Bei der medialen Empörung über den "Cum-Ex"-Steuerbetrug bleiben mehrere Aspekte unbeleuchtet. Nicht zuletzt die Geschichte des staatlichen Versagens, die den Betrug geradezu anheizte. Von Dr. Stephan Salzmann
Für die Politik handelt es sich bei „Cum-Ex“-Geschäften um eine besonders verwerfliche Art von Geschäften zu Lasten der Staatskasse. Sie kann sich dabei auf mediale Unterstützung verlassen, wo zum Beispiel vom „größten Steuerraubzug der Geschichte“ die Rede ist. Eine Darstellung der Ursachen für die Verbreitung dieser Gestaltungen bleibt im Hintergrund und die Frage, ob und – wenn ja – für welche Beteiligten die „Cum-Ex“-Geschäfte überhaupt illegal waren, unbeantwortet.
Vor allem die folgenden Aspekte kommen in der öffentlichen Berichterstattung zu Aktiengeschäften „rund um den Dividendentermin“ der ausschüttenden (deutschen) Gesellschaften zu kurz:
1. Wie sind „Cum-Ex“-Geschäfte zur Gefahr für die Staatskasse geworden?
2. Eine Historie gesetzgeberischen Versagens
Damit bestand schon ab dem Jahr 2000 die Situation, dass am Dividendenstichtag mehrere Aktieninhaber – also neben dem tatsächlichen (zivilrechtlichen) auch ein oder mehrere „wirtschaftliche“ Eigentümer – vorhanden sein konnten, die den Anspruch auf Anrechnung (Gutschrift bzw. Erstattung) der nur einmal von der ausschüttenden Gesellschaft einbehaltenen und an den Fiskus abgeführten Kapitalertragsteuer geltend machen konnten. Auf diese Gefahr für die Staatskasse hat der Bundesverband deutscher Banken (BdB) das Bundesministerium der Finanzen (BMF) bereits mit Schreiben v. 20.12.2002 hingewiesen. Es war den Banken als Dienstleister der Abwicklung von Börsengeschäften also erkennbar daran gelegen, nicht zum – unwissenden – Erfüllungsgehilfen von Leerverkäufern und mit ihnen bewusst („kollusiv“) zusammenwirkenden Beteiligten zu werden, die abgestimmt darauf abzielten, eine einmal von der ausschüttenden Gesellschaft einbehaltene Kapitalertragsteuer mehrfach geltend zu machen.
3. Inwieweit waren „Cum-Ex“-Geschäfte bis 2011 rechtswidrig?
Entgegen der gängigen Behauptung in den Medien, bei „Cum-Ex“-Geschäften mit börsennotierten Aktien rund um den Dividendentermin handle es sich um durchweg kriminelles Handeln –auch ein Richter des Finanzgerichts Köln ließ sich 2019 dazu hinreißen, von „krimineller Glanzleistung“ zu sprechen-, ist bis heute nicht abschließend geklärt, ob und in welcher Form und für welche Beteiligten „Cum-Ex“ rechtswidrig war. Nach einer Entscheidung des Bundesfinanzchefs aus dem Jahr 2014 muss z.B. der Aktienkäufer in ein „modellhaft aufgelegtes Gesamtvertragskonzept“ eingebunden sein, um nicht als zur Anrechnung berechtigter „wirtschaftlicher“ Eigentümer zu qualifizieren. Andernfalls bleibt es also bei dem Grundsatz, dass der Aktienkäufer als Vertragspartner eines Leerverkäufers steuerlich als „wirtschaftlicher“ Eigentümer anzusehen ist. Davon musste sich das Finanzgericht Köln für die Zeit vor Schließung der Gesetzeslücke in einem viel beachteten Urteil v. 19.07.2019 grundsätzlich verabschieden. Andernfalls hätte das Gericht dem Kläger (einem US-Pensionsfonds) Kapitalertragsteuererstattungen für in der Dividendensaison 2011 erworbene Aktien deutscher Gesellschaften nicht vollständig versagen können. Ob diese Abweichung von Grundsätzen höchstrichterlicher Rechtsprechung zu Lasten der Käufer „leerverkaufter“ Aktien über deren Beteiligung an einem „modelhaften“ Zusammenwirken mit anderen hinaus Bestand hat, ist weiterhin offen, zumal nicht nur die Hamburger Privatbank M.M. Warburg, sondern erst recht jeder brave Privatanleger einwenden wird, nicht wissen zu können, ob er an der Börse von einem Leerverkäufer erworben hat.
4. Rechtmäßigkeit von „Cum-Cum“
Nachdem durch die Rechtsänderung seit 2012 das Thema „Cum-Ex“ als gesetzgeberisch erledigt angesehen werden kann, wird jetzt zunehmend gefordert, „Cum-Cum“-Geschäfte mit „Cum-Ex“-Geschäften „zusammen zu denken“, weil diese angeblich mindestens genauso hohe Steuerausfälle verursacht hätten. Dies ist schon deswegen abwegig, weil „Cum-Cum“-Geschäfte gerade darauf beruhen, dass sich der Aktienverkäufer nicht nur zur Aktienlieferung mit Dividendenanspruch („Cum“) verpflichtet, sondern auch so rechtzeitig liefert, dass der Anspruch noch vor dem Dividendenstichtag mit Dividende („Cum“) erfüllt wird. Eine mehrfache Steueranrechnung ist also weder beabsichtigt noch überhaupt denkbar. Diese Geschäfte, die auch der europa- und verfassungsrechtlich bedenklichen Diskriminierung von Steuerausländern, die als Aktieninhaber im Gegensatz zu Steuerinländern keinen vollständigen Anrechnungsanspruch für die einbehaltene Kapitalertragsteuer haben, entgegenwirken sollen, wurden außerdem von der Rechtsprechung unstrittig als rechtmäßig angesehen. Durch seit 2016 bzw. 2017 geltende Gesetzesergänzungen (u.a. werden Mindesthaltedauern von 45 Tagen vor und nach dem Dividendenstichtag verlangt) wurden sie deshalb signifikant erschwert. Die Klage im Zusammenhang mit „Cum-Cum“ lässt vermuten, dass nach abflauendem Interesse an der „Cum-Ex“-Problematik infolge der Gesetzesänderung ab 2012 und nach gerichtlicher Aufarbeitung der damit bis einschließlich 2011 verbundenen Geschäftsmodelle öffentliche Aufmerksamkeit auf angebliche weitere „Steuerraubzüge“ gelenkt werden soll.
5. Angeblicher Steuerschaden
Zur Schätzung des „Steuerschadens“ für den Fiskus durch „Cum-Ex“ und „Cum-Cum“-Geschäfte werden Zahlen im hohen zweistelligen Milliardenbereich in Umlauf gesetzt. Dafür fehlt bis heute jede wissenschaftliche Evidenz. Die Behauptung ist aber hilfreich dabei, weiterhin von „Deutschlands größten Steuerskandal“ sprechen zu können – ohne auf die Mitverantwortlichkeit des Gesetzgebers und damit der Politik hinweisen zu müssen.
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Laut Wikipedia hat der aktuelle Präsident des Bundesverfassungsgerichts zu der Zeit, als die Cum Ex-Geschäfte in einer Frankfurter Anwaltskanzlei erdacht wurden, dort gearbeitet.
Der letzte Satz des Artikels ist der entscheidende. Er hätte schon zu Zeiten, als der Skandal hochgekocht wurde, in die Schlagzeilen auch oder gerade alternativer Medien gehört.
Der deutsche Gesetzgeber ist in seiner „Produktivität“ unerreicht. Kein Land auf diesem Globus hat eine derartige Regelungsdichte, die keinerlei Vorteile hat, ausser, dass der Bürger in ungeheurem Ausmaß gegängelt wird. Pfiffige „loophole“-Sucher finden dennoch immer wieder fette Lücken, die dann genutzt werden. Das deutsche Staatswesen ist ein bürokratischer Moloch, der nur den darin wie die Maden im Speck lebenden Politikern und ihren Netzwerken dient.
Nicht zuletzt die Geschichte des staatlichen Versagens…..da war wohl eher absicht dahinter….politisch gewollt
da werden Steuergelder im hohen mehrstelligen Milliardenbereich versemmelt und die Verantwortlichen für diese Geldverschwendung stellen sich alle 4 Jahre wieder zur Wahl um ihr segensreiches Wirken fortsetzen zu können. Es sollte der so betrogene Steuerzahler (Geschädigter) bei seinen Steuererklärungen Aufrechnungen geltend machen. Das wäre die einzige Sprache die diese Pappnasen verstehen. Ohne Moos nix los.
Die zündende Idee für die Cum-Ex-Geschäfte stammt von einem deutschen Finanzbeamten aus Frankfurt, der sich in der Schweiz in Sicherheit gebracht hat. Die Schweizerische Bundesanwaltschaft hat das Rechtshilfeersuchen der Frankfurter Staatsanwaltschaft mit der Begründung abgelehnt, das das Ausnutzen von Gesetzeslücken keine Straftat darstellt. So viel Thema zum Thema Strafbarkeit bis zum Jahr 2011.
Zusätzlich zu den hervorragend beschriebenen Bedingungen rund um den Skandal scheint noch zu kommen, dass die Finanzämter, die im Föderalismus den Landes-Finanzministerien unterstehen, und für die das Bundesministerium nur gesetzgeberische aber keine operative Kompetenz hat, auch nicht die Datensysteme haben, die relativ kurzfristig hätten herausfiltern können, für welche Aktien, und von wem, die nur einmal bezahlte Kapitalertragsteuer mehrfach zurückgefordert wurde. IT war vor 20 Jahren, und ist noch heute Neuland.
Zu dem Schreiben des Bankenverbandes: Dazu steht in dem Protokoll des Bundestagsuntersuchungsausschusses: Das Bundesfinanzministerium (BMF) hat sich nach den Worten eines ehemaligen Referatsleiters bei der Aufklärung der Cum/Ex-Geschäfte auch auf den Bankenverband verlassen. Erschwert worden sei dies auch durch eine permanente Personalknappheit, sagte der ehemalige Steuerreferatsleiter im BMF, Michael Gierlich, am Donnerstag, 22. September 2016, vor dem 4. Untersuchungsausschuss (Cum/Ex). Das BMF hat 4000 bis 5000 Mitarbeiter und leidet unter Personalknappheit! Gierlich, 69, war von 2001 bis zu seiner Pensionierung Referatsleiter in der Steuerabteilung des Ministeriums. Mit dem Thema der steuerbetrügerischen Cum/Ex-Aktiengeschäfte um den Dividendenstichtag herum sei er erstmals 2002… Mehr
2007 sickerten immer mehr Details über die Cum-Ex Geschäfte an die Öffentlichkeit. Die Regierung Merkel hatte halbherzig versucht, Cum-Ex Geschäfte zu unterbinden. Laut eines Medienberichts hatte die Deutsche Bank dabei ihr Wissen über Cum-Ex Geschäfte anderer Banken nicht preisgegeben. 2009 wurde bekannt, dass Ackermann als damaliger Chef der Deutschen Bank seinen Geburtstag auf Einladung von Merkel im Bundeskanzleramt gefeiert hatte. Zu seinem 60. Jahrestag am 7. Februar 2008 hatte er rund 30 Gäste über Merkel eingeladen, die dann auf Staatskosten bewirtet wurden. Merkel versuchte anschließend, den Sachverhalt in der ihr eigenen Art zu verschleiern, <<sie habe „den Geburtstag des Bankchefs… Mehr
Bundesfinanzminister: Hans Eichel, SPD, vom 12.4.1999 – 22.11.2005 Peer Steinbrück, SPD, vom 22.11.2005 – 27.10.2009 SPD zusammen also rund 10 Jahre dann kam Schäuble, CDU, vom 27.10.2009 – 24.10.2017 = 8 Jahre Olaf Scholz, SPD, seit 14.03.2018 und siehe da :“Geschickt versteckte Gesetzesänderung Bundesregierung erschwert die Aufarbeitung des Cum-Ex-Skandals Fast wäre es komplett unbemerkt geblieben. Im Rahmen eines Gesetzes, das sich überwiegend mit der steuerlichen Förderung der Elektromobilität befasst, befördert die Bundesregierung Hinterzimmerpolitik. Um was geht es konkret? Regelmäßig tauschen sich Vertreter von Bundes- und Landesfinanzbehörden über Entwicklungen im Finanzbereich aus. Sie stimmen dabei eine bundeseinheitliche Vorgehensweise ab, sei es bei Auslegungsfragen… Mehr