Der Terror des Islamischen Staats im Franchise-Verfahren

Für den Terror-Akt in Solingen erklärte sich der IS im Nachhinein verantwortlich. Radikalisierte Einzeltäter, die nicht in einer Befehls- und Kommandostruktur, sondern unabhängig agieren, sind Franchise-Nehmer für das Prinzip IS-Terror – und darin liegt die eigentliche Gefahr. Von Munawar Khan

Screenprint via Twitter
Das Video zeigt angeblich den Attentäter von Solingen, der dem IS seine Treue schwört

Nach der jüngsten Messerattacke von Solingen fordern Politiker eine harte Strafe für den Täter oder gar ein generelles Messerverbot für die deutsche Bevölkerung. Sowohl bei der Integration von Geflüchteten, der Abschiebung von Gefährdern, als auch beim Leid der Zivilbevölkerung in Palästina schaut die Regierung hingegen weg. Die Hilflosigkeit der deutschen Politik im Kampf gegen den islamistischen Terror wird unweigerlich zu weiteren Anschlägen führen.

Eine Blutspur der in diesem Jahr ausgeführten islamistischen Terroranschläge zieht sich durch die Welt: Der Anschlag im iranischen Kerman im Januar forderte über 100 Tote, in der Moskauer Konzerthalle waren es 143 Tote, in Omans Hauptstadt kamen im Juli neun Menschen in einer Moschee ums Leben und nach dem Freitagabend in Solingen sind mindestens drei Todesopfer zu beklagen. Weitere bei dem Anschlag verletzte Personen schweben in Lebensgefahr.

Vollmundig hatten die USA 2019 verkündet, den Islamischen Staat (IS) militärisch besiegt zu haben, aber bereits ab 2022 gab es eine ganze Reihe von Anschlägen im Irak und im Norden Syriens, die der IS für sich reklamierte. Viele der früheren Kämpfer aus dem Irak sind nach Afghanistan, Syrien und Pakistan geflohen und haben sich dem IS-Khorasan (IS-PK) angeschlossen. Die historische Region Khorasan umfasst dabei Afghanistan und Teile des Irans und Turkmenistan.

Doch längst ist der IS kein lokal eingrenzbares Phänomen mehr. Spätestens mit seiner Ausbreitung nach Afrika ist er zu einer Art Franchise-Unternehmen geworden. Eine resiliente Terrorstruktur, die durch den noch immer andauernden Krieg im Nahen Osten befeuert wird.

Ein vermeintlich ferner Krieg, an dem Deutschland sowohl als Waffenlieferant Israels als auch mit humanitärer Hilfe beteiligt ist. Das tatsächliche oder propagandistisch aufgepimpte angebliche Leid muslimischer Zivilisten in Gaza dient dem IS als Ansatzpunkt für die Rekrutierung von paramilitärischen Terror-Kämpfern. Doch es geht auch eine Nummer kleiner.

Die Klingenstadt Solingen ist nur ein tragisches Beispiel

Im einst beschaulichen Solingen wollten die Bürger drei Tage lang ein Stadtfest zum 650-jährigen Jubiläum feiern. Ein Fest in einer Stadt, die zuvor nicht zur Ruhe kam. Den Auftakt in diesem Jahr bildete ein Messerangriff in der Silvesternacht auf dem Graf-Wilhelm-Platz. Im Laufe der Nacht kam es zu tumultartigen Szenen mit Angriffen auf Einsatzkräfte der Feuerwehr, der Rettungskräfte und der Polizei, die sich unter Zuhilfenahme ihrer Verstärkung aus Remscheid und Wuppertal schließlich durchsetzen konnte. Gelöscht wurden dann auch die brennenden Barrikaden, von denen mit Schreckschusspistolen und Raketen auf sie gezielt worden war. Im März und Juni gab es fremdenfeindliche Brandanschläge. In der Konrad-Adenauer-Straße führte ein vermutlicher Anschlag Ende Juni zu vier Verletzten und einem Toten.

In dem Geflüchtetenheim, unweit des Tatorts vom Freitag, lebte der über Bulgarien vor zwei Jahren eingereiste 26-jährige Syrer. Sein Asylantrag wurde abgelehnt, er hätte abgeschoben werden müssen. Nachdem er sich aber der Abschiebung entzogen hatte, lebte er in Solingen legal unter subsidiärem Schutzstatus. Einer von vielen möglichen Gefährdern, der der Polizei aber nicht als Extremist aufgefallen ist. Die Radikalisierungen erfolgen mittlerweile zumeist über das Internet, allen voran über TikTok und Telegram sowie über die Prediger in den Moscheen. Diese Wege beschrieb bereits 2016 der Journalist Shams Ul-Haq in seinem Buch „Die Brutstätten des Terrors“ und warnte damals eindringlich vor den Folgen.

Der Terrorist als Franchise-Nehmer

Heute setzt der IS in Europa zunehmend auf die Ansprache von Jugendlichen mit Migrationshintergrund. Häufig treten mit Einsetzen der Pubertät Schwierigkeiten bei der gesellschaftlichen Integration offen zutage. Mit der Polizei in Konflikt geraten sie allerdings erst durch gewaltsame Auseinandersetzung und Kleinkriminalität. So wie der in Solingen festgenommene 15-Jährige, der zum Mitwisser der Tat wurde, geraten diese Jugendlichen oft an die falschen Vorbilder. So ist es kein Zufall, dass es auch bei der jüngsten Anschlagsplanung in Wien einen Mitwisser in diesem Alter gab.

Und gleich dem vereitelten Anschlag auf das Taylor-Swift-Konzert erklärte sich der IS für den Terrorakt in Solingen im Nachhinein verantwortlich. Diese Anerkennung erfolgt nachträglich unabhängig davon, ob sich der Terrorist zuvor zum IS bekannt hat oder nur bei der Tat. Der Terrorist wird zu einem Franchise-Nehmer für das Prinzip IS-Terror und darin liegt die eigentliche Gefahr.

Über längere Zeit bestehende Netzwerke lassen sich ausheben, so wie die USA dies in den vergangenen zwei Jahrzehnten versucht hat. Aber unabhängig agierende Einzeltäter, die nicht in einer Befehls- und Kommandostruktur agieren, sondern sich unabhängig radikalisieren, sind eine Zeitbombe, die in jeder deutschen Stadt tickt. Hier greift der Ruf nach einer starken Bestrafung des Täters ins Leere, denn es geht nicht um die einzelne Person. Jeder Anschlagsversuch wird als Erfolg verbucht, denn er zieht Nachahmer nach sich.

Ein Umdenken in der Terrorismus-Abwehr ist nötig

Ein großes Potenzial für den Terror der Zukunft bildet sich auf dem afrikanischen Kontinent. IS-Splittergruppen haben sich auf der ägyptischen Sinai-Halbinsel in unmittelbarer Nähe zum Gaza-Streifen herausgebildet, aber auch entlang der Sahelzone und von Somalia bis Mozambique. Im islmischen Maghreb kämpfen IS und Al-Qaida um die jeweilige Vorherrschaft. In der Subsahara hat sich der Islamic State West Africa Province (ISWAP) in vielen ländlichen Gebieten gegen Boko Haram durchgesetzt und agiert in Teilen Nigerias als alternative Regierung. Die Flüchtlingsströme und unter ihnen möglicherweise auch einige „Schläfer“ sind bereits in Bewegung.

Zudem zeigen die Attentate und die Festnahmen in Europa bereits die unmittelbare Bedrohung auf. So wurden im letzten Jahr drei Islamisten in Nordrhein-Westfalen festgenommen, die in der Silvesternacht einen Anschlag auf den Kölner Dom planten. Über das Internet kommen Aufrufe, mit gleich welcher Waffe Anschläge zu verüben. Besonders tödlich sind dabei Angriffe im Halsbereich.

Die deutsche Politik muss begreifen, dass die bestehende Antiterrorstrategie den Entwicklungen angepasst werden muss. Es handelt sich schon lange nicht mehr um Einzeltäter, sondern eine äußerst resiliente Terrorstruktur mit einem Franchise-System. Sie wird durch fehlende Abschiebungen und täterfreundliche Strafen ebenso befördert, wie durch inkonsequente und unterfinanzierte Integrationsmaßnahmen. Es ist zum Nutzen aller, vor allem auch der integrationswilligen Migranten, wenn hier mehr Druck ausgeübt wird.

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Kommentare ( 12 )

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12 Comments
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Antonius Block
16 Tage her

“Die deutsche Politik muss begreifen, dass” ist der klassische Ansatzfehler: Politik und die Maden in ihrem Speck begreifen nicht, weil das, was notwendig wäre, in den Bereich des Undenkbaren verlagert wird. Nur das Stimmvieh kann begreifen. Und es muss erst begreifen, dass es zum Schlachten freigegeben wurde: denn jeder soll nach den Worten unserer Beschützer wissen müssen, dass er/sie/es trotz der geleisteten Schutzgelder (in Form von Steuern und Abgaben) jederzeit geschlachtet werden kann. Es scheint aber, das noch viel Stimmvieh abgeschlachtet werden muss, bevor es die, die es den Schlachtern schutzlos auslieferten, zunächst einmal abwählen wird. Über den Rest wird… Mehr

bkkopp
16 Tage her

Radikalisierte Einzeltäter sind “ freie Mitarbeiter “ aber keine in komplexen, juristische und operative Einzelheiten festlegenden Franchiseverträgen gebundene Franchisenehmer. Deshalb scheint mir der Begriff unpassend, und eine vermutlich absichtsvoll irreführende Ablenkung. Die jungen Männer, die dann in Einzelfällen, von Hunderttausenden insgesamt, zu Messerstechern werden, haben zuviel Zeit, weil sie nicht mindestens 8 Stunden am Tag kontrolliert arbeiten müssen. Dafür sind sie aber nicht selbst verantwortlich, weshalb diese Seite ausgeklammert werden kann. Wie radikalisieren sie sich ? Jeder weiß es. Wir regulieren die physischen Verkehrswege zu Lande, zu Wasser und in der Luft. Die Apostel der Rede- und Verbreitungsfreiheit über digitale… Mehr

Marcel Seiler
16 Tage her

„Die Radikalisierungen erfolgen mittlerweile zumeist über das Internet … sowie über die Prediger in den Moscheen. Diese Wege beschrieb bereits 2016 der Journalist Shams Ul-Haq … und warnte damals eindringlich vor den Folgen.“

Ich sehe nicht, wie der Westen den Islam einhegen kann ohne eine strikte anti-islamische Zensur in den Medien und den Moscheen. Ohne dies ist Selbstradikalisierung und Terror unausweichlich angesichts der hohen Zahl frustrierter junger Männer ohne Integrationschance, die diese Regierung ins Land gelassen hat.

Manfred_Hbg
17 Tage her

Zitat: „Häufig treten mit Einsetzen der Pubertät Schwierigkeiten bei der gesellschaftlichen Integration offen zutage“ > Das mag so stimmen. Doch ich denke das hier vergessen wird, dass vor der Pupertät erst einmal die sog. Sozialisierung stattfindet welche laut der Osychigie mit 7 oder 12 Jahren abgeschlossen sein soll und dann nicht mehr oder nur noch vereinzelnd und schwerstvrückgängig machbar sein soll. Wenn den Kindern schon im,Elternhaus von klein auf irgendeine kranke Ideologie eingeimoft wird und wenn die Psychologie recht hat, dann nützt auch die beste Integration und das meißte Zucker im Ar…. blasrn nichts Wir bzw die grünwoke „Polit-Elite sollte… Mehr

norbertb783
17 Tage her

Das einzige was wirklich hilft – so hart das vielleicht klingen mag – „die“ dürften gar nicht in Deutschland sein und die schon da sind, sind abzuschieben. Nur so geht das, ohne daß das irgendwand eskaliert, was ja auch keiner will.

Ecke
17 Tage her

Ich weiß nicht, was die Kabinettmitglieder unserer genialen Regierung sich untereinander zur Weihnachtszeit schenken. Oder einschenken. Aber ich hätte hier, was die Deutschen ihren Liebsten schenken könnten. Und das nicht nur zur Weihnachtszeit.
https://www.obramo-security.de/MTP-Hals-Schnittschutz

Richy
16 Tage her
Antworten an  Ecke

In Mannheim durfte der Veranstalter keine Stichschutzweste tragen, da sie eine passive Bewaffnung ist. Auch der Stichschutz am Hals könnte also so gewertet werden. Es ist schon erstaunlich, die ur-deutsche Bevölkerung (eingerechnet die lange hier integriert wohnhaften Ausländer oder ehemaligen Ausländer) wird entwaffnet und darf sich noch nicht einmal passiv schützen. Und während die meist unter Personenschutz stehenden Politiker über immer mehr Entwaffnung für alle rechtschaffenen Bürger bestimmen, sind sie selbst ja meist nicht davon betroffen. Entweder sie haben Personenschutz oder sie stehen auf der Bühne und nicht im Publikum. Und zumindest die BT- und LT-Abgeordneten und deren Familien haben… Mehr

Protestwaehler
17 Tage her

Es ist schon erbärmlich wie einige Medien nun dieses „Bekennervideo“ versuchen infrage zu stellen, als würde es irgendetwas an der Tat selbst relativieren. Ob der sich nun zu irgendwas bekennt oder nicht, lebendig macht das niemanden mehr und der Tot wird dadurch nicht weniger schlimm.

bkkopp
17 Tage her

Die internationale Terrorstruktur kann nur über die digitalen Plattformen funktionieren. Diese müssen für die Absender von Radikalisierung und Anleitung, und die potentiellen Empfänger derselben, gesperrt werden. Beendet die absurde Rede- und Verbreitungsfreiheit für die Terroristen.

Schwabenwilli
17 Tage her
Antworten an  bkkopp

Letztendlich wird auch nichts anderes über bleiben. Der Preis für uns wird allerdings gleich hoch sein.

Kampfkater1969
17 Tage her
Antworten an  bkkopp

Ich bin mir ziemlich sicher, dass der IS seine eigene digitale Infrastruktur hat und keineswegs auf die bekannten sozialen Medien angewiesen sind

Kraichgau
17 Tage her

in Solingen gab es im März und im Juni „fremdenfeindliche Brandanschläge“….
gibt es dazu auch solide Verurteilungen durch Gerichte oder sind die Taten mangels Täter schlicht im „Phänomenbereich rechts“ abgebucht worden?
ist ja keine ganz neue Marotte der Bilanzführung
und ansonsten gibt es für das Problem eine einfache Lösung…REMIGRATION!

Last edited 17 Tage her by Kraichgau