De Maizière, Muslime und Muslim-Verbände

Am 17. Oktober traf sich De Maizière mit Islamvertretern. Auch eine Pressemitteilung lag den Teilnehmern gedruckt vor mit deutlicher Kritik an den muslimischen Verbänden. Diese Pressemitteilung wurde aber nie veröffentlicht. Mimoun Azizi fürchtet ein Kuschen vor den aus Ankara geführten Verbänden des radikalen Islam.

© Adam Berry/Getty Images

Am 17. Oktober traf sich der Minister mit Islamvertretern, um über innere Sicherheit zu diskutieren. Auch eine Pressemitteilung war vorbereitet, lag den Teilnehmern gedruckt vor. De Maizière übte darin deutliche Kritik an den muslimischen Verbänden. Der Innenminister und die muslimischen Verbände. Er forderte sie auf, sich deutlicher zu positionieren, wie muslimisches Leben in Deutschland definiert wird: „Ich habe heute ganz deutlich gemacht, dass die Muslime sich viel aktiver an dieser Diskussion beteiligen müssen.“ Einen deutlichen Seitenhieb erteilte de Maizière dem türkischen Verband DITIB, der dem Religionsministerium in Ankara untersteht: „Ich fordere mehr innerislamische Debatte und eine vom Ausland unbeeinflusste Mitgliedsstruktur.“

Deutungshoheit über den Islam bei radikalen Verbänden?

Diese Pressemitteilung wurde aber nie veröffentlicht. Stattdessen stellte das Ministerium eine entschärfte Fassung online. Darin lobt de Maizière: „Wir brauchen die Verbände, wenn es darum geht, jungen Muslimen Orientierung zu geben, und begrüßen, dass sie sich für die Deutungshoheit über den Islam einsetzen.“

Herr Minister,
warum sollen vom Ausland gesteuerte reaktionär islamistische Verbände die Deutungshoheit über den Islam bekommen?

Warum wollen Sie die säkularen und aufgeklärten Muslime den islamistischen Verbänden ausliefern?

Hat Deutschland ein Interesse daran, dass die Muslime sich von Deutschland entfremden?

Ich gehe noch weiter: Wenn man den Verbänden die Deutungshoheit überlässt und dabei absichtlich die 80% der Muslime, die hier leben und sich nicht durch die Verbände vertreten lassen wollen, übergeht, dann darf man sich über eine deutliche Zunahme der Konflikte innerhalb der muslimischen Gemeinschaft in den nächsten Jahren nicht wundern.

Islamreform
Gemeinsame Erklärung der Reformmuslime in Deutschland, Österreich und der Schweiz
Auch nicht über das Scheitern der Integration und daraus resultierend eine zunehmende Unruhe in der deutschen Gesellschaft, die fatale Folgen haben wird. Die Verbände sind türkisch dominiert, was ist mit den Muslimen, die nicht aus der Türkei kommen?

Herr Minister, sie treiben die Konflikte innerhalb der deutschen Gesellschaft unbewußt, weil Sie offensichtlich die Strukturen dieser Verbände nicht kennen? Andernfalls müsste man Ihnen unterstellen, dass Sie absichtlch diese Spaltung fördern. Was wird aus den Kurden, den Aleviten, den Arabern? Sollen diese auch durch türkische Verbände vertreten werden? Sie verlangen quasi von einem Protestanten, dass er sich dem Papst beugt. Ist das Ihr Verständnis von Integration? Oder treiben Sie mangels Wissens die deutsche Gesellschaft in einem massiven Konflikt, der, wir erkennen bereits gewisse Tendenzen, in eine Katastrophe münden könnte?

Kartell Milli Görüs, DITIB und ZMD 

Wir sind hier, wir sind bereit für einen Diskurs. Warum ignorieren sie uns? Bedenken Sie, Herr Minister, dass Sie gerade mit Vertretern einer Minderheit innerhalb der muslimischen Gemeinschaft verhandeln. Diesen sollen wir die Erziehung unserer Kinder anvertrauen. Die Milli Görüs, die DITIB wie auch der ZMD sollen unsere Kinder formen? Ist das Ihr Ernst? Hat der Staat so wenig oder letztlich gar kein Interesse an seinem Nachwuchs? Ist es nicht auch die Aufgabe eines Innenministers vorausschauend Konflikte in der Zukunft zu minimieren? Das was Sie tun, ist jedoch konfliktfördernd. Haben Sie eine Erklärung für Ihre Vorgehensweisen? Heimlich mit diesen Verbänden zu verhandeln? Sie wissen, dass Sie damit die innere Sicherheit dieses Landes auf’s Spiel setzen, Herr Minister? Tun Sie es einer gewissen Logik, die uns nicht ersichtlich ist, folgend oder möchten, können Sie es einfach nicht verstehen?

Wie kann ich Sie als Politiker noch ernst nehmen? Ihre ambivalente Haltung diesbezüglich zeugt nicht nur von Unsicherheit, sondern suggeriert, dass Sie sich dem türkischen Druck aus Ankara gebeugt haben. Wie soll man sich ansonsten diese Vorgehensweise erklären? Kann man Ihnen noch vertrauen? Alleine die Tatsache, dass Sie die ganzen Warnungen ignorieren, dass Sie die Stimme der liberalen Kräfte innerhalb der muslimischen Gemeinde in Deutschland ignorieren, gibt zu denken. Was genau wollen Sie damit bezwecken?

Setzen Sie auf den Nachwuchs der DITIB, der Milli Görüs als zukünftige Wähler der CDU? Da muss ich Sie leider enttäuschen, denn diese wählen die AKP und werden auch in Zukunft die AKP wählen. Was genau treibt Sie also, so irrational zu handeln? Unkenntnis? Aber Sie haben doch einen Verfassungsschutz, oder? Sie wollen mir sagen, dass Sie die Zusammensetzung des Zentralrates nicht kennen? Dann sollten Sie Ihren Job räumen, Herr Minister! Wenn Sie die Zusammensetzung dieser Verbände und ihre Ideologien und Ziele kennen, aber dennoch so handeln wie sie handeln, dann muss man ja fast davon ausgehen, dass Ihnen, Herr Minister, die Zukunft dieses Landes völlig egal ist.

Herr De Maizière, ich verstehe Sie nicht. Und ich bin längst nicht der einzige, der Sie nicht versteht. Die entscheidende Frage jedoch lautet, ob Sie sich selber verstehen?

Sie ignorieren die liberalen Kräfte innerhalb der muslimischen Gemeinde, Sie ignorieren die Ängste in der Bevölkerung, sie wollen die Journalisten dazu erziehen, doch nett über diese Verbände zu berichten, was kommt als nächstes?

 

Unser Autor Mimoun Azizi ist Facharzt für Neurologie, Psychiatrie und Psychotherapie und Notfallmedizin. Zudem ist er Politikwissenschaftler und Soziologe.

Seit Jahren beschäftigt er sich aktiv mit der medizinischen, sowie mit der sozialpsychiatrischen und der psychosozialen Versorgung von muslimischen Patienten.

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