Wenn die Bundeskanzlerin erfahren möchte, was die Europäischen Nachbarn wirklich von der neuen deutschen Moral-Rolle halten, sollte sie ihre Diplomaten mal privatissime befragen.
Das deutsche Berlin ist wieder in seiner historischen Lieblingsrolle angelangt: Der Verkündung der Tatsache, dass im Grunde die Welt am deutschen Wesen genesen müsse. 250 Jahre lang waren es die Waffen, mit denen wechselnde deutsche Regierungen der Welt diese Rolle der Überlegenheit des Deutschen an sich beizubringen versuchten. Wie man weiß mit erschreckenden Ergebnissen. Am Schluss musste beinahe die ganze Welt zusammentreten, um dem Wahn 1945 ein Ende zu bereiten.
Das nationale Bedürfnis als Präzeptor des Erdkreises zu wirken, war inzwischen nicht ganz erloschen, blühte im Verborgenen und ist jetzt wieder offen ausgebrochen – allerdings in neuem Gewande moralischer Überlegenheit.
Berliner moralischer Rigorismus
Die Deutschen in Gestalt der Bundeskanzlerin Angela Merkel verkünden den europäischen Nachbarn, ihre Politik sei alternativlos. Was für eine Anmaßung, findet selbst der langjährige Spiegel-Chef Stefan Aust. Die Europäer geben die entsprechende Antwort. Der frisch ausgebrochene Berliner moralische Rigorismus geht ihnen gepflegt auf die Nerven und sie reagieren mit schlichter Ablehnung, wenn Merkel sie verpflichten will, sich an ihrer Einladung der Flüchtlinge nach Europa zu beteiligen. Wenn die Bundeskanzlerin erfahren möchte, was die Europäischen Nachbarn wirklich von der neuen deutschen Moral-Rolle halten, sollte sie ihre Diplomaten mal privatissime befragen.
Wohlgemerkt: An der sozialen und politischen Verpflichtung den um ihr Leben Fliehenden zu helfen, und sei es u.a. für eine Chance in ihren Heimatländern zu kämpfen, besteht kein Zweifel. Aber die erregten Gutmenschen in den deutschen Parteien sind umgehend mit massiven Attacken wie Rassismus, oder schlimmer noch Faschismus schnell bei der Hand. Wundert es da noch, dass Deutschlands Nachbarn hinter dem Rücken ihrer politischen Gesprächspartner spöttisch anmerken: In Sachen Faschismus kennten sich die Deutschen ja wohl am besten aus.
Die Art von wiedererwachtem deutschen Kampfrigorismus, musste vor 10 Jahren schon der damalige SPD-Innenminister und Ex-Grüne Otto Schily erfahren, als er vorschlug, Flüchtlinge in Camps in Afrika zu sammeln um dort ihre Ansprüche auf Asyl in Deutschland zu prüfen. Das seien ja Lager und dieser ominöse Begriff aus Deutschlands schlimmster (Nazi-)Zeit verbiete jede weitere Debatte über solche Lösungen. Schilys Ex-Partei, die Grünen übertreffen in ihrer derzeitigen politischen Aufstellung alles bisher Erlebte und werden von der Bundeskanzlerin geradezu als Wahlhelferin eingesetzt. In Baden-Württemberg erlebt der dortige CDU-Spitzenkandidat Guido Wolf, dass der grüne Ministerpräsident Winfried Kretschmann von Wolfs eigener CDU-Vorsitzenden so hofiert wird, als wolle sie dessen Sieg und sei ihr das Schicksal ihrer eigenen Partei ziemlich gleichgültig. Nebenbei dezimiert sie durch ihre Politik die Chancen des kleineren Koalitionspartners SPD derart, dass viele ihrer eigenen Parteifreunde mutmaßen, eine schwarz-grüne Formation sei ihr eh die liebste. Dabei ist ihr auch gleichgültig, dass der sich angeblich so bürgerlich gebende Winfried Kretschmann von überzeugten Kommunisten in Stuttgart bereitwillig unterstützen lässt. Motto: „Der Kapitalismus ist nicht das letzte Wort“.
Dreiländer-Wahltag mit Überraschungen?
Der Dreiländer-Wahltag am 13. März könnte indes anders ausgehen, als sich die Kanzlerin träumen lässt. Die derzeitigen Wahlprognosen der Institute sind nach eigenen Angaben so unpräzise, weil ein Teil der SPD-geneigten Wählerschaft wegen des politischen Innendrucks gar nicht zugibt, die AfD zu präferieren. Ein solches Ergebnis aber, die Stärkung der in Teilen sicherlich rechtsradikalen AfD würde zusammen mit der Zunahme der grünen und linken Wähler die politische Mitte des Landes austrocknen. Man möchte nicht glauben, dass dies die von Merkel propagierte Alternativlosigkeit ihrer Politik bewirkt. Denn bisher war es die Überzeugung aller Demokraten, dass die Bewahrung der politischen, moderaten und liberalen Mitte das erste Ziel aller deutschen Politik sein muss.
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