkskammeratmosphäre sozusagen. Die waren halt nie wirklich weg.
Der Ken FM hat zwar manchmal interessante Gesprächspartner, ist mir aber ganz allgemein zu sehr mit der VT- und Okult-Branche verbandelt.
Man will die Demokratie zerstören, kaputtmachen, alles andere ist Quatsch. Was diese Gestalten erzählen, von sich lassen „als Argumente“ ist uninteressant. Die Fakten u. die Taten sind entscheidend. Und wenn man diese nüchtern wertet, geht es voll in Richtung Einheitsmeinung u. Zerstörung von Pluralismus u. Meinungsfreihet. Hierzu zählt dann auch die Vernichtung v. Parlamentarismus, Unabghängigkeit d. einzelnen Abgeordneten u. Verbot von Reden in diesen Institutionen. Aneinandergereiht ergibt dies alles: Unfreiheit, Diktatur. Gegenbelege u. Gegenargumente kommen keine, besonders nicht von den Machern dieses „Trends“.
Ich stimme zu: Nur wer keine überzeugenden Argumente hat, nur wer keine Lösungen anbieten kann, muss Propaganda betreiben.
Schwieriges Feld: wo hört die Meinungsfreiheit auf und beginnt das Ordnungsrecht des Parlamentspräsidenten? Wie kontrovers darf und soll man Meinungsunterschiede darstellen?
Was ich aber jedenfalls für unvertretbar halte, ist die Verfahrensweise des Europaparlaments, als „Hate Speech“ etikettierte Aussagen einfach im Nachgang „verschwinden“ zu lassen. Und dies völlig unabhängig von der komplett unscharfen Begriffsdefinition!
Die Öffentlichkeit muss dies zur Kenntnis nehmen können.
i.Ü.: Werden dann auch die Besucher des Europaparlaments nach einem solchen „löschungswürdigen“ Vorfall „geblitzdingst“ (siehe Men in Black)?
Mich schauderts vor allem, wenn ich an das Menschenbild dieser Parlamentarier denke. Wenn man als Abgeordneter meint, es vornehmlich mit unmündigen Vollidioten zu tun zu haben, sollte man ernsthaft über den Wechsel der Regierungsform nachdenken. Die Errichtung einer absolutistischen Philosophen-Diktatur bietet sich frei nach Platon da geradezu an.
Ich weiß nicht wie alt Sie sind MarHel, nur dies ist mein voller Ernst., Als jemand der politsch seit seiner Kindheit interessiert u. engagiert ist, habe ich damals viele Parlamentsdebatten gesehen im TV, schon Ende d. 60er Jahre. Sowas, was hier und heute aber geschildert wird, gab es damals nicht. Abgesehen davon, daß damals noch richtig gestritten wurde, im Gegensatz zur „Friedhofsruhe“ nun in Berlin. Ist aber dann vielleicht bzgl. dem Inhalt dieses Aufsatzes auch die „logische “ Konsequenz davon.
Der Zwangsbetreute Bürger, für den andere entscheide was für ihn zumutbar ist. Ist das gewünschte Endergebnis die Generation Snowflake, die nur noch mit politsch korrektem, weichgespültem, zurechtkommt? Nur kein Kontakt mit der Wirklichkeit.
Bald ist nur noch ein ganz enger Korridor an Meinungsäußerungen erlaubt.
Die tabubelegten und damit nicht lösbbaren Probleme werden uns bald über dem Kopf zusammenschlagen.
Schöne neue Pippi Langstrumpf Scheinwelt.
Mittlerweile ist doch gar keine Meinungsäußerung mehr erlaubt, wenn man nicht seine bürgerliche Existenz verlieren möchte. Sarrazin ist, obwohl er nachweislich nichts falsches gesagt hat, bei der Bundesbank rausgeflogen.
Der Junge von der AfD-RLP soll jetzt aus der Bundeswehr fliegen – wegen einer flapsigen Bemerkung über eine lesbische Soldatin und weil er (horribile dictu!) die Kanzlerin kritisiert haben soll.
Na ja, für die GIBT es halt keine Probleme an sich, sondern nur Darstellungen derselben („narrative“) und so kann man halt einen dreist-schlauen Sozialsystem-Einwanderer zur erlösenden „geflüchteten“ „Fachkraft“ ummodeln. Hat doch bislang gut geklappt. 2 Mio sind da. Viele werden noch folgen.