Der Praktiker im Job-Center über Betrug, Verschwendung, Unvermittelbarkeit, und Bedrohungen. Warum Integration nicht funktioniert, der Islam zur letzten Zuflucht der Betroffenen wird - und Einheimische mit Geschenken ruhig gestellt werden.
Zwar hätte man einen Ermittlungsdienst, der würde aber hinter solche Strukturen auch nicht blicken. Stattdessen würde höchstens einmal bei den Menschen vorbeigeschaut werden, um zu überprüfen, ob diese auch wirklich dort wohnen, wo sie gemeldet sind oder ob da beispielsweise mehr Leute wohnen als angegeben. Das sei im Prinzip aber das Einzige.
„Und dann bist Du der ‚Nazi’“
Ein weiteres Problem sei das fehlende Verständnis gegenüber der Anspruchshaltung des Staates. „Als ich von einem Kunden, der angab, für 165 Euro im Monat in einem Dönerladen auszuhelfen, wollte, dass er mehr Stunden arbeitet, meinte er lediglich, dass es ihm doch so gut gehe.“ Als Timo ihm daraufhin deutlich machte, dass der Staat durchaus ein Anrecht hätte, von den Leuten zu verlangen, dass sie mehr arbeiten gehen, damit sie nicht mehr von den Steuerleistungen der anderen müssen, wurde er direkt sehr wütend und ausfallend. „Und dann fällt in der Regel auch immer sofort der Begriff ‚Nazi’.“
„Man hätte kein Verständnis für seine Situation und weil er halt Ausländer ist, will man ihm jetzt etwas Böses und dass er den Dreck für uns Deutsche machen solle. Da merkt man dann, dass da so ganz tief drin so ein bisschen Hass ist und ich verstehe nicht warum. Dieser Mensch wird versorgt, er hat ein Dach über dem Kopf, er muss nicht hungern … wenn ich, sag ich mal, in Marokko arbeitslos bin, dann lebe ich wahrscheinlich auf der Straße, habe nicht genug zu essen, kann meine Familie nicht versorgen und das ist hier ja nicht gegeben. Woher dann dieser Hass kommt, bei dem man direkt merkt, dass das jetzt hier gegen die deutsche Bevölkerung geht, obwohl der Mann eigentlich selbst Deutscher ist (er hat ja einen deutschen Pass), entzieht sich für mich jeder Logik.“
Mittlerweile gibt es einen Knopf und eine Tastenkombination für die Mitarbeiter des Jobcenters. Die Tastenkombination ist für einen „regulären Alarm“ gedacht. Wenn man sich zum Beispiel bedroht fühlt. Das andere ist der sogenannte „Amokknopf“. Mittlerweile würde man schon öfter auf diese Tastenkombination gucken. Gerade bei Kunden mit Migrationshintergrund käme es häufig vor, dass die Leute ausfallend und sogar handgreiflich werden. Auch wurde den Mitarbeitern angeraten, keine Fotos von Familie und Lebensgefährten auf den Schreibtisch zu stellen, um sie nicht zur Zielscheibe von wütenden Kunden zu machen. Es seien diese Umstände, die dafür sorgen, dass man mittlerweile bei vielen Kunden gar keine Sanktionen mehr verhängen würde, aus Angst, man setze sich selbst einem nicht kalkulierbarem Risiko aus.
Frauen? Dürfen nicht arbeiten
Dabei gäbe es diese Probleme nicht nur mit arabischen Großfamilien. Auch Männer, die nicht wollen, dass ihre Frau arbeiten geht, seien hierbei ein Problem. „Wir sind halt dazu angehalten, dass wenn jemand staatliche Leistungen bekommt, auch die Frauen – und wenn es nur in geringfügigem Umfang ist, in Arbeit zu bekommen.“ Dabei ginge es nicht zuletzt auch um Umschulungen (z.B. im Bereich der Altenpflege), damit man die Leute nachträglich qualifiziert.
Dies sei ausschließlich ein Problem mit muslimischen Kunden. Die Frau soll nicht arbeiten. Sie hat zu Hause zu bleiben und sich um den Haushalt und die Kinder zu kümmern. Das seien dann oft Familien mit vielen Kindern, die ihr kulturelles Selbstverständnis über das Grundgesetz stellen würden. So ist es auch nicht verwunderlich, dass die Frauen im Gespräch nicht sprechen. Und dass der Mann auch dann die Antworten gibt, wenn man die Frau explizit anspricht. Diese kulturellen Diskrepanzen würden vor allem auch die weiblichen Kolleginnen zu spüren bekommen, weil die Männer auch ihnen gegenüber stets sehr dominant auftreten würden. Aber ohne Mitarbeit der Frau reicht das geringe mögliche Gehalt für den Lebensunterhalt nicht aus. Es wird aufgestockt.
Einmal saß bei einer Kollegin von Timo ein Mann, der kein Verständnis dafür hatte, dass man ihm nicht gewährte, drei Wochen in die Türkei zu fliegen. Er hatte eine Arbeitsaufnahme, d.h. er hätte in diesem Zeitraum Arbeit aufnehmen können. „Das wollte er aber nicht, weil er eben erst einmal für drei Wochen in die Türkei fliegen wollte.“ Die Kollegin hätte ihm dann gesagt, dass es dann zu Sanktionen kommen würde, weil das eben nicht ginge, dass man die Arbeit sausen lässt, weil man in den Urlaub will. „Da hat ja eigentlich jeder Mensch vollstes Verständnis für. Aber er hatte das nicht und da muss man sich bei solchen Menschen dann erst einmal trauen, demjenigen zu sagen: ‚Du nimmst die Arbeit auf oder du kriegst von uns keine Leistungen mehr.’“ Ein großes Eskalationsgespräch mit Teamleitung sei das gewesen. Später kam auch der Sicherheitsdienst dazu. „Also da wird schon deutlich, dass das sehr schnell eskalieren kann, und die haben dann einfach keinerlei Verständnis für die Situation.“
Das muslimische Selbstverständnis als Problem
Was für ein Verständnis haben sie denn, frage ich.
„Deren Verständnis ist halt so, dass sie die Berechtigung sehen, dass der Staat für sie bezahlt.“ Das Verständnis von Hartz IV-Leistungen sei ein vollkommen anderes. Wenn Timo mit anderen Kunden darüber spricht, was der Sinn der Arbeitslosenversicherung und des ALG II ist, dann verstünden sie das, Kunden aus dem islamischen Kulturkreis nicht.
„Für mich wirkt das manchmal so vom Verhalten, als würden sie irgendwie denken, sie seien etwas Besseres oder hätten halt besonderen Anspruch darauf. Sie denken halt, dass Deutschland ihnen das schuldig ist – aus welchem Grund auch immer. Dieses Anspruchsdenken ist glaube ich ganz gefährlich bei den Leuten, die jetzt als Flüchtlinge nach Deutschland kommen und so ein Verhalten dann relativ schnell vielleicht adaptieren. Im islamischen Kulturkreis herrscht einfach ein anderes Selbstverständnis. Man denkt sich: Der Westen, der hat das so gut und der hat sich diesen ganzen Wohlstand auf Kosten der arabischen und afrikanischen Welt ergaunert und deswegen hat man jetzt ein Anrecht darauf, davon etwas zurückzubekommen – das kann ich nicht belegen, aber so kommt das in den Gesprächen herüber.“
Ich muss unweigerlich an Broders Idomeni-Artikel denken und das Stichwort Selbstverantwortung und frage ihn, ob er das so unterschreiben würde, dass man in diesem Kulturkreis ein Problem mit der Selbstverantwortung hätte.
„Ja, das hört man oft von Menschen aus dem islamischen Kulturkreis“ bestätigt mir Timo. Man gäbe ihnen keine Chance hier. Man könne hier ja eh nichts werden. Aber Timo sagt auch, dass das ein generelles Problem im ALG II-Bereich wäre. So hätten viele, auch Deutsche, das Gefühl, man hätte ihnen Unrecht getan. Der Unterschied läge eher im Selbstwertgefühl. Bei Deutschen und anderen Europäern hätte man oft das Gefühl, es fehle ihnen an Selbstwertgefühl. Das gäbe es bei den Menschen aus dem islamischen Kulturkreis nicht. Diese würden sich ihres über die Kultur, die Religion wieder hereinholen. Die Arbeit hätte dort einfach nicht so einen hohen Stellenwert. „Wenn man keine Perspektive auf eine Arbeit hat, dann sucht man sich diese eben über die Kultur bzw. Religion – das ist, glaube ich, das größte Problem mit dieser Personengruppe.“ Derjenige, der kein Selbstwertgefühl mehr durch die Arbeitslosigkeit hat, hätte noch einen größeren Ansporn, sich aus dieser Situation zu kämpfen. Das fehlt hier, weil man sich das Selbstwertgefühl woanders holt. Dieser Umstand würde, so Timo, vom Staat total unterschätzt und als Problem nicht analysiert werden.
„Man möchte nicht ausländerfeindlich wirken“
Woran das liegen könnte, frage ich.
Man würde immer sehr stark versuchen, diese Themen zu umgehen. „Man spricht sehr ungerne darüber“, gibt Timo zu. Gerade in solch sozial geprägten Jobs im öffentlichen Dienst spiele die Komponente, dass man nicht ausländerfeindlich wirken möchte, eine große Rolle. „Es gibt da sehr viele, die dann auch solche Umstände einfach herunterschlucken.“ Außerdem würde vom Arbeitgeber sehr genau kontrolliert werden, wer sich da falsch äußert. Die Folge sei nicht selten ein Mitarbeitergespräch.
„Ich denke, man versucht das Bild zu vermitteln, dass es eben nicht so schlimm ist, aber eigentlich bräuchte man da viel mehr Transparenz: Wie viele Leute gibt es da mit diesen Problemen und wie kriegt man die wieder integriert? Wenn man da bessere Transparenz schaffen würde, hätte man viel mehr Möglichkeiten, die Leute wieder in den Arbeitsmarkt zu bekommen, da fehlt aber einfach vom Staat her der Mut zur Ehrlichkeit gegenüber den Bürgern.“
Darüber hinaus würde der Staat auch keine Ansprüche stellen. „Da wird nicht gesagt: ‚Ihr lebt jetzt 20 Jahre hier, wir verlangen jetzt mal von euch, dass ihr die Sprache sprecht’ – ich habe hier ja diese Leute, die seit 20-30 Jahren hier sind, wo dann der Sohn als Dolmetscher mitkommt und man von vornherein weiß, dass man denjenigen nicht in den Arbeitsmarkt vermittelt bekommt.
Ich hake nach, frage, auch wenn ich mir die Antwort bereits denken kann, ob es da Zahlen, Statistiken gibt, wie hoch der Anteil der Leute mit Migrationshintergrund bei den Kunden der Jobcenter sei.
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