Eine blamable Bilanz stellt der frühere Top-Diplomat Uwe Schramm der Bundesregierung aus: Jetzt ging auch noch die deutsch-französische Ehe zu Ende - nachdem sich die USA verärgert abwenden und die Ostpolitik zu einer Dauerbaustelle verkommen ist.
Manches kommt eben unverhofft, wenn es auch irgendwann zu erwarten war. So bei der Rede des französischen Staatspräsidenten Emmanuel Macron vom vergangenen Donnerstag. Wichtigstes Thema war die französische Innenpolitik im Schatten der Gelbwesten-Proteste. Dann aber ging Macron mit bisher nie gekannter Deutlichkeit auf die sich häufenden Konflikte und Meinungsverschiedenheiten zwischen Paris und Berlin ein. An Beispielen erwähnte er die Energiepolitik, die Klimapolitik, die Unterschiede in der Handelspolitik mit den USA und die Brexit-Verhandlungen. Er hätte noch mehr aufzählen können; etwa die Divergenzen bei der EU-Finanz- und Sozialpolitik, bei der gemeinsamen Verteidigung und beim Rüstungsexport. Dazu die innenpolitisch empfindlichen Fragen bei der EU-Migrationspolitik und dem EU-Grenzschutz.
Macron hätte sogar noch ganz andere, in Paris als Provokation empfundene Punkte aus jüngster Zeit hinzufügen können. So die Aufforderung der neuen CDU-Chefin Kramp-Karrenbauer, Straßburg als Zweitsitz des Europäischen Parlaments neben Brüssel zu streichen, und die von deutscher Seite ohne Not losgetretene Kontroverse um den französischen Sitz im Sicherheitsrat, den man sich in Berlin aus naheliegenden Gründen gerne als gemeinsamen EU-Sitz vorstellen möchte. Aus französischer Sicht muss es so wirken, als sei Berlin daran gelegen, Paris eine Nummer kleiner zu machen. Das kam in Paris nicht gut an. Anderes schon vorher nicht, so die verdrucksten und ausweichenden Reaktionen aus Berlin auf die wiederholten europäischen Reformvorschläge Macrons.
Macron vermied in seiner Rede Zuspitzungen. Er sprach in von „fruchtbaren Konfrontationen“ und dem Willen zum Kompromiss. Trotzdem enthielt seine Rede ein klare Botschaft: Schluss mit lustig. Die Zeit der europapolitischen und anderen Avancen aus Paris, der vorauseilenden Rücksichtnahme und der vorherigen Abstimmung ist aller Voraussicht nach vorbei. Jetzt macht jeder was er für richtig hält und was er durchzusetzen vermag. Es gibt keinen deutsch-französischen Bonus mehr. Es herrscht in der EU von nun an freie Partnerwahl.
Unterm Strich bedeutet das, dass Berlin der wichtigste befreundete Partner in der Europäischen Union abhanden gekommen ist. Das heißt noch lange nicht Gegnerschaft, aber Entscheidung je nach Interessenlage von Fall zu Fall. Und zwar im ungünstigen Moment, in dem sich Großbritannien aus der EU verabschiedet, das mit Berlin in der Wirtschafts- und Finanzpolitik fast immer auf gleichem Kurs gefahren ist. London wird fehlen, wenn es um den finanziellen Appetit der Südeuropäer geht. Auch andernorts in der EU bläst Berlin der Wind ins Gesicht. Im Osten hatte sich schon vorher die Visegrad-Gruppe mit Polen, Ungarn und anderen gebildet, die sich gegen tatsächliche oder vermeintliche Diktate aus Brüssel und Berlin zur Wehr setzen will, wobei aus Wien, wenn es denn sein soll, gerne einmal zweckdienlich souffliert wird. Im Süden ist zwar Spanien Berlin stets gewogen, hat aber andere Sorgen. Über Staaten wir Italien und Griechenland muss man sich dagegen Gedanken machen. Alles in allem ist Berlin deshalb in der EU nicht isoliert. Aber es hat kaum noch Freunde. Genau genommen sind es Partner unterschiedlicher Nähe und Relevanz mit ganz unterschiedlichen Motiven, Zielen und Interessen.
Die Rede von Präsident Macron vom 25.04.2019 markiert jedoch nicht nur das Ende des deutsch-französischen Sonderverhältnisses. Vielmehr reichen die Folgen dieses inneuropäischen Achsenbruchs über die EU hinaus.
Hierfür gibt es eine Erklärung. Die deutsche außenpolitische Geometrie lässt sich mit drei Kreisen beschreiben. Das sind die Kreise, die für die Sicherheit des Landes wichtig sind, nicht nur für Wirtschaftsinteressen. Man könnte genauso gut von drei außenpolitischen Dimensionen sprechen: der europäischen, der atlantischen und der ostpolitischen. Das Problem jetzt ist: keiner dieser drei Kreise kann nach der Kurskorrektur Macrons noch als intakt bezeichnen werden.
Die zwei Dimension unserer außenpolitischen Geometrie sind die transatlantischen Beziehungen; an erster Stelle mit den USA, die für unsere Sicherheit so unverzichtbar bleiben wie je zuvor. Leider haben es unsere Politik und Presse es bis auf den heutigen Tag nicht verstanden, den amtierenden Präsidenten Donald Trump als etwas anderes zu betrachten als einen peinlichen Unfall der amerikanischen Politik. Berlin ist auch für die USA ein wichtiger Posten in der außenpolitischen Bilanz. Um unter diesen Umständen nahezu an das untere Ende der amerikanischen Sympathieskala zu rutschen, ist eine bemerkenswerte Fehlleistung. Sie erklärt sich nicht nur aus den rabiaten Egoismen der amerikanischen Politik, sondern eben auch aus dem Verhalten Berlins, von Sachfragen wie den nicht eingehaltenen deutschen Zusagen im Verteidigungssektor bis zu wilhelminischer Großkotzigkeit in der Presse und in öffentlichen Äußerungen selbst auf der politischen Ebene. Es ist eben so: wo Präsident Macron mit Ehefrau das Ehepaar Trump zum eleganten Abendessen in das Eiffelturm-Restaurant einladen, fehlt es auf deutscher Seite manchmal am Nötigsten im Bereich des zivilen Anstands. Das rächt sich, weil es die Gegensätze in Sachfragen noch emotional unterlegt. Es ist dann bei interpretationsbedürftigen Äußerungen des US-Präsidenten zu den NATO-Bündnisverpflichtungen ebenfalls keine Hilfe.
Zurück zu Emmanuel Macron und zu seiner Rede 25.04.2019, die zwar nicht auf die Scheidung des deutsch-französischen Paares, wohl aber auf das Getrenntleben hinausläuft.
Berlin ist mit dieser Entscheidung des französischen Präsidenten in einer Situation, in der keiner der drei Kreise der deutschen außenpolitischen Geometrie mehr völlig intakt ist. Der deutsch-französische Achsenbruch hat der europäischen Dimension ihre besondere Qualität und Durchschlagskraft genommen. Das Verhältnis zu Washington hat ebenfalls gelitten, wobei man nicht sagen mag, welcher Seite mehr Verantwortung zukommt. Gut wäre es jedenfalls, wenn man auf deutscher Seite die Lautsprecher ein wenig herunterdrehen könnte. Die dritte, das ist die ostpolitische Dimension hat seit dem russischen Vorgehen auf der Krim und in der Ostukraine sowie anderen unerfreulichen Vorkommnissen keine friedensstiftende Wirkung mehr, so wie es unter Brandt, Schmidt und Kohl gewesen war, sondern sie ist zum Risikofaktor geworden, leider mit zunehmender Tendenz.
Vergleicht man die heutige Situation mit der außenpolitischen Lage unter Bundeskanzler Helmuth Kohl, als alle drei Dimensionen stabil waren, so steht die Bundesrepublik heute um einiges schlechter da. Zu Dramatisierungen besteht zwar kein Anlass. Wir steuern aber in eine außenpolitische Situation hinein, die im Fall von unerwarteten internen oder externen Erschütterungen zu einem Problem werden könnte.
Uwe Schramm, geboren 1941 in Bremen, ist ein deutscher Diplomat und war Botschafter in Ruanda, den Vereinten Arabischen Emiraten, Bangladesch und Georgien. Nach seiner Pensionierung war der studierte Rechts- und Staatswissenschaftler 2008/2009 Mitglied der EU-Berichtskommission zum Konflikt 2008 zwischen Georgien und Russland; 2014/2015 arbeitete er als politischer Berater der OZE-Sonderbeauftragten für den Ukraine-Konflikt in der Trilateralen Kontaktgruppe mit Russland und der Ukraine in Kiew. Er lebt in Berlin.
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Wie sollten wir auch eine gute Außenpolitik haben? Dies würde ja voraussetzen, dass unser politisches Personal sich, wie es im Amtseid des Kanzlers heißt, am „Wohl des deutschen Volkes“ orientiert. Wer leugnet, dass es dieses Volk überhaupt gibt oder es, trotz seiner angeblichen Nicht-Existenz, abschaffen will, wird das wohl kaum machen, selbst wenn er geistig dazu in der Lage wäre. Im Übrigen: Merkwürdigerweise sind wir im Verhältnis zu den USA teilweise wieder in etwa da angelangt, wo wir 1939/1940 schon mal waren. Unsere Politiker verachten die Plutokraten in Washington ja noch mehr und verbal offensiver, als das Hitler damals tat.… Mehr
Es kann nicht Aufgabe unserer politischen Führung sein, den amerikanischen Präsidenten, unabhängig von der Person, zu beleidigen, zu verunglimpfen und ein schlechtmöglichstes Verhältnis zu den USA zu erzeugen. Es ist auch nicht Aufgabe unserer Führung die ganze Welt zu schulmeistern und zu belehren. M.E. ist muss es Aufgabe unserer politischen Führung sein, mit allen Staaten Verhältnisse aufzubauen, die vor allem vorteilhaft für unser Volk sind. Das erfordert Staatskunst und hohes diplomatisches Geschick. Diese Voraussetzungen fehlen seit Langem bei unserem „Spitzenpersonal“. Mit ideologischem Irrsinn geht es eben nicht besser. Dies bringt unser Land in zunehmende Isolation, politische und wirtschaftliche Schwierigkeiten. Eine… Mehr
Frankreich war NIE der Freund Deutschlands, es hat immer seine eigenen Interessen verfolgt. Frankreich hat auch i.d.R. gegen Deutschland gekämpft, also anders als z.B. Italien oder Ungarn, die mit Deutschland in einer Allianz waren. Davon abgesehen: Es gibt in der Politik eh keine Freundschaften, es gibt lediglich knallharte Interessen, Geopolitik, und es gibt zur Durchsetzung der Interessen den Krieg.
Eine Besatzungsmacht als befreundeter Partner? USA, England, Frankreich … wer solche Freunde hat, braucht keine Feinde mehr.
Der Fisch stinkt immer vom Kopf. Seit 2005 ist dieser Fisch am Stinken und ganz Deutschland verrottet.
Ich würde mich NICHT wundern, wenn Merkels Politik am „Abgrasen“ dieser Polit-Lämmer ausgerichtet wäre…
PS: Souffleur mit doppeltem f…pardon
“ Im Osten hatte sich schon vorher die Visegrad-Gruppe mit Polen, Ungarn und anderen gebildet, die sich gegen tatsächliche oder vermeintliche Diktate aus Brüssel und Berlin zur Wehr setzen will, wobei aus Wien, wenn es denn sein soll, gerne einmal zweckdienlich souffliert wird.“
Dieser Satz lässt aufmerken, macht stutzig. Bester MSM Stil. Die Regierungen jener Länder und ihre Bevölkerung sind ganz sicher diejenigen, die KEINEN SOUFLEUR für ihre Politik nötig haben und die sich gegen jeden derartigen Versuch konsequent zur Wehr setzen.
Letztlich spricht aus diesem Artikel auch nur wieder die eigentlich angeprangerte Deutsche Überheblichkeit.
Es gäbe jetzt eine Maßnahme die zwei Probleme gleichzeitig lösen würde, den Unmut Washingtons über Deutschland dämpfen und der Gefahr aus dem Osten begegnen würde; endlich AUFRÜSTEN! Wer jetzt verantwortungsloser Militarismus denkt sollte sich über die Stärke der Bundeswehr zu Zeiten des ‚kalten Krieges‘ im Vergleich zu jetzt vergewissern. Von den schlagkräftigen Panzerverbänden ist nicht mal mehr ein Zehntel übrig. In den anderen Waffengattungen sieht es nicht besser aus. Dabei haben wir längst wieder eine dem ‚kalten Krieg‘ vergleichbare Lage. Wie gefährlich die Lage damals im ‚kalten Krieg‘ schon war können ehemalige Kommandeure der DDR-Volksarmee bezeugen wo konkrete Angriffsplanungen gegen… Mehr
Auch die NATO hat eine „Vorwärtsverteidigung“ genannte Angriffsstrategie in den Schubladen gehabt.
Vielleicht lesen Sie sich diesbezüglich noch einmal ein.
Deutschland aufrüsten um die USA zu besänftigen? *LOL*
Warum wurde Deutschland wohl De-militarisiert, ein Atomausstieg erzwungen, wirtschaftlich abgewrackt und zum offenen Siedlungsgebiet erklärt?
Weil solche politischen Schwergewichte wir Claudia Roth Deutschlandfeindlich sind?
Oder sollte sie USA gemerkt haben, dass ein ethnisch homogenes nicht ideologisch zersetztes Deutschland wirtschaftlich immer dominanter wird, zwangsläufig in Europa die Führung übernimmt, und dann auch wieder einem 300 Millionen Salad Bowl wie den USA ein ernsthaft Konkurrent sein könnte?
Diese „deutsch-französische Achse“ hat nie existiert. Sie ist ein schönes Narrativ. Wenn man z.B. mit Skandinaviern politisch diskutiert über Europa, dann hört man stets: Das kann gar nicht funktionieren, denn Deutschland und Frankreich haben keine gemeinsamen Interessen – außer, ggf. den anderen europ. Staaten etwas aufzuoktroyieren, wobei auch das nicht im Interesse Deutschlands ist. Kurz: Die „deutsch-französische Achse“ ist ein Problem für Europa und löst nichts. Vor allem aber ist Frankreich sich selbst genug, Frankreich braucht Europa eigentlich nicht. Höchstens, wie in der Eurokrise sichtbar, wird Deutschland als Sicherungsgeber (für franz. Banken) gebraucht. Ansonsten haben franz. Konzepte, Visionen etc. mit… Mehr
Frankreich und Deutschland haben schon was miteinander. Vielleicht nicht die Politik, aber die Menschen. Vor 27 Jahren waren waren wir mit unseren kleinen Kindern im Süden Frankreichs und wollten an einem Fischerbootfestival teilnehmen. Der Wind war so stark, dass wir beschlossen, mein Mann geht mit dem größeren Kind an Bord und ich verkroch mich mit dem Kleinen in einem Buswartehäuschen. Da saß ein alter Mann und erzählte mir sofort, wie toll er Deutschland findet, denn er war als Soldat im Krieg dort. Mir viel beim besten Willen nichts mehr ein, was ich darauf antworten könnte.
Ja, habe ich auch erlebt, mehrfach. Wenn man sich anständig und freundlich benimmt, trifft man auf teils rührende Zuneigung. Die sind nicht doof, die Franzosen … sie wissen sehr wohl zwischen den unerträglichen Untaten der 1000jährigen Helden und der Gegenwart zu unterscheiden … was uns wiederum ganz verlegen macht.