Den Gender-Studies das Geld wegnehmen?

Im dritten Teil der Serie zur Kritik am postmodernen Gender-Aktivismus geht es ans Eingemachte: Wie lässt sich dieser akademisch kaschierte Irrationalismus zähmen, ohne gleich die Wissenschaft selbst zu gefährden? Es braucht einen Reformplan zur Selbstheilung der Universitäten – und zur Trockenlegung der ideologischen Nachschubwege in Medien, Politik und Gesellschaft. Von Christian Zeller

IMAGO

Nach Teil 1 über die absurden Auswüchse des Gender-Aktivismus und Teil 2 zur ideologischen Unterwanderung von Wissenschaft und Gesellschaft folgt nun der dritte und abschließende Teil der Serie. Im Fokus steht die Frage: Wie kann der postmoderne Irrsinn an den Wurzeln gepackt und die Wissenschaft vor weiterer politischer Vereinnahmung geschützt werden?

Wie kann man dem Treiben des postmodernen Genderstudies-Aktivismus dauerhaft Einhalt gebieten? Schließlich sind die postmodernen Gender Studies eine der wesentlichen Quellen des Unsinns, der in den letzten Jahrzehnten in den Journalismus, in Kultureinrichtungen, in das NGO-Unwesen, in politische Parteien hineingesickert ist. Ich beschränke meinen Versuch einer Antwort auf Deutschland, aber sie wäre gewiss analog auch in anderen Ländern umzusetzen. Von etwaigen rechtlichen Umsetzungsschwierigkeiten sehe ich zunächst ab, um die Richtung aufzuzeigen, in die es aus meiner Sicht gehen müsste.

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Was hinter den heteronormativen Legosteinen steckt
Eine Forderung hat aufgrund ihrer Einfachheit einen gewissen Charme, sie lautet: Defund postmodern Gender Studies! Nehmt ihnen das Geld weg. Ungarn ist diesen Weg gegangen. Angesichts der Massivität und der Offenkundigkeit, mit der in den postmodernen Gender Studies Wissenschaftsmissbrauch betrieben wird, ist ein solcher Weg auf den ersten Blick sicher nachvollziehbar. Aber er tendiert dazu, über das Ziel hinauszuschießen. Denn auch an vielen postmodernen Gender Studies-Einrichtungen wird ja neben dem penetranten Aktivismus durchaus auch relevanten Fragen nachgegangen und diese werden auf wissenschaftlich zumindest diskutable Weise bearbeitet. Auch aktivistische Wissenschaft hat in der Regel genuin wissenschaftliche Anteile. Diese sind im innerwissenschaftlichen Austausch rational bearbeitbar und können der Gesellschaft vielleicht sogar wertvolle Impulse geben, die man nicht vorschnell aus dem Wettbewerb der Ideen ausschließen sollte. In einer autonomen, also von äußeren Einflüssen freien Wissenschaft muss es selbstverständlich weiterhin den größtmöglichen Spielraum für die eigenständige Wahl von Forschungsfragen und methodischen Herangehensweisen geben. Das komplette Einkassieren von Professuren, nur weil „Gender“ darauf steht, schüttet also das Kind mit dem Bade aus und weist selbst totalitäre und wissenschaftsfeindliche Züge auf.

Besser wäre das folgende Vorgehen: Den primär von den postmodernen Gender Studies infizierten Wissenschaftsbereichen wie der Soziologie, den Kultur- und Literaturwissenschaften, der Sozialpädagogik etc. müssten von der Deutschen Forschungsgemeinschaft fünf Jahre der universitären Selbstaufklärung und ein neuer Werturteilsstreit verordnet werden. Universitäre Selbstaufklärung bedeutet, dass – ausschließlich durch Wissenschaftler – in den betroffenen Fachbereichen all jene wissenschaftsfremde Elemente identifiziert werden, die sich in den letzten Jahrzehnten in die wissenschaftliche Arbeit eingeschlichen haben. An allen Professuren würden dann Nachweis- und Berichtspflichten eingeführt werden, die die Ausarbeitung einer Position in einem neuen Werturteilsstreit zu einer Aufgabe der jeweiligen Professur machen. Kernpunkt dieses neuen Werturteilsstreits ist die Frage: „Was wurde an Ihrer Professur, an Ihrem Forschungsbereich im letzten Semester dafür getan, Erklären und Bewerten noch besser voneinander zu trennen?“ Diese Frage zielt darauf ab, die Sensibilität für die Unterscheidung von Wissenschaft und Politik zu erhöhen: Wissenschaft ist die systematische Generierung von Erkenntnis, demokratische Politik hingegen die auf Wertentscheidungen basierende Gestaltung der Gesellschaft unter einander gleichgestellten Bürgern. Auch wissenschaftliche Mitarbeiter und Studenten hätten zu dieser Frage regelmäßig Stellung zu nehmen. Die aggregierten Berichte würden auf verpflichtenden hochschulöffentlichen Versammlungen vorgetragen und erörtert. Gemeinsam wird dann diskutiert, wie im nächsten Semester eine noch schärfere Trennung zwischen Erklären und Bewerten erreicht werden kann. Verschiedene Beschlüsse werden jeweils abgestimmt und zur Norm für das jeweils folgende Semester erklärt.

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Rettet die liberale Demokratie – auch vor den postmodernen Gender-Studies
Der Sinn für wissenschaftstheoretische Maßstäbe in diesem Bereich würde so kollektiv enorm geschärft. Und es würden durch die Beschlüsse sukzessive strengere Verbindlichkeiten innerhalb der Professorenschaft geschaffen. Die Inhalte der Forschung würden diesen geschärften Maßstäben mit der Zeit hinterherwachsen. Unsinnige Thesen wie die von der „heteronormativen Zwangsmatrix“ sowie das ganze Brimborium von der „Emanzipation“, dem „Patriarchat“ und der „Dekonstruktion“ würden automatisch weniger attraktiv, sobald den beteiligten Wissenschaftlern deutlich wird, dass sie sich aus einem aktivistischen Impetus – also: aus Wunschdenken – gespeist haben. Was die queerfeministische Hard-Core-Sekte dann in ihrer Freizeit mit ihren aktivistischen Impulsen macht, bleibt freilich ihr überlassen. Sie können zu den Grünen gehen oder eine eigene Partei gründen und Unterschriften sammeln.

Befördert wird diese Schärfung von Maßstäben durch das zweite Kernelement der universitären Selbstaufklärung, nämlich den Einsatz eines finanziellen Anreizsystems. Die Umsetzung der jeweiligen professoralen Beschlüsse zur Trennung von Erklären und Bewerten wird zur Schleuse für Leistungszulagen. Nur wer an seiner Professur sicherstellt, dass hinreichend zwischen Erklären und Bewerten getrennt wird, kann Leistungszulagen erhalten. Das heißt: Wer besonders eifrig publiziert und viele Drittmittel einwirbt, aber dabei aktivistischen Unsinn erzählt, erhält dasselbe Gehalt wie jemand, der wenig publiziert und wenig Drittmittel einwirbt. Eine solche Kombination aus kollektiver Selbstaufklärung innerhalb der Wissenschaft und einem Anreizmechanismus, der ohne inhaltliche Vorgaben arbeitet, scheint ein gangbarer Weg zu sein, um die postmodernen Gender Studies in eine weitgehend seriöse Wissenschaft zu transformieren. Mit einer solchen dringend notwendigen Gender-Studies-Wende sollte sich dieser Wissenschaftsbereich dann freilich in „Gender- und Sex-Studies“ umbenennen. Denn neben Geschlechtsrollen und der Geschlechtsidentität hat nun auch der echte Körper aus Fleisch und Blut wieder seinen Platz. Auch eine verstärkte Forschungskooperation mit Biologen und Ökonomen würde das Potential der „Gender- und Sex-Studies“ sicherlich erhöhen.

Es würde danach freilich noch einige Jahre dauern, bis die von den postmodernen Gender Studies infizierten außerwissenschaftlichen Gesellschaftsbereiche von den Verrücktheiten, die sich jahrzehntelang in ihnen – unter anderem dank Demokratie leben! – akkumuliert haben, wieder einigermaßen befreit sind. Umso wichtiger ist es, so schnell wie möglich die intellektuellen Nachschubwege für postmodernen Unsinn abzuschneiden. Die Alternative dazu ist wenig erfreulich: Die Realität würde noch stärker zu einer Satire ihrer selbst. Im Lichte des bereits erreichten Ausmaßes an Irrsinn – „heteronormative Legosteine“, „gebärende Elternteile“, „menstruierende Personen“ – könnte dies nur noch in einer Gesellschaft münden, die die Realitätsvernichtung auch mit repressiven Maßnahmen gegenüber Widerstand absichert. Erste Vorboten sehen wir bereits, siehe die von einer ehemaligen Stasi-Mitarbeiterin geleitete Meldestelle Antifeminismus sowie das sogenannte Selbstbestimmungsgesetz.

Um sich nicht vollends in eine Rutschbahn hin zum Totalitarismus zu verwandeln, werden sich auch die postmodernen Gender Studies weiterhin bohrende Fragen gefallen lassen müssen. Es gibt keine bessere Bestätigung dafür, weiterhin vehement diese geradezu kindlich naive Form der Gesellschaftskritik zu betreiben, als wenn Journalisten von angeblich investigativen Recherchenetzwerken, wie der Fakenews-Schleuder „Correctiv“, das Stellen von Fragen irritierend finden. „Ja“, lautet die Antwort: „Die Gender-Kaiser*in ist nackt.“

Schaffen wir sie aber nicht einfach ab, die Gender-Kaiser*in, sondern kleiden sie wissenschaftsüblich ein. Auf dass ihr Anblick nicht mehr länger ihre Betrachter spalte. Dafür ist allerdings eine wache, kritische Zivilgesellschaft gefragt. Dann kann die liberale, plurale, rechtsstaatliche Demokratie nicht nur die 68er, sondern auch die Woke Culture überleben.


Christian Zeller ist Soziologe.

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Kommentare ( 11 )

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Vallis Blog
15 Tage her

1. Eine Wissenschaft, die es nötig hat, an ihre Bezeichnung „-wissenschaft“ zu hängen, ist keine Wissenschaft.
2. Insofern sollten wir uns nur noch mit den MINT-Fächern und deren Töchtern beschäftigen.
3. Dschändern bekommt bei mir als einem Dr.-Ing. keine einzige Gehirnzelle.

AlNamrood
17 Tage her

Es handelt sich um Überzeugungstäter. Diese Leute hören nicht auf nur weil man sie aus den Posten vertrieben hat.
Es braucht einen neuen Radikalenerlass.

H. Priess
17 Tage her

Wenn ich mich recht erinnere wurde in Norwegen der Genderismus an den Hochsulen abgeschafft, wegen groben Unfugs. Dort darf nur an Privatunis der Schwachsinn „gelehrt“ werden. Wäre doch mal ein Vorschlag. Hat nur einen Fehler, was machen wir mit den ganzen Sinnlosstudenten? Für eine Lehre in einem Beruf sind die zu doof und viel zu faul.

puke_on_IM-ERIKA
18 Tage her

Einfach canceln, den ganzen Unsinn . Dürfen die Betroffenen gerne mal von der eigenen Medizin kosten.
Es hindert sie niemand dran, sich selbst ein zahlungskräftiges Publikum einzuwerben. Nur die Gesellschaft sollte nicht mehr solch einen präpotenten Unsinn finanzieren.

jopa
18 Tage her

In Deutschland gilt die Forschungsfreiheit, steht im GG. Aber dort steht NICHT, daß der Steuerzahler alles finanzieren muß.

Dr. Rolf Lindner
18 Tage her

Man sollte doch ganz einfach die in diesen Kreisen so oft geforderte Genderquotenregelung anwenden. 50 % der Professuren werden mit Frauen besetzt. Frage ist nur: Woher 50 % Männer nehmen? Und damit meine ich nicht etwa 50%ige Männer.

derostenistrot
18 Tage her

jede „Flachhochschule“, hat mal ein bekannter Universitätspräsident verkündet, hat Soziologie- und Politologieprofessoren. Dazu kommen nach Asyl-und flüchtlingswissenschaften. Früher war der Bundestag mal voller und mal leerer, doch war er immer voller Lehrer (Graf Lampsdorf), heute voller Politologen/Soziologen, oft auch nur Bachelor oder auch Abbruch nach x-Semestern. Die DFG sollte unbedingt die Förderung einstellen oder wenigstens begrenzen.

W aus der Diaspora
18 Tage her

Ich bin für Geld weg! Total!
Wer sich wirklich wissenschaftlich mit einem Teilbereich beschäftigen will, der soll das auf eigene Kosten, bzw. auf Kosten von Sponsoren machen. Es ist für die Gesamtgesellschaft nicht nützlich, also muss es auch von der Gesamtgesellschaft nicht bezahl werden. Ich würde es nicht verbieten, Sponsoren dürfen von mir aus sogar private Unis dafür bauen. Es gibt halt nur keine staatlich anerkannten Abschlüsse.
Sonst kommt Morgen jemand und erklärt das Fach Geschak als neue Wissenschaft und erwartet Geld vom Staat.

Philokteta
18 Tage her

„Im Lichte des bereits erreichten Ausmaßes an Irrsinn – „heteronormative Legosteine“, „gebärende Elternteile“, „menstruierende Personen“ –“
Mir stellt sich die Frage, wie normale Menschen einen solchen Schwachsinn überhaupt hervorbringen können und andere das als „Wahrheit“ ansehen können. Das werde ich niemals verstehen.

AlNamrood
17 Tage her
Antworten an  Philokteta

Gender ist Auswuchs des Kulturmarxismus. Moderner Marxismus hat zur Annahme, dass alle Realität nur aus Sprechakten geformt wird – Ähnlich wie Zaubersprüche. Wenn man einen Mann nur stetig als Frau „verbalisiert“ wird sich die Realität schon irgendwann beugen.
Mit solchen Leuten, solchem magischem Denken, ist keine Forschung möglich und schon gar kein intellektueller Diskurs.

Stephan Stahl
18 Tage her

Christian Zeller ist Soziologe“ „Frösche fragen, ob der Sumpf trockengelegt werden soll“ Es geht nicht nur um Gender*, es geht hier um mehr, was ist mit der Grünen Transformation? Auch so ein ….. sonst wird es strafbar.