Pergamonmuseum: 1,5 Milliarden Kosten, Wiedereröffnung ungewiss

500 Millionen D-Mark sollte die Renovierung des Pergamonmuseums mal kosten – für zehn Jahre. Mittlerweile rechnet man mit 1,5 Milliarden Euro. Nach einem Rechtsstreit kommen weitere Millionen dazu. Ob eine der bedeutendsten Kulturstätten Deutschlands 2043 wieder eröffnet, steht in den Sternen.

picture alliance/dpa | Sebastian Christoph Gollnow

Das Relief der Gigantomachie, der Schlacht der Götter gegen die Giganten, schmückt den Pergamonaltar. Für die Alten Griechen ein Kampf zwischen Chaos und Ordnung. Die Ironie der Geschichte will, dass das Stück nunmehr an einem Ort steht, wo diese epische Auseinandersetzung Alltag ist.

Berlin hat den Flughafen, Berlin hat das Kanzleramt und Berlin hat jetzt auch das Pergamonmuseum.

2010, so hatte es noch der Bund gewollt, sollte eines der bedeutendsten europäischen Museen in neuem Glanz erstrahlen und wiedereröffnet werden. Zur Jahrtausendwende hatte die Politik festgelegt, die Museumsinsel in nur zehn Jahren zu renovieren. Viele der hochtrabenden Ideen sind entweder gescheitert, mit reichlicher Verspätung realisiert – oder immer noch nicht umgesetzt worden.

Tichys Einblick ist nicht dafür bekannt, den Spiegel zu loben. Doch in einem Bericht, der aus den Glanzzeiten des Blattes stammen könnte, veröffentlichte das Hamburger Magazin im August eine Chronologie der Katastrophe. Sie ist gekennzeichnet von Größenwahn, Verantwortungslosigkeiten, Inkompetenz und unrealistischen Vorgaben. So hielt die Stiftung Preußischer Kulturstift über Jahre daran fest, dass trotz Instandsetzung das Museum niemals ganz geschlossen werden dürfte.

Das hat die Renovierungsarbeiten nicht nur in die Länge gezogen. Nun tritt der gegenteilige Effekt ein. Die vollständige Wiedereröffnung des Museums wurde auf das Jahr 2037 terminiert. Mittlerweile gilt das Jahr 2043 als realistischer. Wer Berlin kennt, der weiß: Da ist noch viel Platz nach oben.

Damals, als die politische Vorgabe der Schröder-Jahre lautete, dass die Museumsinsel in einem 10-Jahres-Plan wieder aufgerichtet werden sollte, ging man noch von Kosten in Höhe von 500 Millionen D-Mark aus. 2008 rechnete man mit 385 Millionen Euro. 2017 waren es 613 Millionen Euro. Mittlerweile sollen es 1,5 Milliarden Euro werden. Tendenz: steigend.

Rund 490 Millionen Euro entfallen auf den Nordflügel, eine Milliarde auf den Südflügel. In den nächsten – im besten Fall: 13 – Jahren Bauzeit ist es nicht ausgeschlossen, dass weitere Probleme zum Vorschein kommen. 20 Jahre dauerte der Bau des heutigen Museums zwischen 1910 und 1930. Damals kamen Erster Weltkrieg, die 1918er Revolution, die Inflation der beginnenden 1920er sowie die Weltwirtschaftskrise dazwischen. Bereits damals wurden nicht alle Pläne ausgeführt.

Ein weiteres Berliner Milliardengrab, so könnte man meinen. Es gibt allerdings einen brisanten Unterschied. Ob Berliner Flughafen oder Bundeskanzleramt: Beide prägen nicht das Bild von Deutschland so sehr wie eines der weltführenden Museen, dessen namensgebender Altar auch für den einstigen Anspruch der Gelehrtennation steht.

Pergamonaltar und das aus tausenden Lehmziegeln rekonstruierte Ishtar-Tor gaben Deutschland ein Museum, das dem weltweit dominierenden British Museum ebenbürtige Konkurrenz macht. Könnte man sich vorstellen, dass dieses für 20 Jahre die Pforten schlösse? Die Vatikanischen Museen? Der Louvre? Millionen Touristen werden jedes Jahr auf der Museumsinsel stehen und sich fragen, weshalb Deutschland an der Renovierung eines Museums scheitert, das gleich nebenan liegt.

Gigantisch – um beim Relief zu bleiben – ist daher das Scheitern. Zu den bisherigen Kosten reihen sich jetzt die „Peanuts“. Eine Baufirma etwa, die laut der Stiftung einen Millionenschaden verursacht habe, muss nicht zahlen. Nicht nur, dass das Museum auf den Kosten sitzen bleibt, es muss der Firma auch noch Lohn nachzahlen, wie ein Gericht letzte Woche entschied.

Eine weitere Firma fordert zehn Millionen nicht gezahlten Werklohn, die Stiftung Preußischer Kulturbesitz im Gegenzug 15 Millionen Euro Schadensersatz. Für die Restaurierung der Kunstwerke fallen weitere 121 Millionen Euro an. Laut Spiegel sei das Budget für den ersten Bauabschnitt bereits „fast erschöpft“, wie intern schon im September 2023 angemahnt wurde.

Was den Fall „Pergamon“ mit den anderen deutschen Debakeln bindet: In den nahezu 25 Jahren der Planung ist kein einziger Kopf gerollt. Niemand war bereit, Verantwortung zu übernehmen – oder den Pergamonskandals an die Öffentlichkeit so durchzustechen, dass dessen wahre Dimension bewusst wurde.

Auch das sind Bilder aus dem besten Deutschland aller Zeiten: Im Kaiserreich baute man Museen für Ruinen, in der Berliner Republik sind sie selbst zu solchen geworden.

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Kommentare ( 22 )

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Teiresias
1 Monat her

Geschichte an sich soll weg, weil die Nationalstaaten weg sollen: Die Schliessung von Museen de Facto für immer passt da genau ins politische Programm. Denn wer die Geschichte z.B. der Griechen im Pergamonmuseen sieht, könnte auch auf die Idee, sich für die eigene Geschichte und Identität als Deutscher zu interessieren. Das EU-Europa der Zukunft soll aus geschichtslosen Menschen bestehen, deren Gruppenidentität nicht mehr historisch-national definiert ist, sondern über die Geschlechtsidentität bestimmt wird. Daher der politische Wille zur linken Identitätspolitik, aka Genderideologie – Weil die Genderidentität eine internationalistische Identität ist, bestehend aus territorial verstreuten Individuen. Die Einheit aus Territorium und Bevölkerung… Mehr

Last edited 1 Monat her by Teiresias
PaulKehl
1 Monat her

Die Zahl der Touristen in Bln. ist eh rückläufig und die Artefakte werden sowieso ins Ausland verschoben, also ist das Datum der Fertigstellung egal. – Der Bauherr könnte auch gleich Stockbetten, Gebetsräume und Duschen für neue Bewohner einbauen.

Arminius
1 Monat her

Gebt alle Kunstschätze in die Herkunftsländer zurück.
Dann kann man im Museum Asylanten unterbringen.

taliscas
1 Monat her

Größenwahn, Verantwortungslosigkeiten, Inkompetenz und unrealistischen Vorgaben….wo bleibt in der Aufzählung die Korruption?

Rob Roy
1 Monat her

Hätten die Pharaonen Berlin mit dem Bau der Pyramiden beauftragt, wären diese heute noch nicht fertig.

Jens Frisch
1 Monat her

Nur 1,5 Milliarden für die gesamte Museumsinsel? Das sind ja Peanuts im Vergleich zur Kölner Oper – einem potthäßlichen 1960´er Jahre Klotz, dessen Renovierung mittlerweile auf eine Milliarde geschätzt wird.
So sieht der Betonklotz aus:
https://www.ksta.de/koeln/koelner-innenstadt/nach-elf-jahren-sanierung-in-koeln-bauarbeiten-an-der-oper-sind-zu-langsam-653519
https://de.wikipedia.org/wiki/Oper_K%C3%B6ln

Siggi
1 Monat her

Jede Wette, dass es am Ende mindestens 3 Milliarden werden.

Innere Unruhe
1 Monat her

20 Jahre geschlossen! – museale Tradition kann man damit begraben. Mindestens zwei Generationen Schüler werden ohne dieses Museum aufwachsen und sehen, dass es keine Priorität hat…

BK
1 Monat her

Ich hoffe, dass man bei diesen Summen auch an die Einhaltung der Brandschutzvorschriften gedacht hat. Bis 2058 werden diese noch ein paar mal novelliert und der Bau schließlich von jemanden abgenommen, der heute noch gar nicht lebt. Sollte Deutschland inzwischen den Zuschlag für die Olympischen Spiele erhalten, empfiehlt sich der Abriss des Museums zu Gunsten eines ethisch-ökologisch-klimatisch-korrekten Neubaus, denn auch die Heizungsgesetze werden sich ändern. Zum Glück, dass wir keine Planwirtschaft haben und flexibel sind.

Klaus D
1 Monat her

1,5 Milliarden Kosten…..können wir uns diesen kultur-staat noch leisten? Wir geben extrem viel für „kulture“ aus während anderes wie brücken, schulen usw den bach runter gehen. Nur noch irre was hier abgeht.

Deutscher
1 Monat her
Antworten an  Klaus D

Zumal diese „Kultur“ sich ohnehin nur noch dem politischen Zeitgeist andient. Kein Kulturpreis wird jemandem verliehen, wenn sein Werk nicht dem entspricht.

Innere Unruhe
1 Monat her
Antworten an  Klaus D

Kein Problem. Denken Sie nur an Simbabwe…