Böse Populisten unter uns?

Frank Mußhoff appelliert an die Vernunft aller Beteiligten, es mit einer sachlichen Auseinandersetzung und einem respektvollen Umgang miteinander zu versuchen: nicht nur die Politik, sondern auch die Medien und alle Mitmenschen. Die Grabenkämpfe bringen uns keinen Millimeter irgendeiner Problemlösung näher.

Ich mag es nicht mehr hören. Es ginge durchaus auch ohne diesen pejorativen Zusatz, ohne irgendeine Wertung. Gerade Nachrichten entbehren oft der erforderlichen Neutralität in der Berichterstattung. „Nachrichten“ mit wertenden Aussagen sind keine Nachrichten, sondern „Kommentare“ oder „Meinungen“. So wie dieser Text lediglich die Meinung des Autors wiedergibt.

Besonders in den öffentlich-rechtlichen Medien, in Sendungen wie der „Tagesschau“ oder den „Tagesthemen“ wird das wertende Adjektiv „rechtspopulistisch“ konsequent in Verbindung mit der AfD verwendet. – Vor meinem geistigen Auge materialisiert sich dann wie von selbst die Bezeichnung des „sogenannten Islamischen Staates“. – Der Hintergrund für solch eine permanente Wiederholung ist natürlich, den Zuschauern eben genau diese Definition, diese Beurteilung und Einordnung einer Organisation nachhaltig zu suggerieren, die eigene Wertung und somit Meinung zu transportieren. Das kann durchaus als Gehirnwäsche bezeichnet werden. Was ich beim IS prinzipiell noch nachvollziehen kann, will mir bei einer demokratischen Partei, welche sich ihm Rahmen des Grundgesetzes und des Rechtsstaates bewegt, dagegen nicht gelingen.

Absichtenjournalismus

Vor langer Zeit hat man mir im Politikunterricht mit auf den Weg gegeben, dass Nachrichten objektiv sein müssen und nicht in Form subjektiver Kommentare oder Meinungen unter falschem Label verkauft werden dürfen. Wer seine Meinung äußern oder irgendetwas kommentieren möchte, muss es explizit ankündigen, ansonsten ist das schlicht ein Etikettenschwindel. Die Trennung zwischen objektiver Berichterstattung und subjektiver Meinungsäußerung scheint in den oben genannten Sendungen aber auch in vielen anderen Medienformaten schon seit geraumer Zeit nur mehr von untergeordneter Bedeutung zu sein. Da scheint der Zweck die Mittel zu heiligen. Das Ergebnis? Die öffentlich-rechtlichen Medien werden immer häufiger kritisch als „Staatsmedien“ bezeichnet, welche eine staatstragende und meinungsbildende Funktion für die Regierung wahrnehmen. „Betreutes informieren“ – sozusagen. Das mag nun mehr oder weniger zutreffen, aber der Schaden, der durch den Verlust der Glaubwürdigkeit der öffentlich-rechtlichen (und auch anderer) Medien entsteht ist erstens gefährlich, zweitens nachhaltig und wird drittens nur schwer zu beheben sein.

Was will man erreichen? Und: Erreicht man nicht genau das Gegenteil dessen?

Das Ziel des politischen und medialen Mainstreams ist klar. Man will die AfD möglichst klein halten, im Idealfall soll sie natürlich wieder in der Versenkung verschwinden. Die Wahl der Mittel, um eben dieses zu erreichen ist wiederum reiner Populismus. Eine fundierte politische Auseinandersetzung findet, wenn überhaupt, eher am Rande statt. Seitdem die AfD einen Wahlerfolg nach dem anderen einfährt, hat sich die überwiegende Mehrheit der Meinungsmacher in diesem Land auf Verunglimpfung, Stigmatisierung und Ausgrenzung verständigt. Man schiebt die AfD immer weiter in einen rechten Sumpf, wähnt in allen Ecken und Nischen die Nähe zu Rechtsextremen und Nazis. Die Mitglieder sind per Definition eine Ansammlung islamophober Rassisten, die großen Verlierer, der ungebildete, tumbe „rest of us“. Das mag bei der ein oder anderen Person zutreffen, aber dies unterschwellig einer ganzen Partei zu unterstellen schießt über das Ziel hinaus. Spinner gibt es überall und ist mitnichten eine Alleinstellungsmerkla der AfD.

Aber damit nicht genug. Mitglieder der AfD sollen aus sozialen Organisationen ausgeschlossen werden (s. AWO vs. Guido Reil) und sogar ihren Job verlieren können, so sie sich als beratungsresistent erweisen und gar erdreisten, von ihrem, durch das Grundgesetz verbriefte Recht Gebrauch machen und Mitglied einer demokratischen Partei bleiben wollen. Oder man verweigert mal eben einer Landtagsfraktion der AfD die Eröffnung eines Girokontos, so geschehen in Stuttgart durch die Commerzbank.

Merkt eigentlich niemand, dass hier etwas mächtig aus dem Ruder gelaufen ist?

Die USA erlebten im letzten Jahrhundert eine ähnliche Hysterie, auch wenn es damals um den überall vermuteten Kommunismus ging. Der Name Joseph McCarthy, Namensgeber der McCarthy-Ära, ist dem geneigten Leser sicherlich ein Begriff. Damals litt ein ganzes Land unter Verfolgungswahn, es wurde denunziert, dass sich die Balken bogen. Ein ganzes Land in hysterischer Aufruhr und auf großer Hetzjagd befindlich.

Wollen wir so etwas im 21. Jahrhundert in Deutschland? Fällt eigentlich irgendwem auf, dass wir hier eine medial begleitete Hetzkampagne gegen Mitglieder und Sympathisanten einer demokratischen Partei führen? Dass Existenzen bewusst gefährdet werden durch einen so noch nicht da gewesenen (teilweise extremen) „Linkspopulismus“? Dass sogar schon mehrfach Anschläge auf Hab und Gut und sogar körperliche Angriffe stattgefunden haben, weil sich irgendwelche verblendeten Existenzen durch Regierung und Medien dazu legitimiert und möglicherweise aufgefordert fühlten?

Doch zu was führt das alles? Ist die Zustimmung für die AfD zurückgegangen? Oder hat sie sich selbst mittlerweile in Luft aufgelöst? Nein, natürlich nicht. Das genaue Gegenteil ist der Fall. Jede weitere Kampagne, jede weitere Aussage auch unter Verwendung der Bezeichnung „rechtspopulistische AfD“ hat nicht die erhoffte Wirkung gezeigt. Eine Beschimpfung und Ausgrenzung führt zu Widerstand, mehr Druck erzeugt nur mehr Gegendruck. Wenn die Medien und auch die Politik nicht schleunigst umdenken und letztere sich auf ihre Kernaufgabe, die Entwicklung guter politischer Lösungen zu den vielen Problemen, welche zum Teil natürlich auch von der AfD benannt werden, konzentriert und sich nicht in einem nicht enden wollenden verbalen Grabenkampf mit der AfD und ihren Mitgliedern und Unterstützern verliert, dann kann es durchaus gelingen mehr Ruhe und Gelassenheit in diesem Land zu etablieren.

Die AfD ist nun mal – inzwischen in neun Landtagen – real existent, egal ob einem das gefällt oder nicht. Sie ist dort nicht, weil sie in einer Lotterie gewonnen hat, sondern weil sie von Bürgerinnen und Bürgern gewählt wurde. Das ist sogar ganz demokratisch vonstatten gegangen.

Wenn ich diese Wählerinnen und Wähler zurückgewinnen möchte, sollte ich es tunlichst unterlassen, sie in die rechte Ecke zu stellen, sie zu beschimpfen oder gar ausgrenzen zu wollen. Man mag es kaum glauben, aber das funktioniert so nicht.

Zudem sind Politiker Wiederholungstäter. Jedesmal, wenn sie eine Niederlage erklären müssen, fällt ihnen oft nichts besseres ein, als dass man den Menschen die eigene Politik nicht nahe genug gebracht und ausreichend erklärt habe. Na, liebe Politiker, merkt ihr was? Genau, der Wähler ist augenscheinlich nur zu blöd, er hat wieder mal nicht kapiert, was ihr eigentlich rüberbringen wolltet. Die Intelligenz des Wählers zu beleidigen ist vielleicht keine ganz so tolle Idee. So jedenfalls erreicht man den Wähler nicht.

Politik erklären

Sich, wie zuletzt Herr Altmaier (CDU), hinstellen (oder setzen (in der Sendung „Hart aber fair“ am 05.09.2016)) und der AfD vorwerfen, sie habe ja bisher politisch noch gar nichts bewegt, führt beim aufmerksamen Zuschauer zwangsläufig zu der Frage: Wie auch? Diese Partei ist nirgends in der politischen Verantwortung und kann ergo gar nicht gestalten. Auf die Frage des Moderators Frank Plasberg, ob man der AfD denn eine Zusammenarbeit von Seiten der CDU anbieten wolle, schüttelte Herr Altmaier den Kopf und drückte mit entsprechender Mimik die Absurdität dieses Gedankens aus. Auch das dürfte der AfD wenig schaden. Das ist kein Zeichen politischen Fingerspitzengefühls, sondern die politische Axt im Walde.

Was tun?

Dabei könnte man einfach aus der Geschichte lernen. Wir haben diese Spielchen, wenn auch nicht in dieser extremen Form schon einmal mit den Grünen und später mit der PDS/ Die Linke erlebt. Da wurde ausgegrenzt und verunglimpft, was das Zeug hielt. Auch damals skandierte man ständig, dass mit solchen Parteien keine Zusammenarbeit denkbar sei, schließlich handele es sich um Chaoten und Spinner bei den Grünen und bei der PDS/Die Linke um die alten Betonköpfe und ewig gestrigen Kommunisten aus den SED-Kadern. Nicht nur, dass die Grünen bereits einen Aussenminister und Vizekanzler gestellt haben, inzwischen sind sie sogar in Baden-Württemberg stärkste politische Kraft und stellen zum zweiten Mal den Ministerpräsidenten und die Linke stellt in Thüringen ebenfalls einen solchen.

Seelenfunk 2. Akt
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Was ist da passiert? Im Prinzip nichts besonderes. Man hat diese Parteien lediglich in das politische System integriert und dadurch assimiliert. Ist es also dermaßen abwegig, dass man nicht genau das auch mit der AfD erreichen kann?

Klar, momentan geht natürlich die Angst um die eigenen Pfründe um. Da hängen viele persönliche Existenzen am politischen Mandat. Nicht jeder hat eine Rücksturzoption vom Mandat ins Berufsleben. Das kann – überspitzt gesagt – auch schon mal Hartz IV bedeuten, wenn nicht irgendein Unternehmen gefunden wird, welches ein Herz für einen möglicherweise gar ungelernten oder ohne akademischen Abschluss dastehenden, in den normalen Arbeitsmarkt schlecht zu vermittelnden Berufspolitiker hat und einen Arbeitsplatz bereitstellt. Gern auch als Berufslobbyist, wegen der Kernkompetenzen. Denn am Ende des Übergangsgeldes wird die Luft schnell dünn. Da wird die eine oder der andere präventiv schon mal zum Angstbeißer.

Dabei sollte es doch darum nun wirklich nicht gehen, sondern um eine gute politische Arbeit für die Menschen in diesem Land, für die Gesellschaft und den Staat, darum, die Schwachen zu stärken und die Starken in die Pflicht zu nehmen. Darum, unsere vielen Probleme national wie international zu lösen. Ich will nicht generell in Abrede stellen, dass Politiker darin ihre Aufgabe sehen, aber leider beschleicht einen allzu oft der Gedanke, dass es da mehr um die persönlichen Befindlichkeiten geht als es eigentlich sollte.

Zum Schluss

Ich plädiere daher an die Vernunft aller Beteiligten, es mal mit einer sachlichen Auseinandersetzung und einem respektvollen Umgang miteinander zu versuchen. Das betrifft nicht nur die Politik, sondern auch die Medien und alle Mitmenschen. Die Grabenkämpfe bringen uns keinen Millimeter irgendeiner Problemlösung näher. Stattdessen schaffen diese Feindbilder, mit allen negativen Folgen für den gesellschaftlichen Zusammenhalt. Kompetenzen bündeln sollte die Maxime sein und sich endlich wieder auf eine konstruktive Arbeit konzentrieren, denn die Menschen in diesem Land erwarten Lösungen und keine peinlichen Verbalschlachten. Dann muss sich der eine oder die andere in Zukunft auch nicht mehr so oft fremdschämen. In diesem Fall bin ich mal der Zweckoptimist und behaupte im Merkelschen Universum schwebend: „Wir schaffen das!“

Bevor ich es vergesse: Es geht mir nicht darum die AfD oder ihre politischen Vorstellungen zu verteidigen. Es geht mir darum, für einen vernünftigen, respektvollen Umgang in Politik, Medien und Gesellschaft zu werben und – mit Verweis auf unser Grundgesetz – hier und da mal etwas Druck abzulassen, damit diese angespannte Situation in diesem Land nicht noch weiter eskaliert. Wenn wir uns alle dem Grundgesetz verpflichtet fühlen und unsere Handlungen und unsere Kommunikation daran ausrichten und messen, sollte ein neue Debattenkultur entstehen können.

Selbstredend gehören alle, die offen rassistische oder sonstige Hetze betreiben, zu Straftaten aufrufen oder selbst begehen, bestraft. Keine Gewalt aufgrund irgendwelcher politischer Aussagen ist legitim oder irgendwie zu legitimieren, egal ob von rechts oder links.

Aber: Von irgendeiner Vorverurteilung und Verallgemeinerung sollte man grundsätzlich absehen. Denn auch das ist politisch nicht korrekt.

Frank Mußhoff nennt sich ein Kind des Ruhrgebiets, ist selbständiger Unternehmer und Geschäftsführer im IT-Bereich, ehrenamtlich in der Kommunalpolitik tätig. Die Freude am Konsum geschriebener Worte in Form von Büchern und journalistischen Produkten hat ihn inspiriert, selbst mit dem Schreiben zu beginnen.

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